Eine unbequeme Wahrheit

Es gibt Dinge, die – sagen wir mal – etwas merkwürdig anmuten, wenn man sich mit ihnen ein wenig intensiver beschäftigt. Eines davon ist das Tierschutzgesetz.

Im §1 steht geschrieben, dass „niemand (…) einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“ darf. Das ist erst mal gut und richtig.

Aber was ist ein vernünftiger Grund?

Jedes Mal, wenn eine Novellierung des Gesetzes ansteht, bringen sich verschiedene Gruppen in Position, um ihre jeweiligen Interessen in die Gesetzgebung einfliessen zu lassen. Dann gibt es Petitionen und Aufrufe und jede Menge Arbeit für die Lobbyisten.

Wie das dann aussieht, erkennt man am besten an den Forderungen, die es nicht ins die Neufassung schaffen.

Ein paar Beispiele:

Als es das letzte Mal darum ging, den Tieren etwas vermeintlich gutes zu tun, kämpfte der Deutsche Tierschutzbund dafür, das Ferkel nicht mehr ohne Betäubung kastriert werden dürfen und startete eine große Kampagne, um dieses Ziel zu erreichen.

Die Resonanz darauf war eher sparsam, insbesondere, wenn man den Erfolg der Kampagne mit anderen Petitionen vergleicht. So kam der Deutsche Tierschutzbund bei Openpetition nur auf einen Bruchteil der Unterschriften, die die Initiative erreicht hatte, die sich für ein Verbot von sexuellen Handlungen mit Tieren einsetzte.

Auch die Forderung, das Brandmarken von Pferden zu verbieten, wurde in der Neufassung des Gesetzes nicht berücksichtigt. Tradition und so. Und überhaupt, wie sähe das denn aus, ein Pferd mit Ohrmarke?

Nun fände ich persönlich – aber das ist vielleicht so ein Männerding – es außerordentlich sinnvoll, das Ferkelchen zu betäuben, bevor man ihm die Eier abklemmt. Und auch wenn dem einen oder anderen Reiter der Gedanke nicht gefällt, für die Kennzeichnung von Pferden gibt es weit weniger schmerzhafte Möglichkeiten, sie identifizierbar zu machen, ohne ihnen gleich die Initialen auf den Arsch zu brennen.

Wenn man sich mal die Mühe macht und versucht, das ganze emotionale Gewäsch bei Seite zu lassen, wird einem relativ schnell klar, der „vernünftige Grund“, warum die Ferkel auch weiter betäubungslos kastriert werden, schlicht und ergreifend der ist, dass die Betäubung Geld kostet.

Geld, welches die „Erzeuger“ nicht haben angesichts der Tatsache, dass unsereins sein Schweinefleisch für 1,99 das Kilo kaufen möchte.

Und der Grund, warum 20.000 Leute für die Schweine voten und 150.000 Leute gegen Sex mit Tieren, ist auch schnell erklärt: Die einen Tiere werden gefüttert, die anderen werden verfüttert.

Und so stelle ich mir bildlich vor, wie ein paar politisch Verantwortliche am runden Tisch sitzen und darüber diskutieren, wie das nächste Tierschutzgesetz aussehen soll:

„Wenn wir das mit den Ferkeln aufnehmen, kriegen wir Ärger mit den Bauern. Das kostet Wählerstimmen“

„Stimmt“.

„Lass uns doch die Nummer mit dem Sex reinnehmen. Kostet nix und die Tierschützer glauben, sie hätten Erfolg.“

„Gute Idee, und von den Z***genf***ckern kommt bestimmt keiner auf die Idee, sich zu beschweren.“

Gesagt, getan.

Tierschützer feiern ihren Erfolg, während die Bauern die Kohle und die Politiker den Ärger sparen.

Besonders merkwürdig werden unsere Gesetze, wenn sie mit anderen Interessen kollidieren. Wie dem Recht auf freien Handel zum Beispiel.

Im Falle der Straßenverkehrsordnung ist es so, dass die Benutzung von so genannten „Radarwarnern“ zwar verboten ist, man diese Teile aber überall kaufen kann.

Im Tierschutzgesetz ist geregelt, dass der Einsatz von Telereizgeräten verboten ist. Auch diese Teile kann am an jeder Ecke kaufen. Jemand, der mit den Dingern handelt, hat mir mal erzählt, dass er jede Woche ein paar Dutzend davon verhökert.

Natürlich nur so als Partygag oder für die Verwirklichung sadomasochistischer Phantasien. Nicht.

Hier komme ich als Hundetrainer dann in meine persönliche, kleine Zwickmühle.

Immer wieder mal kommen Menschen auf mich zu, die ihrem jagenden Hund diese schlechte Angewohnheit abgewöhnen möchten und sich zu diesem Zweck so ein Gerät gekauft haben.

Gemäß Tierschutzgesetz verliere ich meinen Job, wenn ich nun mit ihnen trainieren würde.

Schön und gut, also schicke ich die Leute nach Hause mit dem Hinweis, dass ich ihnen nicht helfen darf und dass der Einsatz der Dinger verboten ist.

Das Blöde daran ist nur, dass vermutlich die wenigsten Hundehalter das Halsband in der Folge zusammen mit einem bösen Brief zurück an den Händler schicken oder es für immer und alle Zeiten in den Keller verbannen.

Also werden sie dann eben ohne zu wissen, was sie tun, versuchen, ihr Problem mittels Knopfdruck zu lösen. Sowas endet dann oft richtig gruselig, vor allem, wenn die Menschen dann auf die Idee kommen, dass das, was beim Jagen (zufällig) funktioniert hat, dann bestimmt auch bei Sitz, Platz und Fuss klappt.

Es gibt immer irgendeinen Nachbarn, Experten auf der Hundewiese oder Bekannten, der vermeintlich weiss, was zu tun ist. Dabei ist die Arbeit mit so einem Teil alles andere als einfach und „mal eben“.

Vor einigen Jahren habe ich mal eine Hundehalterin gesehen, die ihrem Hund ein Teletakt als „Motivator“ umgeschnallt hatte, damit er im Agility schneller rennt, wenn er im Nacken eine gebretzelt bekommt …

Mit den Hilfsmitteln in der Hundeerziehung ist es wie mit vielen anderen Dingen auch. Mit einem Messer kann ich ein Brötchen schneiden, ich kann aber auch jemanden damit umbringen.

Bestimmte Dinge gehören sich einfach nicht, egal ob sie verboten sind oder nicht. Mangelnde Sachkenntnis und vor allem die Faulheit mancher Hundebesitzer sind die Hauptgründe, warum im übertragendem Sinne aus Messern Tatwerkzeuge werden.

Das gilt für Trainingsdics und Wurfketten heute genauso wie vor ein paar Jahren für die Teletakts.

Das war übrigens ursprünglich sogar mal eine Tierschutzmaßnahme. Ein pfiffiger Jäger, der später einen großen Haustierzubehörversand gründete, hatte es in den 1950er Jahren satt, seine Jagdhunde mittels „Strafschuß“ aus der Hatz zu unterbrechen, weil immer wieder Hunde durch die Schrotladung schwer verletzt wurden.

Also entwickelte er dieses Gerät, um seinen Hunden dies zu ersparen.

Bis zum Verbot dieser Teile fand man sie dann auf vielen Hundeplätzen weit ausserhalb ihrer ursprünglichen Verwendung. Da wurden Hunde in die Unterordnung gestromt, weil die Menschen, wie bereits erwähnt, schlicht zu faul waren, vernünftig zu trainieren.

Und faul, das sind viele auch heute noch. Verbot hin oder her.

Aber es gibt halt auch einige Menschen, die nicht zu faul sind, sondern Hilfe bei der Lösung eines Problems suchen und die ich nach Hause schicke.

Wohl wissend, dass sie dann im stillen Kämmerlein mit einem Gerät hantieren, das – falsch eingesetzt – tatsächlich jede Menge Schaden anrichtet.

Im Idealfall würde man die Hundehalter vernünftig beraten und so dafür sorgen können, dass das Telexakt ggf. gar nicht erst zum Einsatz kommt und wenn doch, dann so, dass keine unnötigen Schmerzen, Leiden oder Schäden entstehen.

Also frage ich mich, ob „der vernünftige Grund“ dafür, Menschen dabei anzuleiten, ihren Hund mit Strom zu arbeiten, nicht der ist, wesentlich erheblichere – mangels Kenntnis – hinzugefügte „Schmerzen, Leiden oder Schäden“ zu verhindern?

Diese Frage habe ich übrigens auch meinem zuständigen Veterinäramt weitergeleitet. Bin mal gespannt.

 

Von Unhunden

Barendorf ist schön. Das kleine Dörfchen besteht fast ausschließlich aus Ferienhäusern, so dass es außerhalb der Saison so gut wie ausgestorben ist.

Ein perfekter Ort also, um die Seele baumeln zu lassen und den Hund einfach mal einen guten Mann sein zu lassen. Kein Wunder, dass ich den Winter über nahezu täglich hier war.

Neulich dachte ich mir, ich nutz die Gelegenheit, dass die Saison noch nicht eröffnet und so alle Strände auch Hunde frei zugänglich sind, und verbringe einen entspannten Nachmittag an der Ostsee.

Blöderweise war ich nicht der Einzige, der die ruhige Umgebung nutzen wollte.

Während ich da so vor mich hin lief und meine Hunde sich derweil amüsierten, bekamen wir plötzlich Besuch. Ein großer dicker Hund mit Schlappohren (ich will nicht ständig dieses Labbi-Klischee bedienen) kam von hinten angewalzt und wollte ausgerechnet Tacker „Guten Tag“ sagen, in dem er ihm die Nase in den Hintern rammte.

Experten sprechen hier von Ano-Genital-Kontrolle, in diesem speziellen Fall war es eher eine proktologische Untersuchung. Des Proktologen Frauchen stellte sich derweil als kleiner, hektisch auf und ab hüpfender Punkt am Horizont dar, der langsam – aber ganz langsam – näher kam.

In solchen Fällen haben meine Hunde und ich eine arbeitsorganisatorische Rollenverteilung erarbeitet:

  1. Wir reissen uns zusammen und ignorieren den Störenfreak, bis er sich trollt.
  2. Kommt er wieder, bin ich derjenige, der ihm zu verstehen gibt, dass er gerade unsere Individualdistanz unterschreitet. Zwar bin ich dabei nicht annähernd so beeindruckend wie meine Bande, aber dafür mache ich ihm auch keine Löcher in den Pelz! Und im Normalfall reicht das, um direkt zu Punkt 5. weiterzugehen.
  3. Im dritten Wiederholungsfall nutze ich all meine mir zur Verfügung stehende Stimmgewalt und informiere den am Horizont auf und ab hüpfenden Punkt darüber, dass er exakt drei Sekunden Zeit hat, seinen Hund einzufangen, wenn er seinem kleinen Liebling unendliche Schmerzen, Qualen und Leiden ersparen möchte. So ganz unter uns, das Tackerchen ist zwar sehr beeindruckend, wenn es auf Boden-Boden-Raketenmodus umschaltet, aber dafür äußerst klar und fair im Umgang mit seinem Opfer. Aber das weiß ja der besagte hysterische Punkt ja nicht und ein bisschen Motivation hilft immer.
  4. Wenn all das nicht fruchtet, darf das Tackerchen seines Amtes walten und dem „Tutnix“ ein Lerngeschenk bereiten.
  5. Man kann übrigens durchaus lernen, sich der Gestalt darzustellen, dass das menschliche Gegenüber nicht auf die Idee kommt, loszupoltern und mit Tierschutz, Polizei, NSA oder den imperialistischen Truppen zu drohen, sondern seine Fellnase zu nehmen und das Feld zu räumen.

Eigentlich könnte ich mir diesen ganzen Aufwand auch einfach sparen. Dann käme der besagte Hund, rammt Tackerchen die Nase in den Poppes, die beiden hauen sich nach alter Kneipenschlägermanier und der DBHmS (dicker, brauner Hund mit Schlappohren) trollt sich. Das wäre artgerecht, einfach und wesentlich entspannter.

Doch so läuft das nicht. Voraussetzung hierfür wäre erstmal, dass auch der DBHmS weiß, wie man kultiviert streitet. Die Wahrscheinlichkeit, dass dem so ist, tendiert jedoch stark gegen Null.

Selbst wenn sein Punkt am Horizont sehr engagiert und ambitioniert ist, die meisten Hunde haben in der Wurfkiste das letzte Mal artgerecht kommuniziert.

Wo finden sich denn heute noch Welpengruppen, in denen die lieben Kleinen sich auch mal prügeln dürfen, ohne, dass die Hälfte der Besitzer in Schnappatmung und hysterische Anfälle verfallen?

In der Regel wird jegliche Form von aggressiver Kommunikation sofort unterbunden. Hier geht es um Harmonie, um Bällebäder, Spielen (aber bitte nicht so wild) und man freut sich einen Keks, wenn der kleine Scheißer kommt, nachdem man „hiiiieeerr <3“ geflötet hat.

Die guten Hundetrainer in Welpengruppen erinnern ein wenig an Don Quichotte und seinen Kampf gegen Windmühlen. Es gibt kaum einen härteren Job in diesem Business! Hund beißt? Jagt? Ist phobisch? Pffft. Das ist nichts gegen die Sisyphusarbeit mit Welpenbesitzern.

  • Als allererstes muss die Trainerin oder der Trainer in der Lage sein, die Rasse des kleinen Fellknäuels exakt zu identifizieren. Wehe, man liegt daneben und hält den originalen Chodský pes versehentlich für einen Altdeutschen Hütehund oder noch schlimmer: für einen Mischling … Na gute Nacht.
  • Dann muss es dem Trainer oder der Trainerin irgendwie gelingen, in das Oxytozin-geschwängerte Hirn des frischgebackenen Hundebesitzers vorzustossen. Nahezu unmöglich! Gestandene Männer stehen verzückt kichernd, berauscht vom Kindchenschema und unter dem Eindruck von Milcheinschuss auf dem Hundeplatz und dann soll man denen erklären, dass die süße Luna als kaukasischer Owtscharka gegebenenfalls nicht ganz einfach in der Erziehung werden könnte. Vergiss es!

Und so wachsen Paul, Luna und Co. auf. Auf die Welpengruppe folgt die Junghundegruppe und mitten in der Pubertät wundern sich die Besitzer, warum all das nicht so richtig fruchten will und der heißbeliebte Köter trotzdem seiner Wege geht und nicht gelernt hat, wie man freundlich Kontakt aufnimmt.

Denn mittlerweile läuft man ohne Leine durchs Auslaufgebiet. Verrückt, die allermeisten Welpen tappsen ihren Menschen hinterher, werden jedoch angeleint.

Erst, wenn das Mäuschen endlich in das Alter kommt, in dem es sich explorativ verhält, wie man „den Besitzer die Mittelkralle zeigen“ romantisch ausdrückt, wird die Leine abgemacht.

Um Homer Simpson zu zitieren. Das ist K.L.U.K.!

Aber auch der mittelkrallezeigende Junghund, der die Welt erkundet, verhält sich normal. Der 19-jährige Autofahrer, der gerade die Bundesstraße entlang rast, allerdings auch. Und da kollidieren unter Umständen zwei Interessenlagen im wahrsten Sinne des Wortes.

Wenn ich mich nicht irre, war es Hellmuth Wachtel, der mal gesagt hat, dass wir nur alle Hunde vor die Tür setzen müssten und nach wenigen Jahren nur noch solche Hunde hätten, die zu uns passen. Nur müssten wir emotional in der Lage sein, diese Form der natürlichen Selektion zu ertragen.

Als ich neulich im Kindergarten des Internets eine Diskussion darüber verfolgte, ob Notfelle, insbesondere solche, die bei Nacht aus brennenden Tötungsstationen gerettet wurden, denn in unser Leben passen oder nicht, bin ich zu dem Schluß gekommen, dass kein Hund in unser Leben passt.

Vielmehr haben wir eine Vorstellung davon, wie Hunde sich verhalten sollten, ohne dass wir darüber nachdenken, in welche Bereiche ihres Verhaltens wir eigentlich so eingreifen.

Erik Zimen war es, der das folgende Ethogramm des des Wolfes definiert hat. Und da Wölfe und Hunde ja bekanntlich verwandt sind, zeigt ein Blick darauf ziemlich deutlich, was ich meine, wenn ich schreibe, dass wir es mit Unhunden zu tun haben:

  • A) Allgemeine Bewegungsformen
    Die Bewegung unserer Hunde ist stark eingeschränkt, sei es weil sie an der Leine laufen müssen oder weil wir nicht möchten, dass sich sich aus unserem Blickfeld entfernen.
  • B) Ruhe und Schlaf
    Hätten unsere Hunde die Wahl, würden sie wohl kaum in der Kudde in der Ecke des Wohnzimmers schlafen, sondern sich einen erhöhten Platz suchen, von dem aus sie einen guten Überblick haben.
  • C) Orientierungsverhalten
    • 1. Nahorientierung
    • 2. Fernorientierung
      Nahorientierung gerne, aber bitte hin zum Menschen oder wenigstens zum Futterbeutel. Mit der Fernorientierung sieht es schon anders aus, vor allem, wenn Ungemach am Horizont auftaucht. Dann wird getanzt, gequietscht, gebodyblockt.
  • D) Verhalten des Schutzes und der Verteidigung
    Auch das Vertreiben des Postboten gehört zum Normalverhalten, möchtet Du Deinem Hund eine tolle Kooperation anbieten, dann verscheuche doch mal mit ihm den Typen von der GEZ oder ein paar Zeugen Jehovas. Und das Dein Hund Dir beherzt in die Finger beißt, wenn Du was von ihm möchtest, ist auch erstmal normal. Wenn auch schmerzhaft.
  • E) Stoffwechselbedingtes Verhalten
    • 1. Nahrungserwerb
      Unsere Hunde dürfen nicht jagen. Verrückt, denn sie sind Beutegreifer.
    • 2. Nahrungsaufnahme
      „Schon Wahnsinn, dass es für ein Lebewesen, das ohne zu Zögern und voller Freude menschliche Scheiße, Kotze oder angeweste Fische verschlingt, Futter in hunderten Geschmacksrichtungen gibt.“
      Merkwürdig, dass eben die drei genannten nicht darunter sind.
    • 3. Transport und Speicherung von Nahrung
      Die meisten finden es nicht so witzig, nach einigen Wochen den Grund für den merkwürdigen Geruch im Haus zu finden.
    • 4. Erbrechen von Futter
      Ab zum Tierarzt!
    • 5. Defäkieren und Urinieren
      Das der Hund nicht ins Haus pinkeln sollte, ist klar. Aber er darf auch nicht in Nachbars Garten, den Spielplatz oder – etwas Intelligenzleistung vorausgesetzt – auf Weiden oder Felder kacken. Man könnte seinem Hund übrigens  beibringen, sein Business abseits davon zu erledigen. Hätte den Vorteil, dass man jede Menge Plastikmüll spart. Es gibt nichts ärgerlicheres als gefüllte Hundekotbeutel, die mangels zur Verfügung gestellter Mülltonnen in der Landschaft entsorgt werden und dort hunderte Jahre vor sich hin rotten.
  • F) Komfortverhalten
    Der Rüde, der sich im Restaurant ausgiebig die Eier leckt, ist schon von jeher Frauchens ganzer Stolz.
  • G) Soziales Verhalten
    • 1. Ausdrucksverhalten
      Ja, aber bitte nur die Netten! Jegliches aggressives Ausdrucksverhalten sei bitte zu unterlassen!
    • 2. Soziales Verhalten im Rudel
      Rudel sind Familienverbände, unsere Hunde leben – wenn – in Gruppen. Zum Leben im Rudel gehören auch Abwanderung und das Gründen neuer Rudel. Mit ein Grund, warum Wurfgeschwister mitunter äußerst kernig miteinander umgehen. Zum Leben in einer Gruppe gehören auch Streitigkeiten um Ressourcen, Status, Sexualpartner etc.
    • 3. Imponierverhalten
      Um Gottes willen. Es sei denn natürlich, es handelt sich um den netten Familienhund, der dem Besucher sein Spielzeug für die Füße spuckt.  der will natürlich nur spielen.
    • 4. Defensives Verhalten
      Muss dringend dran gearbeitet werden, die arme Angstmaus!
    • 5. Spielverhalten
      Unsere Hunde dürfen nicht spielen, wenn ihnen danach ist, sondern wenn wir die Zeit haben. Eine der Voraussetzungen für Spiel ist ein entspanntes Umfeld. Den geliebten Köter in eine „Spielgruppe“ voller fremder Hunde zu werfen, gehört nicht unbedingt dazu. Das, was man dann häufig zu sehen bekommt, sind „Spiele“ als Form der Konfliktlösung. 
    • 6. Reproduktionsverhalten (Sexualverhalten, Geburt, Welpenaufzucht)
      Wenn wir unsere Hunde nicht eh kastrieren, sprechen wir ihnen jegliches Recht auf sexuell motiviertes Verhalten ab. Und wenn sie sich fortpflanzen dürfen, dann nur mit einem Partner unserer Wahl. Beißt die Hündin den Rüden trotz Standhitze weg, bedient man sich auch gerne anderer Mittel, in dem man sie eben zwingt, sich begatten zu lassen. Auch in die Aufzucht der Welpen greifen wir massiv ein. Wenn die Hündin einzelne Welpen abstösst, drücken wir ihr diese eben auf oder „helfen“ bei der Aufzucht. Das Hunde einen guten Grund dafür haben, den Rüden abzuwehren oder später Welpen nicht anzunehmen, ist den meisten egal.
  • H) Infantile Verhaltensweisen
    Der einzige Bereich, in dem nur eingegriffen wird, um herauszufinden, ob ein mittlerer Bindehund dabei ist. Wobei ich das dauerhafte Stören, Fotografieren, Reingrabschen und Rausnehmen der Welpen in den ersten drei Lebenswochen auch nicht besonders nett finde.
  • I) Lautäußerungen
    Anders als Wölfe sind Hunde außerordentlich laut. Und das ist so lange OK, so lange sie es nicht während der Mittagsruhe oder nach 22 Uhr sind. Natürlich sollen sie Eindringlinge anzeigen, aber bitte nicht den Postboten oder den Nachbarn im Treppenhaus.

(Quelle: Zimen, der Wolf)

Wer einen Hund halten möchte, muss damit leben, dass dieser sich vermutlich sogar wie einer verhält. Dazu gehört, dass sie stinken, sich prügeln und kein peinliches Problem damit haben, sich mitten in der Fußgängerzone fortzupflanzen.

Vielmehr sollte man sich bewusst sein, dass wir unsere Hunde in ihren normalen Verhaltensweisen nur deshalb so dermaßen verbiegen könne, weil sie hochanpassungsfähig sind.

All die ach so tollen Dinge, die wir mit unsere Hunden veranstalten, sind lediglich ein mickriger Ersatz für die eigentlichen Bedürfnisse, die sie haben.

Das kann man nicht ändern, aber man könnte mal darüber nachdenken. Und es vielleicht einfach etwas sportlicher nehmen, wenn sie dann doch mal zeigen, welche Form von Humor sie so präferieren.

Der hysterische Punkt am Horizont mit dem DBHmS hätte auch einfach drüber lachen können. Ist ja nix passiert, ausser etwas Normalverhalten.

Für die Geschäftstüchtigen unter Euch – meine Hunde würden sich über Frischfutter in der Geschmacksrichtung „Menschenkacke, breiig, verfeinert mit 4-lagigem“ freuen.

Ich würde auch ein Futter-Abo nehmen.

Von Grenzfellen

„Der Obduktionsbefund des Kindes ergab massenhaft unterschiedlich tief reichende, glattrandige Hautdurchtrennungen, einen großflächigen Verlust der Haut und des Weichteilgewebes beider Gesichtshälften sowie der behaarten Kopfhaut.

Beide Brusthöhlen waren eröffnet, ebenso die hintere Schädelgrube mit Durchtrennung der harten Hirnhaut. Todesursache war ein massiver Blutverlust in Kombination mit dem Pneumothorax.“

(Quelle: Tödliche Attacken von Hunden auf Kinder – Aktualgenese und Motivation bei spezifischer Kasuistik und bestimmten pathomorphologischen Veränderungen“ S. Heinze, D.U. Feddersen-Petersen, M. Tsokos, C. Buschmann, K. Puschel)

In den letzten Tagen erreichten mich viele Forderungen, mich an der „Rettung“ eines Hundes zu beteiligen, der im Ruhrgebiet ein Kind schwerst verletzt hat und nun per Amtsbeschluss eingeschläfert wurde.

Dies habe ich abgelehnt und klargestellt, dass ich das Einschläfern in diesem Fall völlig in Ordnung finde.

Die Gründe hierfür lege ich in den nächsten Zeilen dar.

Der Ethologe von Welt unterteilt die verschiedenen Verhaltensweisen eines Hundes in sogenannte Funktionskreise. Hierzu zählt das Sozialverhalten und dazu wiederum der Bereich der Agonistik, also alles, was Angriff und Flucht betrifft.

Einen Hund, der nicht oder falsch gelernt hat, mit Artgenossen und Menschen zu kommunizieren, kann man „resozialisieren“, wie man so schön sagt.

Im diesem Fall jedoch geht es nicht um Sozialverhalten und der Hund hat das Kind nicht „angefallen“, wie die Presse behauptet, sondern hat es gejagt, wie auch die Amtsveterinärin festgestellt hat.

Hier greift dem entsprechend keine Resozialisierung, sondern (unter anderem) ein Antijagdtraining.

Das Jagen gehört nicht zum Sozialverhalten sondern zu den stoffwechselbedingten Verhaltensweisen, also allem, was der Nahrungsbeschaffung dient. Und mit Beute kommuniziert man nicht.

Die Endhandlung des Jagens ist – auch wenn die meisten Hunde heute erfolglos bleiben – das Hetzen, Packen und Töten der Beute, um sie schließlich zu fressen.

Normalerweise gehört der Mensch nicht zum Beutespektrum des Hundes, nicht mal der Wolf hat Appetit auf uns.

Wenn ein Hund uns dennoch als Beute wahrnimmt, läuft ordentlich was schief – und ist in den allermeisten Fällen die Ursache für die schrecklichen Beißvorfälle der vergangenen Jahre.

Die liebe Dorit Feddersen-Petersen hat gemeinsam mit Rechtsmedizinern zu dem Thema geforscht und verschiedene – tödlich verlaufene – Vorfälle untersucht.

In fast allen Fällen zeigten die Hunde Elemente aus dem Jagdverhalten und keine Kommunikation mit ihren Opfern. Kein Knurren, kein Drohen, kein Nichts.

Die Verletzungen der Opfer ähneln sich häufig, ein Auszug aus „der Westen„:

„Dem Kind wurden große Teile der Kopfhaut abgerissen, es erlitt zudem teils schwere Bisswunden an Ohren, Auge, Mund, Bauch und Beinen.“

Verhalten sich Hunde aggressiv gegen Artgenossen oder Menschen, dann kommunizieren sie mit ihrem Gegenüber, jagen sie dagegen Menschen, dann stellt dieses fehlgeleitete Beutefangverhalten eine Störung dar.

Gerade Hunde, die „von Hause aus“ über ein gesteigertes Beutefangverhalten verfügen, neigen dazu, in diesem Bereich problematisches Verhalten zu zeigen.

Ungünstiges „Spiel“ kann bedingen, dass Hunde z.B. durch unreflektiertes Ball“spiel“ nicht mehr differenzieren, dem Bewegungsreiz nachgeben und schliesslich Dinge jagen, die garnicht essbar sind.

Ein Kollege sagte mal „Wenn Du wissen möchtest, ob Dein Hund ein Problem hat, schmeiss einfach den Ball vom Dach. Wenn er hinterher hetzt, hatte er ein Problem.“

Wenn der Hund die gelbe Filzkugel nicht mehr von der gelben Jogginghose unterscheiden kann, hat der Jogger ein Problem.

Noch ein Zitat aus der Studie:

„Durch Pfotenstemmen wurde Gesichtshaut abgezogen und gefressen. Auch dies gehört zum Jagdverhalten.“

Doch nicht nur „das andere Ende der Leine“ muss schuld an einer solchen Entwicklung sein.

Viele Menschen fahren vom Züchter nach Hause und haben ein Riesenproblem im Kofferraum, dem sie selbst mit größtem Sachverstand nicht Herr oder Dame werden können.

Bei einer Zuchttauglichkeitprüfung vor kurzem waren drei Erwachsene notwendig, um den Prachtrüden daran zu hindern, den Richter umzubringen, weil dieser sich die Beißrechen von dem Tierchen angucken wollte.

Der Hund bestand die Prüfung schließlich und wird nicht nur sein tolles Fell, sondern auch sein Verhalten an seine Nachkommen weitergeben.

In einer Zeit, in der Gebrauchshunderassen nach Standards gezüchtet werden, die mehr Wert auf die exakte Schulterhöhe legen als auf ein ausgeglichenes Wesen, in einer Zeit, in der das Züchten bestimmter Rassen mit Arbeitsbackground eine Lizenz zum Gelddrucken bedeutet, werden wir uns mit dem Gedanken anfreunden müssen, dass wir immer wieder mit Hunden konfrontiert werden, die trotz aller ihnen entgegengebrachten Liebe und aller Mühen dermaßen genetischer Abfall sind, dass große und kleine Katastrophen vorprogrammiert sind.

Eine Amtstierärztin hatte ein inadäquates beziehungsweise fehlgeleitetes Jagdverhalten festgestellt. Eine Beißhemmung habe während des über mehrere Minuten fortgesetzten Angriffs auf das Mädchen nicht bestanden. (Quelle: Der Westen)
(Warum sollte ein Beutegreifer beim Töten der Beute eine Beißhemmung zeigen?????)

Früher mal war der Rottweiler sprichwörtlich gelassen wie ein Metzgerhund. In meiner Kindheit hatten wir einen tollen Rüden in der Nachbarschaft, den wir Kinder hätten auf Links drehen können, ohne der er auch nur einen Mucks gemacht hätte.

Solche Hunde muss man heute mit großer Sorgfalt und detektivischen Gespür suchen, noch vor zwanzig Jahren zeichnete die Hunde genau das aus.

Diese Entwicklung ist gleich aus drei Gründen dramatisch.

Erstens werden ganze Rassen unter Generalverdacht stehen, nur weil eine unseriöse Züchtermafia ohne Sinn und Verstand Viecher verpaart, bei denen Ärger vorprogrammiert ist.

Zweitens geben viele seriöse Züchter, die großen Wert auf ausgeglichene, familienfreundliche Hunde legen, irgendwann auf, weil sie auf Grund 1.) keine Käufer mehr finden.

Drittens lässt sich beobachten, dass diese Hunde dann im Tierheim landen und quasi unvermittelter sind.

Im Moment sind gerade Malinois überproportional in den Tierheimen vertreten, die ich kenne. Wenn ich im Kleinanzeigenportal meines Vertrauens lese, dass diese Hunde „familiengeeignet“, „für Senioren geeignet“ und „für Hundeanfänger“ geeignet sind und der Züchter sich gleichzeitig via YouTube einen Keks freut, dass die kleinen Racker ihm mit sechs Wochen schon in der Hetzhose hängen, dann frage ich mich, ob der gute Mann sein Gehirn in den Beinen trägt und die Hunde ihm das schon rausgeknabbert haben.

In der Hauptverhandlung führte einer der angeklagten Besitzer der Hunde aus, die Hunde haben nichts Böses „tun wollen“, sie hätten „wohl den Kopf des Jungen mit einem Ball verwechselt“

Was auch immer der Grund dafür war, dass der Hund das Kind so schwer verletzt hat, stellen sich drei Fragen.

Erstens, wie möchten die tierlieben Menschen dem Opfer, das ein Leben lang von diesem Vorfall seelisch wie wohl auch körperlich gezeichnet sein wird, erklären, dass eben dieser Hund gerettet werden musste? Nachdem, was in den verschiedenen Netzwerken zu lesen war, hat wohl kaum einer der „Retter“ auch nur einen Gedanken daran verschwendet.

Zweitens, wenn man den Hund denn gerettet hätte, wie sähe dann das Leben des Tieres aus?

Kein Tierschützer hätte die persönliche Verantwortung dafür übermehmen und gewährleisten können, dass sich ein solcher Vorfall niemals auch nur im Ansatz wiederholt. Niemals bedeutet, dass keine noch so kleine Unaufmerksamkeit in all den Jahren passieren darf. Kein sich lösender Karabiner beim täglichen Gassigang, kein kaputter Verschluss am Maulkorb und kein Moment der Unachtsamkeit beim Öffnen des Kofferraums.

Ein Leben ausschliesslich an der Leine und mit Maulkorb gesichert. Ohne Freilauf, ohne Sozialkontakt, ohne Ausnahmen. Ein Leben, gegen das Tierschützer oft genug protestieren.

Drittens, welche/r seriös arbeitende Hundetrainer/in hätte denn die Verantwortung dafür übernommen, dass der Hund sein Verhalten ändert?

Und wie hätte das Training ausgesehen?

Hätte der oder die Kollegin sich im Falle unterbrechener Maßnahmen die entsprechend entrüsteten Reaktionen derer eingefangen, die nun für die Rettung plädiert haben?

Jeder, der einen jagdlich motivierten Hund hat weiss, dass man immer auf der Hut sein muss. Und die Wahrscheinlichkeit, einem Kind zu begegnen ist in der Lebensrealität der meisten Menschen einfach größer als die Wahrscheinlichkeit, dass man einem Reh begegnet.

Und niemand möchte in diesem Zusammenhang auf der Titelseite der Bildzeitung landen, wenn doch was passiert.

Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass ein beißvorfällig gewordener Hund eine Chance bekommen soll – vorausgesetzt, es findet sich jemand, der die Verantwortung übernimmt und mit dem Hund arbeitet.

In diesem Fall habe ich zwar viel Empörung wahrgenommen, aber keiner der Empörten hat gerufen, dass er bereit wäre, den Hund zu übernehmen und die Verantwortung zu tragen.

Das war zu erwarten.

Das kaum einer dem Opfer so etwas wie Empathie oder gar Mitgefühl entgegengebracht hat, dass sogar Stimmen laut wurden, die der geschädigten Familie so etwas wie eine Mitschuld gaben, lässt tief blicken in die Seele der Empörten.

Lieber Arm ab als Arm dran?

Brigitte wirkt erstaunlich sortiert. Der Tierschutzverein, nein, der habe sich noch nicht gemeldet. Aber nachher käme ihr Sohn vorbei, der wisse bestimmt mehr.

Am Wochenende ist es passiert. Brigitte war gerade im Garten zu Gange, als ihr neuer Hund Lennox sie ohne erkennbaren Anlass attackiert und sich in ihrem rechten Arm verbissen hatte.

Mit massiven Bissverletzungen wurde sie ins Krankenhaus gebracht und noch am selben Tag operiert.

Ihren Arm wird sie wohl nie wieder vollständig nutzen können, wie der behandelnde Arzt ihr mitteilen musste. Außerdem seien noch weitere Operationen notwendig.

Da ich Lennox derweil untergebracht habe, bin ich nun hier, um mit Brigitte die weitere Vorgehensweise zu besprechen.

Der vermittelnde Tierschutzverein soll eine Chance bekommen, den Hund abzuholen. Da sich die Damen und Herren trotz E-Mails und Nachrichten auf dem Anrufbeantworter bisher nicht rühren, vermute ich jedoch, dass sie kein großes Interesse daran haben, ihn zurückzunehmen.

Im Internet habe ich den Vermittlungstext zu Lennox gefunden. Dort wird er als Husky-Schäferhund-Mix beschrieben, der unglaublich nett und anhänglich wäre und obendrein ziemlich verspielt. Außerdem, so weiter, hätten seine Menschen wohl keine Lust mehr auf den „lustigen Clown“ gehabt.

Wenn ich mir Brigittes Arm so anschaue, bekomme ich so eine Ahnung, warum Lennox‘ Leute den „Clown“ loswerden wollten.

Keine Ahnung wiederum habe ich, wie der Tierschutzverein auf die Idee gekommen ist, Lennox ohne weitere Begutachtung zu vermitteln bzw. mal genauer nachzufragen, warum er ins Tierheim sollte.

In vielen Tierheimen läuft es leider gleich.

Wenn jemand seinen Hund abgeben möchte, wird ihm ein Fragebogen in die Hand gedrückt, den derjenige bitte auszufüllen hat. Ansonsten kaum weitere Nachfrage, vielmehr bekommt der Hundeabgeber das Gefühl vermittelt, dass er der schlechteste Mensch der Welt ist.

Fatal, denn ist der Vorbesitzer erstmal weg, dann hat das Tierheim den Hund am Bein.

Blöd, wenn die eine oder andere Verhaltensoriginalität nicht bekannt ist.

Richtig blöd, wenn ein ahnungsloser Tierpfleger plötzlich ein Problem hat, wenn er in den Zwinger kommt.

Total beschissen, wenn das Tierchen sein Verhalten erst im neuen Zuhause zeigt, wie im Fall von Brigitte.

 

Verantwortungsvoller Tierschutz bedeutet nicht nur pipikackasatt mit möglichst romantischer Retterharmonie, sondern auch, zu wissen, mit wem man es zu tun hat und mögliche Interessenten zu informieren.

Dazu gehört neben einem vernünftigen Abgabegespräch – Stichwort aktives Zuhören und Empathie – mit den Vorbesitzern auch, den Hund auf Herz und Nieren zu testen und eventuelle Verhaltensauslöser zu erkennen.

Der Tierschützer von Welt protestiert dann gerne, die arme Maus, warum sollte man sie denn „ärgern“ und überhaupt, der arme Hund hat es schon schwer genug.

Also werden die Hunde bespaßt und betüddelt, bis sie in ein neues Zuhause ziehen, ohne jemals überprüft zu haben, wie das Notfell wohl reagiert, wenn etwas nicht nach seiner Fellnase läuft.

Und dann ist es unter Umständen die stinknormale Realität außerhalb des Tierheims, die dafür sorgt, dass der Hund genau das Verhalten an den Tag legt, das zum Tierheimaufenthalt geführt hat.

Aber es geht noch schlimmer. Eine Kollegin, die ehrenamtlich für ein Tierheim mit den Hunden trainiert hat, hatte einem Kandidaten dauerhaft den Maulkorb verordnet, weil er ihrer Meinung nach arschgefährlich war.

„Das geht gar nicht, das arme Tier“, so lautete der Tenor der versammelten Tierlieben, sogar bis an den Deutschen Tierschutzbund gingen die Beschwerden über die ach so herzlose Hundetrainerin.

Also entschied man sich, den armen Hund von seiner Schmach wieder zu befreien.

Mit dem Endergebnis, dass die Kollegin bei der nächsten Gelegenheit die schmerzhafte Erfahrung machen durfte, dass sie mit ihrer Einschätzung richtig lag und vom Hündchen ordentlich zerledert wurde.

Auch hier hätte der Einsatz von Hirn und Sachverstand schlimmeres verhindern können, aber darum geht es beim Tierschutz in vielen Fällen gar nicht.

Vielmehr geht es darum, sich selber gut zu fühlen und so zu tun, als würde man etwas uneigennütziges tun.

Ein Bekannter von mir, der in einem der „Vorzeigetierheime“ Deutschlands arbeitet, hat mir mal erzählt, dass die Tierpfleger angehalten sind, mit allen Hunden gemäß der Philosophie einer meiner Meinung nach völlig Wahnsinnigen zu arbeiten – egal, ob sie zum jeweiligen Hund passt oder nicht.

Wenn der eine oder andere Vierbeiner sich auf Gedeih und Verderb nicht auf Leckerchen und Clickerchen einlassen möchte, gehen die Pfleger wie folgt vor.

Sie warten, bis die Öffnungszeiten rum sind, einer steht Schmiere, und dann wird mit dem Hund so gearbeitet, wie es notwendig wäre.

Denn wehe, jemand würde mitbekommen, dass der eine oder andere Vierbeiner mal eine Ansage bekommt … Dann könnten sich die Pfleger einen neuen Job suchen.

Es ist verrückt.

Wir haben immer extremere Hunde, dürfen aber immer weniger tun, um sie zu erziehen. Will der passend zur Wohnlandschaft angeschaffte Mali seinen Artgenossen umbringen und wir unterbrechen ihn, kriegen wir eine Ansage, die sich gewaschen hat. Lassen wir ihn tun, was er zu tun müssen meint, kriegen wir auch eine Ansage, die sich gewaschen hat.

Vor ein paar Tagen habe ich mit einem Hütitüti gearbeitet, das jagdlich motiviert auf Kinder losgeht. Die Mutter des Kindes war völlig aufgebracht, weil ich den Hund körperlich daran gehindert habe, sich das Kind zu schnappen.

Wie hätte sie wohl reagiert, wenn ich den Hund nicht daran gehindert hätte?

Auch heute hat sich das Tierheim nicht gemeldet, ich überlege, ob ich einfach dahin fahre und Lennox am Tor anbinde. Mal gucken, wie er reagiert, wenn ihn jemand abmachen möchte.

Barfuss ins Stressnäpfchen treten

Es gibt zwei Anhaltspunkte anhand derer man merkt, dass man älter wird.

  1. Die Filme, von denen man dachte, sie seien voll im Trend, laufen plötzlich sonntags mittags auf Kabel 1.
  2. Dinge, die einen noch vor gar nicht langer Zeit auf die Palme brachten, ignoriert man einfach – und sei es, um dem ersten Herzinfarkt vorzubeugen.
  3. Weil, da krieg ich Stress – und wie jeder weiß ist Stress böse!

Und weil Stress böse ist, halten wir den gefälligst von unseren Fellnasen fern, denn wir wollen ja nur das beste für die Kleinen. Dafür nehmen wir natürlich gerne in Kauf, selber in Stress zu geraten. Denn so ein Leben für den ungebremsten Vierbeiner will ja schließlich organisiert werden.

Der Begriff „Stress“ als solcher wird erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts genutzt und beschrieb zunächst einmal die allgemeine erhöhte Aufmerksamkeit eines Organismus in einer Gefahrensituation.

Diese Reaktion unseres Körpers ist erstmal gut – egal, ob wir ein Hund oder Mensch sind.In früheren Zeiten, in denen es noch größere Gefahren gab, als das der Akku vom Smartphone leer ist, konnte die akute Stressreaktion Leben retten.

Wenn Euer UrUrUrUrUrUrUrUrUr-Großvater plötzlich vor einem Säbelzahntiger stand, sorgte unter anderem Adrenalin aus dem Nebennierenmark dafür, dass Opa in der Lage war, schnell zu reagieren.

Auf der einen Seite werden z.B. die Pupillen erweitert und die Herfrequenz sowie der Muskeltonus erhöht, auf der anderen Seite wurden – in dem Moment – unnötige Körperfunktionen eingestellt. Schließlich kann es niemand brauchen, im Angesicht einer Bedrohung erstmal kacken zu müssen.

Auf Hirnebene sorgen Serotonin und Noradrenalin dafür, dass unser schnarchlangsames Großhirn „nichts mehr zu sagen“ hat und dafür das nicht ganz so kluge, aber dafür schnellere Stammhirn das Ruder übernimmt.

Ob Euer Vorfahre die Flucht ergriffen hat oder in den Kampf gezogen ist, konnte er spontan entscheiden. Im Falle des Säbelzahntigers hat er besser den ungeordneten Rückzug angetreten, im Falle eines fremden Typen, der sich an Eure UrUrUrUrUrUrUrUrUr-Oma rangemacht hat, hat es vermutlich geknallt und dem Eindringling wurde gezeigt, wo der Frosch die Locken hat.

Der Psychologe nennt das Ganze „Fight & Flight“, der Endokrinologe glaub‘ ich auch.

Auf jeden Fall braucht unser Körper nach Lösung des Konfliktes etwas Zeit, bis das Adrenalin wieder abgebaut ist. Das ist der Grund, warum sich manche von uns noch halben Tag aufregen, wenn irgendwas passiert ist.

Viele Menschen auf dieser Erde finden diese körperliche Reaktion übrigens dermaßen witzig, dass sie sich in Achterbahnen setzen, ins Horrorkino gehen oder sich für Geld an einem Gummiseil von einer Brücke stürzen.

Erst, wenn wir mit dem Stressor überfordert oder ihm dauerhaft ausgeliefert sind, kommt es zu einer negativen Stressbelastung. Hier schießt der Körper Cortisol aus der Nebennierenrinde nach und verhindert sozusagen, dass wir „wieder runterkommen“. Was bleibt ist ein dauerhafter Alarmzustand, der im schlimmsten Falle verhindert, dass wir dazulernen. Dafür bekommen wir Bluthochdruck, Impotenz, Herzinfarkte oder ein Burnout-Syndrom.

Hans Seyle war es, der ab 1934 das sogenannte allgemeine Adaptionssyndrom (generell adaption syndrom) beschrieb und später die Begriffe „Eustress“ für positiven, also aktivierenden Stress und „Distress“ für negativen, weil dauerhaften und überfordernden Stress nutzte.

Wie ich bereits oben beschrieb,liegt es beim Empfänger, was für ihn Stress bedeutet und was nicht.

B.F. Skinner war ein Behaviorist und experimentierte mit Ratten in der von ihm entwickelten Skinner-Box.

Die Holzkiste bestand aus einem reizarmen Raum und einem Hebel. Die Aufgabe der Ratte war es, selbigen zu betätigen und dafür gab es dann Futter. Skinner maß die Zeit, die die Ratte benötigte, um hinter das Prinzip Hebel =Futter zu kommen und überprüfte in er Folge, ob das Versuchstier in der Wiederholung den Hebel schneller betätigte. Und siehe da. Einmal kapiert, zeigte die Ratte das Verhalten öfter und verstärkt, schließlich wurde sie positiv belohnt.

In einem weiteren Versuch wurde ein Aversiv- und ein Akustikreiz eingebracht. Wenn die Ratte den Hebel nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Erklingen des Akustikreizes betätigte, erfolgte ein Stromstoss.

Was folgte war eine körperliche Stressreaktion auf den Schmerzreiz, welche abgebaut wurde, sobald das Versuchstier die Lösung, nämlich den Hebel zu betätigen, wieder abgebaut wurde.

Wie realitätsfern jedoch die Theorie des Behaviorismus ist, zeigte sich, als New York zwischen den beiden Weltkriegen von einer Rattenplage heimgesucht wurde. Auf Grund seiner Versuche galt Skinner als Rattenexperte und wurde gebeten, bei der Eindämmung der Plage zu helfen.

Tatsächlich blieben all seine Versuche erfolglos – schlicht und ergreifend deshalb, weil er auf Grund der Laborbedingungen, unter denen er gearbeitet hatte, keine Ahnung von der sozialen Organisation der Tiere hatte. Das die Tiere in Gruppen leben und das jeweils älteste Tier die Rolle des Vorkosters übernimmt, war ihm neu und so konnte er nicht helfen.

Aber zurück zum Thema Stress.

Richtig fies wurde es für die Nager, die für ein vergleichendes Experiment genutzt wurden.

Hier hatte Gruppe 1 die Möglichkeit, einen Schmerzreiz zu verhindern, in dem sie eine Taste betätigten, während Gruppe 2 keine Möglichkeit hatte, dem Reiz zu entgehen. In der Folge wurden die Versuchstiere der zweiten Gruppe apathisch und defensiv, ergaben sich ihrem Schicksal und verendeten schließlich.

Auch andere Versuche belegen, dass eine Stressreaktion vermindert bzw. wieder abgebaut wird, wenn der Proband eine Möglichkeit hat, mit dem Stressor umzugehen.

Hierfür ist es allerdings notwendig, dass das Tier (oder der Mensch) über entsprechende Copingstrategien verfügt.

In der Pchychologie bezeichnet der Begriff eine Strategie im Umgang mit schwierigen Situationen, im Bereich der Verhaltenstherapie zum Beispiel Rituale, die im Umgang mit Triggern (Schlüsselreize) oder gar Flashbacks (ein Wiedererleben früherer Gefühlszustände) helfen.

Und die gibbet eben nicht bei Fressnapf, sondern müssen durch Erfahrungen erworben werden.

Warum schreibe ich eigentlich das ganze Gesummse?

In der modernen Kyno-Pädagogik hat sich ja allenthalben durchgesetzt, dass Stress böse ist und dafür sorgt, dass unsere Hunde nicht mehr lernen oder gar in die „erlernte Hilflosigkeit“ fallen, wenn sie ihm ausgesetzt sind. Des Weiteren wird Stress nur und ausschließlich durch Strafe, scharfe Worte oder die Nutzung von Konsonanten verursacht.

Zunächst einmal: Die „erlernte Hilflosigkeit“ geht vermutlich zurück auf die „experimentelle Neurose“ nach Pawlow, das war der mit dem Hund, und auf den „Depressionseffekt“ aus der Lerntheorie (Verstärker).

Pawlow erkannte, dass man im Experiment beim Versuchstier Neurose hervorrufen konnte, in dem man dafür sorgt, dass es sich „weder der Situation entziehen noch ein entsprechendes Lernverhalten entwickeln“ kann. (Quelle: Uni-Hamburg)

Ein Beispiel:

„Ein Tier in einem Versuchskäfig lernt, dass es einen Stromschlag erhält, wenn es gegen die Tür kommt. Es weicht der Tür aus. Plötzlich erhält es Stromschläge vom Boden, obwohl es sich nicht bewegt hat. Dies führt zu einer Neurose des Tieres, die experimentell hervorgerufen wurde.“

Selbiges gilt für die Konfrontation mit zwei unterschiedlich belegten Reizen, die das Tier nicht unterscheiden kann.

So wurden Versuchstiere mit zwei Ellipsen konfrontiert, bei Ellipse 1 erfolgte ein Lob, bei Ellipse 2 erfolgte ein Aversivreiz. Auf Grund dessen, dass dei Tiere nicht in der Lage waren, gut und böse voneinander zu unterscheiden, verhielten sie sich neurotisch.

Und weil die Forscher ja mit Aversivreizen gearbeitet haben, beschränkt sich ein solcher Effekt natürlich ausschließlich auf Strafe. Nicht.

Vielmehr ist es für die Messung eines Versuchserbnisses schlicht einfacher, die Schmerzreaktion zu messen als die pure Freude.

Wenn Dein Lob und Dein Nicht-Lob sich sehr ähnlich sind, kannst Du den selben Effekt bei deinem Hund erreichen. Wenn Du nicht konsequent belohnst, läufst Du ebenfalls Gefahr, dass der Hund nicht in der Lage ist, zu begreifen, was Du eigentlich möchtest.

Und dann kommt der Depressionseffekt um die Ecke. Hier findet eine Gewöhnung statt und der Verstärker verliert an Reiz. Irgendwann gewöhnt sich Waldi also an den Leinenruck und irgendwann ist das Frolic nicht mehr interessant.

Alles gar nicht so einfach. Und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, kommen noch die ganzen Hormone dazu und das Vieh belohnt sich auch noch selbst.

Und nun kommt da so elender Stressor um die Ecke und los geht’s

Gehen wir davon aus, dass wir einen gut sozialisierten und habituierten Hund haben, dann findet die Adrenalinausschüttung statt und der Hund kann auf Grund seiner vielfältigen Lernerfahrungen entscheiden, wie er reagiert.

Da ja sein Herrchen oder Frauchen dabei sind, kommt noch die soziale Kompomente dazu – Stichwort Oxytocin, das „Bindungshormon“.

Im Falle eines anderen, aggressiv auftretenden Hundes hat unser Vierbeiner die Wahl zwischen „den bring ich um“, „ich hau hier ab“, „ich bleibe cool“ und anderen. Im Idealfall bleibt er locker und die Situation löst sich auf.

Hier findet dann nochmal eine selbstbelohnende Hormonausschüttung durch Serotonin statt, Rex klopft sich quasi selber auf die Schulter und lernt – trotz Stress – das locker bleiben eine gute Copingstrategie ist.

Toller Hund, alles gut!

Schwierig wird es, wenn der Hund nicht ausreichend Strategien hat, mit Stress umzugehen oder der irrigen Annahme ist, dass er sein Gegenüber verprügeln möchte.

Dann muss der Mensch eingreifen – Stress hin oder her – um die Umwelt und den Hund vor sich selber zu schützen.

Und solche Hunde lerne ich in letzter Zeit immer mehr kennen. Ist ja logisch, damit unser geliebter Vierbeiner ja glücklich ist, halten wir jede Form von Stress vom kleinen Kerl fern, füttern ihn mit Bananenkeksen, weil Lernen ja Glukose verbraucht und markern fröhlich vor uns hin.

Kommt dann ein Stressor um die Ecke, wirds heikel.

Um es noch mal zu wiederholen, was Stress ist und was nicht, ist hochindividuell. Wenn ich merke, dass ich mich verspäte, bekomme ich die Krise, während meine Freundin vollkommen entspannt bleibt.

Und so ziemlich alles kann zum Stressor werden, wenn der Hund nicht vernünftig habituiert und sozialisiert wird. Bis hin zu Hunden, für die der ganz normale Alltag purer Stress bedeutet.

In der modernen Kyno-Pädagogik heißt das Zauberwort dann Desensibilisierung.

Der Ablauf ist einigermaßen logisch: Der Klient, in dem Fall Luna, wird sachte und nur so lange an den Stressor herangeführt, wie sie entspannen kann. So soll über Zeit und Wiederholung erreicht werden, dass sie im Angesicht des Stressors entspannt bleibt.

So weit, so gut.

Nun ist das mit der Desensibilisierung so eine Sache. Denn selbst in der Therapie eines Menschen ist höchstes Fingerspitzengefühl gefragt und nicht selten bleibt die Desensibilisierung erfolglos.

Ein mögliches Beispiel:

Wenn statt Luna Heike vorm Therapeuten sitzt und nicht Hunde sondern Spinnen der Stressor sind, dann beginnt die Desensibilisierung oft „in Sensu“, d.h. man würde mit Heike erstmal im Gedanken durchspielen, wie es wäre, wenn da jetzt eine Spinne daher käme, sich ihr nähert, an ihr hoch krabbelt etc. Erst, wenn es ihr gelingt, „in Sensu“ entspannt zu bleiben, würde „In Vivo“ folgen, sprich Heike würde mit einer echten Spinne konfrontiert.

Die Krux an der Geschichte ist, dass es außerordentlich schwierig ist, den Moment zu finden, in dem Heike in der Stresssituation entspannt bleiben kann. Geht der Therapeut nicht weit genug, findet keine Linderung statt. Geht er zu weit, kann Heike nicht mehr entspannen.

Das bedeutet für den Therapeuten, dass er Heike aus der Konfrontation mit dem Stressor entlassen muss.

Hormonell bedeutet das für Heike, dass sie sich durch die Distanzvergrößerung zum – in dem Fall phobischen Auslöser – selber belohnt.

Für die Lerntheoretiker unter uns: Durch Wegnehmen des unangenehmen Reizes findet eine negative Belohnung statt.

Der Grund, warum Desensibilisierung beim Menschen überhaupt funktioniert, ist in den meisten Fällen das hohe empathische Vermögen des Therapeuten.

Was bei Heike schwierig ist, ist bei Luna meiner Meinung nach nicht umsetzbar. Zumindest nicht innerhalb eines vertretbaren Zeitraum in der Lebensrealität eines Hundes.

Zunächst einmal ist es nicht möglich, sich mit einem Hund „In Senso“ einem Auslöser zu nähern.

Die Frage „Luna, stell Dir mal vor, da kommt jetzt ein fremder Hund, wie fühlst Du Dich?“ bleibt ziemlich sinnlos, da Hunde 1. erwiesenermaßen nicht über die Adaptionsfähigkeit verfügen, Gedankenspiele durchzuführen und 2. anders als wir Menschen mit unserer Symbolsprache wenig anfangen können.

Das bedeutet, dass uns nur „In Vito“ bleibt, wenn wir Luna den Stress mit anderen Hunden nehmen wollen.

Das wiederum heißt nichts anderes, als dass wir unmittelbar an die Türe zur Reizüberflutung klopfen und Luna gegen unseren Willen „flooden“, wenn plötzlich ein Hund um die Ecke kommt.

Dazu kommt, dass es schon extrem schwierig ist, bei einem Menschen den magischen Punkt zu finden, an dem eine Desensibilisierung stattfinden kann. Wie das bei einem Hund – zuverlässig – gelingen soll, ist mir schleierhaft.

Und wenn die Lunamaus dann im Stress ist, ereilt uns die selbe Problematik wie mit Heike und der Spinne.

Lassen wir sie da raus, belohnt sie sich selber und das Verhalten wird verstärkt. Das gilt übrigens auch in dem Fall, in dem Luna sich dazu entscheidet, ihr gegenüber zu attackieren.

Das Ziel von Lunas Attacke ist auch eine Distanzvergrößerung, haut der andere Hund ab oder wir treten den Rückzug an, ergibt sich das selbe Spiel – das Lunatier belohnt sich selber.

Übrigens, mit dem Gegenkonditionieren, also dem „Schönfüttern“ eines angstauslösenden Reizes, verhält es sich ganz ähnlich. Entweder hat er keine Angst im biologischen Sinne oder er frisst nicht.

Eigentlich ganz einfach.

Zeigt unser Hund ein unerwünschtes Verhalten, das wir unterbrechen müssen, dann zeigt er eine Stressreaktion. Das bedeutet jedoch noch lange nicht, dass er deshalb nicht in der Lage wäre zu lernen.

Unserem pubertierendem Kind können wir sagen „Kevin, räum bitte Dein Zimmer auf, ansonsten nehm ich Dir dein Handy weg“. Da Kevin in der Lage ist, sich ein Leben ohne Whatsapp vorzustellen, wird er sein Zimmer aufräumen und sich selber belohnen, in dem er dem Ärger aus demWeg geht und das vorteilhafte Verhalten zeigt. Hier findet wieder die Hormonausschüttung statt, die dafür sorgt, dass Kevin sich gut fühlt.

Übrigens: Wenn Kevin gelernt hat, dass wir ihm sein Telefon eh nicht wegnehmen, dann können wir lange bitten.

Selbiges gilt, wenn wir darauf warten, dass ein 15-jähriger von sich aus ohne Not auf die Idee käme, sein Zimmer aufzuräumen, um ihn dann zu belohnen.

Dürfte jedem, der mit Kindern in dem Alter zu tun hat, klar sein.

Wir kommen zurück zu Luna: Statt „Angst“ vor anderen Hunden zu haben, pöbelt sie einfach gerne an der Leine.

Kommt uns jetzt der Rex entgegen, bekommt Luna ihren Adrenalinkick und wills jucken lassen. Das heisst, der Stress ist schon da. Vorausgesetzt, dass Luna bereits Lernerfahrungen gemacht hat und die Beziehung stimmig ist, kann Lunas Besitzer sie durchaus unterbrechen.

Auf Grund der guten Bindung kann Oxytocin den Stresspegel dämpfen, die Selbstbelohnung kann stattfinden, wenn Luna ein alternatives Verhalten zeigt.

Der Grund, warum ich nicht vom lobenden Menschen schreibe ist der, dass wir nicht nur ein Verhalten verstärken, sondern immer auch eine Stimmung. Das heißt, auch wenn Luna den blöden Rüden augenscheinlich nicht anzickt, kann es sein, dass ich ihre innere Bereitschaft dazu lobe und dadurch das Verhalten auslöse.

Leben ist die beste Prävention

Wenn man wirklich einen Hund sein Eigen nennt, der auf bestimmte Reize mit starkem Stress reagiert, sollte man tunlichst vermeiden, die selbstbelohnenden Mechanismen zuzulassen, weil – und das ist nicht neu – belohntes Verhalten häufiger gezeigt oder verstärkt wird.

Idealerweise verhindert man den ganzen Kladderadatsch, in dem man dafür Sorge trägt, dass der Hund vielfältige Erfahrungen auch mit stressauslösenden Reizen macht.

Zudem sollte man sich bewusst machen, dass ein Hund einen großen Teil der sensiblen Phasen beim Züchter verbringt. Das Geld, das man beim Welpenhändler spart trägt man oft doppelt und dreifach in die Verhaltenstherapie.

Lass die Hunde leben, lasst sie Erfahrungen machen – auch solche, die vielleicht nicht so schön sind.

Behandelt triviale Reize trivial, das macht das Leben leichter und bringt Euren Hund gar nicht erst auf die Idee, irgendwas gruselig zu finden.

Macht nicht aus jedem Scheiß eine Wissenschaft und nicht aus jedem Verhalten eine Übung.

Zieht nicht in den Krieg, dann gibt es auch keinen.

Und zu guter Letzt: Nicht vergessen zu atmen.

Suche junge, dekorative Biologin zum Stricken.

Mit dem Hundetrainerdasein ist das ja so eine Sache.

Während man bzw. frau früher nur die Entscheidung treffen musste, ob man jetzt, wo die Kinder aus dem gröbsten raus sind, lieber ein Naildesign-Studio (oder eine Social Media-Agentur) eröffnet oder lieber Hundetrainer wird, ist es mittlerweile ja etwas komplizierter.

Seit dem 1. August 2014 nämlich müssen Menschen wie ich nachweisen, dass sie „sachkundig“ sind. Das regelt der §11 des Tierschutzgesetzes. Dafür wiederum sind die Veterinärämter zuständig, deren Mitarbeiter bis Dato garnicht wussten, über welch weitreichende Expertise sie so verfügen.

Nun isses wie es ist und viele Hundetrainer machen seitdem ihre ersten artfremden Erfahrungen mit Pferden – um genau zu sein mit dem Amtsschimmel, der teilweise kräftig wiehert.

Um die „Sachkunde“ zu erhalten, gibt es verschiedene Möglichkeiten. So kann man z.B. über den BHV eine Prüfung ablegen oder sich durch die Tierärztekammern zertifizieren lassen.

Man kann aber auch eine Prüfung beim zuständigen Amt ablegen, mit dem kleinen Haken, dass die meisten Ämter garnicht so genau wissen, wie eine solche Prüfung aussehen soll.

Dieser kleine Haken hat zur Folge, dass gefühlt Tausende von Anträgen bei den Ämtern in Ablage P zur Wiedervorlage warten.

Zudem gibt es – je nach individuellen Größenwahn und Allmachtsgefühl des zuständigen Sachbearbeiters – noch gefühlt tausend andere Möglichkeiten, irgendwie an den vermaledeiten „Elfer“ zu kommen.

Der eine Kollege darf keine Retrieverleinen mehr benutzen, obwohl von denen garnichts im TierschG steht, der nächste Kollege darf gleich einen ganzen Tierschutzbeauftragten ernennen, womit er die Anzahl seiner Mitarbeiter gerade verdoppelt, der vierte wird lächelnd durchgewunken, weil er mit der Tochter vom Amtsleiter poppt und die fünfte Kollegin bekommt ein Berufsverbot, WEIL sie selbiges mit dem Sohn der Amtsleiterin tut.

So gesehen hatte ich großes Glück mit meinem auch ansonsten sehr netten und umgänglichen Veterinäramt.

Nur knapp Tausend Euro (für eine Zertifizierung durch die Tierärztekammer und für die Bearbeitung meines Antrags) und schon darf ich – sozusagen mit Stempel drauf – weiterarbeiten. Danke!

Um sich zertifizierter Hundetrainer nennen zu dürfen, muss man mindestens zwei Tage Fortbildungen im Jahr nachweisen können.

Bis letztes Jahr war das relativ einfach. Man besuchte einen Wochenend-Workshop zu einem Hundethema, reichte die Bescheinigung ein und durfte weitermachen.

Dann ließ sich die Tierärztekammer  Schleswig-Holstein etwas neues einfallen.

Ab sofort werden nämlich nur noch Fortbildungen anerkannt, die von jemanden gegeben werden mit abgeschlossenen Biologiestudium oder mit tierärztlichen Studium inkl. der Zusatzbezeichnung „Verhaltensdingens“.

Der Grund für diese Änderung ist relativ einfach. Als es darum ging, welche Voraussetzungen durch die Ämter anerkannt werden und welche nicht, ging es bestimmt ganz besonders friedlich von Statten.

Denn in Deutschland gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich zum Hundetrainer oder waswasich ausbilden zu lassen und keine dieser Möglichkeiten ist wirklich günstig.

Derjenige Hundetrainerzertifizierer, dessen Schüler per Gesetz durchgewunken werden, erhält quasi eine Lizenz zum Gelddrucken.

Insofern kann man durchaus die Frage stellen, warum es neben den Zertifizierungen und den Prüfungen durch die Ämter auch ein kommerzieller Anbieter in die Riege der Auserwählten geschafft hat. Aber egal, es sei ihm gegönnt.

Die Hand voll Möglichkeiten, die neben dem Gang zur amtlichen Prüfung übrig bleiben, sind zwar überschaubar, aber deswegen nicht weniger Konkurrenten.

Und so wirft man sich gegenseitig vor, zu lasch, zu hart, zu sonstwas zu sein, um dem Anderen jeweils das Leben schwer zu machen.

Hier kommen dann die Zertifizierten ins Spiel. Ein guter Freund sagte man „Der Mensch lernt, wenn er muss“ und einige derer, die ihre Zertifizierung erlangt hatten, dachten sich wohl „genug gelernt“ und reichten teils merkwürdige „Fortbildungsnachweise“ ein – vom Wochenende Wellnessurlaub in einem Hotel, in das man Hunde mitnehmen durfte bishin zur Eintrittskarte zu Rütters „Mensch – Hund“.

Da aber eine gewisse Qualität der Weiterbildungen gewährleistet sein soll, gilt nun die oben erwähnte Regel – sehr zum Vorteil der Biologen und Tierärzte, sehr zum Nachteil der Referenten, die eher praxisorientiert sind.

Denn ganz ehrlich – so eine Fortbildung ist nicht eben günstig und wer hat schon das nötige Kleingeld, gleich mehrere zu besuchen.

„Ihr wollt einen Biologen? Ihr bekommt einen Biologen“, dachte ich mir und fragte eine gute Freundin, die nicht nur Biologin ist, sondern sogar Ahnung von Hunden hat, ob sie nicht Lust und Zeit hätte.

Zumindest eines von beiden hatte sie, also treten wir zu zweit an, um Fortbildungen zu geben, die unsere zertifizierten Kollegen beim zuständigen Gremium einreichen können.

Vorausgesetzt – und da wird das Ganze absurd – die gute Freundin ist vor Ort.

Einfach „nur“ Inhalte wissenschaftlich auf ihre Richtigkeit zu prüfen, die entsprechenden Quellen gegenzurecherchieren und andere wissenschaftliche Standpunkte anzubringen etc. reicht nämlich nicht!

Nein, sie muss mit im Raum sitzen und kann sich die Zeit während der Praxis, die im Normalfall ca. 70 % der ganzen Veranstaltung ausmacht, damit vertreiben, indem sie bei Facebook surft oder Socken für ihren Freund häkelt.

Im Klartext bedeutet das, dass unsere gemeinsame Fortbildung anerkannt wird, es sei denn, sie bekommt einen Tag vorher eine Magen-Darm-Grippe. Dann haben meine Teilnehmer die Wahl.

Entweder wird die Veranstaltung nicht anerkannt oder man nimmt in Kauf, dass man sich einen netten Norovirus einfängt. Naja, hat ja immerhin den Vorteil, dass man an den folgenden Tagen viel Zeit im Klo verbringt und die Gelegenheit nutzen kann, die ganzen Studien nachzulesen.

Nun bin ich ja bekanntermaßen ein Freund der TÄK, mag die Menschen im Gremium wirklich gerne und schätze ihre fachlichen Fähigkeiten.
Aber wer auch immer auf diesen Schmarn gekommen ist, hatte wohl so etwas wie eine Diarrhö im Kopf.

„Stellenausschreibung“


Da es ja auch mal Tage gibt, an denen ich gezwungen bin, Hundetrainern alleine etwas zu erzählen – sei es, weil die liebe Kollegin Urlaub hat, andere Dinge vorhat oder einfach noch über ein eigenes Leben verfügt – suche ich auf diesem Wege

  • eine junge (weil nicht so teuer),
  • dekorative (sollte so einen wissenschaftlichen Verve mit sich bringen, am besten mit Kittel)
  • Biologin (Fachrichtung egal, von mir aus kannst Du über die Anatomie von Mücken ptomoviert haben),
  • die Zeit und Lust hat, während meiner Fortbildungen, zu stricken.

Vielleicht einen Pullover. Für anderweitige Unterhaltung ist gesorgt, ich bringe gerne Kreuzworträtselhefte oder einen Gameboy mit.

Dog-Whispering 101

Jeder kennt das. Manchmal entstehen so kleine Momente des peinlichen Schweigens.

Ein Beispiel: Während des ersten Termins mit meinem neuen Kunden Klaus kommt uns ein Mensch mit Hund entgegen. Klaus‘ Hauscanide zeigt uns sogleich unmissverständlich, warum die beiden bei mir sind. Und dann passiert etwas merkwürdiges.

Während der Kundenrüde seinem Gegenüber laut zeternd zu verstehen gibt, dass er ihn gleich wegatmen wird, schreitet der Klaus zur Tat und – besteigt seinen Hund.

Also, nicht so richtig, vielmehr simuliert er das Besteigen seines Hundes, was dieser wiederum gewohnt zu sein scheint und ignoriert, während dem Artgenossen weiterhin mit Mord und Todschlag gedroht wird.

Ein Blick auf den Besitzer des so Angepöbelten verrät mir, dass ich nicht der einzige bin, der das gerade ziemlich spooky findet.

Mit einer Mischung aus Angst und Verwunderung gehen unsere Gegenüber weiter und nach einiger Zeit beruhigt sich auch der Bestiegene. Und Klaus lässt seinen Hund wieder frei.

„Öhm Du“, beginne ich vorsichtig meinen Satz. „Sag mal, hast Du Deinen Hund gerade bestiegen?“

Mein Kunde guckt mich erwartungsschwanger an und erwidert, dass er das so in der Hundeschule gelernt hat. Weil nämlich sein Rüde sehr dominant sei und er ihm auf diesem Wege zeigen würde, dass er der Alpha im Rudel sei.

Aha, denke ich unterdrücke meinen Brechreiz. Gleich drei Begriffe in einem Satz, bei denen sich mir die Fußnägel hochrollen.

Wie immer in solchen Situationen frage ich erstmal „Und, funktioniert es?“, worauf Klaus etwas verdattert guckt und mir bestätigt, dass es eher nicht so doll klappt.

Klappen sollte es übrigens auch bei Sandra und ihrem Border Collie „Fly“, der schon mit fünfzehn Wochen den ersten ausgiebigen Ausflug gen Bundestraße zwecks SUV-hüten machte. Nämlich mit der Bindung, wie die Hundetrainerin feststellte. Denn die sei garnicht vorhanden.

Abgesehen davon, dass ich das ganz schön beleidigend dem Menschen gegenüber finde, ihm eine Bindung zu seinem Hund abzusprechen, finde ich es prinzipiell in einem solchen Fall gut, den Hund an sich zu binden. Und zwar erstmal mithilfe einer Leine, bis der kleine Pups verstanden hat, dass Autos keine Schafe sind.

Sandras Trainerin sah das etwas anders und verordnete der ambitionierten Problemhündchenbesitzerin, dass sich sich fortan regelmäßig auf den Zeigefinger spucken und mit dem so vollgesauten Akron das Zahnfleisch des Hobbyjägers einschmieren solle.

Anders als beim Besteigen des Monsterrüden habe ich in dem Fall etwas länger gebraucht, um den Zusammenhang zu verstehen.

Mit dem Einreiben des Zahnfleisches mittels vollgesabberten Finger würde nämlich das Maulwinkelstossen des Welpen bei der Mutterhündin simuliert.

Hunde tun das schließlich auch, wenn sie irgendwann erwachsen werden gerne mal als aktive Demutsgeste.

Was mir allerdings nicht ganz so klar werden möchte ist der Sinn der Übung.

Liegt die Hoffnung darin, dass der Hund etwas Futter vorwürgt und aufs Jagen verzichtet, weil ihm jetzt übel ist? Oder ist das wirklich als Demutsgeste gemeint und als so eine Art bettelndes Flehen zu verstehen, auf das er Einsicht zeigt und so etwas nie wieder tut?

Naja, zumindest beim Menschen spielt beim gegenseitigen Austausch von Körperflüssigkeiten in vielen Fällen Oxitozin ein große Rolle.

Gar keine Rolle spielt Oxitozin bei „Mandy“, wenn sei auf ihresgleichen trifft. Und mit ihren gerade mal neun Monaten schon ziemlich beschädigend mit anderen Hunden umspringt.

Mandys Besitzer wollten von Anfang an alles richtig machen und pilgerten brav in die Welpengruppe. Nun hatte Mandy ein Problem, nämlich das, dass die Hundetrainerin ein Problem mit Mandys Rasse hatte und der erwünschte Sozialkontakt mit Artgenossen gegen Zahlung von 15 Euro pro Termin darin bestand, dass Mandy und ihre Menschen außerhalb des Hundeplatzes hinter einem Sichtschutz zugucken durften, wie die anderen Hunde und ihre Menschen Welpenspiel veranstalteten.

Dass das so nix wird mit dem Sozialverhalten wurde Mandys Frauchen in dem Moment klar, als ihre Hündin den ersten Artgenossen ziemlich überambitioniert auf links gedreht hat.

Gottlob hatte die Trainerin auch für solche Fälle einen Tipp. Wenn nämlich Mandy das nächste Mal einen anderen Hund verprügeln will, sollen Frauchen und Herrchen doch einfach Leckerchen auf die Kontrahenten träufeln. Denn dann, da war sich die Kynopädagogin sicher, lassen die beiden Streithähne bzw. Hühner sofort voneinander ab und beschäftigen sich lieber mit dem Futter.

Sozusagen Frolic statt Fresse voll. Was nicht geklappt hat.

Wie die Hundetrainerin auf die Idee gekommen ist, bleibt derweil ihr Geheimnis.

Apropo Geheimns: Das meine Kundin Ulrike morgens etwas von ihrem Morgenurin mit einer Einwegspritze aufzog, um dann jedes Mal, wenn ihr Hund irgendwo hinmarkierte, ein paar Tropfen darüber zu träufeln, hat sie niemanden verraten.

Dominique wiederum ist da etwas offener und lässt sich von ihren Hunden besteigen, weil der Experte gesagt hat, dass nur die Leithündin gdeckt würde. Und das ihre Hündin sie gleich mitdeckt ist doch ein schöner Beweis, dass Hunde liberale Tiere sind.

So liberal, dass sie uns so ziemlich jeden Schwachsinn verzeihen …

Der König ist tot, lang lebe der König!

Als „Hoax“ bezeichnet man eine gezielte Falschmeldung, die im Internet rumgereicht wird, meist mit dem Ziel, Clicks zu erreichen und interessierte Leser auf die eigene Seite zu lotsen.

Es gibt Hoaxes, die sich sehr, sehr hartnäckig halten wie beispielsweise der, das es ausreichen würde, den Facebook-AGB zu widersprechen, in dem man das einfach in sein Profil postet. Auch die immer wiederkehrenden Nachrichten über „Altkleidersammler“, die Katzen klauen und den mittlerweile berühmten weißen Bulli, der vor Kindergärten rumsteht sind einfach nicht totzukriegen.

Gestern machte bei Facebook die Nachricht die Runde, dass Cesar Millan an einer „Heart Attack“ gestorben sei, was sich jedoch relativ schnell als Fake rausstellte.

Kein Fake dagegen waren die Kommentare unter der Meldung. Ein paar „Highlights“:

  • „Hoffentlich ist er elendig verreckt.“ (5 Gefällt mir-Angaben)
  • „Endlich ist die Welt diesen Tierquäler los.“ (22 Gefällt mir-Angaben)
  • „Gut so.“ (2 Gefällt mir-Angaben)
  • „Hoffentlich war es ein qualvoller Tod.“ (8 Gefällt mir-Angaben)
  • „Das hat er verdient.“ (17 Gefällt mir-Angaben)
  • etcpp.

Diese Liste ließe sich beliebig weiterführen und beweist ein weiteres Mal, wessen Geistes Kind so manche vermeintliche Tierfreude sind. Die propagierte Gewaltfreiheit beschränkt sich auf den Umgang mit dem eigenen (Haus)tier.

Schon bei solchen Tieren, die verfüttert statt gefüttert werden, hält sich das Mitleid in Grenzen.

Und geht es um Menschen, insbesondere solchen, denen man „Gewalt“ vorwirft, sieht das Ganze nochmal anders aus. Denen darf man den – möglichst qualvollen – Tod an den Hals wünschen und sich diebisch drüber freuen, wenn sie gestorben sind.

Selbstverständlich scheißegal, dass Millan vielleicht eine Familie und Hinterbliebene hat, die sich – im Falle einer echten Meldung – dann mit solchen Äußerungen konfrontiert sehen.

Viele Menschen behaupten ja, dass Facebook geradezu dazu verleiten würde, ungefiltert unter dem Schutz der vermeintlichen Anonymität die Sau raus zu lassen.

Ich sehe das etwas anders.

Bei einem Hund würde man von latenten Verhalten sprechen, also einer Verhaltensweise, die vorhanden, aber nicht unmittelbar zu erfassen ist. Der Hund ist grundsätzlich bereit zu beißen, bisher hat es jedoch keinen Auslöser gegeben, der ihn dazu veranlasst.

Viele Menschen scheinen grundsätzlich dazu bereit zu sein, sich menschenverachtend und (verbal) gewalttätig zu verhalten – und Facebook scheint ein geeigneter Verhaltensauslöser zu sein.

Und wenn man bei Facebook schonmal Erfolg hatte, dann verhält es sich ähnlich wie mit dem Hund. Wenn das mit dem Knurren auf dem Sofa funktioniert, dann kann man es ja mal mit dem ganzen Wohnzimmer ausprobieren. Und wenn es für die kreativste Morddrohung bei Facebook ein paar aufmunternde Likes gibt, vielleicht probiert man es dann mal bei Spiegel Online.

Darauf angesprochen hört man dann, dass der Facebook- oder Forennutzer „sowas im richtigen Leben“ ja niemals sagen würde.

Das Problem ist nur, dass die Empfänger der Botschaft „richtige“ Menschen sind und nicht ein paar virtuelle Schießbudenfiguren, an denen man sich abreagieren kann.

Ein Kollege erklärte mir mal ein radikal neues Konzept, er nannte es „nachdenken.“

Angstmäuse from Hell

Jetzt neu mit Hass-Mail-Live-Ticker:

(A) Präambel

Die gemeine „Angstmaus“ erkennt man daran, dass sie

  1. oft aus einem Land kommt, dessen Bewohner eine etwas andere Vorstellung von Hundehaltung haben als wir, weshalb diese Menschen alle samt und sonders „Schweine“, „Arschlöcher“ oder „Hurensöhne“ sind, die man „umbringen“, „besuchen“ oder deren „Familie man auslöschen“ sollte (vgl. Facebook 2014 et al.)
  2. auf Grund dessen eine schlimme Vergangenheit haben muss, auch wenn diese garnicht bekannt ist. In anderen Ländern landen Hunde nämlich grundsätzlich und immer an der kurzen Kette, in einem nicht rostfreien Zwinger oder auf der Straße.
  3. sie sich gerne mal wie offene Hose benimmt; ihrem Gegenüber gaaanz schüchtern zeigt, wo der ängstliche Frosch die Locken hat oder vor lauter Panik an der Leine pöbelt, als wenn’s kein morgen gäbe.
  4. oft einen Besitzer bzw. vielmehr eine Besitzerin hat, die etwas gutes tun wollte, als sie sich dafür entschieden hat einen Hund aus dem Tierschutz zu kaufen einem armen Notfell eine Chance zu geben und es zu adoptieren.

(Bis hier 5 Hass-Mails)

Wenn eine Angstmaus beißt, dann meist deshalb weil sie ein Problem mit großen Männern oder dicken Kindern oder gebrechlichen Frauen oder Menschen generell hat, was an den oben genannten Gründen liegen muss.

Dieses Verhalten war dann nicht etwa irgendwie aggressiv, sondern zumindest mal eine Übersprungshandlung.

So erklärte mir auch Sabine, warum „Tiffy“ den älteren Herrn im Park in Richtung Krankenhaus befördert hatte. Dieser nämlich hatte die Individualdistanz der Angstmaus deutlich unterschritten – und das trotz gelber Schleife, die an Tiffies Geschirr baumelte.

So ein Idiot, ist der nicht bei Facebook? Dann müsste er doch wissen, dass es die „gelbe Schleife“ ist, an der man Hunde erkennt, deren Besitzer lieber gelbe Schleifen kaufen als ihre Hunde zu erziehen oder ihre Umwelt vor dem Vieh zu schützen.

(20 Hass-Mails, nein, 19, die eine wird ironisch gemeint sein … )

Bei näherer Analyse des Beißvorfalls, ähm, ich meine natürlich der Übersprungshandlung, wurde klar, dass Tiffies Individualdistanz ungefähr 15 Meter beträgt und dass sie „normalerweise“, so Sabine auf dieser Distanz schon sehr gut gegenkonditioniert wäre.

Meine Frage, woher sie denn weiß, dass „normalerweise“ funktioniert, beantwortete sie mit dem Hinweis auf die vier anderen Menschen, denen Tiffy schon in der Hose gehangen hatte. Meine Frage, wozu sie eine Fünfzehnmeterleine hätte war nur noch rhetorischer Natur.

Denn natürlich ist Tiffy ein Hund. Und ein Hund ist ein Lauftier. Und Lauftiere müssen laufen.

Das ist schon richtig, erwiderte ich. Aber sollten sie nicht auch zurückkommen? Ja schon, so das Angstmausfrauchen, das Rankommen übe man ja mittels Angstpendeln – und nein, das habe rein garnichts mit Auspendeln zu tun.

Sie könne mir das auch demonstrieren, aber hier sei dann doch zu viel los. Ich schaute mich um, weit und breit nichts zu sehen. Aber Sabine hatte recht, hier mitten auf dem Feld könnte ja was unvorhersehbares passieren. Ein Flugzeug könnte z.B. ein Piano verlieren, das dann neben uns auf den Boden knallt.

Nein, aber es könnte ja sein, dass irgendwo ein Kaninchen auftaucht und dann wäre Tiffy weg. Denn trotz Würstchenbaum und Antijagd-Clickern hatte das Mäuschen noch nicht verstanden, dass es in Vollpension lebt und das selbstständige Erlegen von Beute nicht mehr notwendig sei. Naja, außer Suchmäuseln, denn das sieht total süß aus, wenn Tiffy – nicht die Maus – so einen Spaß hat.

Ich wiederholte das bis dahin Gehörte, nämlich dass Sabines Hund bisher fünf Leute, davon einen ziemlich heftig gebissen hatte und außerdem jagt wie die Sau. Und trotzdem ohne Leine durchs Leben geht. Alter Schwede. (Hemlik Svenska)

Jetzt gerade stand Tiffy jedoch neben ihrem Frauchen und fixierte mich – nur unterbrochen durch ständiges „Mach Sitz, Tiffy“ von Seiten Sabines, was die Angstmaus mit einem kurzen „Ich hab die Sau im Blick“ quittierte und sich noch ein bisschen größer machte.

Angst sieht anders aus, dachte ich mir.

Und außerdem fragte ich mich, ob irgendwo jemand mit einer versteckten Kamera unser Gespräch filmte. Sozusagen im Sekundentakt erklärte mir Sabine ihre Methoden, natürlich alle nur die neuesten und vor allem solche, bei denen ich Brechreiz kriege.

Vielleicht will die mich verarschen, dachte ich bei mir. Vielleicht gibt es jetzt ein neues Format namens „Grünschleifen-TV“ und ich bin das erste Opfer der Sendung „Irritieren statt trainieren“, in dem böse Menschen wie ich vor laufenden Kameras in den Wahnsinn getrieben werden, bis sie den Job an den Nagel hängen oder so.

(35 Hass-Mails, zwei Anrufe)

Nachdem ich mit Sabine und Tiffy ungefähr 20 Minuten spazieren gegangen war, uns in der Zeit drei Hunde entgegenkamen, die Tiffy allesamt killen wollte, während ich penibel auf die Individualdistanz achtete, damit mir das Notfell nicht gleich in Jacke hüpft, blieben wir schließlich stehen und ich sagte:

„Sabine, du musst jetzt ganz stark sein, aber ich glaube Tiffy ist gar kein Angsthund. Ich glaube sogar, dass sie ziemlich genau weiß was sie tut und ihre Zähne einsetzt, wenn ihr was nicht passt. Und wenn du mich fragst, ist das auch der Grund, warum sie in Spanien ins Tierheim gegeben wurde. Weil sie nämlich beißt. Davon abgesehen jagt sie wie die Sau, ist nicht abrufbar und wenn sie mal an der Leine hängt, dann pöbelt sie wie irre.“

In solchen Momenten kann man die Spannung in der Luft beinahe spüren.

Ich sah Sabine an und hörte quasi die Heavy Rotation in ihrem Kopf. Sie atmete tief ein und ich machte mich auf ein Donnerwetter gefasst. Doch dann sagte sie:

„Stimmt, das habe ich mir auch schon mal überlegt“.

In solchen Momenten kann man wiederum beinahe hören, wie meine Kinnlade auf den Asphalt scheppert. *klirr*

Was nicht sein darf, darf auch nicht sein.

Und wenn die freundliche Tierschützerin aus Spanien sagt, dass die favourisierte Notnase Angst hat, dann ist das so.

Kann ja schließlich keiner wissen, dass es mit dem Fachwissen bei ausländischen Tierschützern häufig genauso weit her ist, wie bei vielen von denen, die hierzulande aktiv sind.

Viele Emotionen, noch mehr Tierliebe, das gepaart mit dem guten Gefühl, etwas uneingennütziges zu tun und dem kynologischen Fachwissen aus einem „Was ist Was“-Hörbuch – und schon wird aus dem herzhaften Beißer ein ängstliches Herzchen.

(Ticker kaputt, müssen mittlerweile tausend Hass-Mails sein.)

Ungefähr Hundertundzwölf Prozent der beißenden Hunde, die in Hundeschulen vorgestellt werden, haben Angst. Der Grund dafür ist einfach.

Denn der Hund, der aus Angst beißt, ist emotional wesentlich einfacher zu verkraften, als der, der beißt, weil er ein unerzogenes Arschloch ist.

Der Kunde mit der Angstmaus zahlt gerne die eine oder andere Zehnerkarte mehr, weil er das Gefühl kennt. Angst hat jeder, sei es vor dem Verlust des Jobs, sei es vor dem älter werden oder vor Spinnen.

Außerdem will man ja was gutes tun. Und wenn einem plötzlich klar wird, dass man da nicht einer armen Seele das Leben gerettet hat, sondern einem hundgewordenen Charles Manson Unterschlupf gewährt, steht man unter Umständen plötzlich ziemlich dämlich dar vor den Freunden aus der Facebookgruppe.

Von der nächsten Kynopädagogin positiv bestärkt, tauscht man flux noch das Stachelhalsband gegen eine Einzelstunde und schon wird fleißig an einem nicht existierenden Verhaltensproblem gearbeitet – und zwar bitte recht freundlich.

Das Mittel der Wahl ist dann häufig die Gegenkonditionierung, salopp ausgedrückt also die hohe Kunst, exakt den Moment positiv zu besetzen, bevor das Tierchen in Stress gerät. Wirklich eine eine hohe Kunst, da es genügend Stresssymptome gibt, die der geneigte Positivbestärker garnicht oder erst bemerkt, wenn es zu spät ist – es sei denn, er hat seinen Hund zufälligerweise gerade am EKG und am Elektroenzephalografen angeschlossen.

Kostenloser Marketing-Tipp!

Für die wirtschaftlich denkenden Hundetrainer unter uns (wir machen das ja eigentlich alle nur aus Liebe zum Tier und weil wir helfen wollen) ist das eine wahre Goldgrube.

Rechtzeitig, bevor die nächste Leasingrate für das vollfolierte Firmenauto fällig wird, schnell noch ein „Oh Mist, das ist aber ein bisschen doof. Jetzt hast du genau in die Angst des Mäuschens reinkonditioniert“ eingeworfen und schon kann’s von vorne los gehen.

Super, der nächste Pauschalurlaub auf Malle ist gesichert. Und wenn man schonmal da ist, kann man grad noch eine Angstmaus mitbringen, die man dann der solventen Kundschaft gegen Zahlung einer entsprechenden Schutzgebühr aufs Auge drückt – zuzüglich Einzeltraining natürlich.

Marketing-Tipp Ende.

Nachdem wir nun alle gelacht haben, wird es ernst. Und zwar unter Umständen todernst.

Angst erkennt man an verschiedenen Symptomen, laut Feddersen-Petersen müssen drei davon identifizierbar sein, um auch ethologisch von einer Angst zu sprechen. Der gravierende Unterschied zwischen Angst und Unsicherheit ist der, dass der unsichere Hund noch in der Lage ist, sich mit dem auslösenden Reiz auseinanderzusetzen. Er verhält sich also ambivalent.

Der Angsthund jedoch kann sich nicht mehr auseinandersetzen, mit dem Ergebnis, dass er – je nachdem, wem man glauben möchte – drei bis vier „f“ zeigt: Flight, Freeze, Fight und neuerdings auch Fidget.

Einem Angsthund, der flüchtet wird man maximal mithilfe einer Lebendfalle oder einer Fangstange habhaft. Beides sehr hässlich und einmal hatte ich auch das „Vergnügen“, einen solchen Hund aus einer Wohnung zu holen. Von den Tierschützern als „ein bisschen schüchtern“ beschrieben, war die „Adoptantin“ etwas verwundert, als man ihr an der Autobahnraststätte eine Flugbox mit der Aufschrift „Nicht öffnen, Fluchtgefahr“ in die Hand drückte.

Als sie dann zuhause ankam und die Box öffnete, wusste sie dann auch, was gemeint war. Drei Wochen mit einem Schatten im Haus später hatte sie die Nase voll, rief mich an und ich musste den armen Hund mit einer Moxonleine aus dem Badezimmer rausoperieren, in das wir es vorher getrieben hatten.

Es ist wirklich kein Vergnügen, einen solchen Hund aus dem zweiten Stock eines Mehrfamilienhauses ins Auto zu bugsieren und ich durfte mir von durch den Lärm aufgeschreckte Nachbarn entsprechende Wünsche für die Zukunft anhören.

Insofern war es mir dann ein kleiner innerer Reichsparteitag, als die empörten Tierschützer ihren Schützling wieder abholen wollten und stundenlang mit ihren Futterbeuteln vor der Hundehütte gammelten, bevor sie eingesehen hatten, dass die Hündin lieber verhungert, als sich ihnen auch nur einen Millimeter zu nähern.

Ein Hund, der in seiner Angst einfriert, der stellt grundlegende Körperfunktionen wie den Stoffwechsel, das Komfortverhalten und die Sexualität ein. Wenn man also versucht, dem Hund ein Steak anzudrehen hat man genauso gelitten wie wenn man dem Angstrüden mit einer attraktiven Hündin in der Standhitze vor der Nase rumwedelt. Wie eine Salzsäule hockt er da und verhält sich nicht mehr – trotz der Aussicht auf eine heiße Nacht und ein „Steak danach“.

Der Angsthund, der in den „Fight“ geht, sorgt oft für bleibende, schmerzhafte Erinnerungen. Kein Wunder, denn wer unter Todesangst agiert, der macht keine Gefangenen und wird so heftig wie irgendmöglich zubeissen.

Und die neue Besitzerin, die es auch nur gut meinte, musste sich schweren Herzen wieder vom frisch zugelegten Liebling trennen angesichts der zwanzig OPs, die nach dem Angstintermezzo noch auf sie zukamen,

Angst haben ist kein Spaß und erst recht kein Zustand, den man einem Hund mit Mitleid, netten Worten und irgendwelchen kynopädagogischen Spöckes entgegentreten könnte.

Ein solcher Hund braucht in erster Linie eines – nämlich einen Besitzer, der in der Gefühlslage ist zu ertragen, dass sein Vierbeiner Angst hat. Das klingt vielleicht herzlos, aber niemanden, und am wenigsten dem Hund ist damit geholfen, wenn man ihm die Situation noch gruseliger quatscht als sie eh schon für ihn ist.

Und der Alltag mit einem solchen Tier ist in erster Linie durch viele kleine und große Momente geprägt, in denen man nur auf dem zweiten Blick gutes tut – auf dem ersten sieht das oft scheiße aus und fühlt sich emotional auch so an.

Den Angstbegriff inflationär zu gebrauchen ist nicht nur fachlich nicht haltbar und oft genug nichts anderes als eine Ausrede für die eigene Verweigerung, den Hund zu erziehen oder moralische Masturbation auf das eigene Gutmenschen-Ego.

Nein, der inflationäre Gebrauch dieses Begriffs stellt auch eine Verharmlosung eines wirklich schwerwiegenden Verhaltensproblems dar, mit der fatalen Folge, dass sich tierliebe Menschen mit einem solchen Hund ins Unglück stürzen.

Ist in den Tisch beissen eigentlich ein Beißvorfall?

Es gibt so Momente, in denen immer wieder deutlich wird, dass das Gegenteil von gut gemacht häufig doch gut gemeint ist.

Als ich zum Beispiel heute morgen die Spülmaschine einräumte und auf das Schneidebrett mit den Bratenresten von Gestern abend stiess, meinte ich es gut, als ich es dem – unglaublich süß guckenden – Nookie feilbot und sagte: „Ach du süßer, hier, darfste sauber lecken“. Dafür benötigte der Nook ungefähr 25 Sekunden. Danach benötigte ich gut 25 Minuten, um das arme Schneidebrett wieder aus seinen Fängen zu befreien.

So ist das, eine Sekunde nicht nachgedacht und schon sieht man sich mit ungeahnten Herausforderungen konfrontiert. Man fasst sich an den Kopf und könnte in die Tischkante beißen.

Ein ganz ähnliches Phänomen schilderte mir kürzlich eine Bekannte, die ihr Geld unter anderem damit verdient, indem sie Artikel für ein großes deutsches Hundemagazin verfasst.

Ich outete mich nämlich dahingehend, dass ich die Zeitschrift dermaßen belanglos und einseitig finde, dass ich fast vergessen hätte, das Abo zu kündigen, weil das Heftchen mittlerweile immer ungeöffnet im Mülleimer landet. Früher war das einmal anders.

„Ach weißt du“, erwiderte sie. „Sobald wir irgendetwas von jemanden wie Dir veröffentlichen, hagelt es Leserbriefe, Abokündigungen und Protestschreiben an unsere Anzeigenkunden. So lange wir uns im Bereich Lob, Clicker und Spaß bewegen, bleibt es friedlich“.

Klar, in Zeiten von Verlagssterben und unterbesetzten und -bezahlten Redaktionen kann sich niemand leisten, hunderte E-Mails empörter Kynopädagoginnen zu beantworten und obendrein auch noch zahlende Kundschaft zu verlieren.

Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass ich nicht der einzige bin, der beginnt, sich auf dem Klo zu langweilen angesichts immer neuer Hundekeksbackrezepte und alter Tricks mit immer neuen Alltagsgegenständen.

Und so wette ich auf das Titelthema der nächsten Ausgabe: „Die schönsten Weihnachtsgeschenke für den besten Freund des Menschen“ (Diese Headline kann käuflich erworben werden.)

Wirkliche Zahlen konnte mir die Bekannte als freie Autorin natürlich nicht nennen, doch sind die Abozahlen in nahezu allen Printmedien rückläufig und Anzeigenkunden reißen sich auch nicht mehr darum, Werbung zu schalten, wenn es doch online viel schneller, zielgruppengenauer und günstiger geht.

Wenn die Strategie einer Redaktion jedoch die ist, sich möglichst Ärger vom Bein zu halten, dann muss sie sich quasi aus vorauseilender Rücksichtnahme selber zensieren. Mit dem Ergebnis, dass die Publikation zwangsläufig weichgespült wird und allzu kritische oder anderslautende Meinungen keinen Platz mehr haben.

Interessant wäre an dieser Stelle mal zu eruieren, wie viele Abos eigentlich gekündigt werden, weil die „falsche“ Philosophie oder der „falsche“ Hundeguru publiziert wurde und wie viele Kündigungen dem auf Grund von Langeweile ob der ewig gleichen Inhalte entgegenstehen.

Interlude

Trotzdem kann ich die Verlage gut verstehen, denn zum gekündigten Abo kommt ja noch der Leserbrief bzw. in der heutigen Zeit die E-Mail. Und die ist schnell getippt, auf jeden Fall hochemotional und ganz bestimmt nicht positiv bestärkend.

Das bedeutet, dass dem gestressten Magazinmacher nicht nur die dreißig Euro fürs Abo flöten gehen, sondern dass er auch noch jede Menge kostbare Zeit in eine freundlich formulierte, um den Leser buhlende Antwort investieren muss. Und im schlimmsten Falle wiederum darauf eine Antwort bekommt und sich plötzlich in einer Kommunikation mit einer nicht mehr zahlenden Leserin wiederfindet, die noch mehr Zeit und Energie verschlingt.

Ein typischer Anfängerfehler. Neulich, als ich gerade auf dem Ponyhof angekommen war und auch das Internet so langsam mitbekommen hatte, dass ich mich im Norden einrichte, bekam ich eine außerordentlich nette Nachricht mit dem Text:

„Wo haben Sie eigentlich die Qualifikation her, um über den Umgang mit Hütehunden zu referieren?“

Statt einfach „Aus dem Fernsehen.“ zu antworten oder die Nachricht schlicht zu ignorieren, kam ich auf die blöde Idee, ausführlich zu reagieren und schon hatte ich den Salat. Nachdem ich ausführlich darüber informiert wurde, dass mein Gegenüber „selber seit Hundert Jahren Hundetrainerin“ ist, alle anderen ahnungslos sind und ihre Familie den Hütehund als solchen erfunden hat, wurde ich dann doch neugierig und habe sie mal gegooglet.

Das Ergebnis war eher ernüchternd. Dafür war ein halber Nachmittag draufgegangen, an dem ich auch etwas interessantes hätte tun können. Dauerwerbesendungen gucken oder Fliesen im Flur zählen zum Beispiel.

Aber zurück zum Thema

Dem typischen Hundemagazinleser ist die Problematik vielleicht garnicht so bewusst.

Und der findet dann auf der Suche nach allgemeiner Unterhaltung und interessanten Anregungen die neuesten Tipps fürs Gassigehen im Winter (warme Kleidung), den Hinweis, dass der Audi Q7 ein super Auto für Hundehalter ist und dass es für Smartphones total lustige Apps gibt, bei denen Welpen den Bildschirm abschlecken. Wahnsinn.

Dazu ein Rasseportrait irgendeiner Hunderasse, die sich besser niemand anschaffen sollte, es sei denn man möchte ein Problem im Haus.

Der Erziehungsteil, der dann neudeutsch mit „Kynologie“ überschrieben ist erklärt, warum man dreimal „jabbajabbajabba“ quietschen muss, damit die neueste Rückrufmethode auch richtig funktioniert.

Für diejenigen, die noch ein richtiges Leben haben und nicht den ganzen Tag im Internet rumhängen, um ja nicht die neueste wissenschaftliche Methode zu verpassen, beschreibt das dann den Mikrokosmos Hund:

Wir backen Kekse, kaufen SUV mit dem CO2-Ausstoss eines chinesischen Kohlekraftwerks und dürfen das dritte „Jabba“ nicht vergessen.

100.000 Hater? Mir doch egal!

Ein Hundemagazin machte mal ein Interview mit mir, in dem ich mich dazu hinreissen ließ, ziemlich deutliche Worte zu finden, was unser Zusammenleben mit dem Hund betrifft.

Zuerst lief es dem Redakteur noch feucht das Bein runter angesichts meiner provokanten Aussagen und er hatte die wahnwitzige Idee, die Reaktionen für einen weiteren Artikel zu nutzen. Nach kurzer Rücksprache mit dem Chefredakteur änderte sich dies aber schlagartig. Der redigierte Text reduzierte das Ganze mehr oder weniger auf ein „wir sollten alle nett zueinander sein, alles andere ist ein bisschen doof“.

Da ich eigentlich etwas anderes aussagen wollte, schnappte ich mir den Text und fragte bei einem anderen Magazin an, das im Veröffentlichen meiner Texte etwas kampferprobter ist.

Als ich mich dort nämlich mal auf vier Seiten über Cesar Millan, seine Fans und Kritiker lustig gemacht hatte, formierte sich prompt eine Gruppe humorbefreiter Millangegner, die verhindern will, dass ich je nach Österreich einreise …

Leider durfte ich das Interview nicht verwenden, so dass es jetzt auf meiner Festplatte gammelt und nicht in Österreich für Empörung sorgen kann.

Mittlerweile kann ich persönlich ganz gut damit leben, wenn sich 1.000 oder 2.000 Leute in einer Gruppe zusammenfinden, um mich blöd zu finden. Und selbst wenn es 100.000 wären, wäre mir das noch relativ wurscht. Warum?

Schaut man sich mal ein paar Zahlen an, dann stellt man schnell fest, dass die Masse der Empörten eigentlich relativ überschaubar ist. So hat Facebook ca. 1 Milliarde Nutzer, von denen im Januar 2014 27,38 Millionen aus Deutschland kamen.

Die öffentliche Facebook-Gruppe „Trainieren statt Dominieren“, die als virtueller Muttersumpf der positiven Hundeerziehung angesehen werden kann, hat heute 7.815 Mitglieder. Das klingt erstmal nach ziemlich viel, aber allein der SV hat 60.000 – zahlende – nichtvirtuelle Mitglieder.

Die geschlossene Facebook-Gruppe „Häkeln für Anfänger und Fortgeschrittene“ hat heute zum Beispiel 26.686 Mitglieder.

Der Vergleich hinkt natürlich, schliesslich sind die Häkler nicht unbedingt für ihre internen Grabenkämpfe bekannt und ich kann mich nicht daran erinnern, jemals aufgefordert worden zu sein, eine Petition gegen jemanden zu zeichnen, der aversiv häkelt.

Dennoch. Laut dem Industrieverband Heimtierbedarf lebten 2013 6,9 Millionen Hunde in 14% der Haushalte, also 5,65 Millionen, in denen widerrum statistisch gesehen 2,02 Menschen leben.

Also haben ca. 11,4 Millionen Menschen in Deutschland Kontakt zu Hunden, die – natürlich statistisch betrachtet – in ihrem Haushalt leben. Und da gehören die, die unfreiwillig Kontakt mit den Viechern haben, noch garnicht dazu.

Gehen wir jetzt davon aus, dass sich der Prozentsatz der Hundehalter bei Facebook in etwa in dem Bereich bewegt wie im Rest der Bevölkerung, dann halten wir fest: Wenn von 81,1 Millionen Menschen 27,38 Millionen bei Facebook sind, dann entspricht das in etwa 34 % der Bevölkerung. Wenn von den 11,4 Millionen Hundemenschen ebenfalls 34% bei Facebook sind, dann entspricht die Zielgruppe einer öffentlichen Gruppe ca. 3,9 Millionen Menschen.

Wenn sich also bei Facebook 100.000 User finden, die eine Petition gegen den nächsten Hundetrainer ihrer Wahl unterzeichnen, ist das zugegebenermaßen mit viel Arbeit verbunden. Man muss nämlich entweder jede Mail löschen oder seinen Spam-Ordner entsprechend einstellen. Aber selbst 200.000 Empörte sind noch verschwindend wenig im Vergleich zu den möglichen Empörten.

Dazu kommt das Nutzerverhalten bei Facebook. Man empört sich, liked und geht sich nach kurzer Zeit woanders weiterempören.

Ein Experiment

Viele Tierschützer versuchen mithilfe des Internets, Hunden (oder Katzen oderoderoder) zu einem neuen Zuhause zu verhelfen. Das ist sooo nett.

Das Problem ist nur, dass X = (viele Tierschützer x viele Tiere x viele Seiten, Gruppen, Veranstaltungen) eine schier unendliche Masse an Hilferufe beschreibt. Möchte man einem solchen Notfall nun zu Bekanntheit verhelfen, entscheiden sich viele Nutzer dazu, den Hilferuf

  • a) zu teilen mit den Worten „Ach, wenn ich nicht schon zwei hätte“ oder so ähnlich
  • b) zu liken
  • c) zu ignorieren, weil es heute schon der tausendste Vermittlungsnotfall ist

Als ich mal einen Hund bei Facebook sah, den ich irgendwie niedlich fand (aber hab ja schon so viele), beschloss ich, ihm zu helfen.

Ich kommentierte den öffentlichen Hilferuf und das dazugehörige Foto mit den Worten „Gott, ist der hässlich“. Zu diesem Zeitpunkt standen drei Kommentare („Ich wünsche der Maus alles Gute“) unter dem Bild und es war gerade mal sechs mal geteilt.

Als ich einige Zeit später bei Facebook vorbeischaute, dachte ich mir: Erfolg!

Über 100 Kommentare, 70 mal geteilt! Dem Tierchen war die Aufmerksamkeit sicher.

Und das Überraschende: Für mich blieb der böse Spaß völlig folgenlos. Drei „Freunde“ weniger, dafür drei neue.

Wenn das größte Hundemagazin in Deutschland eine Reichweite von sage und schreibe 88.000 Exemplaren bei einer potentiellen Leserschaft von 14% der deutschen Haushalte hat, dann mag das natürlich an der großen Konkurrenz, an der selbstgewählten Kernzielgruppe oder am Untergang der deutschen Journalie liegen.

Es könnte aber auch sein, dass sich die Hundemagazine einfach zu sehr gleichen, völlig austauschbar sind und allesamt den selben Quark immer neu anrühren. Im Frühjahr gehts um überflüssige Pfunde, im Sommer um den Urlaub, im Herbst um das Herbstwetter und im Winter dreht sich alles um Weihnachten. Kennt man einen Jahrgang eines Magazins, kennt man alle.

Dabei gibt es da draussen jede Menge Konfliktstoff, jede Menge fachlicher, sachlicher aber auch pseudofachlicher und -wissenschaftlicher Gurus, die alle darauf warten, sauber und kontrovers in die Mangel genommen zu werden. Es gibt jede Woche neue Papers, die als der heilige Gral der Hundepsychologie abgefeiert werden und unzählige schöne und weniger schöne Geschichten rund um den Hund.

Und es gibt eine enorm große Zielgruppe, die all das lesen und dafür auch bezahlen würde – wenn sich denn jemand die Mühe machen würde, zu recherchieren und zu publizieren.

Gleichzeitig gibt es eine kleine, hysterische Minderheit, die sofort aufschreit, wenn ihre Heile Hundewelt in Frage gestellt wird, die vielleicht laut ist, aber bei weitem nicht so mächtig ist, wie einige Verlage oder auch Produktionsfirmen denken.

So lange sich die Hundemagazine darauf beschränken, Füllmaterial für die Lücken zwischen den Anzeigen zu produzieren, können die Leser/innen ihr Geld auch woanders ausgeben. Zum Beispiel auf dem Fischmarkt, denn da gibt’s olle Kamellen umsonst dazu.