Mal verliert man, mal gewinnen die anderen

Es gibt so Momente, da würde ich mit den Hunden am liebsten Dinge anstellen, die mir einen Riesen-Shitstorm einbringen würden.

In den letzten Tagen häufen sich diese Momente und so langsam neige ich zu der Tendenz, dass das nächste Haustier ein Goldfisch wird. Aber vo vorne.

F. ist nicht da, sie bildet sich fort – weit genug weg, damit sie mein Fluchen nicht hört. So bin ich momentan alleinerziehend und habe neben meinen – natürlich perfekt erzogenen Hundies (*hüstel) – noch die impertinente Brut von Frauchen am Bein. Spass beiseite. Aber irgendwie habe ich den Eindruck, dass sich die Bande, als ich dem Bulli in Richtung Norddeutschland hinterwinkte, zusammengesetzt und sich abgesprochen hat. „Wir nutzen die nächsten 12 Tage, um den Typen so richtig in den Wahnsinn zu treiben.“

Ganz klare Aufgabenverteilung:

„Baboo, du kletterst auf die Anrichte und schmeisst was runter, während du, Edda, den Wassernapf umschmeisst. Wenn er uns dann rausschmeisst, fangt Ihr, Reaggea und Tacker, an wie wild zu kläffen, während Du, Polly, vor der Tür stehst und fiepst. Ihr anderen sucht derweil nach Dingen, die man zerlegen kann. Wenn er dann die Küche gewischt hat, uns ins Haus holt und sieht, was wir draussen angestellt haben, geht es in Phase 2. Während er draussen anfängt aufzuräumen, ist es an der Zeit, dass der Welpe reinpinkelt und die Rüden anfangen, sich im Wohnzimmer zu kloppen, während die Dogge einen ordentlichen Schluck auf dem frischgefüllten Wassernapf nimmt, um sich einmal herzhalft zu schütteln.“

Zu zweit stellt die Bande ja gerne mal eine Herausforderung dar, ist man allein mit ihnen, können sie einen schonmal fertigmachen. Und das funktioniert in den letzten Tagen eigentlich ganz gut. Wenn ich meinen Hautwiderstand messe, komme ich zu erstaunlichen Ergebnissen.

Im Haus ist es eh erstaunlich, welche McGuyver-Qualitäten die Tierchen an den Tag legen, wenn es darum geht, an Gegenstände zu kommen, die a) teuer, b) nicht zu ersetzen oder c) eine Riesensauerei verursachen. Ich habe kurz darüber nachgedacht, sie heimlich dabei zu filmen, aber ich bin mir sicher, dass sie dann die Videokamera kaputt machen.

Neben dem hervorragenden Teamwork unserer Lieben, hält natürlich jeder einzelne noch seine ureigene kleine Verhaltensspezialität für mich bereit. So hat der eine gerade seine Leidenschaft fürs Jagen entdeckt und nutzt die Gelegenheit, dass die andere wirklich alles frisst, was ihr beim Gassigang unter die Schnauze kommt. Sie nimmt was auf, ich nehm’s ihr weg und er macht auf zu neuen Abenteuern.

Dazu kommt, dass die eine festgestellt hat, dass sie jetzt läufig werden muss, was die Rüden der Schöpfung wiederrum zum Anlass nehmen, in mehreren Schichten Markierungsarbeiten vorzunehmen, um so ganz klar zu machen: Wenn ich dürfte, wie wollte, dann würde ich können. So hat sich die firedvolle Gruppenhaltung bis auf weiteres erübrigt, weil die Hündinnen sich zusammengesetzt haben, um zu beschliessen, dass wenn die eine läufig ist, werden sie erstmal zickig.

So habe eine strikte Geschlechtertrennung vorgenommen, was pünktlich zur Nachtruhe durch beiderseitigen Chorheulen quittiert wird. Bis auf den Welpen, der kläfft.

Heute ist Bergfest, wie man so schön sagt. Am Wochenende kommt F. zurück. Ich glaube, bis dahin werde ich noch einen netten Brief vorbereiten und mich rechtzeitig zu Sonntag einweisen lassen. Die Reaktion der Hunde darauf, kann ich mir vorstellen. „Hi five, hat ja super funtkioniert. Oh, da ist Frauchen. Damit die den so richtig für bekloppt hält, benehmen wir uns ab jetzt vorbildlich.“

Der Teufel hat sich gut verkleidet

Eigentlich wollte ich ja in den letzten Tagen mal so richtig vom Leder ziehen.

Zum Beispiel gegen die komische Tante, die sich ihre verschwurbelte Hundewelt einfach dadurch erklärt, in dem sie ein paar Fakten, die jedem 10-jährigen, der „Was ist Was: Hunde“ gelesen hat, geläufig sind, einfach weglässt. Oder die komischen Hausfrauen, die jetzt eine Webseite betreiben, auf der sie ihre Form der Walldorfschen Stuhlkreis-Hundeerlebnispädagogik dadurch zum EINZIGWAHREN stilisieren, in dem sie VIEL IN GROSSBUCHSTABEN schreiben und alles, was ihnen nicht passt, als Ursache für jegliches Hundeproblem dieser Erde darstellen.

Der Hund knurrt? Klar, das muss an der „harten“ Erziehung liegen. Wobei „hart“ bedeutet, dass sich Menschen erdreisten, sich ihres normalen Wortschatzes zu bedienen.

Ein „Nein“ ist also eine brutale Einwirkung auf die arme Canidenseele. Ok. Würde man öffentlich so einen Blödsinn über Kindererziehung verzapfen, käme das Jugendamt. Am Anfang fand ich diese völlig humorlosen und hysterischen Damen noch irgendwie witzig. Mittlerweile geht die gegenseitige Selbstminimierung in Sachen inakzeptable Handlungen soweit, dass ich empfehlen würde, die grünen Schleifen mal auf Pestizide hin zu untersuchen. Eeeeaassy.

Als Qualifizierung muss dann auch mal der Realschulabschluß hinhalten, wenn es für eine Ausbildung nicht gereicht hat und als Referenz für das errungene Fachwissen wird dann ein Abend „Deutsch-Hund – Hund-Deutsch“ mit Martin Rütter rausgekramt. Wobei – wenn ich das recht verfolgt habe, ist mittlerweile ja sogar der Traumschwiegersohn unter den Hundetrainern als Gewaltverbrecher verschrien, weil er es tatsächlich wagt, Hunden etwas zu verbieten. Verrückte Welt, vor zehn Jahren stritt sich die „Wattebauschfraktion“ mit den „Hardlinern“. Heute verläuft die Grenze nicht mehr zwischen Hart und Zart, sondern zwischen Hirn und Hohl. Darauf einen Marker.

Aber wie gesagt, EIGENTLICH wollte ich vom Leber ziehen. Aber ich habe ja zur Zeit den Teufel im Haus. Da kommt man ja zu nix. Arco. Nennt sich Welpe. Das ich nicht lache.

Arco verbringt seine Freizeit damit, zu „spielen“, zumindest ist das seine Meinung. Meine anderen Hunde nennen es Schmerz. Gestandene Hütehunde und 65-Kilo Molosser suchen das Weite, sobald Klein-Arco die Arena betritt und sagt: „Lass uns spielen, ich habe Welpenzähne und ich weiss, wie man sie einsetzt.“ Natürlich lassen sich die Großen das nicht unbedingt gefallen. Aber genau in diesem Punkt wird der Unterschied zwischen einem „Harzer Fuchs-Welpie“ und einem „Deutschen Schäferhund-Baby“ deutlich.

Wenn ein DSH-Welpe auf die Mütze kriegt, jault er auf und schleppt sich beleidigt in die Ecke. Arco jault auf, knurrt und beisst seinem Kontrahenten kräftig in die Lefze. Aber richtig, mit Blut.

Meine Hunde schauen mich an und scheinen zu mich anzubetteln: „Bitte, gib den wieder weg. Wir werden auch nie wieder an die frischgepflanzte Hecke pinkeln.“ Zu spät, die Hecke ist hin, das meine Rache. Trag es wie ein Rüde!

Die Nacht verbringt Arco damit zu kläffen. Aber nicht dieses „ich bin ein Welpe, holt mich hier raus.“ sondern vielmehr „Du blöde Drecksau, wenn ich dich kriege bistdu fällig“. Schlaf ist mit einem Hund wie Arco überbewertet und Wände sind dazu da, sie mit dem Kopf zu durchbrechen.

Ich mag ja solche Hunde. Und ich will ja nicht vom Leder ziehen … Und eigentlich ist Arco ja ein Gooooooodboooi.

Vernunft

arko

Da steht er nun und guckt mich an. Ich habe ihn „Zu verschenken“ getauft, weil ich den Gedanken witzig finde, „Zu verschenken“ zu rufen, wenn er mal ausbüxt. Und ausgebüxt ist er schon, zwei-, drei oder waren es dreizig Mal? Und nicht nur das. In den paar Tagen, in denen er bei mir ist, habe ich schon ein paar mal überlegt, eben das zu tun – den Hund dem Nächstbesten zu schenken, der ihn haben will. Aber als Tierschützer tut man sowas nicht, wir suchen ein Zuhause, aber ein schönes.

Eigentlich heisst er Arko und ist ein Harzer Fuchs. Das er vom Schäfer kommt, beweist sein Rufname. Denn so wie fast alle Familienhunde Luna oder Ben heissen, heissen die Hunde der Schäfer Prinz, Luchs oder eben Arko, wenn sie Rüden sind und Hexe oder Asta, wenn sie Hündinnen sind. Schäfer Franz hat mich gefragt, ob ich nicht jemanden kenne, der einen Hund sucht. Er hätte da einen Welpen abzugeben. „Eins von den Hundsweibern, Du weischt scho‘. Du kennst doch genug V’rückte.“ Welpen gehen immer, sie sind sozusagen die Cash-Cows des Tierschutzes. Der wird schnell ein Zuhause finden.

Arko ist jetzt 9 Wochen alt, aber das hat ihm keiner gesagt. Als er meine Hunde kennengelernt hat, ist er breitbeinig wie ein Gangsta-Rapper durch die Gruppe stolziert, die Rute oben, das Ego auch. Fremde Hunde werden angeknurrt und Futter wird verteidigt. Die anderen sind größer und stärker? Scheissegal, so etwas wie Furcht kennt Arko nicht. Genauso wenig wie Respekt oder Rücksicht. Und mit 9 Wochen schon die Rüden besteigen kann er auch. Bekommt er dann eine passende Antwort, dann quietscht er kurz, schüttelt sich und macht weiter, als wenn nichts gewesen wäre.

Wenn ihm etwas nicht passt, dann protestiert er, in dem er knurrt. Wenn das nicht reicht, dann beißt er zu. Kann er nicht zubeißen, dann kläfft er. Sehr ausdauernd. Willkommen im Debattierclub.

Diesem Hund bei seiner Entwicklung zuzusehen hat etwas von einem Autounfall. Man kann kaum hinsehen, muss aber. Denn wenn man eine Sekunde wegschaut, baut er Mist.

Mein erstes Erlebnis mit Arko war, dass er auf meinen Schoß geklettert ist, um mir dann auf die Hose zu kotzen. Mein zweites war, dass er ganz und garnicht welpentypisch laut kläffend hinter einer Joggerin her ist. Während unseres dritten Erlebnisses war ich nicht mehr verwundert, als er sich in Bad Schwalbach knurrend einem Rottweiler in den Weg gestellt hat. Und das er mir dann folgerichtig in die Hand gebissen hat, als ich ihn vor seinem sicheren Ende bewahren wollte, lag eigentlich auf selbiger.

Arko ist das, was man einen Arschlochhund nennt. Dieser Fellhaufen hat schon jetzt so viel Testosteron, dass ich wetten könnte, dass zwei Rüden an seiner Zeugung beteiligt waren. Arko ist quasi der Chuck Norris unter den Welpen, wenn der mal groß ist, landet er nicht im Tierheim, sondern im Gefängnis.

Ich bin welpenresistent, das Kindchenschema zieht bei mir nicht. Ich finde Welpen nicht besonders niedlich und außerdem nerven sie. Überall, wo man mit ihnen auftaucht wird man von fremden Menschen vollgequatscht. „Ist der süüüüüss.“ Würg. Bei Arko ist das etwas anders. Zwar kommen die Menschen mit dem „S-Satz“, aber nach einigen Minuten weicht der debil-verliebte Blick einem erstaunt-ratlosen und man hört man Dinge wie „Der hat aber ganz schön viel Energie.“, „Uiii, der ist aber frech.“ und manchmal auch „Aua, der hat mich gebissen.“

Und nun steht er da und guckt mich an. Heimlich habe ich ihn „Meiner“ getauft, aber das wäre unvernünftig, nein, dumm! Und ich weiß, wie F. das finden würde. Und sie hat recht. Ich hasse es.