Paul, der Labbi-Mix (3)

zambo

Bis 3 Uhr morgens stöberte Sabine in verschiedenen Foren, auf Webseiten von Züchtern und Verbänden. So erfuhr sie viel über die Herkunft der Hunde, über ihre Verwendung und über ihren Charakter. Schliesslich fand sie sogar heraus, dass Paul ein Akbaş sein musste. Der Hund auf dem Bild sah ihm zum Verwechseln ähnlich. Im Herdenschutzhunde-Forum las Sabine viel über das Zusammenleben mit diesen Hunden und über die häufigsten Probleme. Was sie beunruhigte war die Tatsache, dass fast alle Nutzer des Forums eher ländlich lebten und die meisten ein Haus mit Garten hatten. Das sei wichtig, um diesen Hunden und ihrem Wesen gerecht zu werden, stand da.

Sabine und Michael konnten Paul keinen Garten bieten, den er bewachen könnte. Sie wohnten nun seit zwei Jahren in der 3-Zimmer-Eigentumswohnung. Den Balkon, den könnte Paul gerne bewachen, mehr war leider nicht drin.

Beim Frühstück berichtete Sabine ihrem Mann von den Erkenntnissen, die die nächtliche Internetrecherche ergeben hatte. Zum einen konnte sie nun einordnen, warum sich Paul so verhielt, warum er Fremden gegenüber so reserviert war. Ernsthaft, das beschrieb es ganz gut. Nun war Paul noch jung. Ihre wirklichen Eigenschaften zeigen Herdenschutzhunde erst, wenn sie älter sind, überhaupt brauchen sie im Vergleich zu anderen Hunden recht lange, um erwachsen zu werden. Das hatte Sabine recherchiert. Und bei dem Gedanken wurde ihr etwas mulmig, schliesslich begrüsste Paul schon jetzt Besucher nicht besonders freundlich und beäugte sie kritisch.

„Naja,“ sagte Michael, „bis jetzt ist ja garnichts passiert. Ich schlage vor, dass wir uns jemanden suchen, der uns hilft, Paul zu erziehen. Es gibt doch bestimmt Spezialisten für diese Hunde. Wir suchen uns so einen und arbeiten dran.“ Sabine nickte. Noch am selben Abend setzte sich Sabine wieder an den Computer und durchforstete die Foren und Webseiten auf der Suche nach einem Experten für Herdenschutzhunde. Schliesslich wurde sie auch fündig, musste jedoch feststellen, dass der nächste, der Hilfe versprach, Eineinhalb Stunden Autofahrt entfernt wohnte. Trotzdem wollte sie seine Einschätzung hören und rief ihn noch am Abend an.

Menschen, die sich auf bestimmte Hunderassen wie Herdenschutzhunde oder auch Wolfshunde spezialisiert haben, haben häufig eines gemeinsam. Sie wohnen zumeist etwas abgelegen. So auch der Experte, den Sabine im Internet gefunden hatte. Insgesamt zwei Stunden dauerte die Fahrt durch verschlafene Dörfchen, über langgezogene Hügel und verwinkelte Straßen, bis sie endlich mit Paul den Hof erreichten.

Die vielen Empfehlungen waren nicht übertrieben. Der Mann hatte viel Ahnung, beschrieb die verschiedenen Hundetypen und konnte bildhaft erklären, wie die Anatolischen Hirtenhunde arbeiteten und worauf es bei der Erziehung ankommt. Er machte auch keinen Hehl daraus, dass Sabine und Michael sich ein ordentliches Stück Arbeit aufgehalst hatten und referierte ausgiebig über klare und verläßliche Strukturen und ebenso klare Grenzen, die ein solcher Hund bräuchte.

Sein Urteil über Paul: „Ganz toller Hund, jetzt braucht Ihr nur noch eine Herde Schafe, die er bewachen kann.“ Michael musste grinsen, aber gleichzeitig hatte er das ungute Gefühl, dass der Experte das tatsächlich ernst meinte.

Auf dem Weg nach Hause waren sich Sabine und Michael einig. Die Tipps vom Experten waren hilfreich, aber leider war er zu weit weg. Also beschlossen sie, dass sie es doch noch mal mit einem Hundetrainer versuchen wollten, auch wenn die Erfahrung aus der Junghundegruppe in schmerzhafter Erfahrung geblieben war.

Dreiunddreißig Hundeschulen. Das war das Ergebnis im Branchenbuch. Sabine war erstaunt. So viele Hunde gibt es hier in der Gegend doch garnicht, dachte sie. Michael scherzte: „Super, für jeden Hund eine.“ Der Plan war, mit jeder Hundeschule zu telefonieren und sich dann für die zu entscheiden, die die meiste Expertise über Hunde wie Paul aufwies.

Soweit der Plan, doch musste Sabine schnell feststellen, dass das nicht so einfach ist. Die ersten Telefonate liefen immer gleich ab. Eine freundliche Begrüßung, eine kurze Vorstellung der Hundeschule und des Angebotes – bis das Gespräch dann auf Paul kam. Hier war dann der Punkt, an dem die Hundeschuleninhaber dankend ablehnten. Fünfzehn Telefonate, fünfzehn mal „Nein Danke.“ So lange Paul ein Labbi-Mix war, war er willkommen. Jetzt nicht mehr. Dabei war er doch noch der selbe Hund. Irgendwann gab Sabine frustriert auf. Das schaffen wir schon. Im Forum findet man viel Hilfe, dann eben ohne Hundetrainer.

Es mussten ungefähr sechs oder sieben Monate vergangen sein, seitdem Sabine und Michael Paul bei sich aufgenommen hatten. Aus dem melancholisch dreinblickenden Teddy wurde langsam aber sicher ein beeindruckender Rüde, der mittlerweile auch begann, zu zeigen, was in ihm steckte. Besuch bekam das Paar mittlerweile selten, sie waren in ihrem Freundeskreis die einzigen Hundehalter. Pauls Bellen, sobald jemand vor der Tür stand, war wenig vertrauenserweckend und auch, wenn er nichts unternahm, wenn jemand in die Wohnung kam, hielt sich das Verständnis des Besuches ob des finster dreinblickenden großen Hundes arg in Grenzen.

Also zogen die beiden es vor, Freunde besuchen zu gehen. Wenn sich doch mal jemand angekündigt hatte, so wurde Paul ins Schlafzimmer gesperrt, sobald es klingelte. Mit der Zeit zeigte Paul immer weniger Verständnis für diese Maßnahme und pöbelte ausgiebig hinter der verschlossenen Tür. Auch der Gassigang entpuppte sich mit der Zeit als Herausforderung. Paul, der mittlerweile 39 Kilo wog, hatte eine Menge Kraft und fand es überhaupt nicht komisch, wenn sich andere Hunde in der Nähe aufhielten. Wie auch? Michael hatte mal den Versuch unternommen, mit Paul auf der Hundewiese Kontakte zu Artgenossen zu knüpfen. Leider Fehlanzeige. Die netten Hundehalter wichen den beiden aus, die weniger netten sagten direkt, dass sie verschwinden sollten. Als wenn der Park ihnen gehören würde. So zogen Michael und Paul von dannen und gingen fortan im nahegelegenen Wald spazieren. Ohne fremde Hunde und vor allem ohne unfreundliche Hundehalter.

An dem Abend kam Sabine nach Hause und war seltsam aufgekratzt. Die letzten Tage war es ihr nicht so gut gegangen, weshalb sie heute einen Arzttermin hatte. Sie kam ins Wohnzimmer, begrüßte Paul und strahlte Michael an. „Ich bin schwanger“ flüsterte sie erst so leise, dass er es kaum verstand. „Bitte was?“ Sie wiederholte die frohe Kunde, er war ganz aus dem Häuschen, umarmte sie und war glücklich.

Der Traum würde wahr werden. Sabine und Michael waren überglücklich. Die romantische Vorstellung der glücklichen Familie, die sich beide so sehr wünschten. Eine Familie wie aus dem Bilderbuch: Die beiden Kinder, ein hübsches Mädchen und ein frecher Junge, und – Paul.

(Fortsetzung folgt)

Hier geht es zum vierten Teil von „Paul, der Labbi-Mix, hier zum ersten und hier zum zweiten.

Sauköter, verfluchter!

marvel

Frau Dingens hat mir eine ziemlich empörte Mail geschickt und sich darüber echauffiert, wie ich die armen Hunde nur als Köter u.ä. bezeichnen könnte. Immerhin würden die armen Kreaturen meine ablehnende Einstellung ihnen gegenüber spüren … Und überhaupt hätte ich nicht verstanden, dass ich eine artgerechte Persönlichkeitsentwicklung der armen Tiere verhindere …

Ich bin aber auch ein Ochs. Sollte ich es mal wieder wagen, meine lieben Schnuffelwuffels tierschutzrelevanterweise eine halbe Stunde alleine zu lassen und die armen Hundchen die freie Zeit dafür nutzen, das Wohnzimmer umzudekorieren, ist das natürlich als Akt der freien Entfaltung und individuellen persönlichen Entwicklung der Fellnasen zu betrachten.

Selbiges gilt natürlich für jegliche Form jagdlicher Aktivitäten, die ja artgerecht sind und dem entsprechend in keinster Weise unterbunden werden dürfen. Sonst spüren die Lieben noch meine ablehnende Einstellung. Überhaupt, was bildet sich der blöde Mountainbiker ein, gerade da entlang zu flüchten, wo sich meine Hütehunde, oh Pardon, ich meinte natürlich „Hüties“ gerade entfalten. So ein Blödmann.

Also werde ich tief in mich ruhend mit der Aura eines Gänseblümchens am Wiesenrand stehen und meinen Hundies selbstredend ein motivierendes „Schnappt ihn Euch“ ins Ohr flöten. Sonst tragen die armen Seelen noch einen Schaden davon.

Endlich habe ich verstanden. Fremder Rüde? Hau rein, Tacker! Katze auf dem Grundstück? Gibt’s eh genug von. Vierzehnstündiges Dauerbellen? So sind sie halt. Pottdreckig die Nachbarskinder anspringen? Die kleinen brauchen Dreck, sonst werden sie später Allergiker. Mülltüte zerfetzen und den Inhalt auf dem Grundstück verteilen? Modernes Recycling. Den Nachbarn auf die Einfahrt kacken? Ist ja bio.

Nunja, die Versicherung wird uns wohl kündigen, die Nachbarn werden mit Fackeln und Forken vorm Haus stehen und unsere sofortige Auswanderung fordern. Aber die lieben kleinen sind es ja wert.

Hörn’se mal, Frau Dingens,

einer der Gründe, wenn nicht sogar DER Grund, warum wir uns hierzulande mit dämlichen Gesetzen, hundeunfreundlichen Verordnungen, piefigen Nachbarn und skrupellosen Hundehassern rumschlagen dürfen, ist die Tatsache, DASS sich so viele Hunde frei entfalten dürfen.

Das Leben ist kein Pfötchenhotel! Will ich die Akzeptanz anderer Menschen, dann muss ich Rücksicht nehmen. Das nervt, aber so ist das. Und dazu gehört eben auch, dass ich meine Köter im Griff habe.

Wenn ich das schon höre: „Der tut doch nichts.“, „Der will nur mal Hallo sagen“ und das grandiose „Jetzt stelln’se sich mal nicht so an“. Da wird mir anders, da krieg ich Ganzkörperherpes. Der Irrglaube, andere Menschen müssten total begeistert sein wenn 3o Kilo Labrador auf sie zustürmen, ist zwar weit verbreitet, aber deshalb nicht weniger falsch.

Hunde, die unkontrolliert durch die Wälder rennen, die überall hinkacken und völlig distanzlos irgendwelche fremden Menschen anspringen nerven sogar mich – was ist dann erst mit um ihre Kinder besorgte Eltern oder Leuten, die Angst vor Hunden haben? Das, was Sie als artgerecht bezeichnen, bezeichnet der größte Teil der Bevölkerung als störend! Und das zu Recht! Die Folge werden noch strengere Gesetze, noch striktere Regeln und noch piefigere Nachbarn sein.

Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie Sie, Frau Dingens mit Ihrem sich frei entfaltenden Hund durch die Gegend laufen. Und dann kommt Ihnen wieder so ein Ahnungsloser entgegen, der seinen Köter tatsächlich maßregelt, damit der Ihre Luna nicht killt. So ein mieser Tierquäler: „Geht ja gaaaarnicht, wie könnse nur, der arme Huuuund“ höre ich Sie sagen und habe gleichzeitig die Phantasie, dass Ihnen irgendwann mal einer begegnet, der sagt „Mensch, Frau Dingens, Sie haben so recht.“ und dann seinen Hunde von der Leine lässt.

Schade um Luna, aber es geht hier um wichtigeres. Sie wissen schon, Persönlichkeitsentwicklung und so. Aber so war das vermutlich nicht gemeint.

 

Paul, der Labbi-Mix (2)

paul

Sabine brauchte einen Moment, um zu verwirklichen, dass es endlich soweit war. Endlich. Mit großen Augen schaute sich Paul unsicher um. Tatsächlich war er etwas größer als beschrieben. Aber er hatte den selben melancholischen Blick wie auf den Fotos. Dieser Ausdruck, der war es, in dem sich das Paar auf den ersten Blick verliebt hatten. Endlich griff sich Sabine ein Herz und kniete sich runter zu Paul. „Hallo Paul“ flüsterte sie leise. „Willkommen, jetzt wird alles gut.“

„Garnichts ist gut“ brüllte derweil Pablo zur gleichen Zeit etwa 2.500 Kilometer entfernt und knallte die Haustüre der kleinen Finka zu. Wütend stampfte er herunter zu den Stallungen, setzte sich in seinen Geländewagen und brauste davon. Ungefähr 15 Minuten dauerte die Fahrt zu seiner Herde. Normalerweise würde er jetzt die Ruhe nach einem harten Arbeitstag geniessen, aber seit dem Unbekannte vor einigen Tagen seine Hunde gestohlen hatten, fand er keine ruhige Minute mehr. Schon zu oft hatten irgendwelche Taugenixe die Abgeschiedenheit genutzt und Lämmer gestohlen oder seine Maschinen beschädigt. Außerdem gab es in der Gegend viele streunende Hunde, die einige Schafe gerissen hatten.

Pablo, den alle nur McEnroe nannten, weil er ein ähnlich aufbrausendes Gemüt wie der Tennisspieler hatte, war stinksauer. Ohne seine Hunde konnte er bei der Herde übernachten. Und vor allem waren es nicht irgendwelche Hunde. Lange hatte er gesucht, bis ihm ein Kollege den Tipp gegeben hatte und er endlich einen Züchter gefunden hatte, dessen Tiere fest im Wesen und zuverlässige Wächter waren.

Und viel Geld hatte er bezahlt. Aber das war nicht das Problem. Vielmehr hatte er sehr viel Zeit und Energie in die Ausbildung der Hunde investiert. Er schwor auf den Akbaş, schätzte die Zuverlässigkeit und die Selbstständigkeit, mit der diese Hunde nicht nur über die Herde wachten, sondern auch aktiv Eindringlinge bekämpfen. Besonders stolz war er auf den jungen Rüden, den er erst vor kurzem von einem Schäfer abgekauft hatte. Mit ihm hatte er große Pläne gehabt, er war begeistert von diesem treuen und dennoch ernsthaften Begleiter, der allein durch seine pure Anwesenheit jedem zu verstehen gab, dass er sich besser nicht nähert.

Pablo hatte schon Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, hatte eine Belohung ausgelobt und war stundenlang durch die Gegend gefahren. Nichts. Nun blieb ihm nichts anderes übrig, als bei seinen Schafen zu bleiben. Der Züchter hatte am Telefon gesagt, dass er in den nächsten Wochen einen Wurf erwarten würde. Aber bis die Hunde ihren Job machen könnten, würde mindestens ein Jahr vergehen. Ein Jahr. Verdammte Scheiße! Pablo machte es sich in seinem Land Rover so bequem, wie es in einem Land Rover möglich ist, warf einen letzten Blick auf sein Kleinkalibergewehr und legte sich schlafen. Am nächsten Morgen stellte er fest, dass drei Schafe fehlten.

An nichts fehlen sollte es derweil Paul. Die erste Nacht als Hundebesitzer war überstanden. Leider war Paul noch nicht stubenrein und hatte einige Pfützen und Haufen hinterlassen. Überhaupt schien Paul das Leben im Haus noch nicht zu kennen. Der arme Hund. Die Nacht über hatte er gewinselt und an der Tür gekratzt und bei jedem kleinen Ton gebellt. Dem entsprechend waren Sabine und Michael auch etwas übernächtigt, als sie am Küchentisch saßen und einen Kaffee mehr als sonst tranken.

Auf Anraten des Tierschutzverein hatte Michael sich zwei Wochen freigenommen. Eigentlich fand er das blödsinnig und hatte der Dame erklärt, dass er eh von Zuhause aus arbeiten würde. Aber bestimmt hatte sie recht, als sie sagte, dass es gerade zu Beginn wichtig wäre, sich viel Zeit für einen Hund mit einem dermaßen schlimmen Schicksal zu nehmen, wie Paul eines gehabt hatte.

Immerhin konnte Michael die Zeit nutzen und mit seinem neuen Mitbewohner ins  nahegelegene Zoofachgeschäft zu fahren. Denn Paul war tatsächlich etwas größer, als Sabine und er angenommen hatten.

Also packte Michael das Geschirr, das Halsband, das Hundebett, die Kuscheldecke für unterwegs, die Kuscheldecke für den Kofferraum, das weitere Hundebett für Michaels Büro und den Hundemantel auf die Rückbank und Paul in den Kofferraum des Auto und machte sich auf, die frisch erworbenen Utensilien gegen welche eine Nummer größer umzutauschen. Bzw. Zwei Nummern größer, denn der freundliche Verkäufer im Fachgeschäft erklärte Michael, dass „da noch was kommt“. Sieht man an den Pfoten, aha. Wird ein ganz schöner Brummer. Ok.

Als nächstes stand der Tierarztbesuch an. Paul durchblickte die Lage sofort und stellte sein Verhaltensrepertoire um auf „Andalusischer Esel“. Kein Bitten, kein Betteln, nichts half. Paul wollte nicht untersucht werden. Die anderen Besucher im Wartezimmer der Kleintierpraxis guckten sich das Schauspiel amüsiert an. Hilft ja nichts, dachte sich Michael, also trage ich ihn am besten rein.

Später konnte Michael nicht erklären, was der Grund dafür war, dass er mit Paul unverrichteter Dinge wieder nach Hause fuhr. Es war dieser Blick, der in ihm ein Gefühl ausgelöst hatte, dass er Paul besser nicht hochheben sollte. Ein diffuser bedrohlicher Blick. Plötzlich war ihm unwohl geworden. Sabine schüttelte mit dem Kopf. „Ist doch kein Wunder, der arme Kerl ist gerade erst angekommen. Er hat bestimmt Angst gehabt. Lass ihn sich doch erstmal eingewöhnen.“

Sanft streichelte sie Paul über seinen Kopf und Paul erwiderte die Geste, in dem er sich auf den Rücken legte und seinen Bauch zum Streicheln anbot. So ein toller Hund.

„So ein toller Hund“ dachte sich auch Pablo an diesem Abend. Aber 800 Euro? In der Gegend hatte sich natürlich rumgesprochen, was ihm passiert war. Und der Bauer, der ihm gegenüberstand wusste ganz genau, in welcher misslichen Lage er sich befand. Und nutzte das natürlich aus. In Pablo brodelte es, er spürte förmlich, wie seine Schläfen pochten und am liebsten hätte er seinem Gegenüber einen kräftigen Tritt verpasst. 800 Euro, das war ein Monatsgehalt. So ein Arsch. Aber er wusste, dass er keine Wahl hatte. In den letzten Wochen hatten Streunerköter Lämmer gerissen. Die waren so schnell, dass sie schon wieder verschwunden waren, als Pablo sich endlich aus seinem Schlafsack befreit hatte.

Nun hatte er endlich wieder einen Hund, leider keinen Akbaş, sondern einen Karabaş, ein sehr großer, ernsthafter Zeitgenosse, den sicherlich niemand so einfach stehlen würde. Er würde ihn Samsun nennen, so wie wie früher in der Türkei. Hunde so groß wie Löwen. Das passte. Nun musste Samsun nur noch lernen, die Herde zu bewachen und Pablo als seinen Herren akzeptieren.

Lernen stand am Samstag vormittag auch auf dem Programm von Paul. Ein Besuch in der Junghundestunde war angesagt. Etwas aufgeregt fuhren Sabine und Michael auf den Parkplatz des Geländes, auf dem sich die Hundeschule befand. Einige Hundebesitzer waren schon da, die Hunde tobten wild über den Platz, während sich die Besitzer angeregt unterhielten. Die Hundetrainerin kam zum Tor, begrüßte Sabine und Michael und schaute Paul freundlich an, was dieser mit Desinteresse erwiderte.

„Er ist sehr schüchtern.“ sagte Sabine, „er wurde von Tierschützern gerettet und lebt erst seit zwei Wochen bei uns.“ Die Hundetrainerin lächelte freundlich und sagte: „Naja, schüchtern finde ich ihn garnicht, er ist sehr reserviert, aber das ist für die Rasse typisch.“ Michael staunte und erwiderte, dass Paul doch ein Labrador-Mix sei und die doch eigentlich eher sehr gesellig wären. „Labbi-Mix? Nein, bestimmt nicht. Paul ist ein Herdenschutzhund, ich würde sagen, ein Kuvasz oder sowas. Naja, kommen Se erstmal rein, lassen Sie Paul an der Leine und wir gucken mal, wie er sich mit den anderen Hunden verträgt.“

Es wäre übertrieben zu sagen, dass Paul, der ja erst geschätzte 6 Monate war, unverträglich mit Artgenossen wäre. Vielmehr zeigte er keinerlei Interesse an dem Unfug, den die anderen Hunde so trieben. Eher gelangweilt schaute er sich das bunte Treiben an. Nur als ein Labbi (Michael fiel auf, dass die wirklich viel kleiner sind als ihr Paul) sich ihm etwas ungestüm näherte, zeigte Paul dem Jüngling sehr deutlich, dass er besser Abstand halten sollte. Für die Besitzerin des Aufdringlings reichte das jedoch völlig aus, um in hysterische Panik zu verfallen. Danach kamen sich Sabine, Michael und vermutlich auch Paul etwas ausgestossen vor, denn den Rest der Stunde mussten sie hinterm Wildzaun warten. Die Hundetrainerin entschuldigte sich noch etwas beschämt für die harrsche Reaktion ihrer Kundin, als die anderen Hundehalter den Platz mit geringschätzigen Blick in Richtung unseres Trios verliessen.

Beim Abendessen sprach Michael es aus: „So eine hysterische Kuh, ihr Hund hatte nicht einen Kratzer. Und hast du gesehen, wie die uns angeschaut haben? Das war das letzte Mal, dass wir in die Junghundegruppe gegangen sind.“ Sabine nickte nur mit dem Kopf und kraulte grübelnd ihren Paul hinterm Ohr.

Nach dem Essen setzte sie sich an den Rechner und begann zu recherchieren. Ein Herdenschutzhund hatte die Hundetrainerin gesagt …

(Fortsetzung folgt)

Hier geht es zum ersten Teil von „Paul, der Labbi-Mix“ und hier geht es zum dritten Teil von „Paul, der Labbi-Mix“.

Paul, der Labbi-Mix (1)

ronjaeyes

Es ist schon total erstaunlich. Wirft man einen Blick in die üblichen Tierschutzportale im Internet, könnte man den Eindruck bekommen, dass auf den Straßen Südeuropas ausschliesslich Rassehunde rumlaufen, die sich mit anderen Rassehunden vergnügen, um dann Welpen für den Tierschutz zu produzieren. Nur so lässt sich erklären, warum der niedliche Straßenhund-Welpe, den die „private Tierschutzinitiative Pfötchenfellnasennotfellewauzisinnot“ gerade zwecks Adoption via Internetshopping feilbietet, ein „Border Collie/Husky-Mix“ sein soll.

Vielmehr ist der kleine Pups, der mich da gerade auf dem Foto angrinst, eher ein rasseloser Hund, ein Mischmasch aus Generationen vererbter genetischer Vielseitigkeit. Was eigentlich etwas gutes hinsichtlich zu erwartender Krankheiten und Lebenserewartung des neuen Familienmitglieds wäre. Aber verkaufen tut sich sowas nicht. Und auch der moderne Tierschützer von heute muss natürlich Marketing betreiben, um in der Masse der Konkurrenz Abnehmer für seine Notfälle zu finden.

Beschreibung: Hund, eindeutig. Vier Pfoten, zwei Ohren, eine Nase und zwei Augen. Kläffen kann er auch. so Mittelgroß, Fell hat er auch, Schwarzweisswuschig.

Das wäre zwar ehrlich, aber irgendwie nicht verkaufsfördernd. Und so wird aus dem netten Wasauchimmer das spektakuläre Ergebnis einer Liäson zwischen einem potenten, reinrassigen Huskyrüden und einer eleganten Border Collie-Dame, vermutlich ganz romantisch bei Sonnenuntergang am Strand von Palma. Bevor die junge Hundemutter dann das schlimme Schicksal von Obdachlosigkeit ereilte. Alleine, mit den Acht kleinen Rackern im Bauch kämpfte sie sich mit schlechtbezahlten Aushilfsjobs durch, bis sie schliesslich gerettet wurde … Gottseidank aber auch.

Zum modernen Tierschutzmarketing gehören immer auch herzzereissende Geschichten. Das ist in Ordnung, wenn’s hilft, von mir aus. Hauptsache gerettet, den Hund hätte ein schlimmes Schicksal erwarten können.

Achja, zum Thema Schicksal: Etwas weniger in Ordnung fand ich das Schicksal des Hundes, der von Tierschützern in Budapest gerettet wurde. Als der – frisch zugewanderte – Vierbeiner beim Tierarzt vorstellig wurde, fand dieser etwas ungewöhnliches vor. Der Hund hatte nämlich zwei Mikrochips. Die Überprüfung ergab, dass seine Besitzer ihn in Ungarn suchten. Deutsche Tierschützer hatten „die arme Seele“ nämlich aus dem Vorgarten gepflückt und mal schnell „gerettet“. Viel hilft viel, und die Ungarn sind ja eh alle verkapte Tierquäler. Oder so.

Eine Mischung aus besonders gelungenem Marketing und einem – nunja – besonders tragischen Schicksal erzählt die Geschichte von Paul und seinen Menschen.

Paul wurde nicht etwa deshalb Paul genannt, weil jeder zweite Rüde Paul heisst, sondern weil der Schriftsteller Jean Paul und überhaupt die gesamte Literatur der Romantik die gemeinsame Leidenschaft von Michael und Sabine war. Die beiden waren das, was man wohl als Intellektuelle bezeichnen würden. Sie liebten die Debatte, den geistigen Austausch und lange Gespräche. An einem Abend, an dem Michael aus seiner Kindheit erzählte und sentimal wurde, als er vom Hund seines Großvaters sprach, da beschloss Sabine, das ein Hund das Leben der beiden komplettieren sollte.

Auch so eine romantische Vorstellung: Eine Familie wie aus dem Bilderbuch, vielleicht zwei Kinder, ein hübsches Mädchen und ein frecher Junge. Der Traum Sabines. Und ein Hund, nun der passt zum Bild, oder?

Also begann Sabine, die Abende damit zu verbringen, sich zu informieren, welcher Hund zu ihnen und vor allem zu den Kindern, die sicherlich bald kämen passen würde. Außerdem war sie absolute Anfängerin, was Hunde anging und Michael konnte auch nur auf die Erfahrung mit Großvaters Hund zurückgreifen. Sogar einen Hundetrainer suchte sie auf, um sich beraten zu lassen. So kam sie zu dem Schluss, dass ein Labrador der ideale Hund für Michael und sie sein würde. Aber kein schokofarbender oder gar schwarzer Labbi, nein ein blonder sollte es werden. Bei „Marley und ich“ hatte sie geweint, dass passierte ihr sonst nie bei Filmen. Und Michael war begeistert, vielmehr noch. Er fühlte sich verstanden und auf eine tiefe Art und Weise geliebt, nie wäre er von alleine auf die Idee gekommen, einen Hund anzuschaffen, auch wenn er diesen Wunsch schon so lange in sich trug.

Die Suche nach dem richtigen Hund gestaltete sich dann doch komplizierter als beide gedacht hätten. Ein Welpe sollte es sein, da waren sie sich einig. Sie besuchten einige Züchter, mussten aber schnell feststellen, wie schwierig es ist, zu unterscheiden, ob sie nun bei einem verantwortungsvollen oder unseriösen Vertreter dieser Zunft gelandet waren. Außerdem waren sie verwundert, dass man so lange warten musste, da der Labrador ein sehr beliebter Hund ist.

Sabines Freundin Anne konnte die Idee, einen Hund vom Züchter zu kaufen, eh nicht nachvollziehen. Die Tierheime sind voll und Hunde gibt es eh schon zu viele. So reifte in den beiden der Gedanke, dass sie einem armen Tropf aus dem Tierschutz adoptieren wollten. Einem armen Geschöpf etwas gutes zu tun, das gefiel ihnen. Und dann kam Paul, der zu dem Zeitpunkt noch Hope hieß, bzw, erstmal seine Geschichte:

Hope ist ein Labrador-Mix und hat in seinem kurzen Leben sicherlich nichts gutes erlebt. Tierquäler haben dem armen Kerl beide Ohren abgeschnitten und ihn vermutlich ausgesetzt. Esperanza, unser Tierschutzengel vor Ort, fand die traurige Seele abseits der Straße im Nirgendwo. Ganz auf sich allein gestellt. Bestimmt wurde Hope geschlagen, denn er ist Menschen gegenüber sehr ängstlich. Aber mit viel Liebe und Verständnis kann auch Hope lernen, dass es DEN Menschen gibt, der seine zerstörte Seele aufbaut und ihm Geborgenheit gibt. Sind Sie dieser Mensch? Wollen Sie Hope zeigen, dass es auch Freude im Leben gibt? Hope ist geimpft, gechippt und kastriert.

Die Fotos waren etwas undeutlich, aber es war deutlich zu erkennen, wie melancholisch der arme erst 6 Monate alte Hund dreinschaute. Sabine und Michael hatten sich verliebt. Also griff Sabine zum Telefon und rief sofort die unter Anzeige angegebene Telefonnummer an.

Die Dame am Telefon erklärte ihr, dass Hope sich noch im Tierheim befinden würde, aber schon bald ausreisen könne. Vorher müssten Sabine und Michael aber eine Vorkontrolle über sich ergehen lassen, um zu prüfen, ob sich Hope bei ihnen auch wohlfühlen würde. Kein Problem, sagte Sabine, schliesslich hatten sie ja nichts zu verbergen.

Schon zwei Tage später klingelte es an der Tür und eine weitere Dame stellte sich als Helferin des Vereins vor. Gemeinsam gingen Sabine, Michael und die Dame einen Fragebogen durch. Sabine fand das gut, immerhin kümmerten sich die Tierschützer darum, wo die Tiere schliesslich landen. Michael waren die Fragen ein wenig zu persönlich und außerdem konnte die Dame nichts zu Hope sagen.

Noch am selben Abend rief der Tierschutzverein an, toll, dass die Vorkontrolle so positiv war. Einer Adoption stand nichts mehr im Wege. Sabine überwies die fällige Schutzgebühr und schon am nächsten Samstag abend würde Hope, den sie nun in Paul umgetauft hatten, Teil ihrer Familie sein. Abends lagen beide im Bett und waren ein bisschen stolz auf sich. Bald wären sie Hundebesitzer und nach der Vorkontrolle waren sie sich sicher – er würde schön.

Den Tag vor Pauls Ankunft verbrachten Sabine und Michael in den Zoofachgeschäften im Umkreis. Allenthalben ernteten sie Bewunderung für diese gute Tat, einzig eine ältere Frau murmelte etwas von überfüllten deutschen Tierheimen und von Krankheiten.

Damit sich Paul von Anfang an wohlfühlen würde, kauften sie alles, was ein Hund benötigt:

Eine 2m-Leine, eine 3-Meter-Leine, eine Flexi-Leine, eine Schleppleine, ein Geschirr, ein Button für das Geschirr mit der Aufschrift „Der tut nix“, ein Button für das Geschirr mit der Aufschrift „Blondenführhund“ (Michael fand das unglaublich witzig), ein Halsband, zwei Näpfe, ein Hundebett, ein Gitter fürs Auto, einen Reisenapf, eine Kuscheldecke für unterwegs, eine Kuscheldecke für den Kofferraum, ein weiteres Hundebett für Michaels Büro, einen Hundekamm, eine Hundezahnbürste, ein Plüschtier (genauer gesagt zwei, weil Sabine dieses eine so toll fand), ein Quietschie, einen Ball, eine Ballschleuder zum Ball, ein Buch “ Clickern“, einen Clicker, Ein Buch „Apportieren“, ein Apportel, einen Futterbeutel, ein Buch „Welpenerziehung“, einen Sack Junghunde-Futter, 12 Dosen Dosenfutter, vier Tüten Leckerchen, Kauspielzeug, Zwei Tüten Zahnreinigungskaustangen, Kaustangen, einen Hundemantel (schliesslich war es ja kalt in Deutschland), einen Halsbandanhänger mit einem eingravierten „Paul“, einen Kotbeutelbeutel und drei Rollen Kotbeutel.

Den Abend vor Pauls Ankunft verbrachten Sabine und Michael damit, im Telefonbuch und im Internet nach Hundeschulen, Tierärzten, Hundepensionen und Hundesitter zu recherchieren. Man weiss ja nie, besser man ist vorbereitet.

Dann war es Samstag, der große Tag: Wie verabredet waren Sabine und Michael pünktlich um 22:30 Uhr am Treffpunkt, einer Autobahnraststätte. Neben ihnen waren noch einige andere Leute da. Außerdem noch eine Dame, die wohl vom TIerschutzverein war und ständig mit irgendwem telefonierte. Es war kalt an diesem Abend, es hatte geregnet und auf dem Parkplatz spiegelten sich die Schatten der Wartenden im Laternenlicht.

„Es wird etwas später“ teilte die Helferin des Vereins mit. Der Transporter stünde im Stau und sei gerade erst in Dingenskirchen losgefahren. Also setzen sich Sabine und Michael in die Raststätte, gemeinsam mit einem Pärchen, das sie eben kennengelernt hatten. „Oh, wie süß, ein Labbi-Mix.“ „Und Ihrer? Oh, ein kleiner Boxer, der ist ja niedlich.“

Eine gute halbe Stunde später war es dann soweit. Ein großer Transporter fuhr auf den Parkplatz, hielt an und zwei sichtlich übermüdete Damen stiegen aus. Kurzer Smalltalk, wie war die Fahrt, ach doch so lange? Dann sind’se jetzt bestimmt froh, wenn Sie nach Hause kommen.

Die beiden Transporterfahrerinnen nestelten in einem Beutel mit Impfausweisen und jeder der Wartenden erhielt den Ausweis zum Hund. Dann öffneten sie die Seitentüre des Busses und Sabine konnte einen ersten Blick auf Paul werfen. „Hope“ stand da auf einem Blatt Papier, dass an die große Transportbox geheftet war. Und im Schein der Taschenlampe konnte sie einen Blick auf seine bernsteinfarbenen Augen werfen. Sabine war aufgeregt, griff nach Michaels Hand und spürte ein Kribbeln im Bauch, das sich ein wenig wie die erste Liebe anfühlte.

Eine der beiden Fahrerinnen nahm Sabine das Geschirr aus der Hand und öffnete die Transportbox. „Oh, das ist aber ein bisschen eng“ kicherte die Dame, als sie Paul aus dem Bus hievte.

Da stand er also. Willkommen Paul.

Hier geht es zum zweiten Teil von „Paul, der Labbi-Mix“

Wildschweine sind Schweine …

selbstschuss

Es ist Frühling, auch wenn man es bei angenehmen -3 Grad ° nicht wirklich glauben sollte. Willkommen in der Jahreszeit, in der ich pünktlich zur Uhrzeitumstellung vom Winterschlaf in eine deftige Frühjahrsmüdigkeit falle. Ausgerechnet, denn mit Frühjahrsbeginn ist eigentlich erhöhte Wachsamkeit hier auf’m Berg angesagt. Denn während ich mich vor Müdigkeit kaum auf den Beinen halten kann, erwacht rund um meinen „Hütehundejagennich“-Hütehunden und mir die pralle Natur.

Ganze Herrscharen an Kitzen, Frischlingen und sonstigen frischgeborenen Getier verwandeln jeden entspannten Spaziergang in ein psychologisches Intermezzo zwischen mir und meinen Lieblingsrüden. Ein scharfer Blick, gepaart mit einer Körperhaltung, die Türsteher an den Tag legen, um so richtig zu beeindrucken – das Ganze aber in Bewegung. So imponierlaufe ich durch die Gegend, während Tacker mich mit diesem Grinsen anschaut, welches mir ganz klar signalisiert: Warte nur, meine Zeit wird kommen!

Das schöne am Landleben ist ja bekanntlich die Ruhe und die Nähe zur Natur. Das Schlimme am Landleben mit einem Hütehund ist die Ruhe vor dem Sturm und das die Natur, und damit alles jag- bwz. hütebare, so verdammt nah ist.

Aber die Kontrolle des Jagdverhaltens kann man ja üben. Kein Problem, der Trick ist bereits beim Appetenzverhalten, wie es in Verhaltensbiologendeutsch heisst, anzusetzen und nicht erst, wenn Waldi bereits am Horizont verschwindet. Das minimale Problem dabei ist, dass wir quasi von Lebendfutter umzingelt sind. Die Streunerkatzen haben schnell rausgefunden, dass es in unserer Mülltonne immer etwas verwertbares zu finden gibt. Das enttäuschende an Hundefutter, so denkt sich der Streunerkater von Welt, es schmeckt garnicht nach Hund!

Dann gibt es noch Füchse, die meine Nachbarn in den Wahnsinn treiben, weil sie einzelne Schuhe von der Tür wegklauen und ein überaus dreistes Eichhörnchen, welches meinen Hunden in bester „Need for Speed“-Manier klar macht, dass es ersten schneller auf dem Baum ist, als die Hunde es kriegen können und zweitens den Beweis antritt, dass das mit der Schlauheit von Hütehunden nicht für für alle gilt.

Achja, und direkt vorm Haus befindet sich die Wildschwein-KiTa der Gemeinde, in der der Nachwuchs das Umgraben der Wiese, grunzen und das Umgraben der Wiese sowie Grunzen lernt – jede verdammte einzelne Nacht.

Nun sind Wildschweine nicht Ohne. Sie sind Allesfresser und eine Bache, die zum Schutze ihrer Frischlinge einen Kampf mit einem Hund aufnimmt, lässt diesem kaum eine Chance, wenn der nicht gerade ein jagdlich geführter Parson Russel Terrier ist. Der Nullachtfünfzehn-Familienhund, der einer Rotte hinterhermacht, wird häufig nicht wiedergefunden. In dieser Beziehung sind Wildschweine nämlich sehr nachhaltig, der unglückliche Jäger wird komplett verwertet.

Also, sollte der hundeliebe Mensch besser aufpassen, dass er Keiler und Co. gerade zu dieser Jahreszeit besser nicht begegnet. Wildschweine haben einen besonderen Eigengeruch, sie riechen streng nach Maggi, sagt man. Sobald man also diese feine Note in der Nase hat, heisst es den geordneten Rückzug anzutreten. Am Arsch die Räuber. Unsere Wildschweine haben das ganze Tal in diesen herben Geruch gelegt. Es riecht überall nach Sau!

Naja, dafür sollen die Tierchen im Normalfall sehr scheu sein. Eine Behauptung, die ich nicht bestätigen kann. Letztes Jahr fuhr ich einmal mit dem Auto den geteerten Feldweg zu unserem Haus hoch, als sich gerade eine Bache samt Nachwuchs auf der Straße die gewerkschaftlich zugesicherte 5-Minuten-Pause gönnte. So trat ich auf die Bremse, saß ich hinterm Steuer und überlegte, was zu tun ist. Einmal auf die Hupe, einmal Auflbendlicht und – die Sau gönnte mir einen Blick maximalen Unverständnisses und schnorchelte in Ruhe weiter nach wasauchimmer. Nach einiger Zeit liess sie sich dann aber doch herab, meinem Wunsch nach Weiterfahrt zu entsprechen, pfiff ihren Nachwuchs ran und ging gaaaaaaanz in Ruhe weiter.

Überhaupt, man geht friedlich mit dem Geruch von Maggi in der Nase seinen Hund ausführen, wie es so schön heisst. Einmal im Wald um die Kurve, da stehen sie schon, gucken einen schweinisch an und grunzen einem förmlich zu: „Sackgasse“. Hier gehts nicht weiter. Na toll, ich wollte eh grad umdrehen.

Irgendwer hat mal erzählt, man könnte Wildschweine mit einer Trillerpfeife verscheuchen. Stimmt nicht, ich hatte eher den Eindruck, dass sie anfangen, rhythmisch zu meinem Gepfeife zu wippen. Aber Gangnam-Style!

Nun gut, in diesem Umfeld gehe ich also mit meinen Hunden spazieren und wir üben Nichtjagen:

Von mir aus 20 Meter vor mir, von mir aus auch 30 Meter hinter mir, aber wag es und geh nur einen Meter in den Wald! Das ist die Maxime, Rehe haben auch ein Recht auf Ruhe, basta! Und ausserdem: Safety first!

Denn zu den natürlichen Feinden des expandierenden Hundes gehören schliesslich nicht nur Wildschweine, sondern insbesondere auch Jagdausübungsberechtigte. Seitdem wir mal den Hund des hiesigen Jagdaufsehers mit scharfgeschaltetem Teletakt um den Hals beim Rehekillen erwischt haben, kann man das Verhältnis zwischen uns als entspannt bezeichnen. Man grüßt sich freundlich und die Waidmannschaft hat plötzlich sehr viel Verständnis für uns!

Und wir für sie. Bei soviel Freundlichkeit. Was mich jedoch stutzig macht, ist die Tatsache, dass unser Revierjäger in der letzten Saison nicht ein Wildschwein geschossen hat. Nicht eines! Das ist ein Wildschwein weniger als mein Nachbar im Kühlergrill seines Autos hängen hatte. Vielleicht sollte er einfach mal mit Gassigehen.

Gastbeitrag: An Tagen wie diesen …

gruene-hoelle

Freundin Aura schimpft mit, und ich veröffentliche es gern! Beleidigungen, Drohungen etc. leite ich selbstredend an sie weiter 🙂

An Tagen wie diesen … habe ich manchmal das nahezu unstillbare Verlangen, jemandem mit aller Gewalt die Hausordnung auf den Hinterkopf zu dreschen. Nicht, dass ich an den Wahrheitsgehalt der alten Weisheit „Leichte Schläge auf den Hinterkopf erhöhen das Denkvermögen“ glaube. Nein, allein zu meiner eigenen Befriedigung und zu meinem eigenen Frustabbau.

Das passiert vermehrt an Tagen, an denen ich wieder mal im größten sozialen Netzwerk auf Meldungen stoße, wo Züchter ihre Verpaarungen anpreisen, bei deren kurzem Draufblick schon der Laie sich an den Kopf fasst. Da wird munter Beifall geklatscht von den Züchterkollegen, die offenbar entweder ebenso skrupellos oder ebenso dumm sind wie der Postende und Gegenredner werden zum Schweigen gebracht mit so hanebüchenen „Argumenten“ wie „Du hast doch noch nie gezüchtet, du kannst doch keine Ahnung von Genetik haben. Außerdem ist das nicht verboten.“ Tja, liebe Züchter-Elite, es ist auch nicht verboten, kollektiv sich die Kugel zu geben, worauf wartet ihr? Hirnmasse wird nicht viel an der Wand kleben..

Auch die Züchter, die schamlos ihre Welpenkäufer betrügen und ihre Hunde schädigen durch Vortäuschung falscher Elterntiere, Färben der Hunde, Vortäuschen von Gesundheitsvorsorge oder einfach durch ständiges Weiterreichen der Zuchttiere zur Maximierung des Gewinns und um auch möglichst viele Belegungen machen zu können, die ihre Hunde verschwinden lassen und nichts über deren Verbleib preisgeben, die Hunde „schön operieren“, die Todesursachen fälschen oder den Tod von Hunden gar verschweigen- auch euch möchte ich mit meinem Kantholz streicheln. Ganz sanft. Mit 7 Atü. Es würde mich ein wenig glücklicher machen.

Und dann gibt es da noch die Hardcore-Bildschirm-Tierschützer, die den lieben langen Tag die sozialen Netzwerke durchforsten auf der Jagd nach den schlimmsten Bildern, den grausamsten Schicksalen und den furchtbarsten Zuständen. Und jedes Bild wird geteilt und kommentiert mit immer den gleichen Floskeln wie „diese Schweine, mit denen sollte man das gleiche machen“ oder „ geteilt in PLZ“ oder „ach wenn ich könnte, würde ich den nehmen“ oder oder oder. Wenn du dann diese Hausfrauenvereinigung Geballte Empörung e.V. mal um aktive Mithilfe bittest- ist plötzlich Schweigen im Facebookwald und sie springen weg wie Antilopen vor einem hungrigen Löwen. Oder gründen schnell eine neue Gruppe. Gruppen sind wichtig, mit Gruppen kann man Leben retten. Vielleicht. Wenn man jemanden findet, der in der realen Welt unterwegs ist. Wo ist mein Kantholz? Ich würde sie gern mal leicht vor mir hertreiben, die Mitglieder der HV GE e.V. – ab ins Leben.

Fast noch besser als die Bildschirmtierschützer sind diejenigen, die tatsächlich im realen Leben was versuchen zu bewirken, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg und Hingabe. Da ist jeder besser als der nächste und der andere kriegt sowieso nix auf die Reihe und ist nicht den Dreck unter dem Fingernagel wert und hoffentlich fällt der mit der Vermittlung ordentlich auf die Schnauze, damit man recht behalten und mit den Fingern auf ihn (bzw in der Mehrzahl auf sie) zeigen kann und sagen kann: „DAS haben wir ja gleich gewusst, DAS konnte ja nicht gut gehen, so wie der das angegangen ist und der hatte ja sowieso noch nie Ahnung und hat der überhaupt schon mal ne Vorkontrolle gemacht?“ Ach, ich kann gar nicht sagen, seit wie vielen Jahren ich in dieser „Szene“ schon mal gern dem ein oder anderen oder auch den meisten mit dem – der geneigte Leser ahnt schon- Kantholz dieses Platzhirschgehabe austreiben möchte, damit wirklich alle endlich mal ohne Profilneurosen und statt dessen zugunsten der Tiere handeln.

Ja, und seit längerem ist noch eine weitere Spezies in den Fokus meines Kantholzes getreten- die Hundetrainer. Gern nennen sie sich auch Verhaltenstherapeuten, Hundeflüsterer usw. Kannte ich bisher die meisten nur aus dem realen Leben als abschreckendes Beispiel mit wenig Ahnung und dafür möglichst viel Blabla, haben die sozialen Netzwerke eine Steigerung noch möglich gemacht. Jeder ist besser als der andere, wer die meisten neuen Begriffe und die tollsten Abkürzungen für alltägliche Dinge erfindet, ist der neue Guru und alle anderen werden rigoros abgelehnt, für unfähig befunden und gleich mal mit Hasstiraden und nicht zuletzt auch mit Shitstorms bedacht. Das geht soweit, dass Morddrohungen ausgesprochen werden und regelrechte Belagerungen des auserkorenen „Feindes“ stattfinden. Hinterfragen ist out, draufhauen in. Tja- so gesehen bin ich ja da mit meinem Kantholz bestens aufgehoben. So denn- wer will noch mal, wer hat noch nicht?

Doch, ich kenne sie: gute Züchter, engagierte Hausfrauen- und männer, gute Tierschützer und auch gute Trainer. Die fühlen sich von meinen Zeilen auch nicht angesprochen.
Meine Befürchtung geht nur dahin, dass sich auch die, die ich tatsächlich meine, das Kantholz nicht überziehen.

Was lehrt uns das: ein Kantholz kann befreiend sein, ohne wirklich Kollateralschaden zu hinterlassen.
In diesem Sinne- peng!

Erspart euch eure Anwaltsdrohungen. Offenbar fühlt ihr euch angesprochen. Vielleicht investiert ihr die Zeit lieber darin, euch ein schönes Kantholz zuzulegen und es euch drei Mal täglich mit den Worten „Ich bin ein Idiot!“ selbst auf den Hinterkopf zu hauen.

Das Ende der Verwertungskette

nase

Eine Geschichte für Ute, die nach dem Lesen weiss, warum und ein Dank an den großen Meister für den Begriff „Kleinpopelsdorf“!

Herr Maier hatte ein Problem. Es hiess Rex. Die Vergangenheitsform deshalb, weil Herr Maier dieses Problem jetzt nicht mehr hat. So ist das.

Rex ist ein Schäferhund-Bordercollie-Mix und lebte eigentlich das stinknormale Leben eines jeden mittelprächtig erzogenen Familienrüden. Im Kreise der Lieben ein Herzchen, auf der Hundewiese eine Rampensau. Und als Jogger akzeptierte man besser die je nach Tagesform varierende Individualdistanz, die Rex gerade für angebracht hielt. Auch Eindringlinge – auf diesen Planeten – oder Leute, die Herrn Maier „Hallo“ sagen wollten fand Rex ziemlich blöd und zeigte denen auch deutlich, was sie erwartete. Sowas aber auch.

Hunde wie Rex gibt es zu Tausenden. Und trotzdem haben Rex und Herr Maier eine Geschichte erlebt, wie es sie zwar auch zu Hauf gibt, die mich aber tierisch ärgert. Denn ich war dabei. Und erstaunt.

Eines Tages ging Herr Maier mit Rex seinen täglichen Gassigang am Rande eines Industriegebietes, als er unvermittelt von einem dieser Jogger, die ich gerade erwähnt habe, überholt wurde. Rex dachte sich wohl „die dumme Sau, die blöde“ und schnappte dem Sportler kurz aber bestimmt nicht schmerzlos herzhaft in den Hintern und der Jogger ging laut schreiend und mit viel Tamtam zu Boden.

Soweit, so schlecht. Was folgte war ein erboster Freizeitsportler, ein blauer Fleck und eine zerissene Jogginguniform aus Weltraummaterial. Und eine Anzeige beim Ordnungsamt.

Die Büros des Ordnungsamtes der Gemeinde Kleinpopelsdorf sind ein Hort der Ruhe. In dem kleinen Städtchen passiert nicht allzuviel aufregendes. Hier mal ein Verstoss gegen die Sperrmüllbestimmung, da mal ein abgemeldetes Auto am Straßenrand. Herr Jedermann, der Leiter der Behörde ist dem entsprechend auch eher ein ruhiger Geselle, der es gerne gemütlich angehen lässt. Und so fiel ihm auch fast das Leberwurstbrötchen aus der Hand, als man ihm mitteilte, dass auf den Straßen seiner – ich betone SEINER – Gemeinde ein Hund rumrennt, der einfach so arglose Menschen zerfleischt. Sowas geht nicht, sowas gehört geahndet! Sauerei!

Mit ungewöhnlicher Schärfe ging die Gemeinde denn auch gegen Herrn Maier und seinen Rex vor. Innerhalb kürzester Zeit sollte er die Sachkunde nachweisen und Rex einen Wesenstest ablegen. Und bis dahin galt Stubenarrest von Amtswegen gegen Rex. Herr Maier, der eigentlich ein gutmütiger und gesetzestreuer Mensch ist, schaute grübelnd seinen Hund an und dachte sich, dass Rex ja auch mal Gassi gehen müsse. Familie Maier wohnte mitten im Ort und hatte keinen Garten, in dem Rex seine Geschäfte hätte erledigen können.

Außerdem kannte Herr Maier seinen Rex. Wenn der Wesenstester ihm zu nahekäme, wäre der Test schneller beendet als er sich für seinen Hund entschuldigen könnte.

Also ging Herr Maier zum Ordnungsamt und beantragte eine Fristverlängerung. Herr Jedermann zeigte sich zwar wenig verständig Für Maiers Anliegen, gewährte ihm aber eine Gnadenfrist von einigen Wochen. Doch auf das Stubenarrest, darauf bestand er. Kein Maulkorbzwang, kein Leinenzwang, Stubenarrest, basta. Immerhin galt es, die Bürger von Kleinpopelsdorf vor dieser Bestie zu schützen.

Herr Maier ging nach Hause und blätterte im Telefonbuch. Dort wurde er schnell fündig: Ein ausgewiesener Experte für Agility, Longieren, Treibball, Trickdogging, Herrchenmorgenseinenkaffeekochen, Zeitung bringen, Kinder aus dem brennenden Wald retten, Leinenpöbeln, Leinenflechten, Clickern, Clackern und Clockern und – da stand es: Aggression. Und wenn das nicht klappt: Angst! Und gelernt hat der Mann nur bei den besten.

Diese Koryphäe würde Herrn Maier helfen – da war er sicher. Also flux zum Telefon gegriffen, Ersttermin für fuffzich Euro vereinbart und der siegesgewisse Blick zu Rex: Alles wird gut!

Die 50 Euro für den Termin beim Spezialisten sollten nicht die einzigen Kosten bleiben, die Herr Maier in den nächsten Monaten zu entrichten haben würde. Schliesslich muss Rex ja mal pinkeln. Mangels Garten bugsierte Maier seinen Rüden ins Auto, fuhr mit ihm weit raus und ging in der Dämmerung spazieren. Er war selbst erstaunt darüber, wo eigentlich überall Mitarbeiter des Ordnungsamtes rumliefen. Während er die ersten Male noch mit einer Verwarnung davon kam, stiegen die Bußgelder irgendwann in schwindeleregende Höhen …

Aber soweit war es ja noch nicht. Und bald würde ja alles gut werden. Der Termin beim Retter war ja gemacht.

An dem Tag war Herr Maier etwas verwundert, dass Coschäfke, der Hundeexperte aus dem Telefonbuch, Rex garnicht sehen wollte. „Esch geht ersch ma um des grundlägende Verschtändnis, verstähn se.“ sagte Herr Coschäfke und erklärte Herrn Maier Eineinhalb Stunden lang, dass er nur bei den besten gelernt habe, über 30 Jahre Erfahrung hätte und erörterte die neuesten Erkenntnisse, die Coschäfke aus seinem Hunderudel gezogen hätte. Was Rex‘ Verhalten angeht, erklärte er, dass sie in der nächsten Woche darüber sprechen würden und Herr Maier bis dahin folgende Bücher lesen sollte.

Abends vorm Fernseher sah Herr Maier seinen Rex ratlos an. Während er beim Hundetrainer war, hatte der Postbote einen Brief eingeworfen. Nächste Woche Dienstag. Noch fünf Tage. Dann sollte Rex den Wesenstest bestehen.

Der nächste Dienstag verstrich.

Beim zweiten Termin mit Coschäfke beschlichen Maier langsam Zweifel, ob der Trainer ihm wirklich helfen könne. Aber der hatte ja über seine Erfahrung berichtet, er kennt solche Hunde und hatte Maier mit nur einem Blick auf Rex bestätigt, dass sein Hund ein besonders gefährliches Exemplar sei. Vermutlich lag es daran, dass Coschäfke es vorzog, im Hintergrund zu bleiben und das Geschehen aus sicherer Entfernung zu kommentieren: „Mehr Angebote, er muss Freude daran haben. Sie verstören den Hund ja total, so wird das nix.“

Zwischenzeitlich erreichte Herrn Maier ein weiterer Brief – diesmal vom Gericht. Zweihundertfünfzig Euro, weil er den Termin hat verstreichen lassen und ein neuer Termin für den Wesenstest. In zwei Wochen. Uff. Herr Maier war nicht gerade Großverdiener, aber er wollte seinen Rex auch nicht verlieren. Also ließ er auch den nächsten Termin verstreichen.

Beim dritten Termin traf Herr Maier nicht auf Coschäfke sondern auf Coschäfkes Frau, die ihm erklärte, dass sie heute eine Lernkontrolle machen würden. „Lernkontrolle?“ dachte sich Herr Maier. „Bis jetzt sind wir doch nur an der Wiese auf und ab gelaufen?“ Frau Coschäfke schaute ihn ungläubig an und murmelte „Ohje, ein schwerer Fall.“

Termin Nummero Vier, Fünf, Sechs, Sieben, Acht, Neun, Zehn und Elf fand jeweils mit Frau Coschäfke und einer jungen Frau statt, die bei den Coschäfkes eine Ausbildung machte. Herr Maier lernte, dass er Rex auf sich aufmerksam machen müsse, wie er Rex richtig lobt und wie er ihn beruhigt und wie man fachmännisch Leckerchen verabreicht. Desensibilisierung hieß das Zauberwort. Er kam sich ehrlicherweise etwas dämlich vor. Maier, der Dachdecker und eher grobschlächtige Typ, wie er hier mit piepsiger Stimme und Leckerchenwedelnd mit Rex rumstand. Aber das Prinzip klang schlüssig. Und Rex war es ihm wert.

Nach Acht Terminen konnte sich die Coschäfke-Auszubildene bereits auf Zwölf Meter nähern ohne dass Sexy-Rexxy in der Leine stand und mit ihr Pogo tanzen wollte. Vorausgesetzt sie verzichtete auf direkten Blickkontakt und ging nicht zu schnell.

Weitere fünf Termine später passierte dann, was passieren musste. Eines Abends schlich Herr Maier mal wieder mit seinem Rex an der Wiese entlang und übte Loben. Da kam ihm ein Bekannter entgegen und besaß die Frechheit, sich Herrn Maier einfach so zu nähern. Und Zack ist es passiert – hätte Rex keinen Maulkorb aufgehabt, hätte Maiers Bekannter ein Maulsigniertes „Rex was here“ im Oberschenkel.

Zuhause angekommen griff Herr Maier sofort zum Telefon und rief bei Coschäfkes an. „Heute war schon wieder ein Brief in der Post. Der klingt ziemlich ernst, nächste Woche muss ich mit Rex zum Wesenstest. Was soll ich denn machen? Es hat sich nichts geändert, ganz im Gegenteil. Ich glaube es ist noch schlimmer geworden.“ Frau Coschäfke war empört ob der Schilderungen Maiers: „Herr Maier, wir haben es doch tausendmal geübt. Sie müssen Ihrem Hund Schutz bieten. Wie können Sie zu einem solch sensiblen Punkt im Training zulassen, dass sich jemand dem Hund nähert. Bitte kommen Sie gleich morgen früh vorbei, wir müssen dringend reden.“

Gleich am nächsten Morgen fuhr Herr Maier zu Coschäfkes. Doch der Termin entwickelte sich anders als er es sich vorgestellt hatte. Herr Coschäfke warf einen Blick in den Besprechungsraum, musterte Herrn Maier kurz und ging wieder ohne ein Wort zu sagen. Frau Coschäfke wiederrum setzte sich ihm mit ernster Mine gegenüber und schob ihm ein Blatt Papier zu: „Rechnung“ stand darauf und Frau Coschäfke begann. „Herr Maier, in all meinen Jahren habe ich noch nie jemanden erlebt, der so unfähig ist. Sie befolgen unsere Ratschläge nicht, Ihr Hund hat keine Bindung zu Ihnen und überhaupt, bisher haben wir noch jeden Hund hinbekommen. Aber wenn der Besitzer nicht kooperativ ist, können wir Ihnen auch nicht helfen.“

Am 20. März 2012 klingelte bei mir das Telefon. Am anderen Ende der Leitung Herr Maier. Am Tag zuvor war sein Rex sang- und klanglos durch den Wesenstest gerasselt. Schlimmer noch. Der Wesenstester hatte auf Grund von Rex‘ Show beim ersten Kontakt festgestellt, dass auf Grund der besonderen Gefährlichkeit des Hundes kein Wesenstest möglich sei. Herr Jedermann hat noch am selben Tag die Euthanasieverfügung ausstellen lassen und am Freitag, dem 23. März 2012 wäre es dann soweit und Rex würde eingeschläfert.

Herr Maier schilderte mir die letzten Monate mit Rex. Insgesamt 1.350,00 Euro hatte er bei Coschäfkes gelassen, nochmal die selbe Summe für Bussgelder. Coschäfkes, in die er so viel Hoffnung gesetzt hatte, die doch so viel Erfahrung haben und die ihm kein Stück weitergeholfen hatten. Schlimmer noch, der eine Satz liess Maier keine Ruhe. „Ihr Hund hat keine Bindung zu Ihnen“ Er mochte Rex, ja er hatte ihn sogar lieb. In der Familie war Rex ein Clown, er mochte die Spaziergänge mit ihm und hat sich für seinen Hund vor diesen Leuten zum Deppen gemacht. Und dann das. Keine Bindung. Das hat gesessen! Maier ist kein besonders emotionaler Typ, aber als er seinen Leidensweg mit Rex schilderte, musste er einige Male durchatmen. Man hörte durchs Telefon, wie ihn das belastete.

Ich sagte Herrn Maier, dass ich leider keine Möglichkeit hätte, Rex aufzunehmen, aber vielleicht jemanden kennen würde. Mit Jemanden telefonierte ich dann auch und sagte zu, dass ich mir den Hund anschauen würde. Hm, Freitag, noch drei Tage.

Am 22. März, also am Tag vor der geplanten Einschläferung,  setzte ich mich ins Auto und fuhr die Hundertzwanzig Kilometer Richtung Kleinpopelsdorf. Sicherheitshalber hatte ich Verstärkung dabei. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich zwar einige Hunde kennengelernt, die den Wesenstest nicht bestanden hatten, aber noch keinen, der so gefährlich war, dass der Test erst garnicht möglich war.

Herr Maier wartete vor dem Haus, Rex beäugte uns kritisch aus dem Küchenfenster. Herr Maier hatte seinem Hund den Maulkorb aufgesetzt und wir fuhren Richtung Industriegebiet. Mittlerweile war es abend, es fing langsam an zu dämmern und die Gegend war entsprechend wie ausgestorben. Herr Maier stieg aus seinem Auto und wir besprachen kurz, was nun passieren würde.

Herr Maier sollte sich mit Rex hinstellen und mein Kollege Verstärkung sollte ihn einfach begrüßen. Sonst nichts, wir wollten sehen, wie heftig der Hund nach vorne geht. Hat ja n Mauli an, kann ja nix passieren.

Also, Herr Maier steht, Kollege Verstärkung geht hin, Rex flippt aus – ganz schön heftig in Richtung „Bauch, Beine, Po“ und hört auch nicht auf. Ok, in dem Moment konnte ich den Wesenstester gut verstehen – ich an seiner Stelle hätte das auch nicht ohne Mauli ausprobiert.

Zweiter Versuch, Vorbesprechung. Herr Maier steht, ich geh hin, Händeschütteln, wenn Rex nach vorne schiesst, lassen’Se ihn schiessen, ich regel das, könnte hässlich werden. Puh, ganz schöne Rakete, das Tierchen, Adrenalin, du kommst gerade echt ungelegen. Wenn das mal gut geht, souverän ist anders.

Also, los geht’s, Ich hin zu Herrn Maier, Rex flippt aus, ich mach einmal „Komm tanzen“ und stelle mich auf ne wilde Runde Pogo ein, doch es kommt anders. Rex ist von meinem „Buh“ plötzlich tief beeindruckt. Und ich bin plötzlich tief erstaunt.

Ok, noch n Versuch. Das war bestimmt Zufall. Ich hin zu Herrn Maier, Händeschütteln, Rex guckt und – nix. Hm. In meinem Schädel schwirren Begriffe wie „Euthanasieverfügung“, „Gefährlichkeit“ und „Beissen“ rum.

Weiter geht’s. Kollege Verstärkung geht hin, Hände schütteln, Rex wirds langsam langweilig, er  legt sich erstmal hin und wartet ab. Ein Bekannter von Herrn Maier kommt mit seinem Riesenschnauzer des Weges. „Gebense Hern Maier doch mal die Hand, kann ja nix passieren.“ Riesenschnauzerbersitzer schüttelt die Hund, Rex schnüffelt am Hintern vom Schnauzer.

Am 24. März lebte Rex immer noch. Nur jetzt nicht mehr bei Herrn Maier, sondern in einem Tierheim von Jemanden. Sieben Monate waren seit dem verhängnisvollen Erlebnis mit dem Jogger vergangen, sieben Monate ist Herr Maier mit Rex zu Coschäfkes gefahren, hat einsam auf den Feldwegen am Rande des Industriegebietes gelobt, bestärkt und an der Bindung gearbeitet.

Nur eines hat niemand gemacht, nämlich dem Hund mal zu verstehen zu geben, dass sich das nicht gehört mit dem Beissen und so. Dafür musste man nicht mal ernst werden. Denn hinter Rex‘ Fassade war er wirklich der Clown, den Herr Maier so liebte. Im Ruhrgebiet würde man sagen: Drei Haare am Sack, aber im Puff drängeln. Das trifft es gut.

Und ehrlicherweise glaube ich, dass das auch den Coschäfkes klar war. Aber das wäre eine Unterstellung.

Jemand postete noch am Abend des 24. März ein Bild von Rex auf Facebook. Ohne Maulkorb, in Anwesenheit fremder Menschen, die gemeinsam grillten.

Rex lebt heute bei einer Familie, Coschäfkes werben immer noch damit, dass sie auf Aggression spezialisiert sind und Herr Jedermann hat seine Chance noch bekommen. Wie ich hörte, wurde Ende 2012 ein Hund nach einem Beissvorfall in Kleinpopelsdorf eingeschläfert. Herr Maier lebt nun ohne Hund. er hat mir mal geschrieben, dass er Coschäfkes verklagt hat und die Sache nun vor Gericht ist.

Er hat sich bedankt, dass Rex untergebracht werden konnte und schrieb: „Ich vermisse Rex jeden Tag“.

Sich einen Canis Lupus Lupus heulen

Was macht der empörte Tierschützer, wenn jemand nicht seiner Meinung ist und die Frechheit besitzt, diese auch noch zu äußern? Richtig, er zeigt ihn an.

Wegen der furchtbaren Zustände, die da ja herrschen müssen, wegen Tierquälerei, wegen satanistischer Rituale und der Tatsache, dass er bestimmt schon mal eine Grüne Glaslasche in den Weisseglasflaschencontainer geworfen hat. Um sich vor lauter Empörung nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen passiert das ganze aber natürlich anonym!

So ist es geschehen und so hatten wir heute Besuch vom Veterinäramt. Gleich drei Beamte nahmen sich die vom Steuerzahler finanzierte Zeit, um uns mal so richtig unter die Lupe zu nehmen.

So durften sie zunächst unsere zarten – mit Blick auf die darbenen Krankenkassen maulkorbgesicherten – Hündchen kennen lernen, die dankenswerter Weise darauf verzichtet haben, unsere Besucher zu fressen. Alle wohl auf und nicht Schlagwerkzeuggeschädigt!

Naja, immerhin hatte ich die Gelegenheit, unsere Vorgehensweise ausgiebig zu erläutern. Auch der allseits bekannte Youtube-Hit wurde thematisiert, ich habe diverse Fälle aus unserer Arbeit beschrieben und konnte unseren Standpunkt zu den Dingen verdeutlichen. Keine Tierschutzrelevanz erkennbar. Einer unserer Besucher hat sich denn gleich mit Werbematerial von uns eingedeckt und will uns künftig weiter empfehlen.

Fazit: Keine Beanstandung.

So möchte ich mich bei der nicht ganz so anonymen Dame herzlichst für die Anzeige bedanken. Der Laden brummt.

Nun, wer in der Küche steht, muss die Hitze vertragen. Das ist mir bewusst, damit kann ich leben. Für solche Fälle habe ich sogar ein eigenes Formular!

Und da wir in einem Land leben, in dem die Mitarbeiter der Veterinärämter vor Langeweile förmlich eingehen, haben wir unseren Spaß gehabt und kümmern uns nun wieder um die wichtigen Dinge im Leben. Wenn das nächste Mal einer meckert, dass sich die Behörden „mal wieder nicht kümmern“, weiss ich bescheid. Sie müssen die persönlichen Befindlichkeiten irgendwelcher Quatschtierschützer befriedigen. Da bleibt keine Zeit für echte Probleme.

Wie dem auch sei, ich persönlich finde es gut, wenn Hinweisen nachgegangen wird und bin der Meinung, dass gerne streng kontrolliert werden sollte! Dem entsprechend habe die Damen und Herren vom Veterinäramt eingeladen, gerne öfter vorbei zu kommen. Kaffee ist auch da!

Und Sie, liebe Frau Namensachichnich, dürfen sich jetzt einen Wolf heulen. Da wollten Sie es mir mal so richtig zeigen und nun das. Aber ein kleiner – garantiert gewaltfreier – Tipp noch: Wenn Sie schon meinen, Sie müssten jemanden einfach mal so auf Verdacht anonym und auf unser aller Kosten anzeigen, dann ist es für die Anonymität nicht besonders förderlich, wenn Sie es überall rumposaunen. Also, für’s nächste Mal: Pssst!

„Ab jetzt arbeiten Sie besser gewaltfrei, Sie Schwein“

Diesen netten und bestimmt nicht aversiv gemeinten Satz schrieb mir eine Dame über das allseits beliebte Shitstorm-Formular. Zunächst einmal vielen Dank! Doch, und ich bin nicht ganz unstolz drauf – abgesehen von den paar On-leinenpöblern, ergeben sich hier ja einige schön zu lesende Diskussionen. Und da ich der Hilfesuchenden versprochen habe, dass sie ganz viel Feedback bekommt, geb‘ ich mir auch ganz viel Mühe!

How ever, wenn man so freundlich aufgefordert wird, kommt man einer so lieben Bitte natürlich nach. Also, los geht’s. Heute morgen erreichte mich folgende E-Mail von einer Frau Dings aus Bums:

positiv

Hallo Herr Mrozinski,

mein Name ist Hase (Name geändert), ich bin 28 und habe eine Labrador-Wasauchimmer-Mischlings-Hündin namens Frika, 7 Jahre, 45 kg. Sie ist ein Vermächnis meines verstorbenen Vaters.

Ich komme am besten gleich auf den Punkt, weil ich echt am Verzweifeln bin. Mein Hund kann der netteste, wohlerzogenste Hund der Welt sein, die Betonung liegt auf kann!

Bis sie gestern das Fass mächtig zum Überlaufen gebracht hat. Wir wohnen in einem Hochhaus, in dem sehr viele Hunde leben. Sehr viele kleine Hunde, die mir tagtäglich beim Gassi gehen begegnen und sich vor lauter Bellen halb an ihren eigenen Leinen erhängen. Über die Reaktionen deren Besitzer freue ich mich immer am meisten, die mit einem breiten Lächeln auf mich zu kommen und mir schon entgegenrufen „tja, so sind se halt“.

Aber wehe dem, meine große schwarze Hündin würde so etwas machen, dann ist sie sofort der „böse gefährliche Kampfhund“. Ich schweife schon wieder ab.

Wir hatten schon diverse Rangeleien mit anderen Hunden, nichts wildes, aber gestern war mein Freund mit ihr Gassi. Sie löste sich rückwärts aus dem Halsband, schoss über die Strasse, packte sich einen kleinen Terrier und lies nicht mehr los. Keine Vorwarnung, kein Bellen von beiden Seiten, nichts! Ich bin sehr erschrocken, zu was sie fähig sein kann. Mache mir schwere Sorgen, wie das weitergehen soll und was ich tun kann.  Ich hoffe Sie können mir irgendwie weiterhelfen.

Normalerweise würde ich so Dinge schreiben wie:

Liebe Frau Dings,

leider ist es völlig unmöglich, über das Internet seriöse Hilfe zu leisten – ohne den Hund, sein Verhalten und die Umstände zu kennen, kann ich nur Mutmaßungen anstellen. Daher würde ich Ihnen empfehlen, dass Sie sich an einen fähigen Hundetrainer wenden, der Ihnen sicherlich weiterhelfen kann. Als kleine Hilfestellung sollten Sie vorab folgende Fragen für sich beantworten können, die ein Trainer im Ersttermin – meiner Meinung nach – abfragen sollte, damit der Kollege oder die Kollegin einen guten Einblick in Ihr Zusammenleben mit Ihrer Hündin bekommt.

Wie Sie geschrieben haben, haben Sie den Hund von Ihrem Vater übernommen, wie lange lebt Frika denn schon bei Ihnen? Achtet sie eher auf Sie oder ist sie eher aussenorientiert? Wie sah Frikas Leben aus, bevor Sie den Hund übernommen haben? Wie sieht es grundsätzlich mit der Verträglichkeit mit Artgenossen aus? Kommt sie, wenn sie nicht angeleint ist, mit anderen Hunden klar? Wie sieht es da mit Hündinnen aus? Wie mit Rüden?

Sie beschrieben, dass es schon mehrere kleinere Rangeleien gab? Wie ist es zu diesen Situationen gekommen, wie sind sie abgelaufen und wie haben sie sie beenden können? Sind Sie grundsätzlich in der Lage, die 45 Kilo mit Allradantrieb zu halten, wenn sie einmal in Bewegung sind?

Nun gibt es viele Gründe, warum es zwischen zwei Hunden „scheppert“, auch ohne dass sich die beiden vorher begegnet sind. So könnte es zum Beispiel sein, dass der kleine Terrier Ihrer Frika ständig ein „Ich bin der König der Welt“ ins Revier markiert, denn Hunde wissen sehr wohl, wer da so in ihrem Königreich rumfleucht. Vielleicht hat der Terrier ihr unverschämterweise mit einem kurzen Blick zu verstehen gegeben hat, dass sie eine dumme Kuh ist. Vielleicht ist der Terrier eine Terrierin und es gibt Ärger um die rote Lola, vielleicht spielt Ihr Freund eine Rolle, vielleicht, vielleicht, vielleicht.

Was ich Ihnen unbekannterweise – sozusagen als „Erste-Hilfe-Tipp“ – mit auf den Weg geben kann, ist zu allererst, dass Sie Frika so sichern, dass sie nicht mehr aus der Leine flutschen kann. Also, entweder Geschirr bzw. Halsband enger oder im Zweifel lieber doppelt sichern.

Da Sie geschrieben haben, dass „kein Bellen von beiden Seiten“ zu vernehmen war, schliesse ich daraus, dass es sonst in solchen Fällen zu wüsten Beschimpfungen kommt. Wenn dem so wirklich so sein sollte, gehen Sie nicht drauf ein. In dem Moment, in dem Sie alles geben, um Ihren Hund zu bändigen, wird er nur erwidern „Ich hab ihn auch gesehen, zusammen machen wir die Sau platt.“

Ignorieren Sie das – ganz im Gegenteil entziehen Sie sich bewusst dem Konflikt, den Ihr Hund gerade hat. Halten Sie Ihren Hund gut fest und rezitieren Sie Goethe, stellen Sie sich eine Rechenaufgabe oder sprechen Sie mit einem Baum. Das wird das Verhalten Ihres Hundes nicht ändern, aber Sie werden die Situation auch nicht ünnötig anheizen. Alles weitere wird dann der Hundetrainer Ihrer Wahl mit Ihnen erarbeiten. Dabei wünsche ich Ihnen viel Erfolg und alles Gute.

Aaaaber, ich habe mich ja gebessert! Ab sofort arbeite ich absolut positiv verstärkend und gewaltverneinend! Ich Schwein!

Nun bin ich, was diese Thematik angeht, ja blutiger Anfänger („Blutig“, was für eine Metapher in diesem Zusammenhang!).

Um mich einzugrooven, erstmal etwas Musik!

Deshalb habe ich einfach mal ein paar Zitate aus dem Internet rausgesucht, um eine möglichst gute Figur zu machen! Ganz ehrlich , der absolut größte Teil des Textes ist geklaut!

Aaaalso – Here we go again:

Liebe Frau Dingens,

anhand Ihrer Schilderungen liegt der FALL KLAR auf der HAND!!! Bei Ihrer Hündin kommen sicherlich große Trauer wegen des Rudelwechsels in Verbindung mit Angst vor den vielen anderen Rudeln in der neuen Umgebung zusammen. Bestimmt durfte die arme Maus in der Prägephase nicht an der oberen linken Zitze ihrer Mama knabbern!!!

DER BEWEIS dafür ist, dass die Fellnase versuchte zu flüchten, als der böse Terrier (bestimmt ein Red Zone-Hund) da stand. Dies ist eine Übersprungshandlung, da Sie ein beengendes Halsband verwendet haben, so dass die Süße aus lauter Panik nach Luft ringend keine andere Möglichkeit sah, als die 25 Meter zu überbrücken und den Terrier zu zwicken. Eindeutig Prägeschaden!!

Außerdem ist Ihr Freund nicht Frikas Bezugsperson, so dass sie dachte, dass sie wieder abgeschoben wird. Ganz bestimmt hat sie auch eine schlechte Erfahrung mit einem Objekt in der Umgebung gemacht, vielleicht ein Auto, ein Briefkasten, ein Baum oder frische Luft.

Meine Empfehlung lautet daher. Zunächst einmal muss sich Frika bei Ihnen wohlfühlen. Am besten gelingt dies, in dem Sie der Maus eine komfortable und absolut störungs- und stressfreie Umgebung schaffen. Eine geräumige Kuschelhöhle als Rückzugsmöglichkeit, in der der Hund AUF GAR KEINEN FALL gestört werden darf, ist ein toller Anfang. Brauchen Sie wirklich Ihr Wohnzimmer? Bedenken Sie, Ihr Hund hat Angst!

Die neue Kuschelhöhle will positiv verknüpft werden. Doch auch ein ängstlicher Hund braucht natürlich FÜHRUNG!

Denn ein Hund, der FÜHRUNG FÜHLEN kann, kann DÜRFEN müssen! Und ganz viel Mehr!

Deshalb SAGEN+ZEIGEN Sie Ihrem kleinen Schatz sein neues Reich. Sagen Sie zum Beispiel: HÖÖÖÖÖÖÖHLE und sobald Frika ein Pfötchen in den Raum setzt, sagen Sie GOOOOOOOOOD GIIIIIIIIIRL – Vermeiden Sie dabei auf jeden Fall scharfe Betonungen. Sie wissen ja, einen Moment nicht aufgepasst und das „OOOOOO“ ist das Stachelhalsband für die Seele!!!!

Um unnötigen Stress zu vermeiden, sollten Sie Frika schon den Weg raus ins Gassi so angstfrei wie möglich gestalten. Da Sie geschrieben haben, dass so viele Hunde im Haus leben und die Fellnase so angstvoll ist, ist es wichtig, den Gang durchs Treppenhaus positiv zu verstärken. Je nachdem, in welchem Stockwerk Sie leben , müssen Sie natürlich bedenken, dass so etwas Schritt für Schritt aufgebaut werden muss. So bestätigen Sie zum Beispiel mit einem Leckerchen, wenn Frika ohne ersichtliche Anzeichen von Stress(!) eine Stufe von sich aus freudig gehen möchte.

Haben Sie Geduld. Wenn Sie jedoch in einem hohen Stockwerk (z.B. zweites) leben, haben Sie natürlich das Problem, dass Frika auch mal Pipi muss. Da ein so alter Hund eigentlich eh keine Treppen laufen sollte, gewöhnen Sie sie doch ans Tragen. Das ist gut für die Bindung und Ihr Hund lernt, Vertrauen zu Ihnen zu fassen.

Bedenken Sie zudem den großen Kostenvorteil und die Ersparnis beim Tierarzt: Wenn Ihre Bandscheibe rausspringt, zahlt das die Krankenkasse!

Wenn Sie es mit Ihrem Notfell erreicht haben, dass Sie endlich entspannt gemeinsam spazieren gehen können, ist es wichtig, dass sie die Begegnung mit anderen Wuffies langsam und behutsam aufbauen. Daher empfehle ich Ihnen, dass Sie zunächst – nur für ca. 2-3 Jahre – die Wuffelrunden in die späten Abendstunden verlegen. So bleiben Ihnen unangenehme Hundebegegnungen erspart!

Jetzt geht es aber ans Eingemachte! Wir trainieren die Begegnung mit anderen Fellnasen. Um „draussen“ für den Hund schön zu gestalten, füttern wir ab sofort aus der Hand – aber nuuur, wenn wir Gassi gehen und nuuuuur, wenn uns ein Hund begegnet. Es ist kinderleicht zu erlernen.

Sobald wir einen anderen Wauzi am Horizont sehen, bieten wir unserem Hund Futter an und sagen „fu-fu-fu-fu-fu-fu-fu-fu-fu-fuuuuu“ und sobald die Süße etwas annimmt sagen wir „tter“. Auch hier ist wichtig, dass alle Hunde ein zu deutlich ausgesprochenes „R“ als Bedrohung ansehen. So finden sich „R“ zum Beispiel in Abscheulichkeiten wie „StachleR“ oder „KastRation“. Aus diesem Grund sprechen wir auch von Gooodies und nicht von LeckeRchen.

Sollte sich unser Hund wider Erwarten doch dem Gegenüber widmen, haben wir immer unser Superleckerchen dabei.

Das sollte etwas ganz besonderes für unseren Liebling sein. Zum Beispiel eine gute Suppe. Denn Kauen steigert die Aggressivität.

Das Superleckerchen haben wir natürlich vorher mit dem Superleckerchensignal verknüpft, so dass der Hund bei unserem freundlichen „Supisupisupisupisupisupisupifeinfeinfein“ sofort von seinem Plan ablässt und seine Belohnung geniesst.

Sollte selbst dass nicht helfen, bleibt immer noch der geordnete Rückzug. Am besten gelingt das, in dem wir uns  flach auch den Boden werfen, ein „funktionales U“ bilden und unserem Hund zum Schutz die Brust bieten.

All das geht natürlich nicht von heute auf morgen. Jeder Schritt benötigt Zeit und Geduld und ganz, ganz GANZ viel Liebe. Doch auch wenn Frika bereits sieben Jahre alt ist, stehen die Chancen gut, dass sie einige Wochen mit Ihrem Liebling in toller Harmonie als super Mensch-Hund-Team verleben.

Mit leisen Grüßen – still und sanft – Ihr posititiver Hundefreund

Hunde in Verantwortung POSITIV (HIV-Positiv e.V.)

Klingt irgendwie schlüssig, find ich!

Kommunikation

Heute bin ich faul. Anstatt selber etwas zu schreiben, veröffentliche ich an dieser Stelle mal ein Behandlungs-Protokoll einer Tierkommunikatorin. Ja, es ist echt! Ich lasse das einfach mal weitestgehend unkommentiert – nur drei Anmerkungen. Der Hund hat sich als nicht taub rausgestellt und geniesst den Kontakt zu Artgenossen. Achja, und es ist ein Rüde.

Tierkommunikatorin „Darf ich mit dir reden?“

Hund: Mmmm (ganz tief in sich verkrochen, nach innen ->
Halte die Spannung nicht aus, werde sonst wahnsinnig!

„Was ist mit deiner Taubheit?“

War schon immer so, haben mich verstossen, Wurf (Geschwister) Mutter dann auch (habe Bild von Gewusel Welpen, sie lag traurig abseits) Dann haben Leute mich aus Mitleid genommen, war es gut (ca. 1J.?) Dann fing alles an (Bild Mann mit gr. Stock, schlug immer wenn er was nicht verstand, schlechtes Futter (Gestank) So ging es immer weiter (verschiedene Stationen) Dann hier, kann nicht mehr, Schläge, Kälte (draußen).

„Die anderen Hunde da?“

Neeh, will niemand – will für mich sein, kann nicht mehr ausschalten, will Erlösung, geht das?

„Ich will versuchen, wenn ich darf, dir zu helfen, wieder Vertrauen + Lebensfreude zu bekommen. Ich möchte es versuchen, ist es dir recht?“

Na, wenn du „das“ kannst, vielleicht geht ja wirklich noch was anderes (hat ein bisschen (Funken) Hoffnung.

„Was fehlt dir?“

Ruhe, Liebe, Entspannung. Kann es mir aber garnicht richtig vorstellen.

„Es gibt Tropfen für alle Lebewesen, damit die Seele wieder heil wird, würdest du sie nehmen?“

Na wenn du meinst,

„Das finde ich ganz toll von dir, dass du es versuchen willst.“

(Zeigt mir, wie er sich dauernd dreht) Ja, toll, dass du es siehst.

„Ja, jetzt ist aber gut.“ „Taubsein?“

Neeh, stört mich nicht, kenn’s nicht anders. Wenn man mir es gut zeigt, kapier ich schnell. (Menschen). Die am Anfang habend gemacht. Kann dann alles, naja fast. Stöckchen holen + so.

„Ja, du bist ne ganz tolle, das merk ich schon“

Kannst du mir jetzt helfen? (hat Hoffnung)

„Ja, ich versuch’s Danke Dir für deine Offenheit + dein Reden.“

Bin jetzt platt, ist ja das 1. Mal, dass ich sowas mache, Puh.

„Vielen Dank, entspann dich und ruhe dich aus.“

Bachblüten:
Rock Water Nr. 27
Gentian Nr. 12
Rock Rose Nr. 26
Willow Nr. 38