Uh, ein kleines Quiz

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Von Söhnen und Helden

Mit ungefähr 10/11 Jahren waren wir alle, wirklich alle, große Fans von Bud Spencer und Terence Hill. Damals, Anno Tuck im Kartoffelkrieg, liefen Streifen wie „Vier Fäuste für ein Halleluja“ oder „Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle“ nicht nachmittags auf Kabel 1, sondern in der Prime Time im ZDF.

Für die jungen Leute: Prime Time, das war 20:15 Uhr im Fernsehen, und Fernsehen, dass sind die Langweiler, die Ihr bei Youtube immer weg klickt.

Mit 10/11 Jahren durfte ich aufbleiben, wenn Bud Spencer und Terence Hill liefen,auch wenn es eigentlich zu spät war. Und einmal weckte meine Mutter mich sogar auf, als einer meiner geliebten Filme ausgestrahlt wurden.

Als Zugezogener in einem niederrheinischen Dorf gab es exakt zwei Dinge, mit denen ich bei den Söhnen der großen Bauern punkten konnte: Erstens, dass ich ein leidlich guter Torwart in der D-Jugend des DJK war, zweitens hatte ich meinen Vater.

Er war stämmig, vollbärtig und dunkelhaarig. Dass er knapp 10 Zentimeter kleiner ist, als es Bud Spencer war – vollkommen irrelevant, da wir Kinder zu der Zeit mindestens 30 Zentimeter kleiner als mein Vater waren und er so unglaublich groß wirkte.

Ich bin ein Arbeiterkind. Meine Familie war immer das, was man wohl „Mittelschicht“ nennt, ein bisschen Wohlstand aufgebaut auf Malocherei, einmal Urlaub im Jahr – Wandern im Sauerland. Nicht, dass es uns an irgendetwas gefehlt hätte, ich konnte mein Abitur machen, erfolglos studieren und erfolgreich meinen Führerschein machen.

Wenn ich mein Taschengeld aufbessern wollte, habe ich meinem Vater auf der Baustellen geholfen.

600 Quadratmeter Parkplatz im Akkord pflastern bedeutete für mich, dass ich derjenige war, der den Sand und die Steine rannschleppte. Keine Zeit für Pausen, denn mein Vater war schnell, verdammt schnell. Ich vermute, dass er es ruhig anging, damit ich nicht zwischendurch einfach umfiel.

Und er war verdammt stark.

Eine Rüttelplatte ist ein unglaublich lautes und schweres Gerät, mit dem man die frisch verlegten Pflastersteine im wahrsten Sinne des Wortes in den Boden stampft.

Ich erinnere mich daran, dass ich das verfluchte Ding nichtmal zehn Zentimeter bewegt bekommen habe, während mein Vater es einfach schwungvoll vom Anhänger wuchtete.

Solche Sachen wie Gehörschutz oder rückenschonendes Arbeiten waren zu der Zeit auf dem Bau gänzlich unbekannt. Vor allem bei „der alten Garde“, also den Arbeitern, die schon zwanzig Jahre und länger auf dem Bau waren.

Mein Vater hat mit 15 Jahren angefangen, auf dem Bau zu malochen. Angelernter Pflaster, eigentlich wollte er eine Lehre zum Metzger machen, aber das war nicht drin.

Die Arbeit hatte natürlich ihren Preis. Irgendwann waren erst die Knie und dann das Kreuz kaputt.

Mein persönlicher Bud wurde gebrechlich und nach 45 Jahren auf dem Bau schließlich arbeitsunfähig. Zu alt, um umzuschulen, zu jung, um in Rente zu gehen.

Bud Spencer war nicht der Akrobatische, nicht der Schlagfertige und nicht der Frauenschwarm in den Filmen. Ihn machte immer seine stoische Art und vor allem seine Kraft und Widerstandsfähigkeit aus.

Wenn sich Hill und Spencer am Ende von „Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle“ prügeln, drücke ich noch heute Spencer die Daumen – auch wenn ich weiss, dass es im Abspann keinen Sieger gibt.

Vor einiger Zeit hatte mein Vater einen schweren Schlaganfall, vor einigen Monaten einen zweiten.

Gerade habe ich erfahren, dass er Krebs hat. Lungenkrebs.

Mein Telefonat mit ihm entsprach der ganz eigenen Dynamik, die unsere Telefonate immer haben:

„Schöne Scheisse!“ sage ich.

„Da kannste nichts machen.“ antwortet mein Vater und ergänzt.

„Da muss man halt durch. Ich geb dir mal Mutter, die will noch was.“

Telefonat beendet. Alles gesagt, läuft weiter. Als wenn es ihn nicht selber betreffen würde.

Während ich Steine schleppte, habe ich meinen Vater oft verflucht. Er, der Kohl gewählt hat, ohne mir auch nur einmal stichhaltig erklären, warum. Ich, der sich die Haare grün färbte und davon träumte, in Berlin Häuser zu besetzen.

Erst später wurde mir klar, wie ähnlich wir uns sind. Und wie kleinkariert meine Weltsicht.

Als ich E-Gitarre lernen wollte, besorgte mir mein Vater einen Verstärker von einem Bekannten, dessen Einfahrt er gepflastert hatte. Das Lernen des Instruments war meine Aufgabe.

Als ich ein Auto brauchte, um zur Uni zu kommen, organisierte er ein Auto. Als dieses kurz darauf in Flammen aufging, organisierte er ein anderes. Das Studium war meine Aufgabe.

Er hat sich immer gekümmert, wenn es ihm sinnvoll erschien.

Um seine Baustellen, seine Freunde, uns als Familie. Auch wenn er selten da war.

Auch das gehörte dazu. Malochen für ein bisschen Wohlstand. Nach Feierabend, am wochenende.

Stoisch, kraftvoll, schweigsam. Ein bisschen wie Bud Spencer immer ein Lied auf den Lippen pfeifend, das ausser ihm keiner kannte.

Eines meiner Credos, nämlich „Lieber ehrlich als höflich“ habe ich von ihm.

Als ich feststellen musste, dass ich mich in jemand wichtigen getäuscht hatte, sagte er nur: „Hätte ja auch gut gehen können, sei froh, dass Du‘s versucht hast.“

Mein Vater hat jeden, wirklich jeden Menschen, den ich je mit zu meinen Eltern nahm, sofort und ohne Vorurteil akzeptiert. Sogar mein Freund Manfred wurde kurzerhand zum Schwiegersohn erklärt, obwohl wir uns nur das Auto geteilt hatten und Manfred seit zwanzig Jahren verheiratet ist.

Als ich meinen Vater nach seinem Schlaganfall besucht hatte, war es weniger der körperliche Verfall, der mich schockiert hat, sondern vielmehr die Tatsache, dass er sich den Bart abrasiert hatte.

Als ich ihn das letzte Mal sah, war es nicht fehlende Bart, sondern die fehlende Melodie, die er sonst immer vor sich hin pfiff.

Ich glaube, für die Jungs, die nie Terence Hill sondern immer Bud Spencer waren, ist die Tatsache schwer erträglich, dass Kraft und Stärke vergänglich sind.

Dass unsere Väter alt werden, zeigt uns unseren eigenen körperlichen Verfall. Zeigt uns, dass wir keine Kinder mehr sind, dass wir uns plötzlich um unsere eigenen Familien und eigenen Baustellen kümmern müssen.

Dass da niemand ist, der sich kümmert und dass unsere Helden alt werden und irgendwann sterben.

Was meinen Vater angeht: Wenn er es hinbekommt – und ich bin mir ziemlich sicher – dass sein persönlicher Abspann von „Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle“ nur fünf Minuten länger läuft, Hill geht zu Boden.

Kommissar Recks (2)

Jensens Wohnung befand sich im Souterrain eines Wohnklos von Neumünster. Die meisten Mieter waren wohl das, was man „Prekariat“ nennen würde.

Der Briefkasten verriet, dass er seit mindestens 14 Tagen nicht geleert worden war, ein Blick in die Wohnung des Opfers machte jedoch klar, dass dies nichts bedeuten musste.

Die zwei Räume waren mit Möbeln im Stile des Gelsenkirchener Barocks eingerichtet, das Zentrum im Wohnzimmer bildete eine beigefarbene Wohnlandschaft aus Cord, die in den 1970er Jahren in Mode gewesen sein musste.

Dazu ein gefliester Couchtisch, der unter stapelweise Zeitungen, einem Stopfgerät für Zigaretten und jeder Menge unsortierter Unterlagen um Erlösung ächzte.

Auf den dunklen Sperrholzmöbeln staubten jede Menge Pokale vor sich hin, an den Wänden hingen Bilder, die das scheussliche Muster der Tapeten zu verdecken versuchten. Jensen mit seiner verstorbenen Frau. Jensen mit seiner Tochter und seiner verstorbenen Frau.

Das Gros des Wandschmucks machten jedoch Fotos, jedes einzelne fein säuberlich eingerahmt, von Jensen und seinem Hund aus. Oder von Jensens Hund ohne Jensen. Im Porträt, im Ganzen, in der Bewegung und vor allen stehend vor allen möglichen Hintergründen. Eifel, Sauerland, Harz, Schwarzwald, Alpen.

Jensen musste ein ereignisreiches Leben gehabt haben, zumindest war sein Hund weit rumgekommen.

In der Küche stapelte sich das dreckige Geschirr, in der Ecke die leeren Flaschen. Im Kühlschrank fanden sich zwei Flaschen Holsten, ansonsten irgendetwas, von dem man nicht mehr erkennen konnte, ob es in einem früheren Leben ein Stück Butter oder ein Stück Käse gewesen sein mag.

In der Luft lag ein Geruch, den Recks als ausserordentlich widerlich empfand, aber nicht identifizieren konnte, bis Kollege Heimschmitt von der Spurensicherung ihn blöd grinsend fragte, ob er in einen Regenschauer geraten sei, schliesslich rieche es hier nach nassem Hund.

Recks ignorierte den Spruch und durchstöberte die Unterlagen in dem kleinen Bücherregal.

Dabei fiel ihm ein Leitz-Ordner in die Hände, der im Gegensatz zum Rest der Wohnung penibel und akkurat sortiert war. Ganz oben eine Hülle mit einem kleinen blauen Büchlein darin, auf dem „Europäischer Impfausweis“ stand, gefolgt von jeder Menge Papieren.

Recks brauchte einen Moment, um zu verstehen, dass diese fein säuberlich nach Datum und Priorität geordneten Dokumente nicht Jensens, sondern die Jensens‘ Hundes waren. Lag aber eigentlich auf der Hand.

Verrückt, dachte er bei sich. Sein eigenes Leben schien Jensen völlig egal gewesen zu sein. Kontoauszüge, wichtige Unterlagen, alles lag irgendwo rum und war dem Verfall preisgegeben. Selbst der graue Führerschein im Portmonee des Opfers wurde nur noch mühsam durch etwas Klebeband zusammengehalten. Nur bei seinem Hund, da schien Jensen es ganz genau wissen zu wollen.

„Anka“ hiess der ganze Stolz des Getöteten, so stand es auf der Ahnentafel. Und auf dem Foto in dem blauen Büchlein erkannte Recks das Gesicht des Hundes, der ihn beinahe zu Tode erschreckt hatte.

„Recks, kommse mal“, unterbrach der Arsch, der gerade den „Nasser Hund“-Witz gemacht hatte den Kommissar in seinem Gedankengang.

Heimschmitt hielt triumphierend einen B6-Umschlag in die Höhe. Im Umschlag fanden sich mehrere Geldbündel, später sollte sich herausstellen, dass es alles in allem über 450.000 Euro in 500-Euro-Scheinen waren, die Jensen nicht besonders gut in seiner Wohnung versteckt hatte.

450.000 Euro. Das ist eine Menge Geld für einen toten Frührentner.

Hier geht es zu Teil 1.

Kommissar Recks (1)

„Jaja, sauwitzig, du Arschloch“, murmelte Jürgen Recks in seinen nicht vorhandenen Bart. Seit 12 Jahren lief diese dämliche Sendung schon nicht mehr im Fernsehen und trotzdem durfte er sich in schöner Regelmäßigkeit blöde Witze über seinen Namen anhören.

„Such, Recks, such!“ hatte einer seiner Kollegen, so ein junger Schnösel, ihm blöde grinsend zugerufen, weil er seinen Autoschlüssel nicht finden konnte. Schließlich fand er ihn in der Seitentasche seiner Jacke, so einem scheusslichen, neumodischen Multifunktionsteil, das ihm seine Frau gekauft hatte.

„Ich will doch nicht den Mount Everest besteigen“, hatte er noch protestiert, aber seine Frau bestand darauf, dieses Modell zu kaufen. Immerhin war die Jacke warm. Und rot. Knallrot, so dass er überall auf der Stelle auffiel, wenn er irgendwo erschien.

An diesem Tag war es grau und verregnet und der Heimweg raus aus Rendsburg in Richtung Neumünster zog sich wie Kaugummi. Recks war schlecht gelaunt und zog angestrengt an seiner Zigarette, als ihm schlagartig wieder einfiel, dass seine Frau ihm das Rauchen im Auto strikt verboten hatte.

Gerade als er das Fenster runterkurbeln wollte, klingelte sein Mobiltelefon. Auch so ein neumodisches Teil, dessen pure Existenz ihn schon maßlos überforderte.

Als er bei der Polizei anfing, das waren noch Zeiten. Keine Computer, keine Mobiltelefone. Das war noch echte Polizeiarbeit, wie er es nannte.

Mit einem leichten Seufzer ging er ans Telefon: „Recks hier.“

Am anderen Ende der Leitung war sein Vorgesetzter Wiegand. Auch so ein junger Schnösel, der bestimmt 20 Jahre jünger war als Recks, aber stets einen überheblichen Unterton mit seinen Mitarbeitern pflegte.

„Recks, fahren Sie nach Wasbek. Dort gab es einen Leichenfund.“

„Ok“, murmelte Recks und verabschiedete sich innerlich schon von seinem Abendessen.

„Die Kollegen sind schon vor Ort, aber ich möchte Sie dabei haben, ist immerhin ein Hundeplatz.“, kicherte Wiegand vor sich hin.

„Lustig, du Arschloch“, dachte Recks bei sich und legte auf.

Das Vereinshaus des Hundevereins in Wasbek liegt direkt an der B73 nahe der Autobahn. Als Recks mit seinem Wagen auf dem Parkplatz vorfuhr, hatten die Kollegen von der Streife dem entsprechend alle Hände voll zu tun, die Gaffer wegzuscheuchen, die einen Blick auf das Geschehen erhaschen wollten.

„Gut, dass Sie hier sind.“ Karin Herrscher hätte es beinahe geschafft, Recks wie einen normalen Menschen zu begrüßen. „Is‘ ja lustich, Kommissar Recks auf’m Hundeplatz“.

Schade.

Die Herrscher ist maximal 25 Jahre alt und macht hier einen auf witzig, die blöde Kuh. Und überhaupt, gab es nicht mal eine Mindestgröße für Frauen bei der Polizei? Vor lauter innerer Wut hätte Recks beinahe die Schilderung der Sachlage verpasst.

„Das Opfer heisst Manfred Jensen, 57 Jahre alt. Er war Witwer, hatte eine erwachsene Tochter, die Kollegen sind schon unterwegs. Er war hier der Platzwart. Die Todesursache war vermutlich eine gezielte Stichverletzung direkt in die Aorta, die ihn schließlich verbluten ließ. Sieht ziemlich professionell aus. Auf Grund der Spurenlage wurde er nicht hier getötet, sondern wurde hier abgelegt. Alles weitere wird die Obduktion zeigen, die Jungs von der Spurensicherung sind auch noch nicht durch“.

Wie geht das denn? Wie kommt denn eine Leiche mitten auf einem großen Platz direkt an der Bundesstraße? Spaziergänger hatten den riesengroßen, fetten Mann gefunden und die Polizei verständigt. Ob irgendwem in der Nachbarschaft was aufgefallen war? Ein verdächtiges Auto? Personen? Irgendwas? Natürlich nicht.

Erst jetzt fiel Recks auf, dass ihm Hintergrund ein Köter kläffte.

„Die vom Tierheim sind schon unterwegs“, versicherte Herrscher. „Vermutlich ist das Jensens Hund da im Vereinsheim“.

Recks ging auf das Gebäude zu, das vermutlich in den 1960er Jahren erbaut wurde. Die Fenster waren vergittert und an der etwas verrotteten Holztür, die in das Vereinsheim führte, hing ein Schild mit einer Schäferhund-Silhouette darauf und den Worten: Wir müssen draussen bleiben.

Gleich darunter eine handgeschriebene und laminierte Pappe, auf der „Markieren wird mit 5 Euro in die Jugendkasse geahndet“.

Recks schüttelte den Kopf. Abgesehen von den dummen Witzen hatte er mit Hunden nichts am Kopf. Als er seine Frau kennengelernt hatte, hatte sie eine Katze, die ihm gleich in der ersten Nacht auf seine beste Hose gepisst hatte.

Recks hielt von Haustieren nichts. Kosten nur Geld, machen Dreck, sind laut und rauben einem die Zeit. Genau wie Kinder. Von denen hielt Recks auch nichts.

Aus dem Innern des Vereinsheimes war immer noch lautes Kläffen zu vernehmen. Recks wagte einen Blick zwischen die Fenstergitter und erschreckte sich fast zu Tode, als der Hund mit aller Macht gegen die Scheibe sprang und ihn quasi anbrüllte.

„Ach du Scheiße“, entfuhr es ihm. Er brauchte einen kleinen Moment, um sich wieder zu fangen und bemerkte, dass die Herrscher, die ihn beobachtet hatte, sich vor Lachen fast nicht auf den Beinen halten konnte.

„Blöde Kuh“ murmelte Recks, zündete sich eine Zigarette an und ging zu seinem Auto.

Hier geht es weiter.

Eine kleine Messeschau

 

Hundeausstellungen sind ja nicht so meins.

Es ist ungefähr 10 Jahre her, dass ich zuletzt eine besucht und mir noch während meines Aufenthaltes geschworen habe, dass dies das letzte Mal sei.

Vor einigen Monaten jedoch wurde ich gefragt, ob ich vielleicht Interesse hätte, auf der diesjährigen „Hund & Pferd“ in Dortmund, einen Vortrag zu halten.

Der Gedanke, dass ausgerechnet ich auf einer der großen Ausstellungen des VDH meinen Senf zur Hundewelt geben dürfe, veranlasste mich dazu, „Jipp“ zu sagen und so ging es frohen Mutes nach Dortmund, um sich dem Hundewahnsinn mal so richtig hinzugeben.

Für diejenigen, die noch nie eine solche Veranstaltung besucht haben, gebe ich mal einen kleinen Überblick, was einen so erwartet.

Zunächst einmal gibt es die Bewertungsringe, in denen die verschiedenen Hunderassen begutachtet und die besten ihrer Zunft prämiert werden. Unter denen wiederum wird am Ende des Tages der Beste aus der jeweiligen FCI-Gruppe in verschiedenen Kategorien gekürt. Dazu kommen noch diverse „kynologische Prüfungen“.

In Dortmund wurden nicht nur Bundessieger, sondern auch Internationale Sieger prämiert, so dass zwei Ausstellungen parallel stattfanden. Teilweise etwas verwirrend, aber ich bin ja auch kein Profi in Sachen Ausstellung.

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Für die breite Masse der Besucher sind jedoch die zweihundertschlachmichtot Verkaufsstände wesentlich interessanter, die mit allerlei Messerabatten den willigen Konsumenten verleiten, sein Geld auszugeben.

Schnäppchen hin oder her, so richtig nachvollziehen kann ich nicht, dass Menschen freiwillig stundenlang ein XXL-Hundebett durch die Hallen schleifen, nur weil es ein paar Euro günstiger war als sonst.

Der Trend geht eindeutig hin zu Produkten, die bei Problemen helfen sollen, die man ohne andere Produkte gar nicht hätte:

  • Näpfe, die das Fressen interessanter machen sollen und veganes Hundefutter, welches den Fresseninteressantmachnapf erst notwendig macht
  • Ballkanonen, die den Hund irre machen und Entspannungshilfen, die ihn dann wieder ruhigstellen
  • LED-Gedönse, dessen Sinn sich mir nicht erschlossen hat (und damit meine ich keine Leuchthalsbänder)
  • Decken, Betten, Leinen, Kauartikel, Boxen, Spielzeug soweit das Auge reicht
  • sowie allerlei mehr oder weniger nützliches für Herrchen und Frauchen.
    (Auf meine Frage an den ADAC-Typen, was die eigentlich auf einer Hundemesse suchen in Anbetracht der Tatsache, dass es immer ein riesen Theater gibt, wenn man mal mit Hund eine Panne hat, konnte er mir keine Antwort geben).

Wie für eine Messe üblich, kostet ein Mineralwasser schmale Dreieurovierzig und ein knauseriger Fingerhut voll Kaffee Zweieurofünfzig. Aber hey, für die Gäste des VDH gibt es all das ja gratis.

Nicht ganz gratis. Vorher musste ich noch ein bisschen arbeiten.

Kurz vor Veranstaltungsbeginn hatte wohl auch der Verband für das Deutsche Hundewesen geahnt, wen genau er sich da auf die Bühne geholt hatte. Und so war ich wenig überrascht, dass ich gleich am Freitag morgen meinen Vortrag halten durfte.

Als ich eintraf, waren die Hallen noch sehr großzügig begehbar, um es mal vorsichtig auszudrücken.

Auf der Bühne stand eine Dame, die zum Thema „Wie oft darf ich meinen Hund baden?“ in Anbetracht der Tatsache, dass sie „reinigungsaktive Waschlotionen“ verkauft, zu der total überraschenden Antwort kam, dass man seinen Hund sehr oft – und am besten mit ihrem Produkt – baden darf.

Verrückt.

Rassevorstellung Windhunde: "Wie der Name Wind im Windhund schon sagt, sind die schnell".

Rassevorstellung Windhunde: „Wie der Name Wind im Windhund schon sagt, sind die schnell“.

Da mein erster Vorschlag mit dem Thema „Warum Rassehundezucht unsere Hunde krank macht“ abgelehnt wurde, referierte ich über „Rassendisposition und Management“. Dafür hatte ich exakt 20 Minuten Zeit. Nach 19:30 Minuten war ich mit dem Vortrag durch, der vom Verlag gewünschte Hinweis auf mein Buch fiel genauso aus wie mein Hinweis, dass ich eventuelle Fragen gerne beantworte, weil exakt 30 Sekunden später das Mikrofon abgestellt wurde und eine Gruppe Eurasier-Besitzer auf die Bühne gescheucht wurden, um ihre Rasse vorzustellen. Was wohl Karl Werner dazu sagen würde?

Dennoch war ich positiv überrascht. Entgegen meiner Erwartung waren alle Stühle besetzt und selbst nachdem ich eine kleine undiplomatische Spitze in Richtung Linienzucht abgeschossen hatte, waren die meisten Zuhörer noch da.

Apropos positive Überraschung. Im Anschluss an mein Tagwerk holte ich mir erstmal einen Kaffee im Wert von 7 Euro im V.I.P.Bereich ab, um frisch gestärkt die Hallen zu erkunden, in denen die Sieger des Tages gekürt wurden.

In den knapp 10 Jahren, die ich eine solche Veranstaltung nicht mehr besucht habe, hat sich entweder tatsächlich etwas getan in Sachen Hundezucht oder die üblichen Verdächtigen sind mir nicht unter die Linse gelaufen.

An der Farbe der Blazer gut zu erkennen: Vorkshire Terrier

An der Farbe der Blazer gut zu erkennen: Yorkshire Terrier

Relativ viele (also, einige) der ausgestellten Hunde, die ich gesehen habe, sind längst nicht mehr so übertrieben gezüchtet, wie ich sie in Erinnerung hatte.

Im Laufe der beiden Tage, die ich vor Ort war, habe ich ein paar Bassets gesehen, die nicht mit dem Bauch auf dem Boden schleiften, ein paar Spaniels, deren Fell nicht selbiges tat und – die sind mir tatsächlich aufgefallen – gut proportionierte Bernhardiner, die nicht total überhangen waren und die Hallenböden in gefährliche Rutschpartien verwandelten.

Allerdings scheinen sich auch ein paar Trends abzuzeichnen, die mir so ganz und gar nicht gefallen. So werden die Schädel der Molosser immer breiter, ihre Nasen indes immer kürzer.

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Insbesondere die Cane Corsos (edit: die Rechtschreibkorrektur hat den Hund zwischenzeitlich in ein Stück Fleisch – „Carne“ verwandelt, Danke an Sandra für den Hinweis) können wir in ein paar Jahren zu den Kurznasen zählen, wenn sich die Zucht weiter in diese Richtung entwickelt.

Davon abgesehen könnte man sich – mit Blick auf die Gesundheit der ausgestellten Hunde – mal Gedanken darüber machen, welchen Sinn es hat, dass die Tiere von Jahr zu Jahr fetter werden.

Und damit meine ich nicht „ein bisschen mopsig“, im Ring waren jede Menge Hunde im wahrsten Sinne des Wortes zu bestaunen, die – auch mit fünf Kilo weniger – noch zu dick gewesen wären.

Staunen auch deshalb, weil ich bei einigen Kandidaten nicht erwartet hätte, dass die überhaupt schneller als Schritt gehen können.

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Für mich als Hütitütifreund war natürlich die Gruppe 1 – Hüte- und Treibhunde – besonders interessant, allerdings habe ich die meisten Wettbewerbe verpasst, weil ich entweder zu früh oder zu spät am Ring stand.

Bei den Border Collies und insbesondere den Australian Shepherds werden die Schädel immer breiter und das Fell immer mehr und das Gebäude immer voluminöser.

Lustigerweise war eines der Highlights der Messe eine Vorführung von Anne Krüger mit Pferd, Ziege, britischem Geländewagen und schließlich ihren Arbeitslinien-Border Collies, die am Bewertungsring mangels Fell, Nase und Masse samt und sonders durchgefallen wären, auf der Bühne (gleichzeitig Show-Ring)  jedoch für Beifallsstürme gesorgt haben.

Fast interessanter als die Hunde sind bei einer solchen Ausstellung naturgemäß die Menschen.

Kollege Norbert, den ich zufälligerweise traf und der einen Borsoi ausstellte, erklärte mir, dass es das „Gesamtpaket“ ist, welches zu einer guten oder eben schlechten Bewertung führt.

Sprich, so schön wie der Hund muss auch sein Mensch sein. Und wenn schon nicht schön, dann wenigstens originell.

Dass der Züchter eines BGS seinen Hund stilecht in bayerischer Trachtenkleidung präsentiert, konnte ich derweil gut nachvollziehen.

Etwas schwieriger scheint die Auswahl des passenden Outfits zu sein, wenn man eine Rasse präsentiert, bei der die Assoziation nicht ganz so deutlich auf der Hand liegt.

Impressionen

Impressionen

Immer, wenn ich in einem chinesischen Restaurant bin, stelle ich mir die Frage, wo man wohl die Einrichtung kaufen kann. Schließlich sehen die meisten dieser Restaurants ziemlich ähnlich aus.

Asiatische Lampe hier, ein Drache da. Dazu ein paar chinesisch anmutende Kerzenständer, so eine Art Tempelambiente in Dunkelrot und fertig ist das Restaurant.

Beim Anblick der Outfits einer Aussteller/innen überkam mich die selbe Frage.

Irgendwo muss es einen Onlineshop für gold- oder rotfunkelnde Blazer und Anzüge mit Pailleten geben, der neben alternden Schlagerstars auch Hundezüchter ausstattet.

Außerdem im Sortiment: Schuhe in den Farben Neonorange, Gold, Silber und natürlich Feuerwehrrot. Dazu Blusen und Hemden mit kunstvoller Verzierung.

Es muss eine wahnsinnig bunte Welt sein! Eine schöne Welt, in der – ähnlich wie in Disney-Filmen – ohne nachvollziehbaren Anlass gesungen wird.

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Noch interessanter als die Hunde und die Menschen ist es auf einer solchen Messe den Gesprächen zu lauschen.

Da ich auf Grund von Terminkuddelmuddel (und aus „Gründen“) leider nicht dazu gekommen war, selber einen Hund auszustellen, hatte ich zugesagt, das Tierchen wenigstens zeitweise zu sitten und heile nach Hause zu bringen.

Da ich so eine Messe nicht nur für mich, sondern auch für den Hund viel zu anstrengend finde, begab ich mich nach draussen in Richtung „Löseplatz“, eine etwa 100 Quadratmeter große Fläche, die nach zwei Tagen dermaßen widerlich ist, dass einen nichts mehr erschüttern kann, wenn man diese ohne Herpesanfall übersteht.

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Da stand ich also rauchenderweise am Löseplatz und hörte – halb freiwillig, halb unfreiwillig – zwei Damen zu. Beide augenscheinlich Züchterinnen aus dem Ruhrgebiet und beide nicht unbedingt zufrieden mit dem Ergebnis ihrer Bewertung.

„Isch hab kein‘ Bock mehr auf die Scheisse“ sagte die eine. Die andere erwiderte „So’n Kokolores“. Darauf die andere „Watt glaubt der, wer der iss? Ich mach datt nichmehr mit.“ Antwort: „So watt aber auch“.

Dann die überraschende Verabschiedung: „Wir sehen uns dann ja in Leipzich nächstet Jahr“.

Hinter mir berieten sich zwei andere Damen darüber, wie alt wohl der Hund – ein Cattle Dog – sei, den ich an der Leine hatte.

Mindestens fünfzehn sei der, achwas: bestimmt schon siebzehn. Wie man dem armen Tier so etwas antun könne. In dem Alter, und dann auf so eine Veranstaltung.

In nur drei Minuten um 15 Jahre gealtert

Gerade als ich die beiden Expertinnen aufklären wollte, wechselten sie das Thema.

Grund dafür war ein Hund, der unseren Weg wieeinirreranderleinezerrend kreuzte. Das muss nämlich so sein, klärte die Dame, die den Cattle auf 15 Jahre getippt hatte, die Dame, die den Cattle Dog auf 17 Jahre getippt hatte, auf.

„Die brauchen nämlich ganz viel Platz!“

 

 

 

!!111elf!

Frau B. ist einigermaßen empört. Und um das kundzutun, verwendet sie überproportional viele Satzzeichen in ihrer E-Mail, die sie voller Wut und Abscheu verfasst hat.

Und das kam so.

Vor ungefähr eineinhalb Jahren hegte Frau B. den innigen Wunsch, einen Hund haben zu wollen. Aber bitte nicht irgendso ein langweiliges Vieh, sondern bitte ein besonders exotisches und edles Exemplar.

Und so entschied sie sich für einen Autralian Cattle Dog.
(Das ist in dem Zusammenhang wichtig, um zu verstehen, warum ich mich überhaupt darauf eingelassen habe.)

Da „das ja eh alles Geldmacherei sei“ kam der edle „Sidney“ (sic!) nicht aus irgendeinem Zwinger, sondern war „ein echtes Kind der Liebe“ aus einer nicht minder liebevollen Hobbyzucht, wie mir Frau B. versicherte.

Nun finde ich diese Hunde perse erstmal recht interessant und habe nicht sofort wieder aufgelegt, als ich die Noch-Hundehalterin das erste von gefühlt hundert Mal am Telefon hatte.

Auch wenn ich beim besten Willen nicht nachvollziehen kann, warum man ausgerechnet bei der Anschaffung eines Hundes sparen muss und ihn dann ausgerechnet „Sidney“ und nicht „Sydney“ nennt.

Mit Sidney jedenfalls lief es wohl eher so semitoll, der edle Rüde würde ziemlich an der Leine ziehen und auch ansonsten eher schlecht als recht hören.

Auf meine Frage, ob Frau B. es denn schonmal mit Erziehung probiert hätte und vielleicht mal einen Hundetrainer zu Rate gezogen habe, erwiderte sie, dass sie sich mit Hunden auskenne und dem entsprechend niemanden dafür bezahlen müsse, dass der- oder diejenige ihr erzählt, was sie nämlich eh schon weiss.

Was genau das sein sollte, konnte mir die energische Dame allerdings nicht verraten und nachdem sich in mir das Gefühl breit gemacht hatte, dass wir beide nicht zusammenkommen, beendete ich das Telefonat. Vorerst.

Denn am nächsten Tag klingelte erneut das Telefon.

Für Menschen, die mich am Telefon nerven, habe ich einen einfachen Trick. Ihre Nummer speichere ich unter „Nicht drangehen“ ab und kann so spontan entscheiden, ob ich mit ihnen reden möchte oder – wie in dem Fall – lieber nicht.

Blöderweise hatte ich das Abspeichern im Falle von Frau B. vergessen und so ging es in die zweite Runde:

Heute wäre etwas schlimmes passiert. Der Sidney hätte sich an der Leine aufgeführt wie ein Derwisch und nun, so versicherte mir Frau B., hätte sie keine Kraft mehr. Sidney müsse weg.

Keine Anhnung, was mich in dem Moment geritten hatte.

Vielleicht die Tatsache, dass der Hund mit seinen 18 Monaten nicht so schlimm sein könne, vielleicht wollte ich ihn auch retten – in erster Linie vor seiner anstrengenden Besitzerin, die am Telefon darauf bestand Sidneys „Besi“ zu sein.

Jedenfalls sagte ich zu, ihn zu übernehmen.

Frau B. war selig und würde sich dann melden, wann sie ihn bringt.

Nächste Runde: Frau B. rief zum dritten Mal an und erklärte mir, dass sie es nicht über das Herz bringen würde, den armen Hund in fremde Hände abzugeben.

++++ Live-Ticker +++++

Donnerstag, 9:45 Uhr: Sidney hat nach jemanden geschnappt, er muss auf der Stelle weg. Und auf der Stelle heisst sofort! Eine Bekannte würde Frau B. und das Untier fahren und sie würde ihn gegen Mittag bringen.

Donnerstag, gegen Mittag: Von Frau B. keine Spur.

Donnerstag, 17:30 Uhr: Frau B. hat mir eine Whatsapp geschickt, dass sie sich nun doch eine Hundetrainerin suchen wolle.

Donnerstag, 20:45 Uhr: Das alles tut Frau B. fürchterlich leid, aber nun wird alles gut.

Freitag, 11:00 Uhr: Keine Ahnung, was Sidney nun wieder angestellt hat, jedenfalls geht das so nicht weiter. Und die Hundetrainerin hat sich auch nicht gemeldet. So eine Frechheit, hatte sie doch fast 12 Stunden Zeit dafür.

Freitag, 13:00 Uhr: Frau B. hat kein Auto, ob ich Sidney abholen könnte. Öhm, nö. Ich muss arbeiten.

Samstag, 7:15 Uhr (Sag mal, Spinnt die?): Frau B. organisiert jetzt eine Fahrkette.

Samstag, 15:00 Uhr: Frau B. hat jemanden gefunden, der Sidney ein dauerhaftes Zuhause geben möchte.

Samstag, 17:15 Uhr: Doch nicht.

Samstag, 20:30 Uhr: Doch.

Sonntag, 10:00 Uhr: Der Akku von meinem Telefon war zwischenzeitlich leer, in der Zeit gab es noch ein „Doch nicht“  und dann wieder ein „Doch“.

Sonntag, 15:00 Uhr: Frau B. hat wenig Verständnis dafür, dass ich gerade mit meiner Freundin beim Kaffee sitze. Trotzdem fasst sie sich kurz (ca. 30 Minuten). Mit dem Sidney und den Interessenten, das wird nichts. Er macht nämlich einen total unglücklichen Eindruck auf sie.

Ich biete ihr ein letztes Mal an, den Hund zu übernehmen. Sie willigt ein. Ihre Bekannte würde Sidney bringen.

Sonntag, 17:00 Uhr: Whatsapp von Frau B.: Sidney würde dann morgen gebracht werden, sie hätte sich 600 Euro „Schutzgebühr“ vorgestellt, die ich dann bitte in bar mitbringen soll.

Sonntag, 17:15 Uhr: Ich starre immer noch ungläubig auf mein Telefon.

Sonntag, 17:30 Uhr: Ich erkläre Frau B., dass ich grundsätzlich nichts für Hunde bezahle, die ich bei mir aufnehme.

Sonntag, gegen 20 Uhr, Frau B. per E-Mail:

Eine „Unverschämtheit“ sei mein Verhalten ihr gegenüber und „Menschen wie Sie“ (damit meint sie mich) seien Schuld daran, dass unschuldige Hunde eingeschläfert würden. Des Weiteren könne sie sich sehr gut vorstellen, wie ich „in Saus und Braus“ lebe, weil ich doch „mit dem Weiterverkauf der Hunde“ bestimmt ein „riesiges Vermögen“ machen würde.

An dieser Stelle muss ich anmerken, dass die folgenden Zeilen kein Scherz sind:

Jedenfalls würde sie mich „nicht weiterempfehlen!!!“ und überhaupt, eine Tierkommunikatorin hat in der Zwischenzeit mit Sidney gesprochen und der einzige Grund, warum er sich so aufgeführt hat, war der, dass er auf keinen Fall mir überlassen werden wollte.

Na, da habe ich ja noch mal Glück gehabt.

Wie ich mal versehentlich Verleger wurde

Immer, wenn ich mal ein Buch schreibe, überkommt mich quasi alle 5 Zeilen der selbe Gedanke: „Das kannst du so nicht schreiben“.

Schreibe ich zum Beispiel, dass ein Border Collie meiner Meinung nach in der Familie nichts verloren hat, dann kann ich sicher sein, dass dieser Absatz wieder gestrichen wird.

Denn das Ziel einer Rassemonografie, wie solche Hundebücher genannt werden, ist es, die geneigten Leser von den Hunden zu begeistern und nicht, sie abzuschrecken.

Also besteht die Kunst darin, die Aussage so zu verklausieren, dass sich niemand auf den Schlips getreten fühlt und trotzdem ein Hauch von Kritik rauszulesen ist.

Menschen, die sich einen Border Collie zulegen, sollten also darauf achten, sich eher ein Exemplar mit ruhigem Wesen anzuschaffen. Aha.

Read between the Lines

Aber nicht nur die vermeintliche Eignung eines Hundes als lustiger Familienkumpel will wohlwollend wie ein Arbeitszeugnis für einen unmotivierten Praktikanten beschrieben sein. Auch die typischen kleinen Eigenheiten verschiedener Hundetypen liest man eher zwischen den Zeilen heraus.

So wird aus dem zum Wildern neigenden Jagdhund ein „liebenswerter Charakterkopf, immer auf der Suche nach Abenteuern“ und aus dem enervierenden Kläffer ein „wachsamer Hund“. Der besonders treue Gefährte entpuppt sich bei näheren Hinsehen als sozialmotivierter Stalker, der keinerlei Verständnis für Sozialkontakte seiner Besitzer hat und aus dem „actionliebenden, sportlichen Hund“ ein zur Hypervigilanz neigendes Wrack.

Rassetypische Krankheiten werden zwar erwähnt, jedoch wird gerne verschwiegen, dass sie bei manchen Hunden eher die Regel als die Ausnahme sind.

Über Erziehung will ich gar nicht erst anfangen. Würde man in ein Buch schreiben, dass ein „harter Hund“ ein ernsthaftes Gegenüber braucht und die allermeisten Tierfreunde mit ihm überfordert wären, kann der Verlag sich über böse Post nicht mehr beklagen.

Als es darum ging, etwas darüber zu schreiben, wie man unerwünschtes Gekläffe in den Griff bekommt, habe ich mir fast einen Arm ausgekugelt, um nicht einfach „Kannste vergessen“ in die Tastatur zu brechen.

Und so verbringe ich die meiste Zeit damit, die Aussagen, die mir wichtig sind so zu verpacken, dass keiner merkt, was ich eigentlich sagen will. Eine sehr mühsame Angelegenheit, die außerdem wenig Spass macht.

Bücher schreiben geht bei mir in etwa so:

Als erstes mache ich mir Gedanken, was ich eigentlich schreiben möchte und packe das Ganze dann in Konzept, das in etwa so aufgebaut ist, wie das spätere Inhaltsverzeichnis und einige Unterpunkte beinhaltet, die später als Zwischenüberschriften dienen.

Dann schreibe ich ein bis zwei Seiten Vorwort, die ich dann zusammen mit dem Konzept beim Verlag einreiche.

Irgendwann bekomme ich dann eine Antwort von der verantwortlichen Redakteurin, ob das Buch erscheinen wird oder nicht.

Manchmal kann ich mir den ganzen Schmonz aber auch einfach sparen.

Als ich zum Beispiel auf die Idee gekommen bin, ein Buch über Australian Cattle Dogs zu schreiben, habe ich mir bei jedem einzelnen Wort gedacht: Das kannst Du so nicht schreiben. Hab ich aber trotzdem und schließlich festgestellt:

Das Porto kann ich mir sparen. Dieses Werk wird kein Verlag dieser Erde veröffentlichen.

Und so kam es, dass ich vor einiger Zeit mit einer Kollegin telefonierte. Sie arbeitet ihres Zeichens gerade an ihrem ersten populärwissenschaftlichen Werk und verbringt erstmals in ihrem Leben Zeit damit, Hundebücher zu lesen, um eine Idee davon zu bekommen, was da so drin steht.

Kurz, ihr Urteil als Wissenschaftlerin, die sie studierterweise ist, fällt verheerend aus und sie fragte ob der vielen falschen Angaben in dem ihr vorliegenden Buch, ob es in den Verlagen eigentlich jemanden gibt, der die Inhalte noch mal auf Richtigkeit überprüft.

Jein, lautete meine Antwort.

In den Verträgen steht schwarz auf weiss, dass die Autoren selber dafür verantwortlich sind, dass die Inhalte wissenschaftlicher Überprüfung standhalten. Und als ich über Hütehunde geschrieben habe, wollte ich Werbung für einen Kollegen machen und schrieb prompt den Namen falsch. Mit der Folge, dass es dieser Fehler bis ins Buch schaffte.

Mit einem anderen Kollegen, den ich sehr schätze, tausche ich mich gerne über Hunderassen und unseren Eindruck über ihre Entwicklung aus.

Wir sind uns einig, dass es noch keiner Rasse mit Blick auf Wesen und Gesundheit gut getan hat, von der FCI anerkannt zu werden. Katastrophaler entwickeln sich Hunderassen nur, wenn die Tiere in Mode kommen und die Nachfrage dafür sorgt, dass alles verpaart wird, was nicht bei drei auf dem Baum ist.

Ein schon älteres Beispiel liefert der Australian Shepherd. Während diese Hunde vor 15-20 Jahren noch meist schlanke, hochbeinige und außerordentlich pfiffige Typen waren, trifft man heute immer mehr mächtige, großrahmige und äusserst übellaunige Fellbomben an.

Ein aktuelles Beispiel ist der Cattle Dog, der so beliebt ist, dass man ihn mittlerweile auch bei Welpenhändlern im Internet bestellen kann.

Die Hunde werden von der Gesundheit her immer kranker und vom Verhalten her immer aggressiver.

Die paar seriösen Züchter, die Wert darauf legen, gute Hunde mit guten Eigenschaften zu züchten, haben immer größere Schwierigkeiten, geeignete Deckrüden und Zuchthündinnen zu finden, während eine ganze Schar von Ahnungslosen Hunde miteinander verpaart, die besser in der Regentonne als auf der Ausstellung gelandet wären.

Eine Arbeitsprüfung ist nicht vorgesehen, so dass sich viele dieser Hunde am Vieh – das war ja mal der Zweck der Hunde – verhalten wie eine Horde Kneipenschläger, nachdem der HSV mal wieder verloren hat.

Während andere Hüte- und Treibhunde Showlinien hervorgebracht haben, gibt es beim Australian Cattle Dog weder in Europa noch in Übersee eine nennenswerte Zahl von Landwirten, die erfolgreich Arbeitslinienzucht betreiben.

Dabei finde ich diese Hunde ausserordentlich witzig.

Man muss halt ihren Humor haben. Cattles spielen halt so, wie sich andere Hunde prügeln.

Wie kleine Kevins neigen sie dazu exakt das zu tun, was man ihnen gerade verbieten möchte und auch ansonsten kann man mit ihnen Pferde stehlen. Beziehungsweise sich beim Pferdebesitzer entschuldigen, weil der Cattle die Idee einfach selber in die Tat umgesetzt hat.

Sie sind nicht besonders leichtführig, beherbergen eine ganzen Debattierklub in einem einzelnen Hundegehirn, aber wenn man sie hinbekommt, hat man einen robusten und kernigen Begleiter, mit dem man die Alpen besteigen oder sie kaputt machen kann.

Aber wer will schon so ein Hundebuch veröffentlichen.

Wenn sich kein Verlag findet, der das Manuskript druckt, dann mache ich es halt selber.

Dachte ich mir und machte mich an die Arbeit.

Dank der modernen Technik ist es heute relativ einfach und bezahlbar, einen Verlag zu gründen.

Eine ISBN-Nummer ist recht günstig zu kaufen, die Titelschutzanzeige ist schon etwas teurer. Deshalb habe ich gleich mal mehrere schützen lassen, denn es gibt Mengenrabatt.

Dann ein paar Freunde angerufen und um Hilfe gebeten und siehe da: Sieht gut aus.

Während die meisten Verleger früher an den hohen Produktionskosten für Bücher gescheitert sind, gibt es heute die Möglichkeit auch kleine Auflagen „on demand“, also auf Bestellung drucken zu lassen.

Die Möglichkeiten des Internets ermöglichen neue Vertriebswege, so dass man nicht mehr gezwungen ist, Bücher zum Verstauben in der Bahnhofsbuchhandlung zu produzieren.

Und während die Digitaldruckmaschinen vor wenigen Jahren auf dem Niveau einer Farbkopie vor sich hin dümpelten, ist heute kaum ein Qualitätsunterschied zum „richtigen“ Buchdruck zu erkennen.

Und schließlich, Dank der Tatsache, dass ich den Job in einem früheren Leben mal gelernt habe, kann ich vieles selber machen bzw. kenne Leute, die das können.

Finger weg!

Die Idee, ein kritisches und unzensiertes Hundebuch zu veröffentlichen, hat sich Dank Facebook und Co. natürlich recht schnell rumgesprochen und teils lustige Reaktionen hervorgerufen.

Einige fanden die Idee sehr gut, andere sehen das Ganze eher skeptisch. Allerdings nicht auf Grund dessen, dass der Gedanke per se schlecht wäre.

So bekam ich von einem lieben Kollegen den dringenden Hinweis, über welche Rassen besser nichts veröffentlicht wird, was dem allgemeinen Konsens widerspricht.

Wüste Beschimpfungen bis hin zu Drohungen waren die Folge, als eine gemeinsame Bekannte sich mal etwas kritisch über die allgemeine Gesundheit einer allseits beliebten Hunderasse geäußert hatte.

Is ja’n Ding, dachte ich mir, und antwortete:

Bringen wir erstmal die Cattle-Leute gegen uns auf, dann schauen wir mal weiter.

Hier geht es übrigens zu den Büchern.

 

 

Das bisschen „Drumrum“

Eine gute Freundin meinte neulich zu mir, ich würde langsam aber stetig altersmilde werden. Das mag schon sein, antwortete ich kurz und knapp – bevor ich sie 20 Minuten mit geschmacklosen Witzen, blöden Sprüchen und schändlichen Spott überzog.

Spaß beiseite, man wird ja nicht jünger und im Laufe der Jahre vielleicht nicht unbedingt milder, aber dafür gelassener. Oder müde, wie man es nimmt. Und überhaupt: Wer will schon mit 40 seinen ersten Bypass?

Trotzdem gibt es immer und immer wieder mal Momente, in denen ich auch heute noch an mich halten muss, um nicht in die Tastatur zu brechen (online) oder mich auf die Finger setzen muss, um mein Gegenüber nicht zu schütteln oder schlimmeres (offline).

Neulich zum Beispiel, als ich meinen halben freien Samstag gemeinsam mit gefühlt einer Millionen Touristen auf der A7 verbrachte, um mir in einem Tierheim einen Hund anzusehen, der nach einem innerfamilären Beißvorfall nun das Zeitliche segnen sollte.

Der Delinquent, nennen wir ihn der Einfachheit halber Hasso, entpuppte sich nach eingehender Überprüfung als typischer unerzogener junger Hund, der nicht gelernt hatte, Grenzen zu akzeptieren oder Frust zu ertragen und schließlich zugebissen hatte, als seine Besitzerin anderer Meinung war als er.

Mit solchen Fällen habe ich es, seitdem ich was mit Tierschutz mache, nahezu täglich zu tun und anhand von Hassos Geschichte lässt sich der alltägliche Wahnsinn „drumrum“ ganz gut beschreiben.

Fangen wir mit dem Kennenlernen an. Der Grund, warum ich bei 28 Grad drei Stunden im Stau verbracht habe, war, dass das Tierheim, in dem Hasso zu dem Zeitpunkt untergebracht war, keine Kapazitäten hatte, um ihn längerfristig unterzubringen.

Die Tierheime sind immer noch nicht verpflichtet, Abgabehunde aufzunehmen und bekommen ihr Geld auch nur für die Unterbringung von Fundtieren. Und wenn es sich um ein kleines Tierheim wie in diesem Fall handelt, haben die Kolleginnen und Kollegen auch schlicht keine Kapazitäten, einen Hund zu übernehmen, der auf Grund der Vorkommnisse lange Zeit bleiben wird.

Das ist im Übrigen auch der Grund, warum viele Tierheime mittlerweile Abgabegebühren nehmen, die die Kosten für die Unterbringung und Verpflegung bei weitem übersteigen.

Die Reaktionen lassen natürlich nicht lange auf sich warten:

Frau B. aus Facebook wirft dem Tierheim vor, herzlos zu sein. Frau S. schreibt mir per E-Mail, dass Tierheime Geldmacherei betreiben, anders kann sie die Abgabegebühr nicht erklären. Aha.

Kommen wir zur Einschätzung von Hasso mit Blick auf eine Übernahme durch uns:

Hierbei geht es darum, zu überprüfen, wie und ob der Hund zu managen ist, wo seine Auslöser liegen und wie er auf Ansprache, Berührung, Bewegungsreize, Artgenossen, Einschränkung und Unterbrechung reagiert. Immerhin müssen die Tierpfleger/innen später mit ihm arbeiten können, ohne das Gefahr für Leib und Leben besteht. Und vermittelt werden soll er ja auch irgendwann mal.

Zu diesem Zweck sichere ich den Hund mit Maulkorb ab, denn wenn so ein 30-Kilo-Hasso losmarschiert, ist das auch mit Maulkorb schon unangenehm genug, wenn man nicht aufpasst. Und es ist nicht die Aufgabe des Hundetrainers oder Tierpflegers, sich von fremder Leute Hunde zerlegen zu lassen.

Frau A. schreibt dazu, dass der Maulkorb tierschutzrelevant ist.

S. schreibt dazu, dass es „voll gemein ist, die Fellnase“ während der Einschätzung einzuschränken und sie (die Fellnase) „natürlich beissen muss, wenn man sie derart quält“.

Interessant, ich persönlich finde es nicht nur außerordentlich gemein, sondern extrem fahrlässig, mit Rücksicht auf die arme Hundeseele auf eine allumfassende Einschätzung zu verzichten.

Es ist Aufgabe des Tierschutzvereins, seine Schützlinge so gut zu kennen, dass böse Überraschungen für Mitarbeiter/innen und Interessent/innen ausgeschlossen werden können.

Wenn die neue Familie es ist, die im ganz normalen Alltag den Auslöser für eine Attacke findet, ist das nicht nur peinlich, sondern grob fahrlässig und sollte bestraft werden können. Und zum ganz normalen Alltag gehört nunmal dazu, dass man mal im Weg steht, beiseite gehen muss oder – bewusst oder unbewusst – begrabbelt wird.

L. schreibt was zum Thema Individualdistanz und gelber Schleife.

Ein Hund, der guten Gewissens in eine Familie vermittelt werden soll, muss ein bisschen mehr als Alltag abkönnen. Kann er das nicht, darf er das lernen.

Am Ende des Tages haben wir entschieden, dass wir Hasso übernehmen würden.

Frau B. ist der Meinung, dass Hasso nun ganz viel Liebe braucht, die wir ihm sicherlich nicht geben.

Voraussetzung für die Übernahme ist jedoch, dass seine Besitzerin damit einverstanden ist. Diese jedoch hat – meiner Meinung nach verständlicherweise – Angst vor ihrem Hund und Sorge, dass sich so ein Vorfall wiederholen könnte. Deshalb möchte sie erst nochmal darüber nachdenken, ob sie ihn nicht doch lieber einschläfern lässt.

M. schreibt dazu: Sollen die doch die Frau einschläfern.

Während dessen bringen sich in den sozialen Netzwerken die jeweils religiös-fundamentalistischen Hundeerziehungsexperten in Stellung.

Herr S. vertritt die Meinung, dass Hasso „nur mal richtig einen auf die Mütze braucht“.

Frau S. (nicht verwandt, vermutlich nicht verschwägert) hat gleich eine ganze Reihe Tipps zum Thema Desensibilisierung und Gegenkonditionierung parat.

Zu diesem Zeitpunkt sitzt Hasso noch im Tierheim und ausser den Mitarbeitern, seiner Besitzerin und mir  hat ihn noch niemand zu Gesicht bekommen – dennoch scheinen ihn einige schon persönlich zu kennen.

Selbstverständlich dürfen auch Mutmaßungen dahingehend, welche/r Hundetrainer/in an Hassos Schicksal beteiligt war, nicht fehlen, so dass sich in einer Facebook-Gruppe ein eigener Thread mit ihm befasst – inklusive Verhaltenseinschätzungen, Ratschlägen, Verhaltenskastrationsforderungen und „Wenn ich was zu sagen hätte“-Kommentaren.

Vermutlich sind sie nachts heimlich ins Tierheim eingestiegen und haben ihn ihrerseits eingeschätzt.

Außerdem finden sich die ersten „Wenn ich nicht schon zwei hätte“-Interessenten, die Hasso ja auf der Stelle ein Zuhause geben würde, wenn nicht … (bitte ausfüllen).

Am Abend schreibt O: Ist das nicht frustrierend? 

Ja, aber nicht in dem Sinne.

Leben mit Bosse

In einem früheren Leben muss ich mal ein widerlicher Despot gewesen sein. Vermutlich habe ich ein kleines Land und meine Untertanen unterjocht, so wie man es heute nur noch bei prominenten Ziegenliebhabern vermutet.

Anders kann ich mir jedenfalls nicht erklären, warum ich einen Hund wie Tacker habe, er muss so etwas wie eine verdiente Strafe für längst vergangene Grausamkeiten meinerseits sein.

Nichts desto trotz dachte ich mir vor einigen Monaten, dass die drei mir verbliebenen Hunde doch ein bisschen wenig wären. Und so reifte in mir der Gedanke, mir wieder einen vierten Hund anzuschaffen.

Diesmal hatte ich ganz klare Vorstellungen davon, wie der Neue sein soll: Nett, verträglich, unkompliziert – und vor allem kein Hütehund!

Und so kam es, dass ich eines Tages auf „Bosse“ stieß, der zurück ins Tierheim gekommen war, weil er wohl mit dem Kleinkind der Familie nicht klar kam.

Super, dachte ich mir. Mit Kleinkindern komme ich auch nicht klar, also gehste mal eine Runde mit ihm laufen und guckst, wie er mit dem Rest der Bande klarkommt.

Auf dem ersten Blick stellte sich Bosse als außerordentlich sympathisch dar. Gut, er war in etwa so leinenführig wie ein Ochse, den man vor den Karren gespannt hatte, aber dafür war er wirklich sehr nett im Umgang mit meinen Hunden und abgesehen davon: Ein Husky-Mix, der an der Leine zieht, so eine Überraschung.

Nett mit Hunden stellte sich dann folgendermaßen dar:

Bosse trifft auf Tacker, gegenseitige Ano-Genitalkontrolle, man ergibt sich in wildes Rennspiel. Soweit alles im grünen Bereich und genau das, was ich gesucht hatte. Nämlich ein Hund, der nicht auf die Idee käme, sein Gegenüber zu hüten.

Nach ungefähr zwei Minuten kam Bosse dann auf die Idee, dass man dem einkopfkleineren Hütitüti mal zeigen könnte, wie so ein Husky-Teil imponieren kann.

Keine besonders gute Idee, und in diesem Moment hätte ich stutzig werden müssen.

Bosse versucht also ein „T“ zu buchstabieren, legt den Kopf auf das Tackerchen – und findet sich ungefähr zwei Sekunden später in Rückenlage im Dreck wieder.

Naja, so sind sie halt, denke ich mir, während Bosse etwas verwirrt dreinschaut und sich schließlich übergeben muss.

Seitdem habe ich wieder vier Hunde, die ich mein Eigen nenne.

Toll.

Bosse ist tatsächlich weitestgehend das, was ich gesucht habe.

Sehr gut verträglich mit allen Hunden und sehr nett zu Menschen, die größer als ein Meter sind – nur mit der Unkompliziertheit, das hatte ich mir etwas anders vorgestellt.

Denn, besonders kompliziert darf es für meinen neuen Hund wirklich nicht werden. Kurz: Wäre Bosse ein Mensch, dann wäre er ein Kevin.

Bosse ist der einzige Hund, den ich jemals kennengelernt habe, der zweimal hintereinander den selben Weidezaun markiert, der sich jedes Mal aufs Neue wundert, dass er nach ein paar Metern in der Ostsee nicht mehr stehen kann und der auch nach nunmehr sechs Monaten ratlos auf der falschen Seite der Tür steht, die ich jeden Morgen öffne.

Kurz gesagt, Bosse ist nicht besonders klug.

Oder anders gesagt: Bosse ist jetzt nicht dumm, er hat nur Pech beim denken …

Dafür ist er außerordentlich hübsch. Als die Schönheit verteilt wurde, hat Bosse zweimal aufgezeigt. Als dann die Intelligenz dran kam, war Bosse vermutlich schon damit beschäftigt, sein Spiegelbild anzukläffen.

Über solche Dinge wie Erziehung brauche ich mir bei Bosse keine Gedanken zu machen. Jeder Kognitionsforscher würde seinen Job aufgeben, wenn er nur mit Hunden wie meinem Husky-Mix konfrontiert wäre.

Also sehe ich zu, dass ich immer eine Handvoll Leckerchen dabei habe, dann klappt das mit Bosse und mir ganz gut. Wenn ich ihn rufe, kommt er hochmotiviert in meine Richtung gelaufen, allerdings sollte keine zweite Person dabei sein, weil ihn das überfordert. Auch kann es passieren, dass er freudestrahlend an mir vorbeirennt, um dann – als wenn ihm etwas eingefallen wäre – scharf zu bremsen, um schließlich bei mir zu landen.

Bosse kann Sitz und Platz – und beides sogar auf Distanz. Die sollte allerdings nicht zu groß sein, den im Normalfall muss ich ihn dort abholen.

Der Husky in ihm macht Bosse zu einem ambitionierten, aber vom Pech verfolgten Jäger. Als er mal einem Kaninchen hinterhergerannt ist, traf er zielstrebig den einzigen Baum im Weg. Ich muss an dieser Stelle nicht erwähnen, dass er deswegen noch lange keine Erkenntnis bezüglich Kaninchen oder gar Bäume hätte.

Auch wenn Bosse nicht die hellste Kerze auf der Torte ist, mit seinem Charme macht er alles wieder gut. Es macht unglaublichen Spaß, ihn im Spiel mit den Hütehunden zu sehen (so lange kein Baum im Weg steht) und wie vorsichtig und freundlich er mit Menschen umgeht.

Solche Hunde wie Bosse braucht man viel häufiger: Macht auf dem ersten Blick eine Menge her, ist aber freundlich und sozial. Und bis die anderen gemerkt haben, dass er wirklich nicht besonders schlau ist, hat man die Hundewiese längst verlassen.

Good Boy!