Ein Sack Frolic in China

Mann Mann Mann, ist Facebook heute wieder nervös.

Der Grund hierfür ist, dass „er“ kommt. Er, für die einen der Teufel persönlich, für die anderen der Messias der Hundeerziehung. Ja, genau, Cesar Millan kommt nach Deutschland!

Wahnsinn, „Leader of the Pack“-Tour 2014.

Vor meinem geistigen Auge stelle ich mir vor, wie der kleine Mexikaner mit seinem markanten breiten Grinsen hinter der abgedunkelten Bühne steht, während der Einheizer in lang gezogenen Worten ruft: „Laaaadiiiiies and the few Gentlemäään, here he is, the Leader, the Packleader, the one and onliiiiieeee, Ciiiiiiiieeeeesaaaaaaaar Miillaaaaaaaaaaaan!

Schier unendlicher Jubel bricht aus, die Scheinwerfer hüllen die Bühne in gleißendes Licht und Millan betritt zum Song „Eye of the Tiger“ umringt von einem Rudel Pitbulls die Bühne. Ach was, von wegen umringt, nein, auf einer Sänfte tragen sie ihn rein!

„Give me a Tschtt!“ ruft Cesar seinen Fans zu und die 45.000 Besucher antworten mit einem so lauten „Tscht“, dass alle Hunde im Umkreis von 100 Kilometern ins Platz fallen.

„Dis is wery gud enerdschi“ haucht der Meister ins Mikrofon und in den vorderen Reihen fallen die ersten Fans in Onmacht, während andere vor Erregung kreischend ihre Brustgeschirre auf die Bühne werfen.

Draußen vor der Halle hat sich derweil Widerstand formiert und eine Gruppe von Demonstranten aus der „Gegen Cesar Millan-Facebook-Gruppe“ versucht lautstark mithilfe speziell aufgemotzter Clicker die Veranstaltung zu stören.

Wenn mich jemand fragt, was ich von Cesar Millan halte, pflege ich zu antworten, dass ich ihn nicht kenne.

Das ist natürlich Quatsch, aber ich bin auch nicht blöd. Denn an Millan scheiden sich die Geister und man kann seinem Gegenüber ja nur „vor den Kopf gucken“, wie man in Duisburg sagt.

Und wehe, ich würde antworten „Och , der ist doch ganz unterhaltsam“ und gerate an die Falsche … eieiei, dann ist was los. „Elender Dominanzfuzzi, brutaler“, heißt es dann.

Antworte ich aber „Dieses ganze Energie-Gequatsche geht mir auf’n Sack und die komische Hundeleine, die er da verhökert, find ich scheiße.“ kommt sofort ein entschiedenes „Aber er traut sich an die bösen Hunde ran und überhaupt, endlich mal einer, der zeigt, dass es ohne Huschibuschi klappt“.

Dabei ist die ganze Diskussion dermaßen albern, dass es quietscht.

Denn fragt man einen normalen Hundebesitzer, ob er Millan bzw. den „Hundeflüsterer“ kennt, bekommt man im Normalfall zur Antwort: „Habbich noch nie gehört, aber den Rütter, den kenn ich.“

Ist ja auch kein Wunder, die Sendung läuft auf einem Nischensender, auf SIXX, von dem die meisten genauso wenig gehört haben wie von Millan. Den kennt außerhalb der Peer-Group keine Sau.

Und das ist auch nicht schlimm, denn der Typ wohnt in den USA, einem Land, in dem es einer Revolution gleich kommt, wenn jemand seinen Hund Gassi führt. Einem Land, in dem man Teletakts (sogenannte E-Collars) in jedem Zoogeschäft bekommt.

Die Beziehung der Amis zu ihren Hunden ist in großen Teilen mit der hierzulande garnicht vergleichbar. Wenn eine US-amerikanische Autorin empfielt, mit dem Hund Auto zu fahren, dann tut sie das deshalb, weil drüben nur die wenigsten ihren Hund ausführen. Autofahren statt Gassi – auch eine Form der Auslastung. Wenn sich irgendwelche deutschen Lalas über die Laufbänder in der Sendung aufregen, dann sollten sie sich darüber im Klaren sein, dass man die Teile in den USA auch im Zoogeschäft kaufen kann.

Aber selbst wenn das alles irgendwie vergleichbar wäre – das, was die geneigten Fans und Hater zu sehen bekommen, ist ein 20-minütiger Zusammenschnitt, der so aufgebaut ist, dass es den Anschein erweckt, als wenn da einen Nachmittag lang trainiert würde und danach wär alles gut.

Wer sowas glaubt, der glaubt auch der Waschmittelwerbung, dass er gefahrlos Altöl in die Maschine kippen kann und die Tennissocken hinterher trotzdem strahlendweiß sind …

Die Anti-Cesaristen argumentieren derweil, dass Millan ein elender Tierquäler ist und bringen zum Beweis den Ausschnitt, in dem der Husky gewürgt wird.

Hab ich mir angeguckt.

Stimmt, das ist fast halb so brutal, wie die Dinge, die man jeden Sonntag auf konservativ geführten Hundeplätzen beobachten kann. Der Grund, warum sich über Millan empört wird, anstatt mal beim Gebrauchshundeverein Pleinpopelsdorf vorstellig zu werden und den Herren da die Stachler aus der Jacke zu prügeln, ist relativ klar.

Es könnte nämlich sein, dass man eine so ganz und garnicht virtuelle Antwort bekommt. Und soweit, dass man sich mit realen Tierquälern quasi von Angesicht zu Angesicht auseinandersetzen würde, geht die Tierliebe dann doch nicht.

So ist das. Man meckert gepflegt über die bösen Hundefänger in Rumänien und genießt derweil sein Billig-Hähnchen zu 1,99 € vom Aldi. Aber bitte nur die leckeren Teile, den schäbigen Rest exportieren wir nach Afrika und machen dort den Kleinbauern ihre Lebensgrundlage kaputt.

Das andere Extrem sind dann die Millan-Fans, ach was, die Jünger, die ihn schier anhimmeln und jedes Mal in Jubelrufe ausbrechen, wenn er auch nur einen Pups macht. Wandelnde Coverversionen, die in Millan’scher Schrankwandhaltung durch die Gegend stolpern und alles an“tscht“en, was nicht bei drei auf den Bäumen ist.

Finde ich mindestens genauso fragwürdig wie die andere Seite.

Da wird anhand von Filmsequenzen eine Methodik übernommen, ohne die Hintergründe und Geschehnisse zu kennen, die nicht gesendet werden. Aber natürlich legt das Kamerateam ja auch besonders großen Wert darauf, das ganze unspektakuläre Drumherum zu zeigen und nicht den Moment, in dem der Köter in die Attacke springt. Hüstel …

Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Hundeschulen, die damit werben, „nach Cesar Millan“ zu arbeiten. Aha, und wo haben die das her? Sind die alle in die USA gereist und haben beim Heiligen himself hospitiert?

Haben die Zertifikate, auf denen „Feel the Energy 101“ draufsteht? Wurde das „tscht“ geprüft? Mussten die alle das Grinsen üben? Und den mexikanischen Dialekt wegen der Credibility?

Oder schreiben die das etwa nur dahin, weil sie sich davon versprechen, mehr Umsatz zu generieren? Haben die das etwa nur aus dem Fernsehen?

Verrückt, als Kind habe ich jeden Sonntag die „Schwarzwaldklinik“ gesehen, später dann „Emergency Room“. Trotzdem habe ich bis heute noch keine Herz-Operation durchgeführt. Mach ich jetzt aber. Bypass-OP, aber „nach Brinkmann“.

Klar, bei meiner OP würden vermutlich die meisten draufgehen, schließlich kenne ich keine Details und könnte nur genauso cool und souverän am OP-Tisch rumstehen wie einst der Professor.

Könnte aber dem einen oder anderen „Nach Millan“-Hundetrainer auch passieren, wenn der nette Killerrüde von nebenan sich von der Schrankwand nicht beeindrucken lässt.

Wenn man mich fragt, geht es bei der ganzen Diskussion um Cesar Millan um etwas ganz anderes.

Wenn die Empörten wirklich wollten, dass keine Fellnase auf dieser Erde dermaßen böse behandelt wird, wie Millan es ihrer Meinung nach tut, dann wäre es doch klug, ihn nicht bei jeder Gelegenheit zu erwähnen und dem Teufel persönlich auch noch eine Bühne zu bieten.

Die meisten kennen den „Hundeflüsterer“ doch überhaupt nur, weil ihnen irgendwer erzählt, wie böse er ist. Wer guckt denn bitte freiwillig SIXX???

Aber, und da liegt das Problem. Wie will man denn seine Philosophie an den Hundehalter bringen, wenn man niemanden hat, von dem man sich distanzieren könnte? Dann bliebe ja nur, sein fachliches Können unter Beweis zu stellen. Nicht ganz einfach bei einer Methodik, die in erster Linie alles verbietet.

Fragt man die Konkurrenz, dann haben ALLE Hundetrainer, die im Fernsehen auftreten, eines gemeinsam. Die können’s  nicht. Rütter ist ein Weichei, Millan ein Tierquäler, Nowak hat eh den Knall nicht gehört und überhaupt.

Dabei sollten wir doch froh sein, dass es sie gibt.

Ohne Millan, Rütter und Co. wäre die Hälfte von uns arbeitslos. Wir sollten denen auf Knien danken, dass die ihre Nase jeden Sonntag in die Kamera halten. Ist doch großartig. Die kriegen den Shitstorm, wir kriegen die Kunden!

Dabei ist vollkommen irrelevant, ob da jemand nun eine PET-Flasche wirft oder Goethe rezitiert. Er macht Werbung. Für uns alle. Ohne die Fernsehprediger in Sachen Kynologie wäre es im Jahr 2014 noch völlig normal, seinen Hund einfach zu erziehen anstatt von Welpen- zur Junghundegruppe und von der Junghundegruppe ins Einzeltraining zu pilgern.

Und wenn jemand all das falsch nachahmt, was er da im Fernsehen gesehen hat – umso besser! Stammkunden!

Machen wir uns nichts vor.

Ob man Millan hasst oder liebt oder ob die Linde rauscht, interessiert niemanden. Wenn da so eine Wahnsinnige bei Facebook rumtrötet, dass sie „diesen Millan bis an ihr Lebensende bekämpfen“ wird, dann interessiert das genauso wenig, wie wenn jemand quasi per Reflex argumentiert, dass Huskies ja dem Meer entstiegen seien und Atmen deshalb überbewertet wird.

Der Mexikaner wird sich weder vor Verzweiflung von seinem Geldberg werfen noch wird er einen persönlichen Dankesbrief verfassen.

Das einzige, was wirklich interessiert, ist Quote. Sind die Marktanteile hoch genug, dann führt man uns B-Promis vor, die vor der jauchzenden Fernsehgemeinde Kakerlaken poppen.

Wenn der Millan morgen plötzlich auf rein positiv bestärkende Erziehungsmethoden umsteigt, dann entscheidet einzig und allein das Publikum, ob das der neue heiße Shice ist oder ob die Sendung schnellstmöglich abgesetzt wird.

Das kann man gut finden oder nicht. Aber welche persönliche Meinung wir über Hundeerziehungsmethoden haben, ist dabei völlig wumpe.

Bevor man sich über die armen Hunde beschwert, sollte man mal darüber nachdenken, was bei „DSDS“ mit jungen Menschen angestellt wird, die von der Jury zerteilt werden wie Schlachtvieh.

Und woher man das weiß.

Fataler Doppelbesatz (2)

Nachdem ich mich im ersten Teil mit der spannenden Geschichte Frau Ertels befasst habe, möchte ich mich nun mit den Rudelstellungen an sich und mit den Punkten befassen, die meiner Meinung in Frage gestellt werden sollten.

Gemäß der vererbten Rudelstellungen besteht ein „perfektes“ Rudel aus sieben Tieren, angefangen beim beim „Vorrang Leithund“, gefolgt von zwei Hunden, die als vorrangige Bindehunde (V1 und V2) bezeichnet werden. Eine zentrale Position nimmt der „Mittlere Bindehund“, dem zwei nachrangige Bindehunde und schließlich der „Nachrang Leithund“ folgen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Frage, warum es ausgerechnet sieben Hunde sind und nicht etwa fünf oder Neun.

Versuche, Hunde zu kategorisieren gab und gibt es mehrere, vielleicht helfen diese Anordnungen weiter.

Günter Bloch zum Beispiel unterteilte seine „Pizza Hunde“ in A- und B-Typen, also in „neugierigere“ und „zurückhaltendere“ Exemplare. Auf der gleichnamigen DVD kann man beobachten, wie die Hunde anhand eines Tests mit einem unbekannten Objekt grob eingeschätzt werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu wissen, dass die Ergebnisse lediglich als Anhaltspunkt für weitere Beobachtungen gelten konnten.

Andere Forscher lehnten sich bei ihren Kategorisierungen an die sogenannten BIG FIVE aus der Persönlichkeitspsychologie an, um Hunde einzuschätzen:

Die Faktoren Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrungen, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit werden beim Big Five-Modell jeweils auf einer fünfstufigen Skala bewertet, so dass am Ende eine hohe Variablität von Persönlichkeiten stehen kann.

Die Problematik beim Big Five-Modell liegt schlicht darin, dass es sich hierbei um eine Methodik aus der Humanpsychologie handelt, während die A-/B-Typisierung lediglich eine grobe Unterteilung darstellt.

Auf jeden Fall unterscheiden sich die genannten Vorgehensweisen dadurch von den Rudelstellungen, dass sie keine Aussage hinsichtlich der „Qualität“ eines Sozialverbandes darstellen. Außerdem wird nicht unterstellt, dass ALLE Varietäten für ein „vollständiges“ Rudel vorhanden sein müssen.

Egal, welche Methode nun zum Einschätzen von Hundepersönlichkeiten angewendet wird. Mit sieben Kategorien kommt man nicht aus, dafür sind Hunde in ihrem Verhalten und im Bezug auf verschiedene Umweltreize einfach zu komplex.

Aber vielleicht ergibt die Zahl Sieben ja Sinn, wenn man sie mal googlet. Und siehe da, mythologisch betrachtet ist die Sieben eine ausserordentliche Zahl. So gibt es zum Beispiel das sogenannten „Blue-Seven-Phänomen“, weil viele Menschen bei der Wahl ihrer Lieblingszahl zwischen eins und neun die Sieben wählen und die meisten Blau als ihre Lieblingsfarbe angeben.

Die Woche hat sieben Tage, Schneewitchen hatte sieben Zwerge, es gibt sieben Todsünden, die Liste ließe sich ewig weiter fortführen. Mit Blick auf die Theorie, dass es sich bei den Rudelstellungen ursprünglich um ein geschicktes Geschäftsmodell von Herrn Werner handelte, macht eine solch mächtige Zahl Sinn. Aber das ist natürlich Spekulation.

Um sich der Thematik zu nähern, gibt es glücklicherweise ein Buch, um genau zu sein, ein „Standardwerk“, wie Frau Ertel auf ihrer Internetseite schreibt.

Wikipedia bezeichnet den Begriff als „Bezeichnung für Werke, in der Regel Lehrbücher, Handbücher oder Nachschlagewerke, über deren Inhalte innerhalb des jeweiligen Wissensgebiets ein breiter fachinterner Konsens besteht.

Insofern hat sie recht, denn ein zweites Buch zum Thema Vererbte Rudelstellungen konnte ich nirgends finden. Das Standardwerk mit dem schmissigen Titel „Der Verständigungsschlüssel zum Hund, Die vererbtgen Rudelstellungen der Hunde nach Philipp, Josef und Karl Werner (1810-1977), Ein anderer Blick auf die Sozialstruktur von Hunden“ ist im Verlag „Tredition“ erschienen, der sich auf sogenannte Self Publishing-Projekte spezialisiert hat.

Die Antwort auf die Frage, warum es sieben Tiere sein müssen, bleibt auch das Standardwerk schuldig. Dafür beschreibt es ausführlich die schlimmen Folgen für solche Rudel, die weniger oder – auf Grund des drohenden Doppelbesatzes – gar mehr Mitglieder als die erforderlichen sieben haben.

Diese Tiere haben laut den Expertinnen allesamt eine Verhaltensstörung auf Grund der fehlenden Rudelbestandteile oder wegen Fehl- oder Doppelbesatzes. Hervorgerufen wird diese Störung dadurch, dass die Tiere nicht ihrer erblichen, also genetisch bedingten Rolle nachkommen können.

An dieser Stelle möchte ich kurz einwerfen, dass die Frage nach erblichen und erlernten Faktoren einer Persönlichkeit eine gute Möglichkeit darstellt, heftigen Streit zwischen Forschern zu entfachen. Hier sind sich die Experten einig, dass in vielen Teilen große Uneinigkeit herrscht.

Daher möchte ich zumindest erziehungsbedingten Faktoren aus dem Weg gehen, in dem ich einfach einen Blick auf den Vorfahren unserer Haushunde werfe. Wenn man sich Wolfsrudel in freier Wildbahn anschaut, dann stellt man fest, dass es Tiere gibt, die alleine, als Paar, als Rudel zu dritt, zu viert oder wie zum Beispiel im Yellowstone-Nationalpark sogar in Sozialverbänden mit dreißig oder vierzig Tieren leben. Auch siebenköpfige Rudel gibt es selbstverständlich.

So wirklich gestört scheinen die nicht zu sein, wenn man den Wissenschaftlern glauben darf. Als ich mit Gerd telefonierte, warf dieser auch ein, dass die Umwelt- und die Lebensrealität von Wölfen eine Kategorisierung àla Vorderer Leitwolf garnicht zulassen würde. Oder um es kurz zu fassen: Stirbt der Mittlere Binde-Wolf fällt das Rudel nicht auseinander und beginnt auch nicht damit, sich gegenseitig zu zerfleischen.

Nun gut, hier geht es aber auch nicht um Wölfe, sondern um Hunde. Und idealerweise stellt man die Position innerhalb der Rudelstellungen anhand eines Welpenliegebildes fest. Je nachdem wie die Würmchen so drapiert sind, ergibt sich laut der Rudelstellungen die Position innerhalb des Rudels.

Hierbei werden Rudel in drei Kategorien unterteilt, die dritte Kategorie gilt in der Rudelstellungen-Welt als Super-GAU.

So schreibt Frau Ertel auf ihrer Website, dass nur ein Hund aus einem Wurf der Kategorien 1 und 2 in der Lage wären,

vom ersten Tag seines Lebens an auf dieser Welt professionalisieren und so seine innere Wesensfestigkeit erhalten. Dadurch wird und bleibt er für den Menschen und seine Artgenossen berechenbar.

Würfe der Kategorie 3 können dies nicht leisten und die Tiere verlieren vom ersten Tag ihres Lebens an die Chance zur positiven Entwicklung ihrer Gemeinschafts-, Kommunikations- und Selbstkorrekturfähigkeiten.

Was macht man denn nun mit einem Hündchen der Kategorie Drei? Ertränken? Zumal es garnicht so einfach ist, ohne Welpenliegebild zu erkennen, dass man beim Hundekauf rudelstellungstechnisch ins Klo gegriffen hat.

Denn:

Der Hund ist in der Lage, über Reparaturmechanismen und Ablenkungsverhalten dem Menschen zu suggerieren, dass die Welt für den Hund nach außen in Ordnung erscheint, weil das offene Zeigen von innerer Schwäche und fortschreitender innerer Zerstörung eine Angriffsfläche für stellungsstarke und strukturierte Hunde bietet.

Harter Tobak. Aber glücklicherweise gibt es ja Frau Ertel und ihre Mitstreiterinnen, die dem geneigten Hundehalter helfen.

Beim Zusammenleben mit einem der Hunde, die nicht in Kategorie 3 gehören, gilt es einiges zu beachten. Insbesondere die „Tabuzonen„, die je nach Position des Hundes zwischen 5 und 10 Meter betragen. Diese Tabuzonen dürfen nicht unterschritten werden, auch darf der Hundehalter nicht zulassen, dass sein Hund die Tabuzone anderer Hunde unterschreitet.

Ob dies nun bei 7,50 Meter passiert oder erst bei 4,90 Meter hängt von der Position des Gegenübers ab.

Dies bedeutet selbstverständlich auch, dass Hunde nicht spielen dürfen. Darauf, dass es gefühlt 1000 seriöse Untersuchungen über die Wichtigkeit von Spiel für Hunde mit Blick auf das Erlernen wichtiger sozialer Fähigkeiten gibt, möchte ich an dieser Stelle garnicht eingehen.

Dafür aber darauf, dass Frau Ertel wertvolle Tipps für diejenigen unter uns hat, die nicht in Alleinlage, sondern vielleicht in einem Wohngebiet wohnen.

Vorrang und Nachrang Leithunde lässt man immer so laufen, dass sie auf ihrer rechten Seite eine Hauswand oder ähnliches als Außengrenze haben. Der Mensch läuft auf Kopfhöhe oder vor der Kopfhöhe des Hundes so auf der linken Seite des Hundes, dass dieser durch den Körper des Halters von Fremdkörpern (entgegenkommenden Menschen und Hunden) abgeschirmt wird.

Überhaupt spielt der Mensch bei den Rudelstellungen eine große Rolle. Denn er muss aufpassen, dass er den Hund nicht dahingehend erzieht, dass sein Vorderer Leithund in seinem Tun beschränkt wird.

Dies ist dann auch einer meiner größten Kritikpunkte. Bei den Rudelstellungen tritt die Rolle des Menschen in den Hintergrund, da wir es hier ja immerhin mit vererbten Persönlichkeitsmerkmalen zu tun haben, die geschützt werden müssen und nicht versaut werden dürfen. In Anbetracht der Tatsache, dass wir es aber mit domestizierten Tieren zu tun haben und jeden Tag mit ihnen verbringen, halte ich dies für mindestens zweifelhaft.

Aber darauf gehe ich beim nächsten Mal ein.

 

Fataler Doppelbesatz (1)

Update 12. März 2014: Vielen Dank an den Polar-Chat für diesen Link. Hier nahm das Ganze seinen virtuellen Anfang.

Zur Zeit geht es heiß her auf den Hundewiesen der Republik. Grund hierfür sind die sogenannten vererbten Rudelstellungen. Frau Nowak ist es nämlich, die – vermutlich petitionsgebeutelt – seit neuestem medienwirksam darauf schwört.

Verständlicherweise fragen sich nun viele Hundebesitzer, was ihrer denn nun für einer ist, welche Position der geliebte Vierbeiner im „Rudel“ inne hat und ob es – im Falle einer Mehrhundehaltung – nicht vielleicht zu einem fatalen „Doppelbesatz“ komme, der unweigerlich dazu führt, dass es früher oder später knallt.

Gerade finden im Internet vor allem zwei kritische Artikel zur Thematik weite Verbreitung, die unterschiedlicher nicht sein könnten und gerade kreuz und quer durch Facebook & Co. geteilt werden.

In einem Artikel setzt sich Thomas Baumann sehr sachlich mit der Frage nach dem Doppel- bzw. Fehlbesatz auseinander, in einem anderen Artikel beschreibt eine Gastautorin der Webseite „An der Leine – Hundeleben in Hannover“ sehr emotional ihre persönlichen Erfahrungen.

Was ist also dran an der Theorie, dass anhand von Welpenliegebildern auf eine spätere Position innerhalb eines Sozialverbandes geschlossen werden kann? Was hat es mit dem „Doppelbesatz“ auf sich und handelt es sich bei den Verfechtern der vererbten Rudelstellungen tatsächlich um „Lakaien“, die einen „Guru“ anbeten oder ist das eine interessante „andere Sicht“ auf unser Zusammenleben mit dem Hund?

Fragen über Fragen, denen ich mich mal in Ruhe widmen möchte. Und anfangen möchte ich mit der Geschichte, die dahinter steckt.

Laut der Rudelstellungs-Expertin Frau Ertel liegen die Ursprünge ihrer Erkenntnisse schon einige Zeit zurück. So findet sich im Dog Forum eine Information mit Datum 27.12.2011:

Das Wissen über die vererbte Rudelstellung habe ich vor 42 Jahren von einem alten Mann gelehrt bekommen, anhand von neugeborenen Welpenwürfen zahlreicher Züchter die dieser Mann betreute.

Der „alte Mann“ hat zwischenzeitlich auch einen Namen, nämlich „Karl Werner“, der wiederum hat sein Wissen „1968-1969 weitergegeben an Barbara Ertel, die ausschließlich mit diesem Wissen ihre Hunde seit 1970 in strukturierten Rudeln und Teilrudeln gehalten hat“, wie man auf ihrer Internetseite nachlesen kann.

Nachweislich anhand von Dokumenten lebte seit 1844 die männliche Linie dieser Familie ausschließlich vom Verkauf arbeitsfähiger Rudel, die in ganz Europa an Adelhäuser verkauft wurden. Mit einem Teilwissen davon bauen bis heute spanische Meuteführer ihre Rudel auf.

Auf der Internetseite finden sich zwar allerhand Bilder von Familie Werner, zumeist mit Eurasiern und Chow Chows, die ich persönlich nicht unbedingt als „arbeitsfähige Rudel“ bezeichnen würde, die Dokumente, die den wirtschaftlichen Erfolg der Familie mit dem Verkauf eben dieser Rudel belegen sollen, bleibt Frau Ertel leider schuldig.

Aber vielleicht gibt es ja die „spanischen Meuteführer“, auf die Frau Ertel verweist. Da ich keinen persönlich kenne, habe ich zum Telefon gegriffen und meinen Freund Gerd Leder angerufen, der als Kynologe über ein schier unglaubliches Wissen verfügt und die Hundewelt wie kaum ein zweiter kennt.

Gerade mit Blick auf die Rehaleros, also die spanischen Meuteführer, musste Gerd schmunzeln und erklärte mir, dass Rudelstellungen oder ähnliches den Spaniern reichlich egal wären …

In Deutschland allerdings findet man in der Jägerschaft den Begriff des „Kopfhundes“, der grob zusammengefasst einen Hund beschreibt, der schon als Welpe im Vergleich zu seinen Wurfgeschwistern sehr „dominant“ auftritt. Vielleicht ein Hinweis, dass die Rudelstellungen unter Jägern bekannt sind? Im Forum von „Wild & Hund“ wurde mal darüber gestritten, ob es einen solchen Hund überhaupt gibt. Den Begriff Rudelstellungen sucht man jedoch vergeblich.

Aber wenn doch über Jahrzehnte hinweg arbeitsfähige Rudel in ganz Europa verkauft wurden, dann muss das doch irgendjemand mitbekommen haben. Da meine Suche im Internet erfolglos geblieben ist, habe ich mir gedacht, ich frage mal bei der Redaktion von „Wild & Hund“ nach. Immerhin erscheint das Magazin bereits im 120. Jahr und bedient ja die Zielgruppe der Familie Werner. Vielleicht hat Herr Werner ja mal eine Anzeige geschaltet, wer weiß.

Die erste Redakteurin konnte mir nicht weiterhelfen und hatte noch nie von Rudelstellungen gehört, mein zweiter Ansprechpartner war auch ratlos, gab mir aber die Kontaktdaten von einem Kollegen, der ein ausgewiesender Spezialist für das Jagdhundewesen sei. Dem wiederum habe ich eine E-Mail geschickt und bin mal gespannt wie seine Antwort lauten wird …

Mit ein bisschen Mühe finden sich im Internet ja noch weitere Anhaltspunkte über die Geschichte der Rudelstellungen. Auf der Internetseite von Helgas Hundeteam zum Beispiel findet sich das „Rudelstellungen-Infoheft“ im handlichen PDF-Format

Dort steht auf Seite 18 geschrieben:

Es ist leider nicht bekannt, woher das Rudelstellungswissen urspünglich stammt, wann und wie es entstand und wie weit verbreitet es einmal war. In der moderneren wissenschaftlichen Literatur ist es jedenfalls nicht vorhanden.

Vermutlich handelt es sich um rein praktisch angewandtes (Züchter-)Wissen. Sicher ist, dass das Wissen in der Familie von Karl Werner (1902-1977, ein Eurasierzüchter der ersten Stunde, Zuchtstätte „Pflänzerland“ im hessischen Niederwalluf) mündlich von Generation zu Generation weitergegeben wurde.

Mündlich also. Wenn man sich anschaut, wie komplex das Ganze ist, stellt man sich schon die Frage, wer sich das alles merken soll. Die dazugehörige Fußnote Numero 57 weist dann doch noch darauf hin, dass „es mindestens von Karl Werner handschriftliche Aufzeichnungen“ gegeben habe, die „aber leider verschollen sind“.

In Fussnote 58 findet sich erneut der Hinweis, dass

„(…) das Rudelstellungswissen erstmals von Familie Werner so detailliert beobachtet, beschrieben und angewandt, dass die Werners dadurch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Berufszüchtern bzw. Hundeverkäufern hatten?
Teile des Rudelstellungswissen finden sich aber auch immer wieder bei anderen alteingesessenen Züchterfamilien oder z.B. bei traditionellen Meutehundführern in Spanien“

Das mit den spanischen Meuteführern hatten wir bereits. Aber was alteingesessene Züchterfamilien angeht, so kenne ich tatsächlich die eine oder andere. Die Familie unseres Futtergroßhändlers zum Beispiel, die züchtet bereits in der dritten Generation Deutsche Schäferhunde. Und als Kaufleute kennen die sich mit Wettbewerb aus. Und da ich eh Futter bestellen wollte, habe ich bei der Gelegenheit gleich mal nachgehakt.

Der Futterhändler konnte mit dem Begriff nichts anfangen, auch der Großvater der Familie hatte noch nie davon gehört, sagte mir aber zu, sich mal umzuhören. Zumal er jemanden kennt, der Eurasier gezüchtet hat. Eine heiße Spur? Auch hier darf man gespannt sein.

Vorausgesetzt, dass sich die Geschichte von Familie Werner tatsächlich so zugetragen hat und diese sehr erfolgreich „arbeitsfähige Rudel“ verkauft hat, so drängt sich mir eher der Gedanke auf, dass es sich hierbei vielleicht auch einfach um eine frühe Form des Marketings gehandelt haben könnte, mit dem Ziel möglichst viele Tiere an den Mann zu bringen.

Mitte des 19. Jahrhunderts kamen mit der aufkeimenden Industrialisierung auch erste kapitalisitische Ideen auf, und das Konzept, perfekt aufeinander abgestimmte Rudel quasi en Gros zu verkaufen, klingt erstmal schlüssig.

Weniger schlüssig erscheint die Tatsache, dass keiner der Mitbewerber von Herrn Werner mitbekommen haben soll, was sein Erfolgsrezept war. Dass die Rudelstellungen in den nunmehr über 150 Jahren, die seit 1844 vergangen sind Familiengeheimnis geblieben sein sollen klingt nicht sehr glaubwürdig.

Auch stellt sich die Frage, warum ausgerechnet Frau Ertel die Auserwählte war. Die Erklärung hierfür findet sich ebenfalls auf Seite 18 des Rudelstellungen-Infoheftes und klingt beinahe putzig.

Denn

eigentlich wollte Barbara Ertel damals nur einen Welpen von Herrn Werner kaufen – der wollte ihr aber nur dann einen geben, wenn sie sich bereiterklärte, von ihm (der keine eigenen Nachkommen und auch in der weiteren Familie niemanden mit Interesse an Hunden hatte) alles über Hunde zu lernen – Barbara Ertel war einverstanden

Das war also 1968. Herr Werner war damals schon etwas älter, nämlich 66 Jahre alt. Für die damalige Zeit muss der Gärtnermeister ein nahezu revolutionär liberaler Mensch gewesen sein. Trotz der Studentenproteste galten Frauen zu der Zeit nicht unbedingt als emanzipiert, gerade die Hundeszene war in den 1960er Jahren in erster Linie von Männern, und zwar von stockkonservativen Männern, geprägt.

Nun möchte ich Frau Ertel garnicht absprechen, dass sie Herrn Werner nicht mit Fachwissen und Charme derart beeindruckt hätte, dass er in ihr die einzig wahre Auserwählte für sein bis dato wie einen Schatz gehütetes Wissen erkannt hätte. Aber in den zeitgeschichtlichen Kontext passt die Geschichte vom jungen Mädchen und dem – immerhin sehr erfolgreichen – Züchter nicht.

Ein großes Problem der Rudelstellungen ist, dass es bis dato keine ernstzunehmende und objektive wissenschaftliche Untersuchung zu dem Thema gibt, obwohl sich vor einiger Zeit mal eine Ethologin sehr interessiert gezeigt hat. Auf Nachfrage sagte sie mir, dass sich die Gespräche im Vorfeld allerdings recht schwierig gestaltet hätten, so dass sie von einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Thema Abstand genommen habe. Schade.

Wenn man sich vor Augen führt, dass Herr Werner sein Wissen von 1968 bis 1969, also vor 45 Jahren, an Frau Ertel weitergegeben hat und die (hand-)schriftlichen Unterlagen leider verschollen sind, ist natürlich eh fraglich, inwieweit das Wissen einfach schon auf Grund der langen Zeit und der von Frau Ertel gemachten vielen Erfahrungen (Zitat aus dem Dog Forum: „Habe viele Bestätigungen in meinem Leben erhalten, durch die Beobachtung von verwilderten Streunerrudeln in Spanien, Rumänien, Bulgarien und der Türkei“) verwässert wurde und sich ihre Theorien mit dem Ursprünglichen noch decken. Überprüfen kann das keiner …

Aber das ist nicht weiter schlimm. Denn gute Hundeerziehung ist die, die funktioniert. Deshalb geht es im nächsten Teil auch nicht um die Geschichte der Rudelstellungen, sondern darum, ob die Theorie haltbar ist.

Hier gehts weiter zu Teil 2.