Laut lachen mit Mark

Der Biologe Norbert Sachser schreibt in seinem Buch „Der Mensch im Tier“ (gutes Buch, kaufen!) über seine Oma, die einen Hund hatte. Er schildert, dass sie das Tier in- und auswendig kannte, genau wusste, was er mag und wie sie mit ihm umgehen konnte. Sachser bescheinigt seiner Oma eine hohe Tierkenntnis, wie er es nennt. 

Worüber Sachsers Großmutter jedoch nicht verfügte, war Sachkenntnis. Sprich, sie kannte sich sehr gut mit ihrem Hund aus, jedoch nicht mit Hunden im Allgemeinen.

In meiner Familie war es nicht die Oma, sondern meine Tante Waltraud mit ihrem Hund Purzel. Purzel war ein kleiner Mischling unbekannter Herkunft und hatte einige „Special Effects“, wie es heute euphemistisch genannt wird, wenn Hunde schlecht erzogen sind*. Doch auch meine Tante verfügte über die besagte Tierkenntnis und kam mit ihrem Purzel prima klar. Von Hunden an sich hatte sie jedoch keine Ahnung.

Das war aber auch nicht weiter tragisch, denn meine Tante ist nie auf die Idee gekommen, irgendwelchen Menschen Ratschläge im Umgang mit deren Hund zu geben.

40 Jahre später ist das anders.

Heute füttert Tierkenntnis den Algorithmus sozialer Netzwerke, insbesondere den des Boomer-Netzwerks „Facebook“. Mark Zuckerberg gefällt das.

Sobald jemand eine Frage zum oder gar ein Problem mit Hund formuliert, finden sich jede Menge Erfahrungen, die andere Menschen mit jeweils ihrem Hund gemacht haben.

Hunde sind allerdings hoch individuell. Genauso wie Menschen. Das heisst, nur weil mein Topptipp bei meiner Fellfresse* maximale Wunder bewirkt hat, heisst das noch lange nicht, dass das bei Deinem Wauwau auch klappt.

Dazu kommt, dass das, was du schilderst noch lange nicht dem entsprechen muss, was ich verstehe. (Das gilt übrigens auch für die Interpretation etwaiger Videoschnipsel etc)

Ein Beispiel: Vor vielen Jahren klingelte mal mein Telefon und ein älterer Herr schilderte mir, dass er Training benötige, weil sein Hund den Nachbarn „gezwickt“ hatte. Auf meine Frage, ob der Nachbar ihn angezeigt hätte, antwortete der Herr: „Nein, der liegt noch im Krankenhaus“.

Seine Vorstellung von Zwicken war definitiv eine andere als meine.

Fassen wir mal zusammen:

Auf Grund einer Hundegeschichte in einer Hundegruppe bastelt unser Gehirn beruhend auf unserer persönlichen Phantasie Bilder zusammen, anhand derer wir Tipps geben, die auf unserer Erfahrung mit einem völlig anderen Hund beruhen.

Diese Tipps wiederum werden von anderen beruhend auf ihrer Phantasie und persönlichen Erfahrung interpretiert und Tada:

Schon ist die deftige, nennen wir es Diskussion, inklusive des verschwenderischen Umgangs von Satzzeichen in vollem Gange.

Mark Zuckerberg gefällt das.

Die Person, die sich eigentlich Hilfe oder einen Tipp erhofft hatte, darf sich aus dutzenden Meinungen, die als Ratschläge getarnt sind, derweil eine aussuchen.

Alles Wissen dieser Welt – jetzt kostenlos

Glücklicherweise gibt es in jeder Hundegruppe, die was auf sich hält, entsprechend kynopädagogisch geschultes Fachpersonal, das sich in die Diskussion einbringt und die eigene Expertise zumeist auch gleich im ersten Satz betont.

Bei meinen Workshops frage ich gerne mal in die Runde, wer von den Teilnehmenden** eigentlich hauptberuflich mit Hunden arbeitet und wie viel Zeit dabei übrig bleibt, um in Hundegruppen über Verhalten zu diskutieren und Tipps zu geben.

Wenn ich nicht gerade Veranstaltungen vorbereite, gebe oder nachbereite, versuche ich die ganzen Mails zu beantworten, Telefonate zu führen und irgendwie die Buchhaltung zu schaffen, um zu verhindern, dass mein Steuerberater das Land verlässt. Nebenbei möchten meine eigenen Hunde ja auch mal raus und diese merkwürdigen sozialen Bedürfnisse meiner Familie befriedigt werden.

Natürlich möchten auch die sozialen Netzwerke bedient werden, damit ihr mitbekommt, dass ich endlich mal wieder zum Bloggen gekommen bin.

Doch selbst wenn ich es wollte, hätte ich nicht die Zeit, in Hundegruppen ernsthaft mitzudiskutieren. Geschweige denn, eine gesamte Kommentarspalte durchzuarbeiten.

Und eine Frage soll erlaubt sein:

Eine fundierte Ausbildung in Sachen Hundetraining kostet eine Menge Geld. Dazu kommen jede Menge investierte Zeit in Fortbildungen, das Lesen von Fachbücher etc.

Warum sollte jemand all dieses Wissen für alle kostenlos in eine Hundegruppe schenken?

Wie hilfreich sind eigentlich soziale Netzwerke?

Mit Blick auf junge Menschen können wir überall nachlesen, wie bedenklich soziale Netzwerke sein können.

Während Instagram ihnen vorgaukelt, dass ein Körpergefühl nahe am Hungertod das wahre Sexy ist, fackeln sich andere selber ab, weil es eine entsprechende Challenge auf TikTok gibt. Facebook und Telegram werden mittlerweile von vielen Menschen als seriöse Quelle für vermeintlich sensationelle Nachrichten akzeptiert.

Warum sollten soziale Netzwerke für Menschen mit Hund weniger problematisch sein als für Jugendliche?

Niemand kommt auf die Idee, bei Instagram mal ein Reel zu posten, in dem man gerade maximal genervt vom Köter* ist. Überall brave Hundchen, strahlende Herrchenmenschen*, überall Heititei. Und wenn nicht, dann total ironisch, *hihi*, diese kleine Kackbratze*. Man muss sie einfach lieben,

Es gibt jede Menge Studien, die sich damit beschäftigen, dass der ständige Vergleich mit anderen in den sozialen Netzwerken die Menschen unglücklich macht, dass das Prinzip der „Likes“ für eine Dopaminausschüttung sorgt, die empfängliche Menschen süchtig machten kann. YouTube hat das „Dislike“ nicht etwa angeschafft, weil Alphabet so menschenfreundlich ist, sondern weil es schwerwiegende psychische Folgen für insbesondere junge Menschen haben konnte.

Ich habe es bereits an anderer Stelle geschrieben und erzähle es nahezu jedes Wochenende bei meinen Veranstaltungen:

Wenn jemand in einer Gruppe, die sich z.B. mit der Fütterung von Hunden beschäftigt, besonders betont, wie viel Mühe in die Zubereitung und Zusammensetzung des Futters investiert wird, dann tut dieser Mensch das in erster Linie, um sich selber gut zu fühlen.

Selbiges gilt, wenn die selbe Person fordert, das Dir der Hund abgenommen werden sollte, weil Du nur schnödes Trockenfutter verfütterst.

Wenn jemand jeden Tag die ewig selben Fotos* vom Hund auf Baumstamm, Heuballen, im Wald und auf dem Hundeplatz postet, dann, damit jeder sieht, wie aktiv man ist.

Und wenn Dir jemand einen kostenlosen Tipp gibt, dann vielleicht, um dir parallel zu zeigen, dass du keine Ahnung hast. Ratschläge sind auch Schläge.

Nicht Facebook, Instagram oder TikTok müssen mit deinem Hund klarkommen, sondern du.

Soziale Netzwerke sind Dir bei der Erziehung deines Hundes in etwa so behilflich, wie die Menschen, die dich ungefragt auf der Hundewiese vollquatschen.

Es ist deine Entscheidung, wie du trainierst, welche Form der Beschäftigung du wählst, was du fütterst und ob Du Halsband oder Geschirr anlegst.

Ganz schön polemisch, wa? 

Vor kurzem habe ich mal ein Meme mit folgendem Text erstellt:

„Wenn ein Hund droht, ist das sehr nett von ihm. Er sagt ‚Hau ab, sonst gibt das Ärger.‘ Es git auch heute noch Menschen, die das Drohverhalten abtrainieren. Mit dem Ergebnis, dass es Ärger gibt.“

Darunter kommentierte jemand „Das ist aber sehr verkürzt dargestellt“, jemand anderes antwortete darauf „Ja, aber das gibt Likes“.

Genauso funktionieren soziale Netzwerke, eine kurze prägnante Aussage mit dem Ziel, Likes zu generieren.

Wenn man sich dessen bewusst ist, kann auch Facebook nette Unterhaltung sein.

Bei allem anderen hilft ein gutes Buch.

Wie sagen die jungen Leute so schön? Haters gonna hate.

 

*Diese Formulierung nutze ich nur für den Algorithmus!

** Außerdem habe ich versucht, den Artikel weitestgehend in genderneutraler Sprache zu verfassen, nur um Euch zu ärgern.

Podcastfolgen

Podcasts sind eine tolle Sache. Man kann sich in aller Ruhe anhören oder sogar ansehen, was andere Menschen zu bestimmten Themen zu sagen haben. Und die Menschen haben oft eine Menge zu sagen.

So auch ein bekannter Kollege, der sich vor einigen Tagen in einem Podcast über Schutzhundesport geäußert hat, was wiederum für heftige Reaktionen im Alte-Leute-Netzwerk „Facebook“ gesorgt hat.

Die Kernaussage der Kritik lautet, dass der Kollege Hunde, die im Schutzdienst trainiert werden, pauschal als gefährlich dargestellt hat.

Die Reaktionen im Netz fallen erwartbar aus. Diejenigen, die (Schutz-)hundesport betreiben, schimpfen über ihn, der ja keine Ahnung haben kann, weil er noch nie einen Hund erfolgreich durch eine Prüfung geführt habe.

Die anderen sind sich sicher, dass auf allen Hundeplätzen der Republik in tierquälerischer Absicht Hunde geknechtet werden und dieser Hundesport verboten gehört.

Also, wird ein Hund gefährlich, weil er im Schutzhundesport trainiert wird?

Ein ganz klares Nein! Aber!

Wenn ich einen Hund mit Blick auf eine eventuelle Gefährlichkeit hin überprüfe, gibt es zwei elementare Punkte, die es einzuschätzen gibt.

Auf der einen Seite das Aggressionsverhalten des Hundes, wobei ein aggressiver Hund nicht zwingend gefährlich sein muss. Ganz im Gegenteil. Wenn ein Hund Drohverhalten zeigt, ist das erstmal sehr nett von ihm. Immerhin gibt er mir zu verstehen, dass ich besser gehen sollte, wenn ich nicht gebissen werden möchte.

Gefährlich wird es im Aggressionsbereich erst dann, wenn der Hund kein Drohverhalten (mehr) zeigt, „reflexartig“ beißt oder das Aggressionsverhalten inadäquat stattfindet. Dass Hunde das zeigen, was oft als Beschädigungsbeißen bezeichnet wird, kommt sehr selten vor.

Damit kommen wir zum zweiten Punkt, nämlich dem, was gerne als fehlgeleitetes Beutefangverhalten bezeichnet wird. Nahezu allen schweren Beißvorfällen in den letzten Jahren lag keine aggressive Motivation zu Grunde, sondern eine jagdliche Motivation.

Ein – gewünschtes – Ergebnis menschlicher Selektion ist, dass Hunde Dinge jagen, die nicht zu ihrem Beutespektrum gehören. Im besten Fall kann dieses Objekt ein Ball sein, im schlimmsten Fall löst der Hund jagdlich auf Menschen aus.

Das Ziel von Aggression ist letzten Endes die Distanzvergrößerung.
Das Ziel von Jagen ist Töten und Fressen der Beute.

Damit kommen wir zum Punkt.

Der Besitzer eines Hundes, der ein Kind getötet hat, hat es vor einigen Jahren bei der Verhandlung des Falles auf simple wie tragische Weise zusammengefasst:

„Der Hund wollte nichts böses tun, er hat den Kopf mit dem Ball verwechselt.“

Nahezu alle aus meinem Bekanntenkreis, die Hundetraining geben, raten den Menschen dringend davon ab, mit dem Hund unkontrolliert Objekte zu werfen oder „Zerrspiele“ zu veranstalten.

Die Betonung liegt auf „Unkontrolliert“.

Hunde müssen nicht, aber sie können als Folge ungünstiger Beschäftigung verlernen, Bewegungsreize zu differenzieren, so dass sie jagdlich auf Artgenossen oder Menschen auslösen.

Diese Hunde sind gefährlich.

Diese Gefährlichkeit wiederum kann durchaus überprüft werden, ohne eine Prüfung absolviert zu haben.

Im Hundesport – und nicht nur im Schutzhundesport – spielt „Beute“ eine große Rolle. Sei es zur Belohnung, Motivation oder als Bestandteil der Aufgabe, die der Hund lösen soll.

Und überall da, wo Beutereize eingesetzt werden, muss das Verhalten des Hundes genau betrachtet und darauf eingegangen werden.

Passiert das nicht, besteht die Gefahr, dass Hunde bei gewissen Reizlagen außer Kontrolle geraten.

Vernünftig angeleitet auf dem Hundeplatz ist diese Gefahr nicht größer als unkontrolliert im heimischen Garten.

Die Sache mit der Zuchthygiene

Die Gebrauchshunderassen, die heute oft in der IGP und im Ringsport eingesetzt werden, neigen rassebedingt dazu, ein erhöhtes Beutefangverhalten zu zeigen.

Diese Verhaltenstendenzen sind gewünscht und im Training mit den Hunden hilfreich.

Das Ziel, möglichst griffige Hunde zu züchten, führt leider auch dazu, dass viele Hunde heute ein extrem dünnes Nervenkostüm haben, was dann mit „Triebigkeit“ verwechselt wird.

Und manche topp motivierte Neuhundebesitzwer*innen haben das Problem bereits auf dem Schoß sitzen, wenn sie den Hof der Zuchtstätte verlassen.

Die Kombination aus ungünstigem Trainingsaufbau und mangelnder Zuchthygiene kann man spätestens dann im Tierheim besuchen, wenn die Hunde ungefähr 18 Monate alt sind.

Damit kommen wir aber zum anderen Punkt.

Wird im Hundesport tierschutzrelevant trainiert?

Wenn ich den Kommentarspalten auf Facebook glauben darf, haben ausnahmslos alle, die Hundesport generell skeptisch sehen, die Erfahrung gemacht, dass auf den Hundeplätzen ausschließlich stachelwürgerschwingende Brutalos unterwegs sind.

Natürlich wird es hier wie in jedem anderen Bereich auch schwarze Schafe geben. Aber.

Der Schutzhundesport in Deutschland hat ein massives Nachwuchsproblem, welches in Teilen natürlich hausgemacht ist.

Noch in den 1980er Jahren gab es in nahezu jedem Dorf eine Ortsgruppe des SV und oft noch eine vom Boxer Klub und vom PSK. Die Trainingsmethoden zu dieser Zeit waren oft sehr ruppig, so dass viele Menschen den Vereinen den Rücken gekehrt haben.

Die meisten Ortsgruppen sind quasi ausgestorben und viele der verbliebenen Hundesportvereine haben ihre IGP-Abteilungen geschlossen, weil sich kaum jemand mehr dafür interessiert.

Um neue Mitglieder zu gewinnen und die Abwanderung bestehender Mitglieder zu verhindern, liegt es im ureigenstem Interesse der Hundesportvereine, nicht mit tierschutzrelevanten Methoden zu arbeiten und bei der Ausbildung auf Motivation und Belohnung zu setzen.

Die Hunde sollen in den Prüfungen freudig arbeiten und die Gesamterscheinung spielt bei der Bewertung eine Rolle. Hunde, die sich in einer Aversion bewegen, werden keine guten Platzierungen erreichen.

Also was?

  • Hunde werden nicht automatisch gefährlich, nur weil sie im Schutzhundesport trainiert werden.
  • In jedem Bereich des Trainings mit Hunden ist Sensibilität gefragt.
  • Um die Gefährlichkeit eines Hundes einzuschätzen, muss man keinen Hund erfolgreich durch eine Prüfung geführt haben.
  • Eine lerntheoretisch korrekte und erfolgreiche Schutzhundesportausbildung kann nicht tierschutzrelevant erfolgen.

Die Sache mit den Webinaren

Eine große Analogie zwischen Hunden und mir ist die, dass ich gerne ressourcenschonend arbeite. Andere würden sagen, dass ich ein faul bin, aber ressourcenschonend klingt doch irgendwie schöner.

Und so habe ich auch versucht, den administrativen Aufwand in Grenzen zu halten, wenn es um Webinare geht.

Bis dato war es so:

Du meldest Dich über meine Webseite an und erhältst als Antwort die Zugangsdaten zum Webinar, einen Link zu den Unterlagen und die Rechnung. Alles in einem Abwasch, ganz einfach.

Als ich 2014 die ersten Webinare gegeben habe, war die Technik oft noch wackelig.

Teilnehmer*innen hatten technische Probleme, kamen nicht rein oder hatten keinen Ton. Sowas ist natürlich maximal ärgerlich, weshalb ich immer Aufzeichnungen zur Verfügung gestellt habe. Schließlich haben die Leute dafür bezahlt. Und außerdem kann ich nachvollziehen, dass man die Inhalte vielleicht noch mal nacharbeiten will.

Leider hat sich im Laufe der Zeit herauskristallisiert, dass es Kolleg*innen und Teilnehmer*innen gibt, die die zur Verfügung gestellten Materialien an Dritte weitergeben.

Grundsätzlich finde ich es völlig OK, wenn Du dir das Webinar mit deiner besten Freundin anschaust oder dem einen Kollegen in der Hundeschule die Aufzeichnung zur Verfügung stellst. Ich persönlich möchte nicht päpstlicher als der Papst sein, wenn es darum geht, die Nutzung zu kontrollieren.

Was ich weniger OK finde ist jedoch, wenn du den Link zu den Materialien in sozialen Netzwerken teilst. Und so kam es vor einiger Zeit vor, dass ein Aufzeichnungsordner mehr als 1000 mal (!) angeklickt wurde, obwohl nur 60 Teilnehmer*innen im Webinar anwesend waren.

Was ich dann schon ärgerlich finde ist, wenn in einer WhatsApp-Gruppe abgesprochen wird, dass eine Person sich anmeldet und die Materialien dann an alle weitergibt.

Richtig zum Kotzen wird es, wenn eine Kollegin die Copyright-Hinweise aus den Materialien entfernt und diese dann im Internet zum Kauf anbietet. Da ist Feenstaub dann alle.

Problematisch für alle Beteiligten wird es dann, wenn manche Menschen gar nicht vorhaben, sich fortzubilden, sondern es lediglich auf den Ordner mit den Unterlagen und der Teilnahmebescheinigung abgesehen haben.

Die Mitarbeiter*innen der Veterinärämter und Tierärztekammern sind ja nicht doof. Und so gibt es die ersten Behörden, die Webinare als Fortbildungen nicht mehr akzeptieren. Logisch, denn überprüfen, ob du wirklich dabei bist, kann niemand. Die Tierärztekammern diskutieren schon länger eine ähnliche Beschränkung.

Und wenn Du Dich beschwerst, dass Du keine Teilnahmebescheinigung bekommen hast, obwohl das Webinar erst morgen stattfindet, ist das halt etwas verdächtig.

Diejenigen, die das Nachsehen haben sind die, die sich auf einen – hoffentlich – unterhaltsamen und informativen Abend freuen und gleichzeitig den Fortbildungsnachweis benötigen.

Deshalb gibt es ab sofort einige Änderungen.

  • Während des Webinars erhaltet Ihr ein Passwort, mit dem Ihr auf die Teilnahmebescheinigung zugreifen könnt. Ohne Teilnahme, kein Passwort. Ohne Passwort keine Teilnahmebescheinigung.
  • Wenn es sich bei dem Webinar um eine Aus-/Fortbildung, also z.B. 11er-Vorbereitung oder Start.Ab.-Webinar handelt, könnt ihr selbstverständlich weiterhin auf Aufzeichnungen zugreifen – allerdings nur in Verbindung mit Eurem persönlichen Google-Account. Ein Download wird nicht mehr zur Verfügung gestellt.
  • Für Webinare, die keinen Fortbildungscharakter haben und keine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema voraussetzen, wird es keine Aufzeichnungen mehr geben.

Viele werden den Mehraufwand ärgerlich finden. Ich persönliche finde das Ganze am ärgerlichsten. Zum einen, weil ich immer noch der Meinung bin, dass wir Hundemenschen untereinander einen kollegialeren Umgang pflegen sollten, zum Anderen, weil ich es eigentlich ressourcenschonend mag. Bin halt doch faul.

Schnäppchen

Manche Pointen zünden schmerzhaft.

So klingelte vor einiger Zeit mein Telefon. Am anderen Ende der Leitung war eine Veterinäramtsmitarbeiterin, mit der ich hin und wieder mal zu tun habe. Nach kurzem Smalltalk kam sie auf den Punkt und fragte mich, ob ich jemanden wüsste, der einen Hund aufnehmen könnte, der gerade eben ein Kind schwer verletzt hatte.

Die Antwort war einfach: Nein.

Dennoch schilderte sie mir, was passiert war:

Die Familie hatte den Hund kurz zuvor bei Ebay-Kleinanzeigen gefunden. In der Anzeige fanden sich ein paar putzige Fotos und eine rührige Geschichte, warum die süße Fellnase ein neues Zuhause braucht.

Die Menschen waren sofort schockverliebt und Zack: Schon hatten sie ein neues Familienmitglied. Ein echter Glücksfall sozusagen.

Bis zu dem Morgen, an dem die Leute ihren neuen Hund einen Moment lang mit ihrem Kleinkind unbeaufsichtigt ließen und dieser dem kleinen Jungen in den Kopf biss und ihn beissschüttelnd durch die Wohnung schleppte.

Nun war das Kind in der Universitätsklinik und der Hund im Schlafzimmer eingesperrt.

Die Eltern des Kindes hatten verständlicherweise kein Interesse daran, auch nur noch eine Sekunde mit dem Hund zusammenzuleben, also wendeten sie sich zunächst an das nächste Tierheim.

Nun ist es jedoch so, dass Tierheime nicht verpflichtet sind, Abgabetiere aufzunehmen. Die Verträge mit der Gemeinde umfassen lediglich Fundtiere und solche, die aus Beschlagnahmungen stammen.

Das Tierheim lehnte also dankend ab.

Also kontaktierten die Menschen das zuständige Veterinäramt, welches jedoch nicht weiterhelfen konnte. Denn grundsätzlich wäre es mit etwas Kreativität zwar möglich, den Hund einzuziehen und so über Umwege im Tierheim unterzubringen. Zumal von einer Gefährlichkeit des Hundes auszugehen ist und die Besitzer des Hundes bisher weder eine Erlaubnis zum Halten gefährlicher Hunde geschweige denn eine Sachkunde vorzuweisen hatten.

Doch gibt es im Vertrag zwischen Gemeinde und zuständigem Tierheim einen Passus, der das Tierheim von seinen Pflichten entbindet, sobald der Hund aggressiv oder gefährlich sei.

Da sich keine Lösung abzeichnete, entschieden sich die Hundebesitzer dazu, einen Tierarzt aufzusuchen und den Hund einschläfern zu lassen. Doch auch das ist nicht so einfach. Denn die Einschläferung eines Hundes auf Grund von Gefährlichkeit oder übersteigertem Aggressionsverhalten ist im entsprechenden Landeshundegesetz nicht vorgesehen.

Eine Erfahrung, die auch eine Tierärztin machen musste, die einen Hund nach mehreren Beißvorfällen eingeschläfert hatte und in der Folge erfolgreich wegen Verstosses gegen das Tierschutzgesetz verurteilt wurde. Ironischerweise hatte ausgerechnet ein Vorstandsmitglied des Tierschutzvereins die Anzeige erstattet, welcher sich nun weigerte, den Hund aufzunehmen.

Fassen wir also zusammen:

Während das Kind noch im Krankenhaus behandelt wird, findet sich kein Tierheim, welches den Hund aufnehmen würde. Dies ist insofern verständlich, weil davon auszugehen ist, dass der Hund lebenslang zu verwahren ist.

Gleichzeitig findet sich kein Tierarzt, der Hund einschläfern würde, da zum einen die Verurteilung der Kollegin und zum anderen der allgemeine Aufschrei rund um „Chico“ vor einigen Jahren verhindern, dass irgendein/e Veterinär/in freiwillig seinen Ruf und seine Karriere gefährdet. Auch das ist verständlich.

Vor zwei Wochen traf ich mich dann mit einem Kollegen zum Metal hören, Biertrinken und Blödsinn reden und erzählte ihm von der Geschichte. Er sicherte mir zu, dass er für den Hund einen Platz in seiner Pension freischaufeln würde.

Tolle Nachricht, dachte ich mir noch und rief gleich am Tag drauf beim Veterinäramt an. Das Thema hatte sich zwischenzeitlich allerdings erledigt. Die Familie hatte den Hund „anderweitig weitervermittelt“.

Vermutlich mit ein paar putzigen Fotos und einer rührigen Geschichte.

 

 

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In einigen Bundesländern dürfen auffällig gewordene Hunde nur an sachkundige Personen weitergegeben werden. In der Regel sind dies Tierheime oder Menschen, die die Sachkunde vor Übernahme des Hundes nachweisen.

In dem betreffenden Bundesland gibt es diese Vorgabe nicht.

Wenn jemand einen Hund über Ebay, Quoka, Deine Tierwelt oder wie sie alle heissen übernimmt und sich dieser im Nachhinein als gefährlich herausstellt, bedarf die Haltung einer Genehmigung.

Das heisst, dass der neue Besitzer des als gefährlich eingestuften Hund eine Erlaubnis beantragen und seine Sachkunde nachweisen muss, um eben diesen Hund zu halten. Und Nichtwissen schützt nicht vor Strafe. Auch nicht vor erhöhter Hundesteuer und Auflagen für die Haltung des Tieres.

Die Vermittlung an sich ist erstmal legal. Und in der Sekunde in der sich die Vertragsparteien einig sind, hat der/die neue Besitzer/in das Problem am Hacken.

Auch wenn es sicherlich rechtliche Möglichkeiten gibt, bei Verschweigen oder Unterschlagen von wichtigen Informationen betreffs des Verhaltens des Hundes gegen den oder die Verkäufer/in vorzugehen: Das ändert nichts daran, dass das Problem erstmal im Kofferraum der frischgebackenen Hundebesitzer sitzt und sich solche Auseinandersetzungen ewig ziehen.

Solche Fälle treten in letzter Zeit – wenn auch nicht in der Drastigkeit – immer öfter auf.

Man kann also nicht oft genug betonen: Augen auf beim Hundekauf!

Hässliche Wahrheit (3): Man darf sie nicht alle retten!

Heute habe ich frei. Und weil ich keine Ahnung habe, was ich mit so viel Freizeit anfangen soll, trödle ich ein wenig in den sozialen Netzwerken rum. Und siehe da. In meiner Timeline spült es einen Hilferuf hervor:

Jemand sucht für einen Hund, der mehrfach aktenkundig gebissen hat, einen Menschen, einen Verein oder wasauchimmer. Zwecks Rettung vor der „Todesspritze“, wie der Autor schreibt. Solche Aufrufe sind erstmal nicht außergewöhnlich und zumindest in meiner persönlichen Filterblase allgegenwärtig.

In diesem Fall jedoch gibt es einige Besonderheiten.

Zum Einen lebt der Hund nicht in Deutschland, sondern in der Schweiz. Das ist aber nicht so schlimm, denn zum Anderen würde die Schweizer Polizei schriftlich genehmigen, dass der Hund ausreisen darf.

Das ist ja ein Ding, denke ich mir. Und tatsächlich finden sich unter dem Beitrag jede Menge Kommentator*innen, die den armen Bub sofort und auf der Stelle retten würden. Wenn sie nicht schon drei hätten, versteht sich.

Die Einfuhr bzw. im Falle der Schweiz, die kein EU-Mitglied ist, die Verbringung von gefährlichen Hunden nach Deutschland regelt das Gesetz mit dem völlig unkomplizierten und charmanten Namen „Gesetz zur Beschränkung des Verbringens oder der Einfuhr gefährlicher Hunde in das Inland“ oder kurz „Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz“, oder noch kürzer „HundVerbrEinfG“.

Wer sich schonmal über merkwürdige Gurkenverordnungen gewundert hat, wird an der Geschichte dieses Gesetzes seine wahre Freude haben.

In Kraft getreten ist dieses Wunderwerk der politischen Spontanität im Jahr 2001. Die Älteren unter uns werden sich erinnern, dass kurz zuvor ein Kind bei einem tragischen Beißvorfall in Hamburg ums Leben gekommen war. Tragisch auch deshalb, weil die Besitzer der betreffenden Hunde den Behörden bekannt waren, diese jedoch untätig blieben. Dies Unglück hätte also verhindert werden können.

Unmittelbar nach dem Vorfall war die Wut groß und insbesondere die Boulevardmedien befeuerten mit wenig zurückhaltenden Schlagzeilen à la „Tötet die Bestien!“ die Debatte.

Vor diesem Hintergrund taten die Verantwortlichen das, was sie am besten können: Sie übten sich in Aktionismus! Aber in Blindem, bitte.

Entgegen unzähliger Hinweise von Biolog*en, Tierärzt*en, Hundetrainer*n etcpp. wurde in kürzester Zeit also das „HundVerbrEinfG“ zusammengeschustert, welches im wesentlichen besagt, dass

„Hunde der Rassen Pitbull-Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier, Bullterrier sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden“

nicht nach Deutschland gebracht werden dürfen.

Kaum trat das Gesetz in Kraft, kamen prompt die ersten unangenehmen Fragen bzgl. gefährlicher Hunde auf.

Nur mal hypothetisch: Was wäre zum Beispiel, wenn es an der deutsch-österreichischen Grenze zu einem Gebäudeeinsturz käme und die Mitglieder österreichischen Rettungshundestaffel Pitbulls als Suchhunde hätten? Haben die Verschütteten dann Pech gehabt, weil die Hunde nicht einreisen dürfen?

Dass man da wohl etwas vorschnell war, ahnten auch die Verantwortlichen und beschlossen die „Verordnung über Ausnahmen zum Verbringungs- und Einfuhrverbot von gefährlichen Hunden in das Inland“, kurz HundVerbrEinfVO“.

Diese Verordnung trat im April 2002 in Kraft und erklärt, dass Diensthunde, auch solche fremder Streitkräfte sowie „Blindenhunde, Behindertenbegleithunde und Hunde des Katastrophen- und Rettungsschutzes“ doch einreisen dürfen. So ein Glück!

Außerdem darf man seinen Hund wieder mit nach Hause bringen, wenn man im Urlaub war. Und weil wir Deutschen so gastfreundlich sind, dürfen auch ausländische Gäste ihren Hund mitbringen. Und der Baden-Württemberger mit seinem Rottweiler in Bayern eine Pinkelpause machen. Aber maximal vier Wochen. Wenn der Schwabe sich dabei das Bein bricht, darf der geliebte Fiffi ausnahmsweise länger bleiben. Auf Antrag versteht sich.

Der Hund in dem oben geschilderten Hilferuf gehört übrigens keiner der im „HundVerbrEinfG“ genannten Rassen an.

Auf Grund der spätestens jetzt öffentlich bekannten Beißvorfälle stehen seine Chancen für eine – legale – Einreise dennoch nicht allzu gut. Selbst wenn der besagte schweizer Polizist den deutschen Kollegen die Ausreisegenehmigung vortanzen würde.

Zum Einen weil jedes Bundesland nochmal ein eigenes Hundegesetz hat und beißende Hunde, egal woher sie stammen, nirgendwo gerne gesehen sind. Zum Anderen, weil die Polizei, auch in der Schweiz, solche Dinge gar nicht entscheidet bzw. entscheiden darf.

„Der Kevin überfällt zwar alte Omas, aber so lange er das nicht hier tut, schreiben wir ihm eine Unbedenklichkeitbescheinigung.“

Ja, Nee, is klar.

Das Hundetraining ist tot, lange lebe das Hundetraining.

Thomas und Stephan haben eines gemeinsam: Beide haben an einer renommierten Universität Medizin studiert. Ihre Professoren waren jeweils Koryphäen auf ihrem Gebiet, die Universitätsbibliothek ist weltweit anerkannt und nicht zuletzt haben beide sehr viel Geld und Zeit in ihr Studium investiert. Der Unterschied? Während Stephan heute ein anerkannter Chirurg in einer Privatklinik ist, muss sich Thomas vor Gericht in einem Kunstfehlerprozess verantworten, weil er einen Patienten auf dem Gewissen hat.

Die Geschichte ist (hoffentlich) frei erfunden, soll jedoch verdeutlichen, worauf ich hinaus will.

Immer wieder lese ich in sozialen Netzwerken die Frage nach der „besten Ausbildung“, die angehende Hundetrainerinnen buchen können. Genannt werden in der Regel die üblichen fünf oder sechs Verdächtigen. Und die eine oder andere Institution nennt sich in dem Zusammenhang auch mal selber gerne „die Elite“.

Doch nur, weil jemand mehrere Tausend Euro für eine Ausbildung übrig hat, macht dieser Umstand denjenigen noch nicht zum Teil einer wie auch immer gearteten Elite. Vielmehr steht die finanzielle Hürde diesem Wunschdenken im Weg.

Auf der einen Seite gibt es keine ernstzunehmenden Aufnahmetests, die diesem Anspruchsdenken Gewicht verleihen würden. Auf der anderen Seite – warum sollte jemand, der wirklich ambitioniert ist, so viel Geld für etwas ausgeben, das man sich für wenige Euro selber erarbeiten kann?

Im Ernst! Du möchtest Hundetrainerin werden?

Dann leihe Dir die entsprechende Fachliteratur aus der Bibliothek (Ja, die gibt es noch!) und vor allem lies sie.

Schaue Dir auf Youtube die verschiedenen Techniken an und sieh vor allem zu, dass Du das Gelernte verstehst und das Verstandene in die Praxis umsetzen und erklären kannst.

Sei dabei offen für alles, probier vieles aus und erkläre fachlich, was Dir komisch vorkommt oder Deiner Meinung nach nicht funktionieren kann.

Das lernst Du in keinem Ausbildungsinstitut, sondern durch Erfahrungen, die du machst.

Mach Praktika – in der Hundepension, im Tierheim, als Gassigänger. Wenn Du eine Methodik interessant findest, dann buche ein paar Einzelstunden. Danach bist du schlauer.

Das, was du theoretisch in einer Ausbildung lernen kannst, findest du in Büchern.

Praktisch geht es vor allem um eines: Technik.

Die eine ist vielleicht „nett“, die andere „böse“. Aber es bleibt Technik

Beratungstechniken, Leinenführigkeitstechniken, Rückruftechniken, Belohnungstechniken usw.

Die Technik bringt man dem Kunden bei und dieser wiederum glaubt, dass sich sein Problem in Luft auflöst, weil er auf Technik vertraut. Das kann nicht funktionieren und funktioniert in vielen Fällen auch nicht.

Der Grund dafür ist einfach. Erziehung ist nichts technisches, vielmehr findet sie im Alltag statt. Ganz nebenbei. Es sind die kleinen Momente, die den Unterschied machen. Und nicht Trainingseinheiten.

Man „trainiert“ nicht mit dem Kind, dass man keine alten Omas ausraubt. Würde das funktionieren, dann gäbe es in der Schule das Fach „Erziehung“ und es gäbe keine Arschlochkinder mehr.

Erziehung heisst, Werte vorzuleben, in der Lage zu sein, sich in Konflikten durchzusetzen, ohne unfair zu werden und vor allem so zu belohnen, dass es keine leere Floskel ist.

Durch Training eignet man sich derweil praktische Fähigkeiten wie Fahrradfahren, Klavierspielen oder Kochen an.

Wer also glaubt, den bissigen Hund mit einem „Anti-Aggressionstraining“ in den Griff zu bekommen, der sollte einfach mal einen Blick auf die Rückfallquote jugendlicher Straftäter werfen, die erlebnispädagogisch korrekt zum Kite-Surfen nach Mallorca geschickt wurden.

Ein Hund wird seinen Menschen nicht ernster nehmen, nur weil dieser beim Spaziergang nonverbal und ritualisiert hin und her marschiert oder zum hundertsten Mal „Sitz“ übt.

Techniken sind für den Erziehungserfolg zweitrangig. Vielmehr sollten sie als Vehikel dienen. Sie sollen kleine Erfolge produzieren, um dem Hundebesitzer Selbstbewusstsein mit auf dem Weg zu geben. Denn Selbstbewusstsein erlangt man durch Handlungsfähigkeit. Wer weiss, wenn ich das geschafft habe, wozu bin ich noch in der Lage?

Hundetraining, wie es heute vielfach durchgeführt wird, kommt daher schnell an seine Grenzen.

Alle haben den Behaviorismus kritisiert, doch geändert hat sich wenig. Es wird konditioniert auf Skinner komm raus, ohne die inneren Vorgänge des Hundes zu berücksichtigen oder ihm die Möglichkeit zu geben, eigene Erkenntnisse zu gewinnen.

Wir palavern über kontextspezifisches Lernen und wundern uns, warum das auf dem Hundeplatz in Anwesenheit des Trainers prima funktioniert und auf der Wiese im Stadtpark nicht.

In den letzten Wochen habe ich gleich mehrere Menschen mit ihren Hunden kennengelernt, die jahrelang eine Technik nach der anderen trainiert haben.

Jede einzelne davon, jeder Satz und Begriff, der mir geschildert wurde, war nahezu identisch. Jeden Ablauf, jede einzelne der durchkonfektionierten Übungen konnten die Hunde rauf und runterbeten.

Aber erzogen waren diese Hunde deshalb noch lange nicht. Nur strategischer und kreativer, wenn es darum ging, ihrem Besitzer auf der Nase rumzutanzen.

Alles war trainiert: Leinenführigkeit, Dranbleiben ohne Leine, Rückruf, Sitz, Platz etc. Aber mal so nett sein und beiseite gehen, wenn der Besitzer mit dem Tablet voller Kaffeetassen vorbeiwill – Pustekuchen.

Der Grund dafür ist der, dass viele Hunde schlicht zu schlau sind und die Übertragung von Technik in den Alltag meiner Meinung nach nicht funktionieren kann.

Die Technik ist nicht für die Erziehung des Hundes wichtig, sondern für den Trainer, der sie vermittelt und deshalb Teil einer Peer Group ist. Eines für alle. Egal, ob es passt. Man hat schliesslich eine Menge Geld dafür bezahlt. Zeig mir Deine Leinenführigkeit und ich sage dir, was sie Dich gekostet hat. Da wären wir dann wieder bei den Eliten.

Viele Hunde sind heute so austrainiert, dass sie nach spätestens fünf Minuten durchschaut haben, wessen Geistes Kind da vor ihnen steht. Sie kapieren sofort, ob sie sich in einer Trainingssituation befinden oder nicht und wissen ganz genau, was zu tun ist. Sie sind leinenschlau, maulkorbschlau, hasenzugmaschinenschlau und diealtepasstgeradenichtauf-schlau.

Was glaubst du, wie weit Du kommst, wenn du die hundertste Übung eintrainierst?

Der Begriff Hundetraining als solcher ist irreführend, weil er suggeriert, man würde etwas mit Hunden tun. Auch „Verhaltensberater“ ist Blödsinn. Toll, wenn der Kunde weiss, warum der Hund etwas tut. Aber eigentlich will er doch wissen, wie er damit umgehen soll. Vielleicht wäre „Erziehungsberater“ passender.

Ich weiss es nicht.

Eines jedoch wird mir jeden Tag aufs Neue klar. Die Idee des Trainings ist überholt. Wir müssen zugeben, dass wir die Viecher unterschätzt haben. Je mehr Raum Hunde bei ihren Menschen einnehmen, je weniger sind sie für Dressur empfänglich.

Kein Wunder, schliesslich wollen sie Sozialpartner und keine Dompteure.

Wir müssen runter von den bequemen Hundewiesen.

Wir müssen weg von Reiz-Reaktions-Mustern.

Wir müssen weg von simplen Belohnungsprinzipien.

Die Trainingstechnik ist der fleischgewordene Knopfdruck.

Offenlegung:

Ich selber habe eine sehr kostspielige Ausbildung gemacht, in der mir dieselben Techniken vermittelt wurden, wie hunderten Auszubildenen vor mir und hunderten nach mir. Außerdem habe ich eine Ausbildung mit entwickelt und bis vor kurzem selber eine angeboten.

Das Hitzedilemma

Tierschutzuschi, die; seltener Tierschutzuli, der (Definition): Tierliebe – häufig weibliche – Person, die meist sehr emotional, jedoch selten sachkundig handelt. Man unterscheidet die Tierschutzuschi digitalis, deren natürlicher Lebensraum Onlineforen und soziale Netzwerke sind und die Tierschutzuschi vitalis, die sich im öffentlichen Raum verhält und verstärkte Aktivität bei Temperaturen ab ca. 20° Celsius zeigt. Häufig kommt es zu Mischformen, in der Regel witterungsabhängig.

„Öffnen’se mal Ihr Auto, ich bin vom Tierschutz.“ herrschte mich die merkwürdige Dame an. Einigermaßen verwundert schaute ich sie an und fragte sie, von welchem Tierschutz genau sie denn sei.

Ich bin nämlich auch vom Tierschutz, aber wohl von dem anderen, denn ich für meinen Teil habe keine Polizeibefugnisse und darf einfach so Autos kontrollieren. Ich glaube, ich muss den Tierschutz wechseln.

Diese kleine Anekdote spielte sich 2014 ab, um genau zu sein Anfang März 2014 gegen 21 Uhr. An dem Tag hatte ich einen Workshop gegeben und wollte mit ein paar Teilnehmerinnen noch eine Kleinigkeit essen gehen.

Dann kam sie. Sie stürzte ins Restaurant und brüllte uns an, wem die Hunde da draussen im Auto gehören würden.

Wenig später stand ich – gemeinsam mit zwei per Notruf hinzuzitierten Polizisten und einigen Gästen aus dem Restaurant – immer noch etwas ungläubig bei ungefähr 2 Grad und Schneeregen auf dem Parkplatz. Die Dame klärte uns auf, dass die Hunde im Auto zu ersticken drohen.

„Ja nee, is klar. Es ist ja allseits bekannt, dass man bei längeren Autofahrten alle 30 Minuten durchlüften muss, weil man sonst erstickt“, versuchte sich einer der Polizisten in Ironie.

Mit dem Ergebnis, dass wir uns darauf einigten, dass ich das Auto woanders parke und die Dame schließlich mittels Platzverweis entfernt wurde, weil sie mit Ironie nicht so viel anfangen konnte (und weil sie „Schlampe“-brüllend auf die Veranstalterin des Workshops losgegangen war).

Nun wird es langsam Sommer. Und damit kommt die perfekte Jahreszeit für Tierschutzuschis wie meine von damals, aktiv zu werden. Es ist angenehm warm und bei Facebook ist bei gutem Wetter eh nicht viel los.

Selbstredend sollte mittlerweile auch der letzte Depp begriffen haben, dass man den Hund (und das Kind, Oma, Opa oder die Frau) bei höheren Temperaturen nicht längere Zeit im Auto lassen sollte.* 

Doch sobald das Thermometer mehr als 19 Grad anzeigt, scheinen die Uschis und Ulis auszuschwärmen und Jagd auf unverantwortliche Hundehalter zu machen, die es wagen, ihren vierbeinigen Liebling auch nur einen Wimpernschlag lang der todbringenden Hitze auszusetzen.

Zum Beweis dient ihnen eine Tabelle, die besagt, dass bereits ab 20 Grad das Auto zur tödlichen Falle wird. Um ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen, legen sie großen Wert darauf, möglichst laut, hysterisch, feindselig und unsympathisch zu erscheinen.

Schließlich wissen wir von Facebook, dass uns niemand hört, wenn wir nicht mindestens eine abfällige Bemerkung und fünf Ausrufezeichen in unsere Kommunikation einbauen.

Da ich harmoniesüchtig** bin, gebe ich mir natürlich große Mühe.

Dem entsprechend lasse ich meine Hunde bei höheren Temperaturen a) entweder zuhause oder b) nehme sie mit aus dem Auto.

Damit befinde ich mich jedoch in einem Dilemma.

a) Den Hund längere Zeit alleine zuhause zu lassen geht nämlich auch nicht. Dem Internet zufolge ist es nämlich dem Bedürfnis des Hundes nach Nähe zum Menschen nicht zuträglich, wenn er mehr als zwei oder maximal drei Stunden alleine bleiben muss. Diese Tatsache ist im übrigen so gravierend, dass es für den Hund allemal besser ist, in einem Tierheim zu hocken als bei egoistischen Menschen, die es wagen, einer Arbeit nachzugehen.***

b) Zuerst muss ich natürlich den „Handflächentest“ machen. Ist der Untergrund zu heiss, kann sich der Hund fiese Verbrennungen zuziehen. In dem Fall muss entweder b1) meinen Hund tragen oder b2) wieder nach Hause fahren und ihn ans Katzenklo gewöhnen, bis der Sommer vorbei ist.

Wie man es macht, macht man es falsch.

Vorgestern habe ich lernen dürfen, dass es nicht mal einen Hund benötigt, um eine Tierschutzuschi zu aktivieren. In dem Fall reichte mein Auto, in dem unter Umständen ein Hund sitzen könnte, um mich mal ordentlich anzupampen. Da ich nämlich selber nicht ersticken respektive den Hitzetod sterben wollte, hatte ich das Fenster einen Spalt weit auf, so dass die Dame einen Blick auf die Hundebox im Auto werfen konnte.

Um eine akute Straftat zu vermeiden zog ich es schließlich vor, die keifende Dame einfach stehen zu lassen. Soll sie doch das leere Auto retten.

Aber mal Spaß beiseite.

Ich habe nie verstanden, warum manche Menschen ihre Hunde ständig und überall dabei haben müssen. Das gilt für den einstündigen Großeinkauf im Supermarkt im Hochsommer genauso wie für den Besuch eines überfüllten Weihnachtsmarktes in der Adventszeit. Was genau soll der Hund davon haben?

Wenn ich irgendwo hin möchte, wo es nicht um den Hund geht – warum sollte ich ihn dann mitnehmen? Hat er Freude daran, im Auto zu warten, während ich mir ein paar neue Schlüpfer kaufe? Findet er es toll, dass ihm Leute auf den Pfoten rumtreten, weil ich am Glühweinstand unbedingt so ein süßes Gesöff kaufen muss? Ist es eine Wonne für ihn, im Restaurant unterm Tisch zu liegen und nicht auffallen zu dürfen?

Andererseits – wenn ich mit meinen Hunden unterwegs bin und einen Zwischenstopp einlege, brauche ich auch nicht gleich selbsternannte Tierschützer, die mit der Stoppuhr an der Zapfsäule (oder vorm Bäcker) warten und den Autofahrer beschimpfen, weil der Hund fünf Minuten warten musste, während der ehrliche Mensch seine Tankrechnung bezahlen war.****

Ein Typ hat mal versucht mein Auto aufzubrechen, während ich daneben stand.

Außerdem – Warum sollte ich mit meinen Hunden auf Asphalt spazieren gehen? Selbst in Großstädten gibt es Grünflächen, die sich nicht dermaßen erhitzen, dass der Vierbeiner sich gleich die Pfoten verbrennt? Und wenn nicht, dann fährt man eben raus oder überdenkt seine Wohnsituation.

Abgesehen davon, was für eine Art Spaziergang ist das denn, der ausschließlich oder größtenteils auf Asphalt stattfindet? Die Seele baumeln lassen auf dem Pannenstreifen der Autobahn?

Diese Grafik, die jeden Sommer in den sozialen Netzwerken verteilt wird, ist nicht nur grenzwertig, weil sie von den Uschis und Ulis dieser Erde als Killerargument genutzt wird, sondern vor allem auch, weil sie die trügerische Sicherheit vermittelt, dass bis 20°C alles takko wäre.

Doch wie heiss es in einem Auto wird, hängt von vielen Faktoren ab und nicht nur von der Außentemperatur und der Zeit, die vergeht.  Ich hatte mal einen schwarzen Hochdachkombi mit vielen Fensterflächen. Der wurde auch bei 17 oder 18° sehr schnell sehr ungemütlich, wenn die Sonne schien. Im weissen Kastenwagen war es auch bei 25° noch angenehm und gut auszuhalten.

Davon abgesehen hängt es doch auch davon ab, wie wettertauglich der Hund ist, der da gerade wartet.

Mit meinem Border Collie brauche ab 25° nicht mehr raus gehen. Der verträgt Hitze nicht und den würde ich dem entsprechend nicht eine Minute im Auto warten lassen. Meine Altdeutschen sind im wahrsten Sinne des Wortes wetterhart. Auch bei 35° rennen die stundenlang mit und wenn ich ihnen im Anschluss Wasser anbiete, gucken die mich nur komisch an.

Es ist natürlich gut und wichtig, über Gefahren zu informieren! 

Auf der anderen Seite möchte ich nicht wissen, wie viele Hunde bei knappzwanziggrad in irgendwelchen schwarzen SUVs vor sich hin hecheln, weil der Hund im Backofen laut Tierschutz erst zwei Grad später gart.

Ein bisschen Augenmaß wäre ja schön.

Steht der Hund nicht gerade kurz vorm Kollaps, könnte man ja mal vier oder fünf Minuten warten, bevor man in Aktionismus fällt. Oder vielleicht fragen. Und total revolutionär, das Ganze vielleicht höflich.

Das gilt im übrigen für Uschi und Uli genauso wie für Hundehalter, die jetzterstrecht nicht darauf achten, was auf dem Parkplatz gerade vor sich geht. Die gibt es nämlich auch.

In diesem Sinne, ich geh mal meine Oma aus dem Auto holen.

* Den Absatz habe ich extra fett gesetzt, bevor mir noch jemand unterstellt, dass ich es OK finde, meine Oma im überhitzten Auto warten zu lassen.
** Ja, wirklich!

*** Diejenigen, die viel Freizeit haben, bekommen den Hund natürlich auch nicht. Denn die haben entweder zu wenig Geld oder sind zu alt. Das ist das Hauptproblem im deutschen Tierschutz: zu wenige arbeitslose Einkommensmillionäre mittleren Alters.
**** Ohne  Quatsch, das habe ich schon erlebt.

Kurz – polemisch – angemerkt (3)

Ja, ich gebe offen und ehrlich zu: In diesem Haus gibt es Hundeboxen!

Bei neun Hunden finde ich die äußerst praktisch, denn ich kann deutlich ruhiger schlafen, mal eben einkaufen gehen oder auch weniger hundeaffinen Besuch empfangen, wenn die Knalltüten derweil gut verpackt sind.

Da ich selbiges vor kurzem kundgetan habe, wurde ich auch auf einen bemerkenswerten Artikel aufmerksam gemacht.

Denn wenn es nach dem Willen des Tierschutzbeirats des Landes Rheinland-Pfalz geht, dann ist eine Hundebox sowas von Pfuibäh und noch schlimmer – sie verstösst sogar gegen die TierschutzHundeVerordnung.

Die Mitglieder waren nämlich fleissig:

„Der Tierschutzbeirat Rheinland-Pfalz hat sich mit der Frage beschäftigt, ob die Verwendung der geschlossenen Hundebox tierschutzrechtlich erlaubt ist?“

Für diejenigen, die diese Verordnung noch nicht kennen.

„(1) Diese Verordnung gilt für das Halten und Züchten von Hunden (Canis lupus f. familiaris).“

Abgesehen davon, dass der Canis Familiaris schon seit Jahren nicht mehr Canis Lupus Forma Familiaris heißt, geht es also um Hunde. Und wie der erste Teil des Satzes schon aussagt, um das „Halten und Züchten“ von selbigen.

Nun schreibt der „Tierschutzbeirat“ auf seiner Internetseite also, dass die Hundebox als solche gegen die TierschutzhundeVO verstösst und beruft sich dabei auf §6, der das Halten von Hunden in Zwingern regelt und – grob zusammengefasst – Mindestgrößen für Hundezwinger vorschreibt.

Und kommt zu folgendem Ergebnis:

Die Unterbringung eines Hundes in der geschlossenen Hundebox ist möglich. Sie darf nur auf tierärztliche Anordnung (nicht auf Anordnung eines Hundeerziehers oder –therapeuten, der nicht auch Tierarzt ist) erfolgen. Der Tierarzt muss den Einsatz begleiten.

Dieses ist – mit Verlaub – doppelt daneben. Denn:

  1. Die TierschutzHundeVO regelt die Haltung von Hunden und nicht temporäre Zustände. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Man darf also seinen Hund temporär an einen Zaun binden, ohne dass die Anbindevorrichtung den Anforderungen der Verordnung genügen muss. Selbiges gilt für einen Zwinger (z.B. Fundhundezwinger in Tierheimen, auf Polizeistationen etc.).
  2. Da eine Hundebox in der Regel in einem Raum und nicht im Freien steht, würde – wenn überhaupt – §5 (Haltung von Hunden in Räumen) greifen. Tut er aber auch nicht, weil es dort eindeutig um Räume, „die nach ihrer Zweckbestimmung nicht dem Aufenthalt von Menschen dienen“ geht. Die Wohnung oder das Wohnhaus fallen – hoffentlich – nicht darunter. Sollte jemand tatsächlich seinen Hund in der Garage oder sonstwo halten, wo Menschen in der Regel nicht wohnen, greift §5 und nicht §6. Mit der Hundebox als solche hat das immer noch nichts zu tun.

Liest man sich die Liste der Mitglieder des „Tierschutzbeirats“ durch, dann finden sich diverse Doktortitel (überraschenderweise Tierärzte),  was voraussetzen sollte, dass diese Menschen in der Lage sind, einen Gesetzestext genau zu lesen und zu interpretieren. Und den Unterschied zwischen einer Verordnung und einem Gesetz zu kennen.

Stellt sich also die Frage, warum eine solch fragwürdige „Rechtsauffassung“ ihren Weg in die Öffentlichkeit findet.

Liest man sich den Artikel – und insbesondere das „Fazit“ – genauer durch, finden sich ein paar Hinweise:

Der Tierarzt soll also derjenige sein, der entscheiden darf, ob ein Hund in einer Box – ja, was denn? gehalten? untergebracht? – werden darf. Und bitte nicht der „Hundeerzieher“ oder gar Therapeut, „der nicht auch Tierarzt ist“. Verrückt, dass einige Mitglieder Tierärzte sind.

Logisch, denn das dauerhafte Halten eines Hundes in einer Box wäre schließlich ein Verstoss gegen das Tierschutzgesetz. Denn da steht gleich in §2 geschrieben:

„Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,

2. darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden“

Das Tierschutzgesetz schließt im Übrigen den „vernünftigen Grund“ aus, weswegen solche „Grundrechte“ für Hühner, Schweine und Rinder in der Massentierhaltung nicht gelten.

Den vernünftigen Grund kann der Tierarzt festlegen, weswegen auch tausende Hunde jedes Jahr ohne Not auf Anraten von Tierärzten kastriert werden.

Die Aussage, dass ein Hundetrainer eine solche Empfehlung gar nicht geben dürfe, ist nichts anderes als ein weiterer billiger Versuch, verunsicherte Hundehalter in die Tierarztpraxen zu locken.

Denn „tierschutzrechtlich“ ist es erstmal völlig wumpe, ob man einen Hund zeitweise in eine Box packt oder nicht. Es stellt nicht mal eine Ordnungswidrigkeit dar, da die TierschutzHundeVO gar nicht regelt, was minuten- oder stundenweise im Haushalt vor sich geht.

Eine Box mit einem Zwinger gleichzusetzen ist derweil völliger Blödsinn. Der Sinn des Zwingers ist die dauerhafte Unterbringung, weswegen die TierschutzHundeVo an diesem Punkt sinnvoll ist.

Der Sinn einer Hundebox ist, den Hund ohne Aufsicht und ggf. seine mit im Haushalt lebenden Artgenossen sowie das Inventar vor Schaden zu bewahren.

Daraus auf Tierleid zu schliessen, ist ziemlich hanebüchen.

Die dauerhafte Unterbringung eines Hundes in einer Box wäre – falls sich denn ein Richter fände – ein Verstoss gegen §2 des Tierschutzgesetzes, und viel wichtiger: Das gehört sich einfach nicht.

Ps.: Die Mitgliedschaft im Tierschutzbeirat ist eine ehrenamtliche Tätigkeit, vermutlich wurde aus diesem Grunde darauf verzichtet, die Freiwilligen auf Objektivität und Sachkunde zu überprüfen.

Provinz beginnt da, wo Viechdoktoren als Wissenschaftler angesehen werden.

Ich pack jetzt meine Hunde in ihre Boxen und geh schlafen.

Das bisschen „Drumrum“

Eine gute Freundin meinte neulich zu mir, ich würde langsam aber stetig altersmilde werden. Das mag schon sein, antwortete ich kurz und knapp – bevor ich sie 20 Minuten mit geschmacklosen Witzen, blöden Sprüchen und schändlichen Spott überzog.

Spaß beiseite, man wird ja nicht jünger und im Laufe der Jahre vielleicht nicht unbedingt milder, aber dafür gelassener. Oder müde, wie man es nimmt. Und überhaupt: Wer will schon mit 40 seinen ersten Bypass?

Trotzdem gibt es immer und immer wieder mal Momente, in denen ich auch heute noch an mich halten muss, um nicht in die Tastatur zu brechen (online) oder mich auf die Finger setzen muss, um mein Gegenüber nicht zu schütteln oder schlimmeres (offline).

Neulich zum Beispiel, als ich meinen halben freien Samstag gemeinsam mit gefühlt einer Millionen Touristen auf der A7 verbrachte, um mir in einem Tierheim einen Hund anzusehen, der nach einem innerfamilären Beißvorfall nun das Zeitliche segnen sollte.

Der Delinquent, nennen wir ihn der Einfachheit halber Hasso, entpuppte sich nach eingehender Überprüfung als typischer unerzogener junger Hund, der nicht gelernt hatte, Grenzen zu akzeptieren oder Frust zu ertragen und schließlich zugebissen hatte, als seine Besitzerin anderer Meinung war als er.

Mit solchen Fällen habe ich es, seitdem ich was mit Tierschutz mache, nahezu täglich zu tun und anhand von Hassos Geschichte lässt sich der alltägliche Wahnsinn „drumrum“ ganz gut beschreiben.

Fangen wir mit dem Kennenlernen an. Der Grund, warum ich bei 28 Grad drei Stunden im Stau verbracht habe, war, dass das Tierheim, in dem Hasso zu dem Zeitpunkt untergebracht war, keine Kapazitäten hatte, um ihn längerfristig unterzubringen.

Die Tierheime sind immer noch nicht verpflichtet, Abgabehunde aufzunehmen und bekommen ihr Geld auch nur für die Unterbringung von Fundtieren. Und wenn es sich um ein kleines Tierheim wie in diesem Fall handelt, haben die Kolleginnen und Kollegen auch schlicht keine Kapazitäten, einen Hund zu übernehmen, der auf Grund der Vorkommnisse lange Zeit bleiben wird.

Das ist im Übrigen auch der Grund, warum viele Tierheime mittlerweile Abgabegebühren nehmen, die die Kosten für die Unterbringung und Verpflegung bei weitem übersteigen.

Die Reaktionen lassen natürlich nicht lange auf sich warten:

Frau B. aus Facebook wirft dem Tierheim vor, herzlos zu sein. Frau S. schreibt mir per E-Mail, dass Tierheime Geldmacherei betreiben, anders kann sie die Abgabegebühr nicht erklären. Aha.

Kommen wir zur Einschätzung von Hasso mit Blick auf eine Übernahme durch uns:

Hierbei geht es darum, zu überprüfen, wie und ob der Hund zu managen ist, wo seine Auslöser liegen und wie er auf Ansprache, Berührung, Bewegungsreize, Artgenossen, Einschränkung und Unterbrechung reagiert. Immerhin müssen die Tierpfleger/innen später mit ihm arbeiten können, ohne das Gefahr für Leib und Leben besteht. Und vermittelt werden soll er ja auch irgendwann mal.

Zu diesem Zweck sichere ich den Hund mit Maulkorb ab, denn wenn so ein 30-Kilo-Hasso losmarschiert, ist das auch mit Maulkorb schon unangenehm genug, wenn man nicht aufpasst. Und es ist nicht die Aufgabe des Hundetrainers oder Tierpflegers, sich von fremder Leute Hunde zerlegen zu lassen.

Frau A. schreibt dazu, dass der Maulkorb tierschutzrelevant ist.

S. schreibt dazu, dass es „voll gemein ist, die Fellnase“ während der Einschätzung einzuschränken und sie (die Fellnase) „natürlich beissen muss, wenn man sie derart quält“.

Interessant, ich persönlich finde es nicht nur außerordentlich gemein, sondern extrem fahrlässig, mit Rücksicht auf die arme Hundeseele auf eine allumfassende Einschätzung zu verzichten.

Es ist Aufgabe des Tierschutzvereins, seine Schützlinge so gut zu kennen, dass böse Überraschungen für Mitarbeiter/innen und Interessent/innen ausgeschlossen werden können.

Wenn die neue Familie es ist, die im ganz normalen Alltag den Auslöser für eine Attacke findet, ist das nicht nur peinlich, sondern grob fahrlässig und sollte bestraft werden können. Und zum ganz normalen Alltag gehört nunmal dazu, dass man mal im Weg steht, beiseite gehen muss oder – bewusst oder unbewusst – begrabbelt wird.

L. schreibt was zum Thema Individualdistanz und gelber Schleife.

Ein Hund, der guten Gewissens in eine Familie vermittelt werden soll, muss ein bisschen mehr als Alltag abkönnen. Kann er das nicht, darf er das lernen.

Am Ende des Tages haben wir entschieden, dass wir Hasso übernehmen würden.

Frau B. ist der Meinung, dass Hasso nun ganz viel Liebe braucht, die wir ihm sicherlich nicht geben.

Voraussetzung für die Übernahme ist jedoch, dass seine Besitzerin damit einverstanden ist. Diese jedoch hat – meiner Meinung nach verständlicherweise – Angst vor ihrem Hund und Sorge, dass sich so ein Vorfall wiederholen könnte. Deshalb möchte sie erst nochmal darüber nachdenken, ob sie ihn nicht doch lieber einschläfern lässt.

M. schreibt dazu: Sollen die doch die Frau einschläfern.

Während dessen bringen sich in den sozialen Netzwerken die jeweils religiös-fundamentalistischen Hundeerziehungsexperten in Stellung.

Herr S. vertritt die Meinung, dass Hasso „nur mal richtig einen auf die Mütze braucht“.

Frau S. (nicht verwandt, vermutlich nicht verschwägert) hat gleich eine ganze Reihe Tipps zum Thema Desensibilisierung und Gegenkonditionierung parat.

Zu diesem Zeitpunkt sitzt Hasso noch im Tierheim und ausser den Mitarbeitern, seiner Besitzerin und mir  hat ihn noch niemand zu Gesicht bekommen – dennoch scheinen ihn einige schon persönlich zu kennen.

Selbstverständlich dürfen auch Mutmaßungen dahingehend, welche/r Hundetrainer/in an Hassos Schicksal beteiligt war, nicht fehlen, so dass sich in einer Facebook-Gruppe ein eigener Thread mit ihm befasst – inklusive Verhaltenseinschätzungen, Ratschlägen, Verhaltenskastrationsforderungen und „Wenn ich was zu sagen hätte“-Kommentaren.

Vermutlich sind sie nachts heimlich ins Tierheim eingestiegen und haben ihn ihrerseits eingeschätzt.

Außerdem finden sich die ersten „Wenn ich nicht schon zwei hätte“-Interessenten, die Hasso ja auf der Stelle ein Zuhause geben würde, wenn nicht … (bitte ausfüllen).

Am Abend schreibt O: Ist das nicht frustrierend? 

Ja, aber nicht in dem Sinne.

Nur die Guten

An anderer Stelle habe ich es schonmal aufgeschrieben. Die Gründe, sich einen Hund anzuschaffen, sind sicherlich mannigfaltig, aber kein Mensch schafft sich einen Hund an, um sich ein dauerhaftes Problem aufzuladen.

Selbst solche Hundebesitzer, die einen wahren „Problemhund“ aufnehmen, tun dies mit dem Ziel, das Problem zu lösen und nicht aus dem Gedanken heraus, nie wieder Besuch empfangen zu können oder die nächsten 10 Jahre aufpassen zu müssen wie ein Schliesser.

Noch vor 50 Jahren gab es keine Hundetrainer und wäre jemand 1960 auf die Idee gekommen, eine Hundeschule zu eröffnen und Geld für Beratung in Sachen Erziehung und Beschäftigung des Hundes zu nehmen, wäre der- oder diejenige mit hoher Wahrscheinlichkeit schnell bankrott gegangen.

Klar, auch vor 50 Jahren gab es Hunde, die gebissen, Wild gehetzt und an der Leine gezogen haben. Und sicherlich ist es so, dass Hundebesitzer heute auf Grund von Rasselisten, Hundegesetzen und Co. wesentlich sensibler sind, was das Verhalten ihrer Vierbeiner angeht.

Ebenso klar ist, dass Hunde heute eine ganz andere soziale Rolle in unseren Leben spielen als noch vor ein paar Jahrzehnten. Und ja, wir treffen heute in Familien auf Hundetypen, die noch vor garnicht langer Zeit Schäfern, Jägern oder Polizisten vorbehalten waren.

Doch sollen das die Ursachen dafür sein, warum so viele Menschen heute mit einem Tier überfordert sind, dass uns – je nach Schätzung – schon über 30.000 Jahre oder gar länger begleitet?

Wer sich heute einen Hund anschaffen möchte oder ein Problem mit dem vorhandenen Vierbeiner hat, der informiert sich in aller Regel – und die Liste der Ratgeber ist so lang wie die Ratschläge unterschiedlich sind.

Während die Tierschützerin sehr gute Argumente dafür hat, einem Hund aus dem Tierheim ein Zuhause zu geben, hat der VDH ebenso gute Argumente, sich lieber für einen Welpen vom Züchter zu entscheiden.

Und die Frage, was für einer es denn sein soll, ist noch garnicht beantwortet.

Es gibt in Sachen Hund jede Menge Themen, über die gestritten wird. Angefangen bei der Gesunderhaltung über das Futter bis hin zum richtigen Zubehör, der Beschäftigung und natürlich der Erziehung.

Zwischen all diesen unterschiedlichen Positionen steht ein Mensch, der eigentlich „nur“ einen Hund haben will, diesen – man kann es deutlich so sagen – von Herzen liebt und nur das beste für ihn will.

Wenn es mit dem besten Freund nicht so klappt wie gewünscht, spielen Emotionen wie das Gefühl von Scheitern, das Zweifeln an der eigenen Fähigkeit und das schlechte Gewissen eine riesengroße Rolle.

Die eigene Wahrnehmung verzerrt sich dahingehend, dass man nur noch wohlerzogene, nette Hunde sieht, die scheinbar nichts aus der Ruhe bringen kann, während der eigene Hund vielleicht an der Leine ausflippt, als fände gerade eine Alieninvasion statt.

Also sucht man Hilfe.

Und schon stehen sie wieder parat – all die Ratgeber im Internet, die Experten in Funk und Fernsehen mit der einzig richtigen Lösung und die mitleidig kopfschüttelnden Nachbarn mit den entscheidenen Tipp.

Im Versuch, alles richtig zu machen, gehen schlimmstenfalls Bauchgefühl und gesunder Menschenverstand und der Mensch verliert sich selbst und das eigentliche Problem auf der Suche nach Lösungen aus dem Auge.

In einem anderen Text habe ich mal etwas ketzerisch geschrieben, dass Altruismus nicht funktioniert und Menschen in den allermeisten Fällen eigene Ziele verfolgen, auch wenn sie vordergründig erstmal gutes tun.

Um zu verhindern, in der Flut der Informationen zu ertrinken, kann es daher hilfreich sein, mal zu hinterfragen, welches Ziel diejenigen verfolgen, die einen mit Ratschlägen versorgen.

Die nette Verkäuferin im Zoofachgeschäft empfiehlt auch deshalb das „Premium“-Hundefutter der Eigenmarke, weil sie dafür eine Provision bekommt. Dem Fernsehsender geht es darum, Werbeminuten zu verkaufen und nicht, den Zuschauer mit Erziehungstipps zu versorgen. Und der Hundetrainer – und zu denen gehöre ich ja auch – wäre ohne die Probleme, die Menschen mit ihren Hunden haben, schlicht arbeitslos und könnte sich einen anderen Job suchen.

Doch auch die Menschen, die vermeintlich uneigennützlich bei Facebook und sonstwo ihre Meinung äußern, ziehen natürlich einen Nutzen aus ihrem Handeln.

Wer sich zum Beispiel besonders intensiv mit der Fütterung seines Hundes beschäftigt, erhöht die eigene Person bewusst oder unbewusst moralisch gegenüber denen, die schnödes Trockenfutter kaufen.

Das eigene Handeln macht einen zum besseren Menschen und die Tatsache, dass andere scheitern bestätigt einen darin, dass man schon immer gewusst hat, wo der Hase lang läuft.

Die im sozialen Netzwerk propagierte Erziehungsmethode bestätigt einen darin, dass man über Expertise verfügt, die andere nicht haben. Und der Bestätigungsfehler unterstützt uns in der Annahme, dass das, was wir für richtig halten auch richtig ist.

Das ist nur menschlich. Wir sind nicht perfekt, wir sind nicht mal nahe dran.

Doch mittendrin steht ein Mensch mit seinem Hund, der nur das beste will. Umgeben von unzähligen Ratgebern, die mehr oder weniger offensichtlich eigene Ziele verfolgen, die oft nichts oder nur wenig damit zu tun haben, tatsächlich zu helfen.

Es stünde uns allen – mich eingeschlossen – gut, wenn wir uns beim dringenden Impuls, einen Ratschlag geben zu müssen, öfter mal zurückhalten würden. Wenn wir uns darauf beschränken würden, Fragen zu beantworten anstatt neue aufzuwerfen, nur um uns darüber aufzuwerten.

Überhaupt sollten wir nicht vergessen, dass unsere Idee davon, wie Hunde gehalten werden sollten, eine regional sehr begrenzte westeuropäische ist, die sich nur auf Grund unseres Wohlstandes und mangels wirklich existentieller Probleme verbreiten konnte.

Unsere Vorstellungen von einem Hundeleben anderen aufzuzwingen ist ganz schön arrogant – und mit Blick auf die Lebensrealität anderer Menschen in anderen Ländern auch ziemlich aus der Wirklichkeit gerissen.

Die von mir hochgeschätzte Dorit Feddersen-Petersen sagte mir mal , dass zwei kritische Fragen meistens weiterhelfen: „Wo haben Sie das her? Und können Sie das belegen?“