Auf Reise
Als Tacker mich mit diesem für ihn typischen flehenden Blick anschaute und „Bittebittebitte, lass mich die dumme Weimaranersau umbringen“, dachte ich mir „Ok, aber nur, wenn ich die Halterin umbringen darf“.
Da stand ich nun mitten im Futterbeutelland, wie ich es ab sofort nenne. Vor mir eine junge, dynamische Frau mit einem „Weimi“, der dermaßen an der Leine zog, dass sie sich ganz schön strecken musste, um ihm ein Leckerchen ins Maul zu stopfen.
Das edle Tierchen wiederum fixierte frolic-kauend meinen schnöden Hüteköter, was von Frauchen mit einem „feeeeiiin“ quittiert wurde.
Tacker, dem solche Gepflogenheiten gänzlich fremd sind, wollte nicht länger auf mein Ok warten, ihm kam die Einladung zum Infight gerade recht.
Der arme Hund, was der in den letzten Tagen erleben musste.
Fangen wir in dem Zoofachgeschäft an, das ich aufsuchte, um für meine Bande möglichst billiges, getreide- und zuckerhaltiges Trockenfutter zu kaufen.
Zur Erklärung, das ist meine neue Strategie, um Zoofachgeschäftsmitarbeiterinnen von mir fernzuhalten.
Sobald mir eine von denen ein fröhliches „Kann ich Ihnen helfen?“ entgegenflötet, pflege ich zu antworten „Ja, ich suche ein möglichst schädliches Hundefutter, das die Lebenserwartung meiner Hunde drastisch reduziert und Allergien auslöst. Haben Sie etwas genmanipuliertes im Angebot?“
In 94% der Fälle kann ich anschließend den Einkauf in Ruhe fortsetzen, ohne dass mir jemand „Hundewasser“ zu 11,98 € das Sixpack aufschwätzen will.
So stand ich also in diesem Zoofachgeschäft und wollte gerade den Sack Tod auf Raten bezahlen, als eine dieser Mitarbeiterinnen ankam, sich überfallartig auf das Tackerchen stürzte und ihn „Och, bist du süß“-quietschend mal so richtig durchkuschelte.
In diesem Moment vernahm ich ein leises „Pock“. Das war meine Kinnlade, die gerade auf die Fliesen geklatscht war.
Ich fragte mich, ob die Dame wahnsinnig ist, kam aber nicht mehr dazu, sie zu fragen, denn just in dieser Sekunde steckte ein Labbi-Mix seine dicke Nase in den Hintern meines Rüden, was dieser in der selben Sekunde mit sofortiger Exekution beantworten wollte.
Ich zischte möglichst leise ein „Nein, Wag es dich“ in Richtung Tacker und spürte sofort die bohrenden Blicke der um ihren Trauernden in Spe im Kreuz. „Hat der etwa Nein gesagt?“ Ja, hat er.
Angesichts solch derber Aversion meinerseits hätte ich erwartet, dass die Labbi-Mix-Halterin vielleicht mal ihre Fellnase zurückpfeifen würde. Immerhin befanden wir uns in einem Zoofachgeschäft. Jede Menge Ware, die entsorgt werden müsste, wenn das Tackerchen den Labbi auf den Fliesen verteilt.
Aber nö, sie stand da, fand sich und ihren Hund offensichtlich witzig und ich hatte das Vergnügen, den Hüte-Rambo am Amoklauf zu hindern.
Als ich vor zwei Wochen im tiefsten Bayern auf einem Bauernhof zu Gast war, trafen wir auf Simba, den Hofhund.
Simba, 12 Monate alt, Howi-Berni-Irgendwas mit grazilen 40 Kilo, der meinte, in einem Akt gnadenloser Selbstüberschätzung über mein gemerltes Grauen herzufallen. Ungefähr drei Minuten später war Simba um eine Erfahrung reicher und die Besitzer immer noch gelassen.
Hier wären Tacker und ich auf der Stelle ausgewiesen worden. Achwas, hätte ich meinen Hund tun lassen, was Hunde so tun, hätten die mich vermutlich gefesselt und mit Fackeln und Forken zur nächsten Tierärztin mit Zusatzbezeichnung Verhaltenstherapie getrieben, wo das Tackerchen unter lautem Geclicker kastriert worden wäre.
Überhaupt scheinen die Menschen hier – natürlich nicht alle, aber die Ausnahme bestätigt ja die Regel – ein etwas anderes Verhältnis zur Hundeerziehung zu haben als andere Menschen.
Die örtlichen Hundetrainerinnen mit kynopädagigischem Positiv-Diplom zum Beispiel verschreiben samt und sonders Schleppleinentraining und beim Gassigehen aus der Hand füttern als Allheilmittel für jegliche Probleme.
Super Sache, denn erstens kann der geneigte Vierbeiner mit so einer Schleppleine sein Opfer fesseln, bevor er es killt und zweitens kann man seinen Hund prima am Jagen hindern, indem man ihm massives Übergewicht anfüttert.
Die Individualdistanz der hiesigen Hundehalter scheint irgendwo bei Minus 12 cm zu liegen, hier wird nicht gefragt, hier wird getestet. Und sollte es ein Köter auch nur wagen, etwas Distanz einzufordern, liegt das Problem natürlich bei ihm und nicht in der Rücksichtslosigkeit der Menschen.
Als ich dann abends noch mal unterwegs war, hörte ich plötzlich eine Frau quietschen. Sie stand etwas verloren auf dem Weg und machte stimmgewaltig und hochoktavig „Jabajabajaba“. Allein.
Gerade als ich ihr zu Hilfe eilen wollte, weil ich einen Anfall oder schlimmeres vermutete, nahm ich am Horizont einen schwarzen Punkt wahr, der sich hin und her bewegte. Als der Punkt ein wenig größer wurde, brüllte die alleinstehende „Feeeeeeiiiiiin“, worauf der Punkt wieder kleiner wurde.
Ich schaute mir das Spektakel an, guckte Tacker an und ich glaube, er schüttelte kurz den Kopf.