Alle Jahre wieder …
Es kommt so plötzlich wie überraschend. Kaum haben wir uns vom Sommer erholt, steht auch schon wieder Weihnachten vor der Tür. Gut, die ganzen Lebkuchen, Zimtsterne und anderen Süßigkeiten, die seit Ende August im Aldi stehen, hätten uns einen Hinweis geben können, aber man weiss ja, wie das so ist … Kaum gesehen schon verdrängt.
Die Zeit um Weihnachten ist ja bekanntlich die, in der man das Jahr Revue passieren lassen sollte, mal in sich gehen, auf das Erlebte zurückblicken und auch mal Danke sagen. All dieser Blödsinn halt.
Nunja, bedanken werde ich mich weiter unten 🙂
Vorher hau ich noch mal auf die Kacke!
Eine junge Frau stand hier vor einiger Zeit mit ihrem Hüteflauschi vor der Tür und wollte ihr Herzie schnellstmöglich loswerden. Das quietschbunte Hündchen hatte sein Frauli eindrucksvoll gehackfleischt. So richtig mit Krankenhaus und fieser Entzündung.
Völlig überraschend kam das jetzt nicht, immerhin hatte der Hund im Laufe der Jahre ja schon anderen Menschen herzhaft in die Runkel gehackt. Aber dafür gab es ja immer jede Menge Begründungen, Entschuldigungen und Erklärungen. Und irgendwie waren die ja alle selber schuld.
Wäre Flauschie kein Hüti sonder nein Rotti, wäre der Auschrei (der Empörung, nicht des Schmerzes) bestimmt lauter gewesen, aber so konnte man sich erfolgreich durch die Jahre wurschteln.
Unterstützt von diversen Experten lag es je nach Wetterlage an der Schilddrüse oder das Tierchen hatte Angst. Mittels neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse wurde dem Hund alles mögliche beigebracht und alles unmögliche therapiert. Nur erzogen wurde der Delinquent nicht.
Gebracht hat das alles nichts. Aus der großen Liebe wurde nach und nach ein ziemlicher Frust und das, was vom „Mensch-Hund-Team“ übrig geblieben ist, erinnerte an eine vierzigjährige Ehe, in der alles gesagt worden war.
Nun sollte Flauschie den Gang alles Vergänglichen gehen. Das heißt natürlich, wenn wir nicht direkt und auf der Stelle für eine Anschlussverwertung sorgen und das Tierchen übernehmen würden.
Früher einmal wäre ich drauf reingefallen. Die Ansage, dass die arme Fellnase eingeschläfert wird, wenn ich sie nicht rette, hätte mich weichgekocht und ich hätte das Tier aufgenommen. Heute sehe ich das anders.
Mal ganz abgesehen davon, dass man als Tierschutzverein die Beißer ja auch irgendwie wieder unters Volk bringen muss, wenn man nicht gerade über den Platz der Neverlandranch und einen ganzen Hofstaat an Helfern verfügt, bin ich der Meinung, dass ein nicht zu unterschätzender Prozentsatz der Hunde zu dem werden, was sie sind, weil ihre Besitzer sich schlicht weigern, Verantwortung zu übernehmen und den Hund als das anzuerkennen, was er ist – mit den daraus resultierenden Aufgaben.
Viele Menschen leben heute nicht mehr mit Hunden zusammen, sondern mit befellten Stellvertretern für Partner, Kind oder Freunde, mit emotionalen Mülleimern, mit Projekten oder mit Penis Enlargement auf vier Beinen.
Der Psychoanalytiker Jürgen Körner hat diese „Beziehung“, die wir zu unseren Tieren pflegen mal auf gut 250 Seiten in seinem Buch „Bruder Hund und Schwester Katze“ auseinandergenommen und hat unter anderem angemerkt, dass der Mensch vielleicht ein kleines bisschen dazu neigen könnte, in sein Tier Dinge hineinzuinterpretieren, die er vielleicht gerne selber hätte – die aber mit dem Tier selber unter Umständen nicht viel zu tun haben.
Das Buch findet man nur noch antiquarisch, schade eigentlich.
Laut Körner unterstellen wir unseren Tieren gerne mal Gefühlsregungen, die nicht unbedingt dem Tier entsprechen, sondern vielmehr dem, was wir für uns daraus erkennen. Der Hund freut sich, wenn wir nach Hause kommen, weil wir uns freuen würden und wir unterstellen dem Hund Trauer, weil wir selber trauern würden.
Wenn man dieser Argumentation Körners folgt, finde ich es bedenklich, bei wie vielen Hunden Angst diagnostiziert wird. Obwohl das unter Berücksichtigung dessen, von wie vielen Ängsten unser aller Lebensrealität heute bestimmt ist, garnicht so abwegig ist.
Das Verhalten, das unser Hund zeigt, muss Angst sein, weil wir insgeheim selber von Ängsten geplagt sind. So können wir uns solidarisieren. Ich weiß, wie du dich fühlen musst, denn mir geht es genauso. Bei Dir ist es die gruselige Mülltonne, bei mir es die Angst, den Job zu verlieren.
Ob das stimmt? Wer weiss, aber eine Überlegung ist es wert.
Und vielleicht lassen wir Menschen unsere Hunde tun und lassen, was sie wollen, weil wir ganz tief in unserem Unterbewusstsein selber diesen Freiheitsdrang verspüren.
So wollen wir uns alle entfalten und unser Individuum ausleben, dürfen aber nicht.
Die individuelle Selbstverwirklichung wird in unserer Gesellschaft zwar großgeschrieben, aber bitte nur in einem akzeptierten Rahmen.
Schliesslich müssen ja die Rechnungen bezahlt werden, wir sind erwachsen und Erwachsene tun so etwas nicht. Und abgesehen davon – wir können uns garnicht leisten, mal „die Kuh fliegen“ zu lassen, wer weiß, was die Nachbarn denken und so weiter.
Also lassen wir unseren Hund das tun, was wir selber nicht dürfen. Der beste Freund des Menschen soll sich frei entfalten, es reicht ja, wenn wir als Menschen von Zwängen und Restriktionen umgeben sind.
Das diese Gedankengänge mitunter ziemlich merkwürdige Züge entwickeln und dann zu Lasten der Umwelt und vor allem zu Lasten der anderen Hunde gehen, weiss jeder, der schonmal von einem Labbi umgerummst wurde und dann zur Erklärung gehört hat, dass der 40-Kilo-Klops sich freut.
Der Terrier darf selbstredend irgendwelche Rehe durch den Wald hetzen, schliesslich ist er ja ein Lauftier und das entspricht seinem Naturell. Und der Dackel darf ungestraft auf den Rasen vom Nachbarn kacken, weil er gerade mal ein Drückerli loswerden muss.
Auf einer Veranstaltung habe ich mal gesehen, wie eine Hundehalterin in einer Halle, in der bestimmt 50 Hunde waren, einen Ball quer durch den Raum geworfen hat, um mit ihrem Hund zu „spielen“.
Die anderen 49 Hundehalter waren alles andere als begeistert und hatten alle Hände voll zu tun, ihre Viecher zu bändigen, aber das war ihr scheißegal. Schliesslich war es ja IHR Hund, der gerade Lust auf ein Ballie hatte. Und dieser Wunsch musste selbstverständlich und unmittelbar erfüllt werden. Auf den Hinweis, dass sie bitte keine Bälle quer durch die Halle pfeffert, reagierte sie denn auch schwerst empört.
Auf die Idee, dass der Hund das überlebt hätte, wenn jetzt kein Ball fliegt, darauf ist sie wahrscheinlich garnicht gekommen. Und darauf, dass es für ihn vielleicht eine wichtige Lernerfahrung sein könnte, sich mal zurücknehmen zu müssen und zu ertragen, dass er mal nicht die erste Geige spielt, vermutlich erstrecht nicht.
Als Kind habe ich gelernt Frustration zu ertragen. Wenn am Sonntag Familienessen angesagt war, mussten wir Kinder warten, bis unser Vater aufgegessen hatte, bevor wir aufstehen durften. Und er hat langsam gegessen, verdammt langsam.
Als Kinder fanden wir das Scheiße, heute bin ich froh, dass ich über diese Fähigkeit verfüge. Ich habe es überlebt und es hat nichtmal weh getan.
Genau diese Fähigkeit, nämlich Frustrationstoleranz zu erlernen, geht heute augenscheinlich verloren. Im Supermarkt an der Kasse habe ich mal beobachtet, wie ein Kind seiner Mutter gegen das Schienbein getreten hat, weil es kein Ü-Ei bekam. Eingeschüchtert von den Blicken der anderen Kunden gab sie klein bei und erfüllte ihrem Spross den Wunsch. Glückwunsch! Aber diesem Kind möchte ich nicht unbedingt begegnen, wenn es einmal erwachsen ist.
Bei Hunden ist das nicht anders. Flauschie hat sauschnell gelernt, dass er konsequenzlos zuhacken kann, wenn nur genügend Zeugen da sind. Er hat nie gelernt zu ertragen, dass es andere Menschen auf der Welt gibt oder dass seine Besitzerin auch auf dem Sofa sitzen möchte.
Vor lauter Anstrengung, eine liebevolle Hundehalterin zu sein und einen glücklichen Hund zu haben, hat sie eines vergessen.
Genau wie bei Kindern ist es unmöglich, einem Hund ein Leben zu verschaffen, das ausschliesslich aus Glücklich sein besteht. Und wie sähe so ein Leben aus?
Wie soll ein Kind oder ein Hund lernen, glücklich zu sein, wenn niemals ein Unglück passiert?
All die gut gemeinten Freiheiten, die viele Hundebesitzer ihren Lieblingen angedeihen lassen, ohne auch nur einen Hauch Rücksicht auf die Umwelt zu nehmen, werden sich als Boomerang erweisen.
Seit beinahe 15 Jahren leben wir in Deutschland mit hirnlosen und stümperhaft zusammengeschusterten Hundegesetzen, die aus Hunden Bestien machen, nur weil sie einer bestimmten Rasse angehören und Menschen auf eine Stufe mit Prostituierten, Drogendealern und Gangmitgliedern stellen, weil sie den „falschen“ Hund toll finden.
Und jeden Tag kommen neue Gemeinden und Städte dazu, die neue Vorschriften einführen, die den Hundehaltern das Leben etwas schwerer und den Hunden wieder etwas Freiheit rauben.
Grund hierfür sind nicht allein die bösen Hundehasser oder irgendwelche aggressiven Hunde, die Menschen schwer verletzt oder gar getötet haben. Die jenigen Hundehalter, denen völlig egal ist, was andere von ihrem Hobby halten, sind hauptursächlich mit dafür verantwortlich, dass die Regelungen immer strenger werden.
Aber Hauptsache, der Hund darf seinen Freiheitsdrang ausleben.
Ein Hund, der nicht abrufbar ist und jagt, gehört an die Leine. Wenn ein Hund fremde Menschen anspringt, dann muss man ihm das abgewöhnen oder öffentliche Plätze meiden. Und wenn ein Hund Menschen beißt, dann kann man ihn nicht mit ins Café nehmen und hoffen, dass das schon gut geht.
Am Ende des Tages geht es darum, Verantwortung zu übernehmen und den Erziehungsauftrag anzunehmen. Ist man dazu nicht bereit, dann sollte man sich lieber einen Kaktus kaufen.
Wie man seinen Hund oder auch sein Kind erzieht, ist mir herzlich wumpe, vorausgesetzt das Ergebnis stimmt. Bei Kindern heißt das, dass sie nicht dem nächsten Klassenkameraden umhauen oder alte Omas ausrauben, bei Hunden bedeutet das, dass sie keine Gefahr für die Umwelt darstellen.
Übrigens, wenn das mit Lalala und Co. funktioniert, herzlichen Glückwunsch! Wenn aber nicht, dann muss man sich eine andere Methode suchen, die funktioniert. Ausreden zählen nicht.
Und wenn ein Hund beißt, ist es am Besitzer, dafür zu sorgen, dass sich das nicht wiederholt.
Eine gelbe Schleife ersetzt dabei übrigens weder den Erziehungsauftrag noch eine adäquate Absicherung. Auch wenn die Aktion gut gemeint ist.
Und wenn sich das Tierchen mit Maulkorb oder an der kurzen Leine nicht so richtig knorke fühlt, hat es eben Pech gehabt.
Meiner Meinung nach dürfen diese ganzen Erziehungsverweigerer gerne auch begreifen, was es bedeutet, wenn man sich weigert, diese Verantwortung zu übernehmen. Und wenn das im Zweifelsfalle heisst, dass die Fellnase übern Jordan, pardon, über die Regenbogenbrücke gehen muss, weil kein Tierschutzverein helfend zur Seite springt, dann ist das schade um den Hund aber vielleicht heilsam für den Besitzer.
Manche mögen das zynisch nennen, man kann das aber auch als Prävention bezeichnen.
Nun renne ich schon seit einigen Jahren auf den Hundewiesen der Republik rum und bin der festen Überzeugung, dass wir dringend eine verbindliche Sachkunde für jeden brauchen, der einen Hund halten will. Dazu eine Registrierungspflicht, damit man die „ichhabseitdreißigjahrenhunde“-Unverbesserlichen genauso identifizieren kann wie die „ertutdasnurweilerangsthat“-Verrückten.
Die Hunde können nix dafür, aber mittlerweile plädiere ich für aversive Erziehungsmethoden für beratungsresistente Hundehalter.
Würde man jeden, der seinen Köter unkontrolliert durch den Wald hetzen lässt, mit Stockhieben auf die blanken Fußsohlen bestrafen, wäre die Welt vielleicht eine bessere. Oder Stromhalsbänder für Hundehalter, so als kleine Erinnerung an die Verantwortung, die man trägt … Aber dieser Gedanke wäre wirklich zynisch.
Lasst uns unsere Hunde erziehen, lasst uns Verantwortung übernehmen und Rücksicht und Verständnis für diejenigen zeigen, die nicht „auf den Hund gekommen“ sind. Lasst uns allen zeigen, das Hunde tolle Tiere sind!
Ein gut erzogener Hund ist das beste Argument gegen hirnlose Gesetze und unnötige Restriktionen.
In diesem Sinne wünsche ich Euch eine besinnliche Weihnachtszeit und möchte mich bedanken – insbesondere bei
F. fürs da sein
Ute für den immer herzlichen Empfang
Ellen für die nächtlichen Telefonate auf der A7
Thomas
Andrea für die Nachmittage bei den Schafen
Norbert
Niko
Steffi
Marita für das Kellerbier und lustige Abende
Gerd für badischen Rotwein und die Kyno-Boys
Ines, 2014 wird großartig!
Hans-Jürgen (Seit dem ich einen Anwalt habe brauche ich ihn :-))
Klaus
Michele
Michael, Luna und Wiki fürs kennenlernen
Michael und Betina
Reiner und Tanja
Dieter
Siecksie
Nicht zu vergessen Iris
nochmal Michael
Nadin (Danke für Buch und Becks :-))
Vivien, Katharina und Anke für die Seminare
Astrid, Nooki vermisst Dich 🙂
Tanja für die vielen Kommentare (Keep fighting :-))
Sonja
Nora, Ümit, Thorsten und Tanja
Unseren Knalltüten, die unser Leben niemals langweilig werden lassen!!!
Der Facebook-Gruppe „Trainieren statt Dominieren“ für die ständige Inspiration!
Jannika für die großartige Droh-Mail (ich hab immer noch Angst!)
Außerdem die echten Müllers, Maiers und wie sie alle hiessen.
Ganz besonderer Dank an Paul und seine Familie!!!
Allen Kommentator/innen, Lobhudlern, Schimpfenden und sympathischen Sympathisanten!