Paul, der Labbi-Mix (22)

Da war die Geschichte mit Herrn Piefke.

Herr Piefke war das, was man einen Macher nennt. Ein gutbezahlter Job in irgendeinem Betonsilo in einer Bankenmetropole, eine nicht hässliche aber dafür umso langweiligere Frau, zwei nichtssagende Kinder und zweimal Urlaub im Jahr. Irgendwann wurde Piefke klar, dass das Leben im großzügig geschnittenenen Loft nicht alles sein konnte. Er hatte ein „Landleben“-Abo und er träumte davon, idyllisch in einem kleinen Dörfchen inmitten der Natur zu leben.

Abends ausschalten und entspannen, Entschleunigung sollte das Motto lauten. Das Leben war schliesslich hart genug. Das hatte er sich verdient.

Eines Tages sollte sein Traum in Erfüllung gehen. Ein Haus am Waldrand mit einem großen Grundstück, auf dem seine Frau so sehr mit Gartenarbeit beschäftigt wäre, um ihn abends nicht mehr zu nerven. Und so zog Piefke mit Kind und Kegel aufs Land.

Die anfängliche Euphorie wich jedoch relativ schnell der Erkenntnis, dass das Landleben so seine Tücken hat. Zunächst in Form von „massiver Geruchsbelästigung“, wie Piefke es nannte, als er vor dem örtlichen Schiedsgericht aussagte. Denn unmittelbar gegenüber von Piefkes Landleben-Traum hatte es der ansässige Landwirt eines Tages tatsächlich gewagt, das Feld zu düngen. Für Piefke, der seine Abende liebend gerne auf seiner Dachterrasse, Typ Slåmø aus echtem Tropenholz von garantiert aussterbenden Bäumen verbrachte, eine Zumutung. So musste er tatsächlich zwei Abende mit seiner Familie verbringen, weil der Gestank – wie er es empfand – nicht auszuhalten war.

Doch nicht nur, dass der Bauer es wagte, sein Land zu bestellen, auch der Hahn, der Piefke jeden morgen aus den schönsten Träumen rieß, entwickelte sich schnell zu einem Ärgernis. „Da muss man mal was tun“ dachte sich Piefke, griff zum Telefon und rief seinen Anwalt an. Da Hähne aber nunmal krähen und Geruchsbelästigung durch Gülle eine ortsübliche Belastung auf dem Land darstellt, musste die große Klage zunächst ausfallen.

Stattdessen traf Piefke beim Schiedsgericht auf einen Landwirt, der ihm während des Schlichtungsverfahrens zunächst virtuell und später vor der Tür auch physikalisch den Stinkefinger zeigte.

Doch nicht nur der güllefahrende und hühnerhaltene Landwirt war Piefke ein Dorn im Auge. Auch die Familie, die das alte Haus einige Meter weiter bewohnte gefiel ihm garnicht.

Die Familie hatte zwei Kinder, die in der Mittagszeit einfach so spielten, ohne Rücksicht auf ihn und seine wohlverdiente Ruhe zu nehmen. Außerdem hatten diese Leute einen Hund. Ach was, das war kein Hund, das war ein Kalb. Und laut war er auch noch.

Zu diesem Zeitpunkt war Paul etwa acht Jahre alt und liebte es, mittags in der Sonne zu dösen und zu schnarchen. Sabine kümmerte sich darum, dass die Kinder die Hausaufgaben machten und da geschah es. Ein Spaziergänger lief am etwas verwitterten Jägerzaun des Grundstücks vorbei. Paul nahm den Fremden wahr, richtete sich auf und begleitete den sichtlich beeindruckten Wanderer mit lautem Gebell die fünfzehn Meter entlang des Zaunes bis zur Grundstücksgrenze.

Paul schnaufte einmal, warf dem Passanten noch einen verächtlichen Blick nach und legte sich wieder zufrieden hin.

Nun muss man festhalten, dass dies das normale Verhalten von Paul war, wenn jemand das Grundstück entlang ging. Allerdings muss man auch festhalten, dass das eher selten passierte. Vielleicht ein- bis zweimal am Tag, meistens wenn der Postbote kam. Und der hatte diverse Tricks auf Lager, wie man der Konfrontation mit Paul entging.

Doch an diesem Tag, es muss ein Freitag gewesen sein, hatte sich Herr Piefke freigenommen. Und dieser blöde Köter war im Begriff, ihm sein langes Wochenende zu zerstören. Also legte Herr Piefke seinen nachbarschaftlich-freundlichen Gesichtsausdruck auf und wollte Sabine zur Rede stellen.

Mit festem Schritt ging er zum Gartentor, öffnete es und wollte gerade „Hallo“ rufen, als er wie von einem Boxer getroffen zu Boden ging.

Piefke konnte mit Hunden noch nie etwas anfangen und als er die Augen öffnete und Paul ihm 42 Gründe entgegenstreckte, warum es besser wäre sich nicht zu bewegen, änderte sich daran auch nichts mehr.

Sabine eilte heran und befreite den sichtlich erbosten Nachbarn aus den Klauen ihres Hundes und holte sich eine Ansage ab, mit der sie sich die Haare fönen konnte.

„Naja, ganz unrecht hatte er ja nicht“, sagte sie abends zu Michael. „Wenn Paul loslegt, ist es schon laut, ich werde etwas mehr drauf achten müssen.“

Michael konnte sich das Grinsen nicht verkneifen. Er hatte Piefke erst einmal kennengelernt. Michael hatte an dem Morgen etwas vergessen und kurz am Feldrand geparkt, als Piefke versuchte mit seinem Auto der gehobenen Mittelklasse an ihm vorbeizukommen. Besonders gut Autofahren konnte Piefke augenscheinlich nicht, denn obwohl mehr als ausreichend Platz da war, musste er umständlich hin und her manövrieren und warf Michael dabei finstere Blicke zu.

In der nächsten Zeit achtete Sabine verstärkt darauf, dass Paul nicht mehr bellte, wenn jemand am Haus vorbeikam.

Doch hatte sie vergessen, ebenfalls darauf zu achten, das Paul nicht fiept, schnarcht, atmet oder – ganz schlimm – gar an die Büsche pinkelt.

„Das riecht ja schon ein bisschen streng.“ zischte Piefkes Frau, die so langweilig war, dass Sabine sich ihren Namen einfach nicht merken konnte. Dabei streckte sie sich so, dass sie gerade über den Zaun gucken konnte und zeigte hysterisch mit dem Finger auf einen Busch. „Da hat der doch bestimmt hingepinkelt.“

Sabine seufzte aus. „Ja, das kann schon sein.“

Ein anderes Mal beschwerte sich Piefke bitterlich, dass Paul gefiept hätte. Michael war in der Küche und hatte davon nichts mitbekommen. Und er konnte sich auch nur schwerlich vorstellen, dass die Nachbarn in 30 Metern Entfernung etwas gehört hätten.

„Ich versuche mich, auf meiner Terasse zu entspannen.“ keifte Piefke und Michael dachte bei sich „Wie wär’s, wenn Du dich auf deiner Terasse erhängst“. Aber das behielt er für sich. Der Mann hatte Anstand.

Den Gipfel der nachbarschaftlichen Unzufriedenheit markierte ein Hundehaufen. Nein, der stammte nicht von Paul. Aber er hätte von Paul stammen KÖNNEN.

Abends saßen Michael und Sabine noch im Bett und schauten einen Film. Plötzlich und durchaus ernsthaft drehte sich Michael zu Sabine und fragte: „Kennst du einen Auftragskiller?“. Sabine erwiderte frustriert „Habe ich auch schon überlegt, leider nein.“

Das Leben mit einem Nachbarn wie Piefke ist sehr anstrengend und die alte Weisheit „Es kann der frömmste nicht in Frieden leben …“ bekommt eine neue, nervige Bedeutung. Doch, so viel sei verraten, auch Piefkes haben ihre Leichen im Keller. Und auch wenn es Zufall war, irgendwann wurden auch Michael und Sabine fündig …

(Fortsetzung folgt)

Hier gehts zu Paul.

Chuck

Ich: „Nookie, ich ziehe Dir jetzt einen Maulkorb auf.“
Nookie: „Wenn Du versuchst, mir einen Maulkorb aufzuziehen, bringe ich Dich um.“
Ich: „Ach weißt Du, Maulkörbe sind eh überbewertet.“

Nookie, eigentlich Nanook, ist ein Malamute-Husky-Mix. Wir nennen ihn der Einfachheit halber einfach „den Malamuten“ und jeder, der uns kennt, weiß beischeid. Er gehört F. und da F. gerade auf einem Reggae-Festival weilt, arrangieren der Nook und ich uns so einigermaßen. Naja, so einigermaßen trifft es nicht ganz. Denn Nookie kann ganz schön zubeissen, wenn ihm irgendetwas nicht passt. Was genau das ist, entscheidet Nookie spontan je nach Tagesform. Mal passt es ihm nicht, wenn ich den leergefressenen Napf wegräumen möchte, mal passt es ihm nicht, wenn ich den Napf stehenlasse. Mal ist er übellaunig, weil ich ihn reinrufe und ein anderes Mal, wenn er draussen bleiben soll. Manchmal stört ihn, wenn ich ihn streichle, mal wenn ich es nicht tue. Und manchmal reicht es, wenn ich atme. Oder eben nicht.

Nun ist der Maulkorb ab und Nook sieht überhaupt nicht ein, warum er ihn wieder aufsetzen sollte. Leberwurst? Pfft. Keine Chance.

Alles in allem also ein Hund, der perfekt in unseren Haushalt passt.

Gut, „Nanook“ ist nicht unbedingt der kreativste Name für einen nordischen Hund. Aber da wissen wir uns zu helfen.

Kommen wir morgens in die Küche, sagen wir „Na Nook“, wenn er etwas lassen soll, sagen wir „Nein Nook“ und wenn wir abends ins Bett gehen, sagen wir „Nacht Nook“. Wir finden das wahnsinnig komich und können uns darüber kringelig lachen.

Nichts zu lachen hatten dagegen Nookies Vorbesitzer. Nachdem er ein paar Mal herzhaft zugebissen hat und diverse Hühner ihr Leben für den Versuch, Nookie an das Federvieh zu gewöhnen, lassen mussten, landete Nookie schliesslich bei uns. Dabei hatte Nookie durchaus eine behütete und schöne Kindheit. Keine groben Erziehungsfehler, keine Traumata – Nookies Familie hat viel dafür getan, dass er ein angenehmer Begleiter mit allen dazugehörigen Annehmlichkeiten wird. Nur das Nookie einen solchen Lebensstil nicht besonders schätzt.

Und immer, wenn uns jemand fragt, wie „der arme Hund sooo werden konnte“, antworten wir: „Er war schon immer so, er ist ein Arschloch!“

F. schaute sich damals das Foto vom Nookie an und war auf der Stelle verliebt. Aus Erfahrung mit anderen nordischen Typen war sie sich sicher, dass man „den schon hinkriegt“. Die Erfahrung mit Nookie beweist derweil, dass die Ausnahmen die Regeln bestätigen. Trotz der Tatsache, dass der Nook grummelig und übellaunig durchs Leben läuft und nach Belieben zwischen Kuscheltier und Killerbestie pendelt, ist er F.s große Liebe. In einem Forum hat sie über ihn referiert und ich muss zugeben. Ein bisschen eifersüchtig war ich schon.

Dozentin: „Möchtest Du Nanook mal anleinen?“Teilnehmer: „Ich glaube Nanook möchte nicht angeleint werden.“

Gleich zwei nette Menschen, die sich aus welchem Grund auch immer mit dem Thema Tierkommunikation beschäftigen, hatten angeboten, Nookie mal mittels zugesandten Foto zu analysieren und ihre Einschätzung abzugeben. F. und ich, die wir beide nicht daran glauben, dachten uns, dass das ja mal eine gute Möglichkeit wäre, zu überprüfen, was da dran wäre, an der Tierkommunikation.

Erstaunlicherweise waren sich beide Kommunikatorinnen einig, was unseren Nookie angeht. Eine griff denn auch gleich zum Telefon und musste es unbedingt loswerden. „Dieser Hund ist böse. Noch nie habe ich soviel Boshaftigkeit gespürt wie in dem Moment, in dem ich das Bild geöffnet habe. Seid bloß vorsichtig, irgendwann wird er einen von Euch töten!“ Wow.

Nunja, es gab schon so einige Situationen, in denen ich froh war, dass der Nook einen Maulkorb auf hatte. Zum Beispiel, als ich im Winter mal im Schnee ausgerutscht bin und Nook meinte, dass das die Gelegenheit wäre, mir zu zeigen, wo der Frosch die Locken hat. Oder als er sich einen einzelnen Socken aus dem Wäschekorb geklaut hat und ihn verteidigte, als wenn es das Kleidungsstück die letzte verwertbare Beute für mindestens sechs Monate wär.

Jetzt gerade ist Nookie mit dem Rest der Nicht-Hütehunde im Hof und spielt. Und wenn man ganz genau hinschaut, sieht man, dass er ein bisschen mit dem Schwanz wedelt. Aber ganz heimlich.

Ich: „Nookie, willst Du einen Keks?“Nookie: „Wenn Du mir einen Keks gibst, lehne ich mich an Dich und du darfst mich kraulen.“
Ich: „Ich hab Dich lieb, Nookie.“

Achso, warum dieser Artikel „Chuck“ heisst? Weil Nookie der Chuck Norris unter den Hunden ist.