Das bisschen Wahnsinn (3)

Gestern war es, als ich im wohl letzten Raucherbüro Deutschlands saß und bemerkte, dass ich meine Zigaretten vergessen hatte. Das freute mich besonders, denn der Aufzug ist kaputt. Also, die dreieinhalb Stockwerke runter zum Auto, die Suchtmittel vor dem Kältetod retten.

In dem Bürogebäude, in dem ich arbeite gibt es auch ein paar Mieter, einer von denen hat sogar einen Hund, und zwar einen ziemlich unfreundlichen Pinscher, der den 5 Meter Flexileinenradius zu nutzen weiß und jedem, der sich ihm nähert zeigt, wo der Frosch die Locken hat.

Als ich das Treppenhaus betrat hörte ich denn auch schon den vertrauten Dialog zwischen überforderter Halterin und unerzogenem Hund. „Sammy, nein, lasses, nein, Sammy.“

Da ich schon ein paar Mal das Vergnügen hatte, das Dou Infernale live zu erleben, habe ich es vorgezogen, zu warten, bis sich die beiden zum Ausgang vorgekämpft haben.

Als endlich Ruhe herrschte bin ich also raus, rechts zu meinem Auto und da standen sie. Frauchen hing kopfüber im Müllcontainer und tat irgendwas. Nur nicht auf ihren Hund achten.

Sammy erkannte mich, knurrte kurz und kam mir Dank tiefenentspanntem Flexileinenkabel entgegengeflogen. Da ich kein Interesse an einem Besuch der Bad Homburger Notaufnahme hatte, hab ich ihm kurzer Hand eine geschallert.

Frauchen hat denn auch mal begriffen, dass da gerade etwas semioptimal läuft und versuchte mehr oder weniger ambitioniert, Sammy wieder einzufangen.

Leicht angesäuert sagte ich zu ihr, dass ein bissiger Hund an der Flexileine wohl eine Scheißidee wäre, wenn man damit nicht umgehen kann. Sie schaute mich mit an und erwiderte zu meinem Erstaunen: „Selber Schuld, man fasst auch nicht einfach fremde Hunde an.“

Kennt Ihr noch die Fernsehserie „Der unglaubliche Hulk“?

Ungefähr so fühlte ich mich in dem Moment, am liebsten wäre ich explodiert und hätte ihr die Flexileine um die Ohren gehauen. Und ihren Sammy zum Spielen auf die Autobahn gejagt.

Aber habbichnich. Stattdessen stand ich ziemlich verduzzt da und sagte nur verdattert: „Ich hab den nicht angefasst, ich dem eine geschallert, weil er mich beissen wollte.“

Das hörte Sammys Frauchen jedoch nicht mehr, den sie ließ mich einfach stehen und ging.

Als ich das F. erzählt habe, sagte sie: „Und heute abend erzählt sie ihrem Freund von dem Idioten, der einfach so den Hund angefasst hat.“ Stimmt wohl.

In meiner Phantasie läuft sie mir die Tage übern Weg und ich werde sie mit dem Auto überfahren. Und nach ihrer Logik werde ich sie danach anschnauzen. Selber Schuld, warum rennt man auch gegen parkende Autos.

Apropo Auto.

Unser Nachbar, Herr Piefke, kann Hunde ja nicht leiden. Was natürlich doof ist, wenn man unser Nachbar ist. Unsere Hunde haben das relativ schnell bemerkt und begrüßen ihn dem entsprechend unhöflich, wenn er mal wieder schlecht gelaunt am Grundstück vorbeiläuft.

Da Höflichkeit nicht so Piefkes Stärke ist und er sich auch schonmal gerne darüber beschwert, dass „da ein Hund fiept“, den außer ihm keiner hört, geht mir das relativ am Arsch vorbei.

Um den lieben Frieden zu wahren und da er eh immer relativ früh zur Arbeit fährt, warten wir im Normalfall ab, bis er weg ist und lassen die Bande danach zur allmorgendlichen Kuhfliegerei in den Freilauf.

Im Normalfall wie gesagt. Und heute war es eben nicht der Normalfall, so dass es zum Duell am Gartenzaun kam. Während unsere Hunde Herrn Piefke anschnauzten, schnauzte er zurück, um dann empört ins Auto zu stürzen und wild hupend die Straße runter zu fahren.

Nun sind wir ja eigentlich ganz verträglich, aber die Piefkes gehen mir fürchterlich auf den Senkel. Zum Einen behandeln sie andere Menschen wie Dienstboten und zum anderen mischen sie sich in Dinge ein, die sie einfach nichts angehen.

Dazu kommt, dass sie sich über alles und jeden beschweren. Sei es der Bauer, der Gülle fährt, der Nachbar, der seine Bäume fällt oder eben wir, die wir „fiepende Hunde“ haben.

Früher mal, als ich noch etwas „wilder“ war, hätte ich so etwas alttestamentarisch gelöst und Piefkes Hupe einfach demontiert und ihm als Zeichen guter Nachbarschaft in den Briefkasten gesteckt. Heute jedoch bin ich ja etwas ruhiger, man wird ja nicht jünger.

Deshalb machen wir das beste da raus und laden Herrn Piefke herzlich ein:

hupen

Prinzessin Spike

Wäre man bösartig, was wir ja alle nicht sind, dann könnte man behaupten, dass so mancher Hundebesitzer eine leicht verschobene Wahrnehmung hat, was seinen Hund angeht.

Zunächst sind da diese furchtbaren Verniedlichungen, die jeder ambitionierte Forenposter natürlich aus dem Effeff kennt.

Die alles um sich herum niederwalzende 45-Kilo-Dampframme heisst „Labbi“, der durchgeknallte, hysterisch kläffende Tapetenfresser ist ein „Hüti“, und das Tierchen, dass den Postboten gerade an den Zaun nagelt, ist ein kuscheliger „Scharki“, ein kaukasischer Owtscharka.

Dann gibt es noch „Howis“, „Rottis“, „Malis“, „Schäfis“ und „Listis“, also Hunde, die auf einer der unsinnigen Rasselisten stehen. Hierbei gilt es zu bedenken, dass ein „Listi“ seinen Spitznamen relativ schnell verlieren kann, zum Beispiel, wenn seine Besitzer in ein anderes Bundesland ziehen oder die zuständigen Politiker irgendwann zur Vernunft kommen. Dann wird fluchs aus dem „Listi“ wieder ein „Dogi“, ein Dogo Argentino.

Dann gibt es noch den „Ausi“, nicht zu verwechseln mit dem „Aussie“. Der nämlich ist ein Australian Shepherd, während ersterer aus dem Ausland gerettet wurde.

Bei anderen Hunden wiederum braucht es gar einen Beinamen, um die Zugehörigkeit zu klären: So gibt es Bullis in „French“, „English“, „Pit“ und von VW.

Wenn der Hund jemanden getackert hat, nennt man ihn dann allerdings nicht „Beissi“, sondern ein „Schildi“, weil es an der Schilddrüse liegen muss und nicht etwa am Unvermögen des Besitzers, ähm, ich meine natürlich des Besis, dem Köter, tschuldigung, dem „Köti“ klarzumachen, dass man nicht beisst, huch, ich meine zwickt.

Übrigens, bevor die arme Schilddrüse als Verursacher für allerlei Greueltaten des Hundes herhalten musste, war mal eine ganze Zeit lang der – vermutete – Hirntumor Hauptverdächtiger in Sachen die Wurzel allen Übels sein. Hat sich aber nie so richtig durchgesetzt.

Zum Einen, weil es wirklich seeehr selten vorkommt, dass tatsächlich ein Tumor Schuld daran ist, wenn ein junger ansonsten gesunder Hund zum Arsch wird, außerdem wird der Besi im Laufe der Jahre unglaubwürdig, wenn er sagt, „das ist ein ‚Tumi‘, der kann nichts dafür“.

Wenn der Besi und sein Labbi Langeweile (Frusti) haben, dann wird etwas unternommen, zum Beispiel „Obi“ oder „Agi“. Oder „Schutzi“ (Schutzhundesport) und für die ganz harten gibts dann „Mondi“ (Mondioring), und der „Ludi“ mit seinem „Kampfi“ veranstaltet „Hukis“ …

Und wenn der geliebte Vierbeiner mal kacken muss, dann macht er ein „Kacki“ oder noch besser: „Ein Drückerli“.
Für den echten Power-User ist all das natürlich Kokolores. Denn wer parallel bei Facebook, im Dogs-Forum, in der KS-Gemeinde und auf vier verschiedenen Tierschutzseiten unterwegs ist, der fasst sich kurz: Der HH geht mit seinem DSH in die HS, weil er ein LP hat, die Trainerin empfiehlt darauf hin Z&B, sowie FB nur auf der HW.

Aber noch mal zurück zur Eingangs erwähnten verschobenen Wahrnehmung.

Während Hunde früher Namen hatten, verfügen sie heute über so etwas wie eine Produktbeschreibung. Das ist praktisch, denn der andere Hundehalter muss den Hund gar nicht mehr sehen, alleine der Name reicht aus, um abzusehen, ob man sich besser vom Acker macht oder ob man bleiben darf.

Glauben Se nicht? Zwei Beispiele: Pepper und Emma – um welche Rassen handelt es sich?

Ruft man seinen Hund, dann ruft man nicht einfach einen Namen, nein, heutzutage teilt man der ganzen Hundewiese mit, wie kreativ, gebildet und gleichzeitig selbstironisch man doch ist.

Neulich habe ich mal einen Hund kennengelernt, der hieß „Lawan“. Zur Erklärung hiess es, dass es sich hierbei um einen Ritter aus einer Sage handeln würde. Laut Google heißt der arme Hund wahlweise wie ein schwedischer Fußballspieler, ein nigerianischer Politiker oder wie ein thailändischer Frauenname.

Herzlichen Glückwunsch!

Die meisten Hundebesitzer versuchen jedoch eher, etwas von der Aura ihres Hundes einzufangen. So hat der Ridgeback einen afrikanisch klingenden Namen, der mit etwas Glück gar nicht und mit etwas Pech mit „Mundfäule“ übersetzt werden könnte. Andere sind total witzig und nennen ihren Chihuahua „Brutus“ oder ihre Deutsche Dogge „Piccolo“.
Wiederum andere machen es sich leicht und gehen mit Rocky 3 Gassie, Rocky der Rotti, versteht sich.

Es ist aber auch kompliziert mit den Hundenamen. Schliesslich will niemand das Schicksal der umzähligen Luna und Paul-Besitzer teilen, die einen Hund rufen und fünf bekommen.

Überhaupt Luna, eigentlich ein toller Name, doch so verbraucht. Das ist wohl auch der Grund, warum mir in letzter Zeit so viele „Moons“ über den Weg laufen. Gleiche Bedeutung anderer Name. Ich plädiere ja für „Ay“, das heisst auch Mond, aber auf türkisch. Und klingt fast, wie das Geräusch, dass der Jogger macht, wenn „Ay“ ihn  durch den Stadtpark jagt. Dann ist „Ay“ übrigens ein Jagi …

Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass derjenige, der seinen als erstes „Luna“ genannt hat, sich bis heute darüber ärgert, dass er sich den Begriff nicht hat schützen lassen.

Überhaupt muss ich bei manchen Hundenamen, die mir so begegnen, an Johnnie Cash denken. „A Boy named Sue.“
So stelle ich mir vor, wie so manche Hunde von ihren Artgenossen auf der Hundewiese ausgelacht und gehänselt werden, jedes Mal wenn ihr „Frauli“ sie ruft, weil sie jetzt zum „Obi“ müssen. So lernt man Frustrationstoleranz. Ganz einfach.

546 Argumente

Jeder Superheld hat irgendeine Schwäche, bei Superman war es Kryptonit, bei Siegfried, dem Helden aus der Nibelungensage war es ein Blatt, bei Achilles war es die Ferse und sogar K.I.T.T wurde einst mittels Elektrostrahlen außer Gefecht gesetzt.

Nur einer ist unverwundbar – außer Chuck Norris, mein ich. Nämlich unser SPL (Selbstmörderischer Paket Lieferservice)-Bote, der uns mit Hundefutter beliefert und augenscheinlich der festen Überzeugung ist, dass die gefühlten Zehn Schilder mit der Aufschrift „Vorsicht bissiger Hund!“ für ihn nicht gelten.

Mit schöner Regelmäßigkeit läuft er sehenden Auges ins Unglück und der einzige Grund, weshalb er noch nie gebissen wurde – außer seinen Superkräften natürlich – ist der, dass er immer irgendwie gerettet wird.

Mittlerweile hat sich in Sachen Warenanlieferung so etwas wie Routine eingestellt. Sobald der weisse Lieferwagen vorfährt, stürzen F. oder ich aus dem Haus und sehen zu, dass wir die Hunde wegsperren, bevor unser Held mit einer erstaunlichen Gelassenheit zwei Türen hinter sich lässt und dann samt Paket mitten im Freilauf steht.

Und bei jeder Lieferung erklären wir dem freundlichen Herrn, dass er bitte NICHT einfach aufs Grundstück kommt und das die Schilder durchaus ernstgemeint sind. Jedes Mal nickt er freundlich, murmelt „Sie müssen hier noch unterschreiben.“ und geht wieder. Beim nächsten Mal stürzt dann wieder jemand zur Rettung des Wahnsinnigen aus dem Haus.

Oder eben nicht. Denn heute morgen war es, als ich aus dem Badezimmer kam und die Meute zwecks Pinkeln in den Freilauf scheuchen wollte – nicht wissend, das ein weisser Lieferwagen vorm Haus parkte. Alle Hunde sortiert, Haustür auf und da stand er, der SPL-Mann mit unserem Paket.

Wie er es geschafft hat, von den Hunden unbemerkt über das ganze Grundstück bis zur Haustür zu gelangen, ist mir ein Rätsel, vielleicht war es auch ganz anders.

Tacker: „Da kommt die Sau.“
Aleo: „Jetzt alle schön leise sein.“
Peggy: „Ok, ich fang an zu fiepen, dann denkt Normen, dass ich pinkeln muss.“
Afra: „Guter Plan, harhar.“
Isa: „Häh?“
Reggae: „Ok, ich stell ihn von vorne und einer von Euch beisst von hinten rein.“
Nanook: „Ich will als erster.“
Diego: „Nein, ich.“
Baboo: Ruhig jetzt, Normen kommt.“
Boris: „Das wird voll cool.“

Ein paar erfrischende Fakten:

Dreizehn Hunde á 42 Zähne = 546 Argumente, nicht ungefragt das Haus zu betreten. Vier Löcher im Hintern des Boten machen eine Trefferquote von ca. 0,8% aus, sein Aufschrei entsprach 100 dB, also in etwa der Lautstärke einer Kreissäge, mein „Pfuiauslasstdas“, entsprach dem Grenzwert für Hörschäden, wie er in der EU festgelegt ist. Die Worte, die ich schliesslich für den Lieferanten gefunden habe, lagen ausserhalb messbarer Werte … Außerdem die Feststellung, dass auch Superhelden schreien wir Mädchen, aber nunja.

Ein „Vorsicht bissiger Hund“-Schild am Zaun entbindet den Halter nicht von der Haftung, das gilt auch für zehn „Vorsicht bissiger Hund“-Schilder.

Ein Griff in die Trickkiste der psychologischen Kriegsführung hilft im Fall des Falles schon weiter.

Schritt 1: Erstmal alles verharmlosen.
Schritt 2: Den Schuldigen ausmachen
Schritt 3: Merkwürdige juristische Argumente vorbringen
Schritt 4: Möglichst unauffällig auffällig darauf aufmerksam machen, dass man da jemanden kennt, der für Ärger sorgen könnte.

  1. Also, eigentlich haben die Hundis sich ja nur gefreut, immerhin ist der Lieferant ja mittlerweile so etwas wie ein Freund der Familie und obendrein hatte er auch noch Futter bei sich.
  2. Darüber hinaus wisse er, der Freund der Familie ja, dass hier Hunde leben, schliesslich hängen da Schilder und man habe ihn ja auch mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass der eine oder andere „nicht so nett“ wäre.
  3. Zudem, wenn man es jetzt ganz eng sehen würde, hätte die eine Fellnase sich ganz schön erschreckt, ja, dem armen Tier einfach so den Hintern ins Gebiss zu drücken wär ja ganz schön tierquälerisch und er würde Tiere doch mögen, oder?
  4. Aber wir wollen mal nicht so sein, ist ja nichts weiter passiert, ach der Kratzer, der heilt doch wieder. Aber was mir aufgefallen ist, sind das Sommerreifen da an dem Transporter? Uiuiui, wenn das der Lothar sehen würde, ja, der eine Polizist, auch ein Freund der Familie, das gäbe sicherlich ein Bußgeld.

Treffer versenkt.

Wahre Helden wissen, wann es Zeit ist, sich zurückzuziehen. Und so guckte der Lieferwagenfahrer etwas verduzzt und fuhr wieder. Vorher nickte er noch freundlich und murmelte „Sie müssen hier noch unterschreiben.“ Aber ich bin mir sicher, dass er eines ganz gewiss weiss. Irgendwo muss Kryptonit rumgelegen haben, denn eigentlich ist er unverwundbar.