Eine unbequeme Wahrheit

Es gibt Dinge, die – sagen wir mal – etwas merkwürdig anmuten, wenn man sich mit ihnen ein wenig intensiver beschäftigt. Eines davon ist das Tierschutzgesetz.

Im §1 steht geschrieben, dass „niemand (…) einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“ darf. Das ist erst mal gut und richtig.

Aber was ist ein vernünftiger Grund?

Jedes Mal, wenn eine Novellierung des Gesetzes ansteht, bringen sich verschiedene Gruppen in Position, um ihre jeweiligen Interessen in die Gesetzgebung einfliessen zu lassen. Dann gibt es Petitionen und Aufrufe und jede Menge Arbeit für die Lobbyisten.

Wie das dann aussieht, erkennt man am besten an den Forderungen, die es nicht ins die Neufassung schaffen.

Ein paar Beispiele:

Als es das letzte Mal darum ging, den Tieren etwas vermeintlich gutes zu tun, kämpfte der Deutsche Tierschutzbund dafür, das Ferkel nicht mehr ohne Betäubung kastriert werden dürfen und startete eine große Kampagne, um dieses Ziel zu erreichen.

Die Resonanz darauf war eher sparsam, insbesondere, wenn man den Erfolg der Kampagne mit anderen Petitionen vergleicht. So kam der Deutsche Tierschutzbund bei Openpetition nur auf einen Bruchteil der Unterschriften, die die Initiative erreicht hatte, die sich für ein Verbot von sexuellen Handlungen mit Tieren einsetzte.

Auch die Forderung, das Brandmarken von Pferden zu verbieten, wurde in der Neufassung des Gesetzes nicht berücksichtigt. Tradition und so. Und überhaupt, wie sähe das denn aus, ein Pferd mit Ohrmarke?

Nun fände ich persönlich – aber das ist vielleicht so ein Männerding – es außerordentlich sinnvoll, das Ferkelchen zu betäuben, bevor man ihm die Eier abklemmt. Und auch wenn dem einen oder anderen Reiter der Gedanke nicht gefällt, für die Kennzeichnung von Pferden gibt es weit weniger schmerzhafte Möglichkeiten, sie identifizierbar zu machen, ohne ihnen gleich die Initialen auf den Arsch zu brennen.

Wenn man sich mal die Mühe macht und versucht, das ganze emotionale Gewäsch bei Seite zu lassen, wird einem relativ schnell klar, der „vernünftige Grund“, warum die Ferkel auch weiter betäubungslos kastriert werden, schlicht und ergreifend der ist, dass die Betäubung Geld kostet.

Geld, welches die „Erzeuger“ nicht haben angesichts der Tatsache, dass unsereins sein Schweinefleisch für 1,99 das Kilo kaufen möchte.

Und der Grund, warum 20.000 Leute für die Schweine voten und 150.000 Leute gegen Sex mit Tieren, ist auch schnell erklärt: Die einen Tiere werden gefüttert, die anderen werden verfüttert.

Und so stelle ich mir bildlich vor, wie ein paar politisch Verantwortliche am runden Tisch sitzen und darüber diskutieren, wie das nächste Tierschutzgesetz aussehen soll:

„Wenn wir das mit den Ferkeln aufnehmen, kriegen wir Ärger mit den Bauern. Das kostet Wählerstimmen“

„Stimmt“.

„Lass uns doch die Nummer mit dem Sex reinnehmen. Kostet nix und die Tierschützer glauben, sie hätten Erfolg.“

„Gute Idee, und von den Z***genf***ckern kommt bestimmt keiner auf die Idee, sich zu beschweren.“

Gesagt, getan.

Tierschützer feiern ihren Erfolg, während die Bauern die Kohle und die Politiker den Ärger sparen.

Besonders merkwürdig werden unsere Gesetze, wenn sie mit anderen Interessen kollidieren. Wie dem Recht auf freien Handel zum Beispiel.

Im Falle der Straßenverkehrsordnung ist es so, dass die Benutzung von so genannten „Radarwarnern“ zwar verboten ist, man diese Teile aber überall kaufen kann.

Im Tierschutzgesetz ist geregelt, dass der Einsatz von Telereizgeräten verboten ist. Auch diese Teile kann am an jeder Ecke kaufen. Jemand, der mit den Dingern handelt, hat mir mal erzählt, dass er jede Woche ein paar Dutzend davon verhökert.

Natürlich nur so als Partygag oder für die Verwirklichung sadomasochistischer Phantasien. Nicht.

Hier komme ich als Hundetrainer dann in meine persönliche, kleine Zwickmühle.

Immer wieder mal kommen Menschen auf mich zu, die ihrem jagenden Hund diese schlechte Angewohnheit abgewöhnen möchten und sich zu diesem Zweck so ein Gerät gekauft haben.

Gemäß Tierschutzgesetz verliere ich meinen Job, wenn ich nun mit ihnen trainieren würde.

Schön und gut, also schicke ich die Leute nach Hause mit dem Hinweis, dass ich ihnen nicht helfen darf und dass der Einsatz der Dinger verboten ist.

Das Blöde daran ist nur, dass vermutlich die wenigsten Hundehalter das Halsband in der Folge zusammen mit einem bösen Brief zurück an den Händler schicken oder es für immer und alle Zeiten in den Keller verbannen.

Also werden sie dann eben ohne zu wissen, was sie tun, versuchen, ihr Problem mittels Knopfdruck zu lösen. Sowas endet dann oft richtig gruselig, vor allem, wenn die Menschen dann auf die Idee kommen, dass das, was beim Jagen (zufällig) funktioniert hat, dann bestimmt auch bei Sitz, Platz und Fuss klappt.

Es gibt immer irgendeinen Nachbarn, Experten auf der Hundewiese oder Bekannten, der vermeintlich weiss, was zu tun ist. Dabei ist die Arbeit mit so einem Teil alles andere als einfach und „mal eben“.

Vor einigen Jahren habe ich mal eine Hundehalterin gesehen, die ihrem Hund ein Teletakt als „Motivator“ umgeschnallt hatte, damit er im Agility schneller rennt, wenn er im Nacken eine gebretzelt bekommt …

Mit den Hilfsmitteln in der Hundeerziehung ist es wie mit vielen anderen Dingen auch. Mit einem Messer kann ich ein Brötchen schneiden, ich kann aber auch jemanden damit umbringen.

Bestimmte Dinge gehören sich einfach nicht, egal ob sie verboten sind oder nicht. Mangelnde Sachkenntnis und vor allem die Faulheit mancher Hundebesitzer sind die Hauptgründe, warum im übertragendem Sinne aus Messern Tatwerkzeuge werden.

Das gilt für Trainingsdics und Wurfketten heute genauso wie vor ein paar Jahren für die Teletakts.

Das war übrigens ursprünglich sogar mal eine Tierschutzmaßnahme. Ein pfiffiger Jäger, der später einen großen Haustierzubehörversand gründete, hatte es in den 1950er Jahren satt, seine Jagdhunde mittels „Strafschuß“ aus der Hatz zu unterbrechen, weil immer wieder Hunde durch die Schrotladung schwer verletzt wurden.

Also entwickelte er dieses Gerät, um seinen Hunden dies zu ersparen.

Bis zum Verbot dieser Teile fand man sie dann auf vielen Hundeplätzen weit ausserhalb ihrer ursprünglichen Verwendung. Da wurden Hunde in die Unterordnung gestromt, weil die Menschen, wie bereits erwähnt, schlicht zu faul waren, vernünftig zu trainieren.

Und faul, das sind viele auch heute noch. Verbot hin oder her.

Aber es gibt halt auch einige Menschen, die nicht zu faul sind, sondern Hilfe bei der Lösung eines Problems suchen und die ich nach Hause schicke.

Wohl wissend, dass sie dann im stillen Kämmerlein mit einem Gerät hantieren, das – falsch eingesetzt – tatsächlich jede Menge Schaden anrichtet.

Im Idealfall würde man die Hundehalter vernünftig beraten und so dafür sorgen können, dass das Telexakt ggf. gar nicht erst zum Einsatz kommt und wenn doch, dann so, dass keine unnötigen Schmerzen, Leiden oder Schäden entstehen.

Also frage ich mich, ob „der vernünftige Grund“ dafür, Menschen dabei anzuleiten, ihren Hund mit Strom zu arbeiten, nicht der ist, wesentlich erheblichere – mangels Kenntnis – hinzugefügte „Schmerzen, Leiden oder Schäden“ zu verhindern?

Diese Frage habe ich übrigens auch meinem zuständigen Veterinäramt weitergeleitet. Bin mal gespannt.