Wie ich mal versehentlich Verleger wurde

Immer, wenn ich mal ein Buch schreibe, überkommt mich quasi alle 5 Zeilen der selbe Gedanke: „Das kannst du so nicht schreiben“.

Schreibe ich zum Beispiel, dass ein Border Collie meiner Meinung nach in der Familie nichts verloren hat, dann kann ich sicher sein, dass dieser Absatz wieder gestrichen wird.

Denn das Ziel einer Rassemonografie, wie solche Hundebücher genannt werden, ist es, die geneigten Leser von den Hunden zu begeistern und nicht, sie abzuschrecken.

Also besteht die Kunst darin, die Aussage so zu verklausieren, dass sich niemand auf den Schlips getreten fühlt und trotzdem ein Hauch von Kritik rauszulesen ist.

Menschen, die sich einen Border Collie zulegen, sollten also darauf achten, sich eher ein Exemplar mit ruhigem Wesen anzuschaffen. Aha.

Read between the Lines

Aber nicht nur die vermeintliche Eignung eines Hundes als lustiger Familienkumpel will wohlwollend wie ein Arbeitszeugnis für einen unmotivierten Praktikanten beschrieben sein. Auch die typischen kleinen Eigenheiten verschiedener Hundetypen liest man eher zwischen den Zeilen heraus.

So wird aus dem zum Wildern neigenden Jagdhund ein „liebenswerter Charakterkopf, immer auf der Suche nach Abenteuern“ und aus dem enervierenden Kläffer ein „wachsamer Hund“. Der besonders treue Gefährte entpuppt sich bei näheren Hinsehen als sozialmotivierter Stalker, der keinerlei Verständnis für Sozialkontakte seiner Besitzer hat und aus dem „actionliebenden, sportlichen Hund“ ein zur Hypervigilanz neigendes Wrack.

Rassetypische Krankheiten werden zwar erwähnt, jedoch wird gerne verschwiegen, dass sie bei manchen Hunden eher die Regel als die Ausnahme sind.

Über Erziehung will ich gar nicht erst anfangen. Würde man in ein Buch schreiben, dass ein „harter Hund“ ein ernsthaftes Gegenüber braucht und die allermeisten Tierfreunde mit ihm überfordert wären, kann der Verlag sich über böse Post nicht mehr beklagen.

Als es darum ging, etwas darüber zu schreiben, wie man unerwünschtes Gekläffe in den Griff bekommt, habe ich mir fast einen Arm ausgekugelt, um nicht einfach „Kannste vergessen“ in die Tastatur zu brechen.

Und so verbringe ich die meiste Zeit damit, die Aussagen, die mir wichtig sind so zu verpacken, dass keiner merkt, was ich eigentlich sagen will. Eine sehr mühsame Angelegenheit, die außerdem wenig Spass macht.

Bücher schreiben geht bei mir in etwa so:

Als erstes mache ich mir Gedanken, was ich eigentlich schreiben möchte und packe das Ganze dann in Konzept, das in etwa so aufgebaut ist, wie das spätere Inhaltsverzeichnis und einige Unterpunkte beinhaltet, die später als Zwischenüberschriften dienen.

Dann schreibe ich ein bis zwei Seiten Vorwort, die ich dann zusammen mit dem Konzept beim Verlag einreiche.

Irgendwann bekomme ich dann eine Antwort von der verantwortlichen Redakteurin, ob das Buch erscheinen wird oder nicht.

Manchmal kann ich mir den ganzen Schmonz aber auch einfach sparen.

Als ich zum Beispiel auf die Idee gekommen bin, ein Buch über Australian Cattle Dogs zu schreiben, habe ich mir bei jedem einzelnen Wort gedacht: Das kannst Du so nicht schreiben. Hab ich aber trotzdem und schließlich festgestellt:

Das Porto kann ich mir sparen. Dieses Werk wird kein Verlag dieser Erde veröffentlichen.

Und so kam es, dass ich vor einiger Zeit mit einer Kollegin telefonierte. Sie arbeitet ihres Zeichens gerade an ihrem ersten populärwissenschaftlichen Werk und verbringt erstmals in ihrem Leben Zeit damit, Hundebücher zu lesen, um eine Idee davon zu bekommen, was da so drin steht.

Kurz, ihr Urteil als Wissenschaftlerin, die sie studierterweise ist, fällt verheerend aus und sie fragte ob der vielen falschen Angaben in dem ihr vorliegenden Buch, ob es in den Verlagen eigentlich jemanden gibt, der die Inhalte noch mal auf Richtigkeit überprüft.

Jein, lautete meine Antwort.

In den Verträgen steht schwarz auf weiss, dass die Autoren selber dafür verantwortlich sind, dass die Inhalte wissenschaftlicher Überprüfung standhalten. Und als ich über Hütehunde geschrieben habe, wollte ich Werbung für einen Kollegen machen und schrieb prompt den Namen falsch. Mit der Folge, dass es dieser Fehler bis ins Buch schaffte.

Mit einem anderen Kollegen, den ich sehr schätze, tausche ich mich gerne über Hunderassen und unseren Eindruck über ihre Entwicklung aus.

Wir sind uns einig, dass es noch keiner Rasse mit Blick auf Wesen und Gesundheit gut getan hat, von der FCI anerkannt zu werden. Katastrophaler entwickeln sich Hunderassen nur, wenn die Tiere in Mode kommen und die Nachfrage dafür sorgt, dass alles verpaart wird, was nicht bei drei auf dem Baum ist.

Ein schon älteres Beispiel liefert der Australian Shepherd. Während diese Hunde vor 15-20 Jahren noch meist schlanke, hochbeinige und außerordentlich pfiffige Typen waren, trifft man heute immer mehr mächtige, großrahmige und äusserst übellaunige Fellbomben an.

Ein aktuelles Beispiel ist der Cattle Dog, der so beliebt ist, dass man ihn mittlerweile auch bei Welpenhändlern im Internet bestellen kann.

Die Hunde werden von der Gesundheit her immer kranker und vom Verhalten her immer aggressiver.

Die paar seriösen Züchter, die Wert darauf legen, gute Hunde mit guten Eigenschaften zu züchten, haben immer größere Schwierigkeiten, geeignete Deckrüden und Zuchthündinnen zu finden, während eine ganze Schar von Ahnungslosen Hunde miteinander verpaart, die besser in der Regentonne als auf der Ausstellung gelandet wären.

Eine Arbeitsprüfung ist nicht vorgesehen, so dass sich viele dieser Hunde am Vieh – das war ja mal der Zweck der Hunde – verhalten wie eine Horde Kneipenschläger, nachdem der HSV mal wieder verloren hat.

Während andere Hüte- und Treibhunde Showlinien hervorgebracht haben, gibt es beim Australian Cattle Dog weder in Europa noch in Übersee eine nennenswerte Zahl von Landwirten, die erfolgreich Arbeitslinienzucht betreiben.

Dabei finde ich diese Hunde ausserordentlich witzig.

Man muss halt ihren Humor haben. Cattles spielen halt so, wie sich andere Hunde prügeln.

Wie kleine Kevins neigen sie dazu exakt das zu tun, was man ihnen gerade verbieten möchte und auch ansonsten kann man mit ihnen Pferde stehlen. Beziehungsweise sich beim Pferdebesitzer entschuldigen, weil der Cattle die Idee einfach selber in die Tat umgesetzt hat.

Sie sind nicht besonders leichtführig, beherbergen eine ganzen Debattierklub in einem einzelnen Hundegehirn, aber wenn man sie hinbekommt, hat man einen robusten und kernigen Begleiter, mit dem man die Alpen besteigen oder sie kaputt machen kann.

Aber wer will schon so ein Hundebuch veröffentlichen.

Wenn sich kein Verlag findet, der das Manuskript druckt, dann mache ich es halt selber.

Dachte ich mir und machte mich an die Arbeit.

Dank der modernen Technik ist es heute relativ einfach und bezahlbar, einen Verlag zu gründen.

Eine ISBN-Nummer ist recht günstig zu kaufen, die Titelschutzanzeige ist schon etwas teurer. Deshalb habe ich gleich mal mehrere schützen lassen, denn es gibt Mengenrabatt.

Dann ein paar Freunde angerufen und um Hilfe gebeten und siehe da: Sieht gut aus.

Während die meisten Verleger früher an den hohen Produktionskosten für Bücher gescheitert sind, gibt es heute die Möglichkeit auch kleine Auflagen „on demand“, also auf Bestellung drucken zu lassen.

Die Möglichkeiten des Internets ermöglichen neue Vertriebswege, so dass man nicht mehr gezwungen ist, Bücher zum Verstauben in der Bahnhofsbuchhandlung zu produzieren.

Und während die Digitaldruckmaschinen vor wenigen Jahren auf dem Niveau einer Farbkopie vor sich hin dümpelten, ist heute kaum ein Qualitätsunterschied zum „richtigen“ Buchdruck zu erkennen.

Und schließlich, Dank der Tatsache, dass ich den Job in einem früheren Leben mal gelernt habe, kann ich vieles selber machen bzw. kenne Leute, die das können.

Finger weg!

Die Idee, ein kritisches und unzensiertes Hundebuch zu veröffentlichen, hat sich Dank Facebook und Co. natürlich recht schnell rumgesprochen und teils lustige Reaktionen hervorgerufen.

Einige fanden die Idee sehr gut, andere sehen das Ganze eher skeptisch. Allerdings nicht auf Grund dessen, dass der Gedanke per se schlecht wäre.

So bekam ich von einem lieben Kollegen den dringenden Hinweis, über welche Rassen besser nichts veröffentlicht wird, was dem allgemeinen Konsens widerspricht.

Wüste Beschimpfungen bis hin zu Drohungen waren die Folge, als eine gemeinsame Bekannte sich mal etwas kritisch über die allgemeine Gesundheit einer allseits beliebten Hunderasse geäußert hatte.

Is ja’n Ding, dachte ich mir, und antwortete:

Bringen wir erstmal die Cattle-Leute gegen uns auf, dann schauen wir mal weiter.

Hier geht es übrigens zu den Büchern.

 

 

Das bisschen „Drumrum“

Eine gute Freundin meinte neulich zu mir, ich würde langsam aber stetig altersmilde werden. Das mag schon sein, antwortete ich kurz und knapp – bevor ich sie 20 Minuten mit geschmacklosen Witzen, blöden Sprüchen und schändlichen Spott überzog.

Spaß beiseite, man wird ja nicht jünger und im Laufe der Jahre vielleicht nicht unbedingt milder, aber dafür gelassener. Oder müde, wie man es nimmt. Und überhaupt: Wer will schon mit 40 seinen ersten Bypass?

Trotzdem gibt es immer und immer wieder mal Momente, in denen ich auch heute noch an mich halten muss, um nicht in die Tastatur zu brechen (online) oder mich auf die Finger setzen muss, um mein Gegenüber nicht zu schütteln oder schlimmeres (offline).

Neulich zum Beispiel, als ich meinen halben freien Samstag gemeinsam mit gefühlt einer Millionen Touristen auf der A7 verbrachte, um mir in einem Tierheim einen Hund anzusehen, der nach einem innerfamilären Beißvorfall nun das Zeitliche segnen sollte.

Der Delinquent, nennen wir ihn der Einfachheit halber Hasso, entpuppte sich nach eingehender Überprüfung als typischer unerzogener junger Hund, der nicht gelernt hatte, Grenzen zu akzeptieren oder Frust zu ertragen und schließlich zugebissen hatte, als seine Besitzerin anderer Meinung war als er.

Mit solchen Fällen habe ich es, seitdem ich was mit Tierschutz mache, nahezu täglich zu tun und anhand von Hassos Geschichte lässt sich der alltägliche Wahnsinn „drumrum“ ganz gut beschreiben.

Fangen wir mit dem Kennenlernen an. Der Grund, warum ich bei 28 Grad drei Stunden im Stau verbracht habe, war, dass das Tierheim, in dem Hasso zu dem Zeitpunkt untergebracht war, keine Kapazitäten hatte, um ihn längerfristig unterzubringen.

Die Tierheime sind immer noch nicht verpflichtet, Abgabehunde aufzunehmen und bekommen ihr Geld auch nur für die Unterbringung von Fundtieren. Und wenn es sich um ein kleines Tierheim wie in diesem Fall handelt, haben die Kolleginnen und Kollegen auch schlicht keine Kapazitäten, einen Hund zu übernehmen, der auf Grund der Vorkommnisse lange Zeit bleiben wird.

Das ist im Übrigen auch der Grund, warum viele Tierheime mittlerweile Abgabegebühren nehmen, die die Kosten für die Unterbringung und Verpflegung bei weitem übersteigen.

Die Reaktionen lassen natürlich nicht lange auf sich warten:

Frau B. aus Facebook wirft dem Tierheim vor, herzlos zu sein. Frau S. schreibt mir per E-Mail, dass Tierheime Geldmacherei betreiben, anders kann sie die Abgabegebühr nicht erklären. Aha.

Kommen wir zur Einschätzung von Hasso mit Blick auf eine Übernahme durch uns:

Hierbei geht es darum, zu überprüfen, wie und ob der Hund zu managen ist, wo seine Auslöser liegen und wie er auf Ansprache, Berührung, Bewegungsreize, Artgenossen, Einschränkung und Unterbrechung reagiert. Immerhin müssen die Tierpfleger/innen später mit ihm arbeiten können, ohne das Gefahr für Leib und Leben besteht. Und vermittelt werden soll er ja auch irgendwann mal.

Zu diesem Zweck sichere ich den Hund mit Maulkorb ab, denn wenn so ein 30-Kilo-Hasso losmarschiert, ist das auch mit Maulkorb schon unangenehm genug, wenn man nicht aufpasst. Und es ist nicht die Aufgabe des Hundetrainers oder Tierpflegers, sich von fremder Leute Hunde zerlegen zu lassen.

Frau A. schreibt dazu, dass der Maulkorb tierschutzrelevant ist.

S. schreibt dazu, dass es „voll gemein ist, die Fellnase“ während der Einschätzung einzuschränken und sie (die Fellnase) „natürlich beissen muss, wenn man sie derart quält“.

Interessant, ich persönlich finde es nicht nur außerordentlich gemein, sondern extrem fahrlässig, mit Rücksicht auf die arme Hundeseele auf eine allumfassende Einschätzung zu verzichten.

Es ist Aufgabe des Tierschutzvereins, seine Schützlinge so gut zu kennen, dass böse Überraschungen für Mitarbeiter/innen und Interessent/innen ausgeschlossen werden können.

Wenn die neue Familie es ist, die im ganz normalen Alltag den Auslöser für eine Attacke findet, ist das nicht nur peinlich, sondern grob fahrlässig und sollte bestraft werden können. Und zum ganz normalen Alltag gehört nunmal dazu, dass man mal im Weg steht, beiseite gehen muss oder – bewusst oder unbewusst – begrabbelt wird.

L. schreibt was zum Thema Individualdistanz und gelber Schleife.

Ein Hund, der guten Gewissens in eine Familie vermittelt werden soll, muss ein bisschen mehr als Alltag abkönnen. Kann er das nicht, darf er das lernen.

Am Ende des Tages haben wir entschieden, dass wir Hasso übernehmen würden.

Frau B. ist der Meinung, dass Hasso nun ganz viel Liebe braucht, die wir ihm sicherlich nicht geben.

Voraussetzung für die Übernahme ist jedoch, dass seine Besitzerin damit einverstanden ist. Diese jedoch hat – meiner Meinung nach verständlicherweise – Angst vor ihrem Hund und Sorge, dass sich so ein Vorfall wiederholen könnte. Deshalb möchte sie erst nochmal darüber nachdenken, ob sie ihn nicht doch lieber einschläfern lässt.

M. schreibt dazu: Sollen die doch die Frau einschläfern.

Während dessen bringen sich in den sozialen Netzwerken die jeweils religiös-fundamentalistischen Hundeerziehungsexperten in Stellung.

Herr S. vertritt die Meinung, dass Hasso „nur mal richtig einen auf die Mütze braucht“.

Frau S. (nicht verwandt, vermutlich nicht verschwägert) hat gleich eine ganze Reihe Tipps zum Thema Desensibilisierung und Gegenkonditionierung parat.

Zu diesem Zeitpunkt sitzt Hasso noch im Tierheim und ausser den Mitarbeitern, seiner Besitzerin und mir  hat ihn noch niemand zu Gesicht bekommen – dennoch scheinen ihn einige schon persönlich zu kennen.

Selbstverständlich dürfen auch Mutmaßungen dahingehend, welche/r Hundetrainer/in an Hassos Schicksal beteiligt war, nicht fehlen, so dass sich in einer Facebook-Gruppe ein eigener Thread mit ihm befasst – inklusive Verhaltenseinschätzungen, Ratschlägen, Verhaltenskastrationsforderungen und „Wenn ich was zu sagen hätte“-Kommentaren.

Vermutlich sind sie nachts heimlich ins Tierheim eingestiegen und haben ihn ihrerseits eingeschätzt.

Außerdem finden sich die ersten „Wenn ich nicht schon zwei hätte“-Interessenten, die Hasso ja auf der Stelle ein Zuhause geben würde, wenn nicht … (bitte ausfüllen).

Am Abend schreibt O: Ist das nicht frustrierend? 

Ja, aber nicht in dem Sinne.