Von Höllenhunden

Zusammenfassung:

Mit ein paar wackeren Menschen an meiner Seite habe ich die Bestandsreduzierung der „Hellhound Foundation“ übernommen. Warum und wieso kannst du hier nachlesen:

Die grundsätzliche Meinungverschiedenheit zwischen Vanessa Bokr und mir lässt sich am besten mit einer Anekdote erzählen.

Vor einigen Jahren wurden wir beide unabhängig voneinander in ein Tierheim eingeladen, um Hunde einzuschätzen.
Zu einem der Hunde sagte ich zu den Tierheimmitarbeitern: „Leute, der ist brandgefährlich. Irgendwann wird der einen von Euch schwer verletzen oder töten, schläfert ihn ein!“

Vanessas Aussage zu dem selben Hund lautete: „Leute, der ist brandgefährlich. Irgendwann wird der einen von Euch schwer verletzen oder töten, ich nehm ihn mit zur Hellhound Foundation!“

Der besagte Hund verletzte einige Zeit später tatsächlich einen Menschen in dem Tierheim sehr schwer und wurde schließlich eingeschläfert. Vanessa war zu Tode betrübt und der festen Überzeugung, dass dieser Hund nicht hätte sterben müssen.

Glücklicherweise gibt es solche „brandgefährlichen Hunde“ nur sehr, sehr selten. Es muss schon einiges schief laufen, damit ein Hund zu einer solchen Gefahr für seine Umwelt wird, dass er unter realistischen Bedingungen nicht mehr trainierbar ist.

Dafür gibt es immer mehr Hunde, die auf Grund unüberlegter Anschaffung und/oder schlechter Erziehung im Tierheim landen. In vielen Tierheimen gibt es große Defizite, wenn es um den Umgang, das Training und schließlich um die Vermittlung schwieriger Hunde geht.

Und dann gibt es Vanessa, die nicht „Nein“ sagen kann. Insbesondere dann nicht, wenn damit gedroht wird, dass ein Hund ansonsten eingeschläfert wird. „Gib’ ihn doch zur Hellhound Foundation“ wurde irgendwann zum geflügelten Satz. Und die Höllenhunde wuchsen.

Ich kenne nur sehr wenige Menschen, die mit einem derartigen Feingefühl mit aggressiven Hunden arbeiten können, wie Vanessa es tut.

Gleichzeitig kenne ich nur sehr wenige Menschen, die dermaßen chaotisch sind wie sie es ist. Das macht sie auf der einen Seite sympathisch, auf der anderen Seite sind das nicht die besten Voraussetzungen, um ein Tierschutzprojekt zu leiten.

Die Entwicklung der „Höllenhunde“ habe ich dennoch immer mit Argwohn betrachtet. Von der Idee her ein tolles Projekt, von der Umsetzung her eine Vollkatastrophe.

Zu viele Hunde, zu viel Unstetes, in meinen Augen zu viele falsche Freunde und vor allem viel zu viele Gerüchte über miserable Umstände.

Aus meiner kritischen Sicht habe ich nie einen Hehl gemacht und diese Vanessa gegenüber offen geäußert, weshalb ich auf ihrer Beliebtheitsskala ungefähr auf der selben Stufe wie Brechreiz stand.

Als ich nun vor einigen Wochen erfuhr, dass die Hellhound Foundation von Amtswegen aufgelöst werden soll, war ich nicht sonderlich überrascht.

Ich schrieb Vanessa an und fragte sie, wie es ihr gehe. Ihr ging es beschissen und sie fragte mich – halb ernst, halb im Scherze – wann ich zum Räumen käme.

In der Hellhound Foundation leben heute 107 Hunde. 40 dürften es von Amtswegen sein. Und ja, die Bedingungen sind alles andere als optimal. Und ja, da gibt es nichts schön zu reden.

Es ist leicht, sich über Vanessa zu empören, ihr vorzuwerfen, dass sie jegliches Augenmaß verloren hat und laut nach der Höchststrafe zu schreien.

Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist, dass die Hellhound Foundation über Jahre hinweg der Abfalleimer des deutschen Tierschutzes war und viele derjenigen, die jetzt besonders laut schrei(b)en, selber Hunde in die Hellhound Foundation gegeben oder an sie verwiesen haben. Viele waren sogar vor Ort oder haben zumindest einer der Fernsehbeiträge über die Foundation gesehen.

Mal ganz ehrlich: Wenn ich z.B. in Heidelberg wohne und meinen bissigen Hund abgeben möchte, dann führt mich doch nicht mein direkter Weg nach Bispingen in Niedersachsen? Der durchschnittliche Hundehalter hat keine Ahnung davon, wie schwierig es ist einen Platz für einen auffällig gewordenen Hund zu finden.

Bis er selber betroffen ist. Wie viele Absagen gab es also für die Höllenhunde aus ganz Deutschland, bevor jemand gesagt hat: „Bring ihn doch zur Hellhound Foundation“?

Am 29. Juni haben mein Freund Olli und ich die Hellhound Foundation besucht und uns ein Bild von der Lage gemacht. Wir haben alle Hunde gesehen. Viele, die sich gut in das vorherrschende Chaos integriert haben, einige, die unter dem Stress litten und manche, denen es nicht gut ging.

Von allen Hunden vor Ort würde ich etwa 10-15 als „wahre Höllenhunde“ einschätzen. Als eine Gefahr für die Umwelt, als „brandgefährlich“. Die überwiegende Mehrzahl der Hunde jedoch hat in der Hellhound Foundation nichts verloren.

Bei denen handelt es sich schlicht und ergreifend um unerzogene Rüpel, Pechvögel oder Fehlkäufe, die mit etwas Sachverstand in jedem X-beliebigen Tierheim Deutschlands zu halten und zu vermitteln wären.

Davor haben Vanessa und ich lange, oft kontroverse Gespräche geführt. Ich konnte Olli dafür gewinnen, uns administrativ zu unterstützen. Ein paar Menschen schlossen sich an. Parallel habe ich ein Konzept erarbeitet, wie die Reduktion von Statten gehen könnte.

Denn einen solchen Hundebestand löst man nicht mal eben auf. Selbst wenn sich auf diesen Beitrag hin 50 Plätze für die Tiere finden würden, kann man die Gruppe(n) nicht einfach so auseinander reißen. Gerade die hohe Anzahl von Tieren auf engsten Raum sorgt paradoxerweise dafür, dass es weitestgehend friedlich bleibt.

Hinter jeder Ecke lauert sozusagen einer, der noch mehr auf dem Kerbholz hat, als man selber. Das sorgt für einen sehr sensiblen Burgfrieden. Entnimmt man den Falschen, dann kann so eine Gruppendynamik unkontrolliert eskalieren. Mit dramatischen Folgen für die Tiere und die Menschen, die sie zu betreuen haben.

Am 14. Juli 2020 gab es einen Termin mit dem zuständigen Veterinäramt, in dem wir das Konzept vorgestellt haben. In der Zwischenzeit konnten wir die ersten 20 Hunde anderweitig unterbringen.

Zunächst einmal werden wir die bestehende Anlage so umstrukturieren, dass mehr Platz für kleinere Gruppen herrscht.
Gleichzeitig werden alle Tierschutzvereine und -initiativen, die jemals einen Hund an die Hellhound Foundation gegeben haben, kontaktiert und die Hunde, wenn möglich, rückübereignet. Und die Liste der Tierschutzvereine liest sich wie das Who is Who des deutschen Tierschutzes.

Vanessa wird derweil das tun, was sie wie kaum jemand anderes kann. Sie wird mit den Hunden arbeiten und die Tierheime und deren Mitarbeiter*innen im Umgang mit den Hunden schulen. Kein Hund verlässt das Grundstück ohne „Bedienungsanleitung“. Und jedes Tierheim und jeder ambitionierte Mensch ist herzlich willkommen, sich schulen zu lassen und so einem Höllenhund helfen zu können. Denn wie gesagt, die allermeisten könnten mit etwas Sachverstand ein stinknormales Hundeleben führen.

Viele Menschen, mit denen ich in den letzten Tagen gesprochen habe, halten mich für bekloppt. Und sie haben recht. Denn nun stehe ich offiziell in der Verantwortung für die Reduktion der Hunde der Hellhound Foundation. Dies war notwendig geworden, da Vanessa die Erlaubnis gemäß §11 entzogen wurde.

Das ist weniger deswegen bekloppt, weil es unmöglich wäre, die Hunde anderweitig unterzubringen. Es gibt genügend Kolleginnen und Kollegen, die ihre Hilfe angeboten haben. Und auch die Gespräche mit der Behörde waren angesichts der Situation sachlich und konstruktiv.

Vielmehr gibt es genügend Menschen da draussen, die aus unterschiedlichsten Interessenslagen heraus agieren, die mit Tierschutz wenig zu tun haben.

Darauf sind wir vorbereitet.

Ein paar Menschen haben versprochen, dabei zu helfen. Ein paar andere helfen bereits.

Wenn Du helfen möchtest, bist du herzlich willkommen.

Für alle anderen gibt es ja Facebook.