Paul, der Labbi-Mix (1)

ronjaeyes

Es ist schon total erstaunlich. Wirft man einen Blick in die üblichen Tierschutzportale im Internet, könnte man den Eindruck bekommen, dass auf den Straßen Südeuropas ausschliesslich Rassehunde rumlaufen, die sich mit anderen Rassehunden vergnügen, um dann Welpen für den Tierschutz zu produzieren. Nur so lässt sich erklären, warum der niedliche Straßenhund-Welpe, den die „private Tierschutzinitiative Pfötchenfellnasennotfellewauzisinnot“ gerade zwecks Adoption via Internetshopping feilbietet, ein „Border Collie/Husky-Mix“ sein soll.

Vielmehr ist der kleine Pups, der mich da gerade auf dem Foto angrinst, eher ein rasseloser Hund, ein Mischmasch aus Generationen vererbter genetischer Vielseitigkeit. Was eigentlich etwas gutes hinsichtlich zu erwartender Krankheiten und Lebenserewartung des neuen Familienmitglieds wäre. Aber verkaufen tut sich sowas nicht. Und auch der moderne Tierschützer von heute muss natürlich Marketing betreiben, um in der Masse der Konkurrenz Abnehmer für seine Notfälle zu finden.

Beschreibung: Hund, eindeutig. Vier Pfoten, zwei Ohren, eine Nase und zwei Augen. Kläffen kann er auch. so Mittelgroß, Fell hat er auch, Schwarzweisswuschig.

Das wäre zwar ehrlich, aber irgendwie nicht verkaufsfördernd. Und so wird aus dem netten Wasauchimmer das spektakuläre Ergebnis einer Liäson zwischen einem potenten, reinrassigen Huskyrüden und einer eleganten Border Collie-Dame, vermutlich ganz romantisch bei Sonnenuntergang am Strand von Palma. Bevor die junge Hundemutter dann das schlimme Schicksal von Obdachlosigkeit ereilte. Alleine, mit den Acht kleinen Rackern im Bauch kämpfte sie sich mit schlechtbezahlten Aushilfsjobs durch, bis sie schliesslich gerettet wurde … Gottseidank aber auch.

Zum modernen Tierschutzmarketing gehören immer auch herzzereissende Geschichten. Das ist in Ordnung, wenn’s hilft, von mir aus. Hauptsache gerettet, den Hund hätte ein schlimmes Schicksal erwarten können.

Achja, zum Thema Schicksal: Etwas weniger in Ordnung fand ich das Schicksal des Hundes, der von Tierschützern in Budapest gerettet wurde. Als der – frisch zugewanderte – Vierbeiner beim Tierarzt vorstellig wurde, fand dieser etwas ungewöhnliches vor. Der Hund hatte nämlich zwei Mikrochips. Die Überprüfung ergab, dass seine Besitzer ihn in Ungarn suchten. Deutsche Tierschützer hatten „die arme Seele“ nämlich aus dem Vorgarten gepflückt und mal schnell „gerettet“. Viel hilft viel, und die Ungarn sind ja eh alle verkapte Tierquäler. Oder so.

Eine Mischung aus besonders gelungenem Marketing und einem – nunja – besonders tragischen Schicksal erzählt die Geschichte von Paul und seinen Menschen.

Paul wurde nicht etwa deshalb Paul genannt, weil jeder zweite Rüde Paul heisst, sondern weil der Schriftsteller Jean Paul und überhaupt die gesamte Literatur der Romantik die gemeinsame Leidenschaft von Michael und Sabine war. Die beiden waren das, was man wohl als Intellektuelle bezeichnen würden. Sie liebten die Debatte, den geistigen Austausch und lange Gespräche. An einem Abend, an dem Michael aus seiner Kindheit erzählte und sentimal wurde, als er vom Hund seines Großvaters sprach, da beschloss Sabine, das ein Hund das Leben der beiden komplettieren sollte.

Auch so eine romantische Vorstellung: Eine Familie wie aus dem Bilderbuch, vielleicht zwei Kinder, ein hübsches Mädchen und ein frecher Junge. Der Traum Sabines. Und ein Hund, nun der passt zum Bild, oder?

Also begann Sabine, die Abende damit zu verbringen, sich zu informieren, welcher Hund zu ihnen und vor allem zu den Kindern, die sicherlich bald kämen passen würde. Außerdem war sie absolute Anfängerin, was Hunde anging und Michael konnte auch nur auf die Erfahrung mit Großvaters Hund zurückgreifen. Sogar einen Hundetrainer suchte sie auf, um sich beraten zu lassen. So kam sie zu dem Schluss, dass ein Labrador der ideale Hund für Michael und sie sein würde. Aber kein schokofarbender oder gar schwarzer Labbi, nein ein blonder sollte es werden. Bei „Marley und ich“ hatte sie geweint, dass passierte ihr sonst nie bei Filmen. Und Michael war begeistert, vielmehr noch. Er fühlte sich verstanden und auf eine tiefe Art und Weise geliebt, nie wäre er von alleine auf die Idee gekommen, einen Hund anzuschaffen, auch wenn er diesen Wunsch schon so lange in sich trug.

Die Suche nach dem richtigen Hund gestaltete sich dann doch komplizierter als beide gedacht hätten. Ein Welpe sollte es sein, da waren sie sich einig. Sie besuchten einige Züchter, mussten aber schnell feststellen, wie schwierig es ist, zu unterscheiden, ob sie nun bei einem verantwortungsvollen oder unseriösen Vertreter dieser Zunft gelandet waren. Außerdem waren sie verwundert, dass man so lange warten musste, da der Labrador ein sehr beliebter Hund ist.

Sabines Freundin Anne konnte die Idee, einen Hund vom Züchter zu kaufen, eh nicht nachvollziehen. Die Tierheime sind voll und Hunde gibt es eh schon zu viele. So reifte in den beiden der Gedanke, dass sie einem armen Tropf aus dem Tierschutz adoptieren wollten. Einem armen Geschöpf etwas gutes zu tun, das gefiel ihnen. Und dann kam Paul, der zu dem Zeitpunkt noch Hope hieß, bzw, erstmal seine Geschichte:

Hope ist ein Labrador-Mix und hat in seinem kurzen Leben sicherlich nichts gutes erlebt. Tierquäler haben dem armen Kerl beide Ohren abgeschnitten und ihn vermutlich ausgesetzt. Esperanza, unser Tierschutzengel vor Ort, fand die traurige Seele abseits der Straße im Nirgendwo. Ganz auf sich allein gestellt. Bestimmt wurde Hope geschlagen, denn er ist Menschen gegenüber sehr ängstlich. Aber mit viel Liebe und Verständnis kann auch Hope lernen, dass es DEN Menschen gibt, der seine zerstörte Seele aufbaut und ihm Geborgenheit gibt. Sind Sie dieser Mensch? Wollen Sie Hope zeigen, dass es auch Freude im Leben gibt? Hope ist geimpft, gechippt und kastriert.

Die Fotos waren etwas undeutlich, aber es war deutlich zu erkennen, wie melancholisch der arme erst 6 Monate alte Hund dreinschaute. Sabine und Michael hatten sich verliebt. Also griff Sabine zum Telefon und rief sofort die unter Anzeige angegebene Telefonnummer an.

Die Dame am Telefon erklärte ihr, dass Hope sich noch im Tierheim befinden würde, aber schon bald ausreisen könne. Vorher müssten Sabine und Michael aber eine Vorkontrolle über sich ergehen lassen, um zu prüfen, ob sich Hope bei ihnen auch wohlfühlen würde. Kein Problem, sagte Sabine, schliesslich hatten sie ja nichts zu verbergen.

Schon zwei Tage später klingelte es an der Tür und eine weitere Dame stellte sich als Helferin des Vereins vor. Gemeinsam gingen Sabine, Michael und die Dame einen Fragebogen durch. Sabine fand das gut, immerhin kümmerten sich die Tierschützer darum, wo die Tiere schliesslich landen. Michael waren die Fragen ein wenig zu persönlich und außerdem konnte die Dame nichts zu Hope sagen.

Noch am selben Abend rief der Tierschutzverein an, toll, dass die Vorkontrolle so positiv war. Einer Adoption stand nichts mehr im Wege. Sabine überwies die fällige Schutzgebühr und schon am nächsten Samstag abend würde Hope, den sie nun in Paul umgetauft hatten, Teil ihrer Familie sein. Abends lagen beide im Bett und waren ein bisschen stolz auf sich. Bald wären sie Hundebesitzer und nach der Vorkontrolle waren sie sich sicher – er würde schön.

Den Tag vor Pauls Ankunft verbrachten Sabine und Michael in den Zoofachgeschäften im Umkreis. Allenthalben ernteten sie Bewunderung für diese gute Tat, einzig eine ältere Frau murmelte etwas von überfüllten deutschen Tierheimen und von Krankheiten.

Damit sich Paul von Anfang an wohlfühlen würde, kauften sie alles, was ein Hund benötigt:

Eine 2m-Leine, eine 3-Meter-Leine, eine Flexi-Leine, eine Schleppleine, ein Geschirr, ein Button für das Geschirr mit der Aufschrift „Der tut nix“, ein Button für das Geschirr mit der Aufschrift „Blondenführhund“ (Michael fand das unglaublich witzig), ein Halsband, zwei Näpfe, ein Hundebett, ein Gitter fürs Auto, einen Reisenapf, eine Kuscheldecke für unterwegs, eine Kuscheldecke für den Kofferraum, ein weiteres Hundebett für Michaels Büro, einen Hundekamm, eine Hundezahnbürste, ein Plüschtier (genauer gesagt zwei, weil Sabine dieses eine so toll fand), ein Quietschie, einen Ball, eine Ballschleuder zum Ball, ein Buch “ Clickern“, einen Clicker, Ein Buch „Apportieren“, ein Apportel, einen Futterbeutel, ein Buch „Welpenerziehung“, einen Sack Junghunde-Futter, 12 Dosen Dosenfutter, vier Tüten Leckerchen, Kauspielzeug, Zwei Tüten Zahnreinigungskaustangen, Kaustangen, einen Hundemantel (schliesslich war es ja kalt in Deutschland), einen Halsbandanhänger mit einem eingravierten „Paul“, einen Kotbeutelbeutel und drei Rollen Kotbeutel.

Den Abend vor Pauls Ankunft verbrachten Sabine und Michael damit, im Telefonbuch und im Internet nach Hundeschulen, Tierärzten, Hundepensionen und Hundesitter zu recherchieren. Man weiss ja nie, besser man ist vorbereitet.

Dann war es Samstag, der große Tag: Wie verabredet waren Sabine und Michael pünktlich um 22:30 Uhr am Treffpunkt, einer Autobahnraststätte. Neben ihnen waren noch einige andere Leute da. Außerdem noch eine Dame, die wohl vom TIerschutzverein war und ständig mit irgendwem telefonierte. Es war kalt an diesem Abend, es hatte geregnet und auf dem Parkplatz spiegelten sich die Schatten der Wartenden im Laternenlicht.

„Es wird etwas später“ teilte die Helferin des Vereins mit. Der Transporter stünde im Stau und sei gerade erst in Dingenskirchen losgefahren. Also setzen sich Sabine und Michael in die Raststätte, gemeinsam mit einem Pärchen, das sie eben kennengelernt hatten. „Oh, wie süß, ein Labbi-Mix.“ „Und Ihrer? Oh, ein kleiner Boxer, der ist ja niedlich.“

Eine gute halbe Stunde später war es dann soweit. Ein großer Transporter fuhr auf den Parkplatz, hielt an und zwei sichtlich übermüdete Damen stiegen aus. Kurzer Smalltalk, wie war die Fahrt, ach doch so lange? Dann sind’se jetzt bestimmt froh, wenn Sie nach Hause kommen.

Die beiden Transporterfahrerinnen nestelten in einem Beutel mit Impfausweisen und jeder der Wartenden erhielt den Ausweis zum Hund. Dann öffneten sie die Seitentüre des Busses und Sabine konnte einen ersten Blick auf Paul werfen. „Hope“ stand da auf einem Blatt Papier, dass an die große Transportbox geheftet war. Und im Schein der Taschenlampe konnte sie einen Blick auf seine bernsteinfarbenen Augen werfen. Sabine war aufgeregt, griff nach Michaels Hand und spürte ein Kribbeln im Bauch, das sich ein wenig wie die erste Liebe anfühlte.

Eine der beiden Fahrerinnen nahm Sabine das Geschirr aus der Hand und öffnete die Transportbox. „Oh, das ist aber ein bisschen eng“ kicherte die Dame, als sie Paul aus dem Bus hievte.

Da stand er also. Willkommen Paul.

Hier geht es zum zweiten Teil von „Paul, der Labbi-Mix“

7 Kommentare
  1. Ute R.
    Ute R. sagte:

    Moin moin,

    also…ich habe einen S’kann grande und eine S’kann chica. S’kann sein das bei dem Großen Rauhhaarpodenco und S’kann sein das bei der Kleinen Podengo Portugues drin ist…ich hab noch nicht nachgeschaut…ich trau mich nicht die aufzumachen…die bekomm ich ja nie wieder richtig zu! 😉

    Kannst gern mal ein paar Bilder auf meinem Blog anschauen, vielleicht fällt dir ja was ein. Aber mir ist es egal wer oder was sie sind…sie passen zu mir und das ist gut so!

    LG

    Ute R.

    Antworten
  2. Mandy
    Mandy sagte:

    gröhl (ich ahne was kommt!)
    Selbst bekam ich vor vielen Jahren einen „NOTRUF-NEUE PFLEGESTELLE GESUCHT-WEIL GEFÄHRLICH HUND“ als Goldi, der bereits beim Ausladen deutlich als Maremma zu erkennen war 🙂
    Nach drei Monaten „Schwerstarbeit“ wurde er, der bis dato 23. Pflegehund, mein erster eigener und er hat alles überlebt. Aber bei uns hier, lesen wir nur über Wesenstest und Sachkunde bei euch und anderswo *hach*

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