Archiv für das Monat: Dezember, 2016
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Von Söhnen und Helden
/3 Kommentare/in Allgemein/von normenMit ungefähr 10/11 Jahren waren wir alle, wirklich alle, große Fans von Bud Spencer und Terence Hill. Damals, Anno Tuck im Kartoffelkrieg, liefen Streifen wie „Vier Fäuste für ein Halleluja“ oder „Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle“ nicht nachmittags auf Kabel 1, sondern in der Prime Time im ZDF.
Für die jungen Leute: Prime Time, das war 20:15 Uhr im Fernsehen, und Fernsehen, dass sind die Langweiler, die Ihr bei Youtube immer weg klickt.
Mit 10/11 Jahren durfte ich aufbleiben, wenn Bud Spencer und Terence Hill liefen,auch wenn es eigentlich zu spät war. Und einmal weckte meine Mutter mich sogar auf, als einer meiner geliebten Filme ausgestrahlt wurden.
Als Zugezogener in einem niederrheinischen Dorf gab es exakt zwei Dinge, mit denen ich bei den Söhnen der großen Bauern punkten konnte: Erstens, dass ich ein leidlich guter Torwart in der D-Jugend des DJK war, zweitens hatte ich meinen Vater.
Er war stämmig, vollbärtig und dunkelhaarig. Dass er knapp 10 Zentimeter kleiner ist, als es Bud Spencer war – vollkommen irrelevant, da wir Kinder zu der Zeit mindestens 30 Zentimeter kleiner als mein Vater waren und er so unglaublich groß wirkte.
Ich bin ein Arbeiterkind. Meine Familie war immer das, was man wohl „Mittelschicht“ nennt, ein bisschen Wohlstand aufgebaut auf Malocherei, einmal Urlaub im Jahr – Wandern im Sauerland. Nicht, dass es uns an irgendetwas gefehlt hätte, ich konnte mein Abitur machen, erfolglos studieren und erfolgreich meinen Führerschein machen.
Wenn ich mein Taschengeld aufbessern wollte, habe ich meinem Vater auf der Baustellen geholfen.
600 Quadratmeter Parkplatz im Akkord pflastern bedeutete für mich, dass ich derjenige war, der den Sand und die Steine rannschleppte. Keine Zeit für Pausen, denn mein Vater war schnell, verdammt schnell. Ich vermute, dass er es ruhig anging, damit ich nicht zwischendurch einfach umfiel.
Und er war verdammt stark.
Eine Rüttelplatte ist ein unglaublich lautes und schweres Gerät, mit dem man die frisch verlegten Pflastersteine im wahrsten Sinne des Wortes in den Boden stampft.
Ich erinnere mich daran, dass ich das verfluchte Ding nichtmal zehn Zentimeter bewegt bekommen habe, während mein Vater es einfach schwungvoll vom Anhänger wuchtete.
Solche Sachen wie Gehörschutz oder rückenschonendes Arbeiten waren zu der Zeit auf dem Bau gänzlich unbekannt. Vor allem bei „der alten Garde“, also den Arbeitern, die schon zwanzig Jahre und länger auf dem Bau waren.
Mein Vater hat mit 15 Jahren angefangen, auf dem Bau zu malochen. Angelernter Pflaster, eigentlich wollte er eine Lehre zum Metzger machen, aber das war nicht drin.
Die Arbeit hatte natürlich ihren Preis. Irgendwann waren erst die Knie und dann das Kreuz kaputt.
Mein persönlicher Bud wurde gebrechlich und nach 45 Jahren auf dem Bau schließlich arbeitsunfähig. Zu alt, um umzuschulen, zu jung, um in Rente zu gehen.
Bud Spencer war nicht der Akrobatische, nicht der Schlagfertige und nicht der Frauenschwarm in den Filmen. Ihn machte immer seine stoische Art und vor allem seine Kraft und Widerstandsfähigkeit aus.
Wenn sich Hill und Spencer am Ende von „Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle“ prügeln, drücke ich noch heute Spencer die Daumen – auch wenn ich weiss, dass es im Abspann keinen Sieger gibt.
Vor einiger Zeit hatte mein Vater einen schweren Schlaganfall, vor einigen Monaten einen zweiten.
Gerade habe ich erfahren, dass er Krebs hat. Lungenkrebs.
Mein Telefonat mit ihm entsprach der ganz eigenen Dynamik, die unsere Telefonate immer haben:
„Schöne Scheisse!“ sage ich.
„Da kannste nichts machen.“ antwortet mein Vater und ergänzt.
„Da muss man halt durch. Ich geb dir mal Mutter, die will noch was.“
Telefonat beendet. Alles gesagt, läuft weiter. Als wenn es ihn nicht selber betreffen würde.
Während ich Steine schleppte, habe ich meinen Vater oft verflucht. Er, der Kohl gewählt hat, ohne mir auch nur einmal stichhaltig erklären, warum. Ich, der sich die Haare grün färbte und davon träumte, in Berlin Häuser zu besetzen.
Erst später wurde mir klar, wie ähnlich wir uns sind. Und wie kleinkariert meine Weltsicht.
Als ich E-Gitarre lernen wollte, besorgte mir mein Vater einen Verstärker von einem Bekannten, dessen Einfahrt er gepflastert hatte. Das Lernen des Instruments war meine Aufgabe.
Als ich ein Auto brauchte, um zur Uni zu kommen, organisierte er ein Auto. Als dieses kurz darauf in Flammen aufging, organisierte er ein anderes. Das Studium war meine Aufgabe.
Er hat sich immer gekümmert, wenn es ihm sinnvoll erschien.
Um seine Baustellen, seine Freunde, uns als Familie. Auch wenn er selten da war.
Auch das gehörte dazu. Malochen für ein bisschen Wohlstand. Nach Feierabend, am wochenende.
Stoisch, kraftvoll, schweigsam. Ein bisschen wie Bud Spencer immer ein Lied auf den Lippen pfeifend, das ausser ihm keiner kannte.
Eines meiner Credos, nämlich „Lieber ehrlich als höflich“ habe ich von ihm.
Als ich feststellen musste, dass ich mich in jemand wichtigen getäuscht hatte, sagte er nur: „Hätte ja auch gut gehen können, sei froh, dass Du‘s versucht hast.“
Mein Vater hat jeden, wirklich jeden Menschen, den ich je mit zu meinen Eltern nahm, sofort und ohne Vorurteil akzeptiert. Sogar mein Freund Manfred wurde kurzerhand zum Schwiegersohn erklärt, obwohl wir uns nur das Auto geteilt hatten und Manfred seit zwanzig Jahren verheiratet ist.
Als ich meinen Vater nach seinem Schlaganfall besucht hatte, war es weniger der körperliche Verfall, der mich schockiert hat, sondern vielmehr die Tatsache, dass er sich den Bart abrasiert hatte.
Als ich ihn das letzte Mal sah, war es nicht fehlende Bart, sondern die fehlende Melodie, die er sonst immer vor sich hin pfiff.
Ich glaube, für die Jungs, die nie Terence Hill sondern immer Bud Spencer waren, ist die Tatsache schwer erträglich, dass Kraft und Stärke vergänglich sind.
Dass unsere Väter alt werden, zeigt uns unseren eigenen körperlichen Verfall. Zeigt uns, dass wir keine Kinder mehr sind, dass wir uns plötzlich um unsere eigenen Familien und eigenen Baustellen kümmern müssen.
Dass da niemand ist, der sich kümmert und dass unsere Helden alt werden und irgendwann sterben.
Was meinen Vater angeht: Wenn er es hinbekommt – und ich bin mir ziemlich sicher – dass sein persönlicher Abspann von „Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle“ nur fünf Minuten länger läuft, Hill geht zu Boden.
Kommissar Recks (2)
/3 Kommentare/in Geschichten, Kommissar Recks/von normenJensens Wohnung befand sich im Souterrain eines Wohnklos von Neumünster. Die meisten Mieter waren wohl das, was man „Prekariat“ nennen würde.
Der Briefkasten verriet, dass er seit mindestens 14 Tagen nicht geleert worden war, ein Blick in die Wohnung des Opfers machte jedoch klar, dass dies nichts bedeuten musste.
Die zwei Räume waren mit Möbeln im Stile des Gelsenkirchener Barocks eingerichtet, das Zentrum im Wohnzimmer bildete eine beigefarbene Wohnlandschaft aus Cord, die in den 1970er Jahren in Mode gewesen sein musste.
Dazu ein gefliester Couchtisch, der unter stapelweise Zeitungen, einem Stopfgerät für Zigaretten und jeder Menge unsortierter Unterlagen um Erlösung ächzte.
Auf den dunklen Sperrholzmöbeln staubten jede Menge Pokale vor sich hin, an den Wänden hingen Bilder, die das scheussliche Muster der Tapeten zu verdecken versuchten. Jensen mit seiner verstorbenen Frau. Jensen mit seiner Tochter und seiner verstorbenen Frau.
Das Gros des Wandschmucks machten jedoch Fotos, jedes einzelne fein säuberlich eingerahmt, von Jensen und seinem Hund aus. Oder von Jensens Hund ohne Jensen. Im Porträt, im Ganzen, in der Bewegung und vor allen stehend vor allen möglichen Hintergründen. Eifel, Sauerland, Harz, Schwarzwald, Alpen.
Jensen musste ein ereignisreiches Leben gehabt haben, zumindest war sein Hund weit rumgekommen.
In der Küche stapelte sich das dreckige Geschirr, in der Ecke die leeren Flaschen. Im Kühlschrank fanden sich zwei Flaschen Holsten, ansonsten irgendetwas, von dem man nicht mehr erkennen konnte, ob es in einem früheren Leben ein Stück Butter oder ein Stück Käse gewesen sein mag.
In der Luft lag ein Geruch, den Recks als ausserordentlich widerlich empfand, aber nicht identifizieren konnte, bis Kollege Heimschmitt von der Spurensicherung ihn blöd grinsend fragte, ob er in einen Regenschauer geraten sei, schliesslich rieche es hier nach nassem Hund.
Recks ignorierte den Spruch und durchstöberte die Unterlagen in dem kleinen Bücherregal.
Dabei fiel ihm ein Leitz-Ordner in die Hände, der im Gegensatz zum Rest der Wohnung penibel und akkurat sortiert war. Ganz oben eine Hülle mit einem kleinen blauen Büchlein darin, auf dem „Europäischer Impfausweis“ stand, gefolgt von jeder Menge Papieren.
Recks brauchte einen Moment, um zu verstehen, dass diese fein säuberlich nach Datum und Priorität geordneten Dokumente nicht Jensens, sondern die Jensens‘ Hundes waren. Lag aber eigentlich auf der Hand.
Verrückt, dachte er bei sich. Sein eigenes Leben schien Jensen völlig egal gewesen zu sein. Kontoauszüge, wichtige Unterlagen, alles lag irgendwo rum und war dem Verfall preisgegeben. Selbst der graue Führerschein im Portmonee des Opfers wurde nur noch mühsam durch etwas Klebeband zusammengehalten. Nur bei seinem Hund, da schien Jensen es ganz genau wissen zu wollen.
„Anka“ hiess der ganze Stolz des Getöteten, so stand es auf der Ahnentafel. Und auf dem Foto in dem blauen Büchlein erkannte Recks das Gesicht des Hundes, der ihn beinahe zu Tode erschreckt hatte.
„Recks, kommse mal“, unterbrach der Arsch, der gerade den „Nasser Hund“-Witz gemacht hatte den Kommissar in seinem Gedankengang.
Heimschmitt hielt triumphierend einen B6-Umschlag in die Höhe. Im Umschlag fanden sich mehrere Geldbündel, später sollte sich herausstellen, dass es alles in allem über 450.000 Euro in 500-Euro-Scheinen waren, die Jensen nicht besonders gut in seiner Wohnung versteckt hatte.
450.000 Euro. Das ist eine Menge Geld für einen toten Frührentner.
Kommissar Recks (1)
/3 Kommentare/in Geschichten, Kommissar Recks/von normen„Jaja, sauwitzig, du Arschloch“, murmelte Jürgen Recks in seinen nicht vorhandenen Bart. Seit 12 Jahren lief diese dämliche Sendung schon nicht mehr im Fernsehen und trotzdem durfte er sich in schöner Regelmäßigkeit blöde Witze über seinen Namen anhören.
„Such, Recks, such!“ hatte einer seiner Kollegen, so ein junger Schnösel, ihm blöde grinsend zugerufen, weil er seinen Autoschlüssel nicht finden konnte. Schließlich fand er ihn in der Seitentasche seiner Jacke, so einem scheusslichen, neumodischen Multifunktionsteil, das ihm seine Frau gekauft hatte.
„Ich will doch nicht den Mount Everest besteigen“, hatte er noch protestiert, aber seine Frau bestand darauf, dieses Modell zu kaufen. Immerhin war die Jacke warm. Und rot. Knallrot, so dass er überall auf der Stelle auffiel, wenn er irgendwo erschien.
An diesem Tag war es grau und verregnet und der Heimweg raus aus Rendsburg in Richtung Neumünster zog sich wie Kaugummi. Recks war schlecht gelaunt und zog angestrengt an seiner Zigarette, als ihm schlagartig wieder einfiel, dass seine Frau ihm das Rauchen im Auto strikt verboten hatte.
Gerade als er das Fenster runterkurbeln wollte, klingelte sein Mobiltelefon. Auch so ein neumodisches Teil, dessen pure Existenz ihn schon maßlos überforderte.
Als er bei der Polizei anfing, das waren noch Zeiten. Keine Computer, keine Mobiltelefone. Das war noch echte Polizeiarbeit, wie er es nannte.
Mit einem leichten Seufzer ging er ans Telefon: „Recks hier.“
Am anderen Ende der Leitung war sein Vorgesetzter Wiegand. Auch so ein junger Schnösel, der bestimmt 20 Jahre jünger war als Recks, aber stets einen überheblichen Unterton mit seinen Mitarbeitern pflegte.
„Recks, fahren Sie nach Wasbek. Dort gab es einen Leichenfund.“
„Ok“, murmelte Recks und verabschiedete sich innerlich schon von seinem Abendessen.
„Die Kollegen sind schon vor Ort, aber ich möchte Sie dabei haben, ist immerhin ein Hundeplatz.“, kicherte Wiegand vor sich hin.
„Lustig, du Arschloch“, dachte Recks bei sich und legte auf.
Das Vereinshaus des Hundevereins in Wasbek liegt direkt an der B73 nahe der Autobahn. Als Recks mit seinem Wagen auf dem Parkplatz vorfuhr, hatten die Kollegen von der Streife dem entsprechend alle Hände voll zu tun, die Gaffer wegzuscheuchen, die einen Blick auf das Geschehen erhaschen wollten.
„Gut, dass Sie hier sind.“ Karin Herrscher hätte es beinahe geschafft, Recks wie einen normalen Menschen zu begrüßen. „Is‘ ja lustich, Kommissar Recks auf’m Hundeplatz“.
Schade.
Die Herrscher ist maximal 25 Jahre alt und macht hier einen auf witzig, die blöde Kuh. Und überhaupt, gab es nicht mal eine Mindestgröße für Frauen bei der Polizei? Vor lauter innerer Wut hätte Recks beinahe die Schilderung der Sachlage verpasst.
„Das Opfer heisst Manfred Jensen, 57 Jahre alt. Er war Witwer, hatte eine erwachsene Tochter, die Kollegen sind schon unterwegs. Er war hier der Platzwart. Die Todesursache war vermutlich eine gezielte Stichverletzung direkt in die Aorta, die ihn schließlich verbluten ließ. Sieht ziemlich professionell aus. Auf Grund der Spurenlage wurde er nicht hier getötet, sondern wurde hier abgelegt. Alles weitere wird die Obduktion zeigen, die Jungs von der Spurensicherung sind auch noch nicht durch“.
Wie geht das denn? Wie kommt denn eine Leiche mitten auf einem großen Platz direkt an der Bundesstraße? Spaziergänger hatten den riesengroßen, fetten Mann gefunden und die Polizei verständigt. Ob irgendwem in der Nachbarschaft was aufgefallen war? Ein verdächtiges Auto? Personen? Irgendwas? Natürlich nicht.
Erst jetzt fiel Recks auf, dass ihm Hintergrund ein Köter kläffte.
„Die vom Tierheim sind schon unterwegs“, versicherte Herrscher. „Vermutlich ist das Jensens Hund da im Vereinsheim“.
Recks ging auf das Gebäude zu, das vermutlich in den 1960er Jahren erbaut wurde. Die Fenster waren vergittert und an der etwas verrotteten Holztür, die in das Vereinsheim führte, hing ein Schild mit einer Schäferhund-Silhouette darauf und den Worten: Wir müssen draussen bleiben.
Gleich darunter eine handgeschriebene und laminierte Pappe, auf der „Markieren wird mit 5 Euro in die Jugendkasse geahndet“.
Recks schüttelte den Kopf. Abgesehen von den dummen Witzen hatte er mit Hunden nichts am Kopf. Als er seine Frau kennengelernt hatte, hatte sie eine Katze, die ihm gleich in der ersten Nacht auf seine beste Hose gepisst hatte.
Recks hielt von Haustieren nichts. Kosten nur Geld, machen Dreck, sind laut und rauben einem die Zeit. Genau wie Kinder. Von denen hielt Recks auch nichts.
Aus dem Innern des Vereinsheimes war immer noch lautes Kläffen zu vernehmen. Recks wagte einen Blick zwischen die Fenstergitter und erschreckte sich fast zu Tode, als der Hund mit aller Macht gegen die Scheibe sprang und ihn quasi anbrüllte.
„Ach du Scheiße“, entfuhr es ihm. Er brauchte einen kleinen Moment, um sich wieder zu fangen und bemerkte, dass die Herrscher, die ihn beobachtet hatte, sich vor Lachen fast nicht auf den Beinen halten konnte.
„Blöde Kuh“ murmelte Recks, zündete sich eine Zigarette an und ging zu seinem Auto.