“Früher war alles besser?”

Schwerpunkt-Thema ” Wenn Hunde zu Tyrannen werden” in DogTalking Nr. 1 – ich war dabei :-)

“Früher war alles besser?”

Ja, früher war alles besser. Früher herrschte noch Anstand und Moral, Zucht und Ordnung und beim Bäcker gab es noch Brötchen für 10 Pfennig. Und früher waren auch die Hunde besser erzogen. Zumindest ist das eine Meinung, mit der man immer wieder konfrontiert wird.

Als Begründung für diese These wird gerne angeführt, dass früher ein pragmatischerer Umgang mit Hunden gepflegt wurde und dass nicht alles so psychologisiert und analysiert wurde, wie heute. Der Hund der sich daneben benommen hat, der bekam einen Tritt und hat das nie mehr gemacht.

Doch stimmt das? Ist es richtig, dass wir mit unseren modernen pädagogischen Methoden kleine Tyrannen heranzüchten? Gilt das etwa für unsere Hunde genau wie für unsere Kinder? Und – war früher wirklich alles besser?

„Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“

Dieses Zitat stammt nicht etwa aus dem Jahr 2012, sondern vom Philosophen Sokrates, der von etwa 469 – 399 v. Chr. gelebt hat.
Wie man sieht, wurde also auch schon lange vor unserer Zeit über die unerzogene Jugend geschimpft und ich frage mich, was Sokrates wohl über die Erziehung von Hunden im antiken Griechenland gesagt hätte.

Tatsächlich könnte man den Eindruck gewinnen, dass mit der Zahl der Hundeschulen auch die Zahl der unerzogenen Hunde stetig steigt. Und man hat auch zweifelsfrei das Gefühl, dass immer mehr Menschen mit der Erziehung ihrer Vierbeiner überfordert sind. Doch ist das ein neues Phänomen oder war das schon immer so?

Erinnerung an eine Dorfkindheit

Ich kann mich gut daran erinnern, dass in dem Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, einige wirklich „böse“ Hunde gelebt haben. Wir Kinder wussten genau, an welchem Haus man besser schnell vorbeiradelt, wenn man nicht einen wütenden Dackel oder Terrier in der Wade hängen haben wollte. Jeder Landwirt, der etwas auf sich hielt, hatte einen Hofhund, der Eindringlingen gegenüber alles andere als nett war.

Doch auch im familiären Bereich lebte so manch garstiger Köter. Der Dackel meiner Eltern war bei Besuch gefürchtet, weil er sich von einer Sekunde zur nächsten augenscheinlich ohne Grund vom Schoßhund zum Beißer verwandeln konnte. Und der Schäferhund-Mix, der auf den Dackel folgte, war ein begnadeter Jäger, der viele Stunden „auf der Pirsch“ verbracht hat, während wir Kinder im Regen den Hund suchen durften.

Damals, Ende der 1970er Jahre, gab es einen wesentlichen Unterschied zu heute: Hundeerziehung war kein Problem, sie passierte automatisch und ganz nebenbei. Außerdem herrschte gerade im ländlichen Raum die Meinung vor, dass Hunde nun mal so sind.
Wenn überhaupt fand Erziehung, wenn man sie so bezeichnen wollte, auch eher im Rahmen von Unterordnung und Schutzdienst auf den Hundeplätzen statt. Das änderte sich Mitte der 1980er Jahre schlagartig, als aus den USA der Trend des Clickertrainings und die Philosophie der positiv bestärkenden Erziehung nach Deutschland schwappte.

Nach und nach eröffnete eine Hundeschule nach der anderen. Und wenn bis dahin Stachelwürger und Leinenruck die Erziehungsmittel der Wahl waren, wurde nun auf den Hundewiesen geklickert, gelobt und positiv bestärkt.
Zeitgleich wuchs auch die Zahl der Zoofachgeschäfte und der Hunde-Literatur. Und während meine Eltern ihren Dackel 1976 noch bei „Quelle“ bestellten, gab es nun jede Menge Ratgeber über Hunderassen, Erziehung, Ernährung und das passende Zubehör für Hund und Mensch.

25.000 Ratgeber mit 36.000 Meinungen

Heute gibt es etwa 25.000 Hundeschulen in Deutschland, die unterschiedlichste Philosophien und Konzepte verfolgen. Der Besuch einer Hundeschule ist mittlerweile für die meisten Menschen obligatorisch. Ein großes Problem in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass der Beruf des Hundetrainers nach wie vor nicht geschützt ist und jeder noch heute eine Hundeschule eröffnen kann, ohne eine wie auch immer geartete Qualifikation vorweisen zu müssen.

Landen unerfahrene Hundebesitzer bei einem Trainer, der vielleicht nicht in der Lage ist, das Tier richtig einzuschätzen, dann spielen sich häufig Familiendramen ab. Menschen, die sich als Versager fühlen, weil der Hund ihnen auf der Nase herumtanzt und die Frustration, wenn trotz all der Trainingsstunden einfach kein Fortschritt erzielt werden will.

Wirklich unschön wird es, wenn der Hundetrainer den Hund mangels Kenntnis schließlich als untherapierbar abstempelt und erschütterte Hundehalter sich mit dem Gedanken auseinandersetzen müssen, das Tier abzugeben oder – gerade bei Aggressionsproblemen – gar einschläfern zu lassen. Ein Vorgang, der weit häufiger geschieht, als man denken sollte und oft nur durch umsichtige Tierärzte verhindert wird, die die Euthanasie verweigern.

Hilfe, mein Hund wird zum Tyrannen

Weitere Ratschläge rund um den Hund findet man auf der Hundewiese, in Büchern, Zeitschriften, auf DVD, im Fernsehen und vor allem im Internet. Eine Vielzahl von Quellen für den ambitionierten Hundehalter sollen dabei helfen, den Hund zu einem angenehmen Begleiter zu erziehen.

Doch genau hier liegt die Krux. Das Thema Hund und vor allem Hundeerziehung wird sehr emotional und in vielen Fällen nahezu fundamentalistisch diskutiert. Schon bei der Frage, ob man seinem Hund lieber ein Geschirr oder ein Halsband anzieht, entladen sich hitzige Diskussionen.

Und wie in so vielen Bereichen des Lebens hat jede Seite gute Argumente, belegende und widerlegende Studien und natürlich jede Menge eigene Erfahrung. Das Problem ist nur, dass die Qualität der verschiedenen Argumente nicht überprüfbar ist. Wer am lautesten schreit, hat Recht und wer rhetorisch versiert ist, hat das bessere Argument. Nur ob der Ratschlag weiterhilft, oder vielleicht sogar für Mensch und Hund kontraproduktiv ist, kann man kaum überprüfen.

Für hundeliebe Menschen, die den Entschluss gefasst haben, mit einem Vierbeiner ihr Leben zu teilen, ergeben sich aus der Flut der Informationen und Meinungen jede Menge Fragen, insbesondere auch solche, die sie sich vielleicht vorher gar nicht gestellt haben. Mit dem Ergebnis, dass viele Menschen verunsichert sind, wenn es darum geht, wie die Erziehung funktionieren soll. Aus allen Ecken prasseln gut gemeinte Ratschläge auf das Mensch-Hund-Team und das Ergebnis ist dann „nicht Fisch nicht Fleisch“.

Aus den verschiedenen Quellen ergibt sich nicht selten ein pädagogischer Ansatz aus positiv bestärkendem, unerwünschtes Verhalten ignorierendem und gleichzeitig futterbelohnendem und strafenden Allerlei, das bei Nachfrage nicht erklärbar ist, nicht funktioniert und den Besitzer und seinen Hund nur frustriert. Wenn mir Kunden beim ersten Telefonat oder im Erstgespräch ihr Problem schildern, ist meine erste Frage häufig: „Haben Sie es ihm schon mal verboten?“

Was auf dem ersten Blick beinahe so klingt, als wolle ich mein Gegenüber verschaukeln, sorgt oft für einen Aha-Effekt. Bei all den Dingen, die man da ausprobiert hat, ist man auf die einfachste Möglichkeit nicht gekommen. Doch wie auch?
Bauchgefühl und gesunder Menschenverstand

Wenn es einen Unterschied zu „früher“ gibt, dann doch sicherlich den, dass wir viel mehr Informationen zur Verfügung, aber auch zur Verarbeitung haben. Und es liegt auf der Hand, dass wir bei der Suche nach einer Problemlösung dazu tendieren, möglichst zeitgemäß und modern vorzugehen. So etwas Simples, wie dem Hund einfach zu verbieten, was einem nicht passt, ist erstmal nicht modern und zeitgemäß.

Ein Verbot ist altmodisch, Ablenkung, positive Verstärkung und Desensibilisierung – das klingt gut! Und solche Begriffe kommen auch einem Bedürfnis entgegen, nämlich dem, etwas für den Hund zu tun, den wir so lieben. Für den tapsigen Welpen sind wir gerne bereit, Geld in Literatur und Zeit in Recherche zu investieren. Natürlich sind nur die neuesten Errungenschaften der Wissenschaft gut genug für den Kleinen.

Dass jedoch die „neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse“, die gerne als Verkaufsargument von Zeitschriften aber auch von Erziehungskonzepten herhalten müssen, in Bezug auf verhaltensbiologische Aspekte beim Hund alle gar nicht mehr so neu sind, wird gerne verschwiegen. Die Biologie hat ihren Fokus in den letzten Jahrzehnten immer weiter in Richtung Mikrobiologie verlagert. Heute gibt es kaum noch Programme, die sich mit Canidenforschung auseinandersetzen.

Bezogen auf die vielen neuen Trends und Erziehungswege, mit denen sich der Neu-Hundebesitzer konfrontiert sieht, heißt dies nichts anderes, als das alter Wein in neuen Schläuchen verkauft wird.

Um bei dem Bild zu bleiben: Es handelt es sich um den selben Wein, der vor 20 Jahren schon getrunken wurde – nur das er etwas reifer ist.

War jetzt früher alles besser?

Auch früher gab es unerzogene Hunde, überforderte Hundehalter und jede Menge Ratschläge. Und auch früher landeten Hunde im Tierheim oder wurden eingeschläfert. Die Vergangenheit zu romantisieren, hilft uns nicht weiter.

Doch der Trend, aus der Hundeerziehung eine philosophische Disziplin zu machen, ist in dieser Dimension relativ neu. Und auch die Anforderungen an unsere Hunde haben sich gewandelt.

Insbesondere vor dem Hintergrund der schlimmen Beißvorfälle Ende der 1990er Jahre muss ein Hund heute friedlich, unauffällig und am besten für unser Umfeld unsichtbar sein.

Um nochmal ein Beispiel aus meiner Kindheit zu bemühen: Auf einem Bauernhof wurde ich damals von einem Kettenhund gebissen. Die Reaktion auf mein Klagen war, warum ich auch so nah an den Hund herangehe. Dabei fiel auch das Wort „Depp“. So etwas wäre heute undenkbar.

Gepaart mit diesem Generalverdacht, unter dem unsere Hunde stehen und dem Druck, dass unsere Hunde sich immer und überall gut benehmen müssen, werden viele Menschen unsicher. Dazu kommen die Unmengen an Ratschlägen, Hinweisen und Philosophien, die ALLE richtig sind und für jeden Hund funktionieren.

Begrifflichkeiten wie Grenzen setzen, Autorität und Verbot, also Dinge, die nah am Hund sind und ihm die faire Chance geben würden, zu verstehen, was der Mensch von ihm will, passen nicht mehr in unsere von Harmonie und Gemeinsamkeit geprägte Gesellschaft.

Und ein Mensch, der seinen Hund im Park reglementiert, weil der sich auf einen Artgenossen stürzen will, muss sich wahlweise als unmenschlicher Rohling titulieren lassen oder wird als unfähiger Idiot abgestempelt, der seine unberechenbare Bestie nicht im Griff hat.

Und so erlebe ich heute viele Menschen, die sich solchen Situationen lieber entziehen und ihr Heil in den unzähligen Diskussionsforen suchen, ihren Hund nur noch nachts rauslassen und bei all der Liebe, die sie ihrem Vierbeiner gegenüber empfinden und all dem Engagement, dass sie in diese besondere Freundschaft investiert haben, nur eines erreicht haben: Sie haben sich einen Tyrannen gebastelt.

“Arbeitstiere, Sportgeräte auf vier Beinen oder einfach Hütehunde?”

In  der “SitzPlatzFuss” Nr. 8 aus dem Cadmos-Verlag ist Normen wieder mit einem Artikel vertreten, den Sie hier nachlesen können.

“Arbeitstiere, Sportgeräte auf vier Beinen oder einfach Hütehunde?”

Über Jahrhunderte hinweg waren sie die rechte Hand des Schäfers,heute sieht man sie selten. Laut der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH) gehören Altdeutsche Hütehunde zu den gefährdeten Tierrassen.

In den letzten Jahren lässt sich beobachten, dass die Zahl dieser Hütehunde in Privathand steigt. Während die Hunde bis vor einigen Jahren noch ausschließlich von Schäfern gehalten wurden, finden sich nun immer mehr Altdeutsche auf den Hundeplätzen und -wiesen der Republik wieder.

Feiern diese Hunde ein Comeback oder werden sie über kurz oder lang zusammen mit dem Beruf des Wanderschäfers aussterben? Und, ist es überhaupt sinnvoll, Hunde, die für die harte Arbeit an der Herde gezüchtet wurden, als Familienhunde zu halten?

Die Ursprünge

1773 wird der „Schafrüde“ in der „Ökonomischen Encyklopädie“ von J. G. Krünitz als „ein großer, starker, zotiger Hund, welcher zur Sicherheit der Schafe und Schafherde gehalten wird (…)“ beschrieben (vgl. auch Adelung, Leipzig 1793-1801).

Doch schon wesentlich früher, nämlich bereits 1186 findet der Begriff „Schafrüde“ bzw. „Scaprode“ Erwähnung – und zwar im Zusammenhang mit dem „Constitutio contra incendiarios“, einem von Friedrich I. auf dem Nürnberger Reichstag erlassenen Gesetz gegen Brandstiftung, insbesondere der Fehde, welches den Wert des Schafrüden auf drei Schillinge festlegte.

Dass die Hunde der Schäfer zu dieser Zeit Eindringlingen oder einfach nur vorbeigehenden Wanderern nicht gerade freundlich gesinnt waren, zeigt eine Reihe von Verordnungen, die sich im Laufe des Mittelalters bis ins 18. Jahrhundert immer wieder finden.

So gab es 1659 einen Erlass, dass, „(…) die schaaf-rueden und jagt-hunde, welche dem wildpret schaedlich seyn koennen, kloeppel tragen“ sollen. (CAug. II 1, 1659).

Vom Wächter zum Hütehund

Hunde, die ebenfalls die Aufgabe der heute noch bekannten Hütearbeit übernahmen, tauchten zunächst mit der Verbreitung der Merinoschafe gegen 1340 in Spanien auf. Die Wolle der Tiere war besonders kostbar und nachdem es den Spaniern gelungen war, das Land im Rahmen der Reconquista von den Mauren nach 1212 nach und nach zurückzuerobern, verblieben die von dem Angehörigen der islamisierten Berberstämme eingeführten Schafe im Land und so wuchs der Handel mit der Wolle der Tiere stetig.

Spanische Adelige beschäftigten sich mit der Zucht der Merinoschafe und da die Tiere einen hohen Wert hatten und auch als Statussymbol galten, wurden die Tiere erstmals nicht wie in der Viehwirtschaft üblich in den ländlichen Regionen gehalten, sondern in der Nähe großer Landgüter – vor den Städten und Siedlungen und somit in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Feldern der Bauern, die Lebensmittel für die Städter anbauten.

So entstand die Notwendigkeit, die Schafe von den Äckern der Bauern fernzuhalten.

Ungefähr zu diesem Zeitpunkt finden sich auf der iberischen Halbinsel Hinweise auf die ersten „Furchenläufer“, also Hunde, die eine unsichtbare Grenze zwischen Weide und benachbarten Grund ziehen, um zu verhindern, dass die Schafe die Frucht zerstören.

Die „Careas“ findet man auch heute noch in Spanien. Hier unterscheidet man zwei Schläge, den Careas Leones, ein Hund, der dem süddeutschen Tiger in Aussehen und Arbeitsleistung sehr ähnelt, und den Careas Castellano, der an den in Süddeutschland bekannten Strobel erinnert.

Während die Merinoschafe über den Landweg ihren Siegeszug von Spanien aus über die Pyrenäen und Norditalien bis hin nach Süddeutschland antraten, tauchten in der Folge in den verschiedenen Regionen auch Hütehunde auf, die den Schäfern dabei halfen, die Herden zu treiben und von der verlockenden Frucht der benachbarten Felder fernzuhalten. Beispielhaft sei hier der Cane di Pastore Oropa Biellese genannt, ebenfalls ein Hund, der in Arbeitsweise und Aussehen den altdeutschen Hütehunden ähnelt.

Es ist davon auszugehen, dass gerade die süddeutschen Schläge, wie wir sie heute kennen, außerdem mit französischen Hütehunden gekreuzt wurden. Da es im Süden Deutschlands keinen Markt für Hammelfleisch gab, haben die Schäfer regen Handel mit Frankreich getrieben. Hierbei wird es zu Berührungspunkten mit Beaucerons und Briards gekommen sein.

Einen Anhaltspunkt hierfür liefert die Tatsache, dass viele der süddeutschen Schläge die doppelte Afterkralle aufweisen, die bei den Beaucerons als vermeintliches Merkmal für gute Hüteleistung sogar den Weg in den Rassestandard gefunden hat.

Einen weiteren Anhaltspunkt bietet der traditionelle badische Rufname „Barusch“, der heute noch verwendet wird und dem Spitznamen der Beaucerons „basrouge“ („Rotsocke“ oder auch „unten rot“) ähnelt.

Während die Merinoschafe zwischen 1786 und 1802 Süddeutschland auf dem Landweg erreichten, ist nachgewiesen, dass sie bereits ab 1766 auf dem Seeweg Sachsen erreichten.

Vermutlich wurden von den Seeleuten neben den Schafen auch der Euskal Artzain Txakurra, der traditionelle Hirtenhund der Basken, der auf verblüffende Weise dem (mitteldeutschen) Fuchs ähnelt, mitgebracht.

So wird vermutet, dass diese eingeführten Hunde mit den zur Verfügung stehenden Bauernschlägen gekreuzt wurden und sich hieraus schließlich die heutigen mitteldeutschen Schläge entwickelt haben.

Eine Ausnahme bildet der Westerwälder (Siegerländer) Kuhhund, der schon früher Erwähnung findet und sich vermutlich aus den zur Verfügung stehenden regionalen Bauernhunden entwickelt hat. Viele der Bauern im Mittelalter besaßen nur eine oder zwei Kühe und so gab es von den Gemeinden eingestellte Kuhtreiber, welche die Tiere am Morgen „eingesammelt“ haben und zu den Weiden getrieben haben. Diese Kuhtreiber nahmen Hunde zur Hilfe, die verhinderten, dass das Vieh sich von der Gruppe entfernte.

Vom Altdeutschen Hütehund zum Deutschen Schäferhund

Max von Stephanitz war begeistert von den Hütehunden und er war es schließlich auch, der 1898 den Rüden „Hektor von Linksrhein“ kaufte, in „Horand von Grafrath“ umbenannte und so den Grundstein für den berühmten Enkel der Altdeutschen Hütehunde legte: Den Deutschen Schäferhund.

Während dieser sich zum beliebtesten Hund der Deutschen – und immer weiter weg von seinem ursprünglichen Aufgabengebiet und Aussehen – entwickelte , verblieben die Hüteschläge in den Händen der Wanderschäfer.

Da die Schäfer ihre Hütehunde in aller erster Linie für den Eigenbedarf züchteten und so gut wie kein Welpe in Privathand gegeben wurde, reduzierte sich entsprechend der Bestand der Hütehunde mit dem Rückgang der Wanderschäfer in Deutschland.

1989 gründeten schließlich einige Schäfer mit Unterstützung von Dr. Karl-Hermann Finger, dem Autor des Buches „Hirten- und Hütehunde“, die Arbeitsgemeinschaft zur Zucht Altdeutscher Hütehunde (AAH), die sich für den Erhalt der nunmehr vom Aussterben bedrohten Hütehunderassen einsetzt.

So ist der Bestand der Westerwälder Kuhhunde heute massiv bedroht, da es kaum noch Landwirte gibt, welche die Kuhherde von einer Weide zur nächsten treiben. Die GEH ermittelte 2006 eine Population von nur noch ca. 30-40 weitgehend reinrassigen Tieren. Doch auch die anderen Schläge der Altdeutschen werden auf der Roten Liste als gefährdete Haustierrasse geführt. So wird der Bestand aller Schläge deutschlandweit auf ca. 3000 Tiere geschätzt (Stand 2009). Zum Vergleich: Nach Aussage des Vereins für deutsche Schäferhunde (SV) werden jährlich ca. 20.000 Schäferhundwelpen in das Zuchtbuch des Vereins eingetragen.

Individualisten

Anders als die anerkannten Hütehundrassen, wie der BorderCollie oder der Berger des Pyrénées, sind die Altdeutschen Hütehunde keine Rasse, vielmehr unterscheidet man hier die verschiedenen regionalen Schläge. Je nach Region und Einsatzgebiet unterscheiden sich die Tiere stark voneinander. So finden sich z.B. zott- , roll- und lang-stockhaarige Hunde ebenso wie Steh-, Kipp- und Hängeohren. Dem entsprechend sind Altdeutsche Hütehunde auch nicht von der Fédération Cynologique Internationale (FCI) oder vom Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) als Hunderasse anerkannt.

Gemeinsam haben die Hunde, dass sie mit Blick auf ihre Arbeitseigenschaften und auf die Umgebung, in der sie arbeiteten, hin selektiert wurden. Wetterhärte, Leichtfuttrigkeit und Widerstandsfähigkeit standen und stehen im Vordergrund der Zucht.

Nicht umsonst vergleichen viele Schäfer ihre Hunde mit einem Werkzeug. Die Tiere sollen einfach zu handhaben zu sein, langlebig und unempfindlich. Zuverlässigkeit ist wichtig, Aussehen spielt dabei eine untergeordnete Rolle.

Heute unterscheidet man grob sieben bzw. acht verschiedene Schläge: Gelbbacken, Füchse, Schwarze, Tiger, Schafpudel, Strobel sowie die Westerwälder/Siegerländer Kuhhunde, die wie erwähnt ihren Hauptaufgabenbereich in der Arbeit am Großvieh hatten. Als Stumper bezeichnet man solche Hunde, die mit einer Stummelrute auf die Welt kommen.

Aufgabengebiet

Im Gegensatz zu bekannten Hüte- und Treibhundrassen anderer Länder gelten die Altdeutschen und insbesondere die Süddeutschen Schläge als nicht besonders leichtführig.

Da die Wanderschäfer wenig Geld hatten und so meist nur ein oder zwei Hunde ernähren konnten, wurden nur die am besten geeigneten Welpen behalten und die anderen Tiere des Wurfes getötet.

So müssen die Hunde ausdauernde Läufer sein und, nachdem sie viele Stunden an der Herde gearbeitet haben noch fähig sein, dem Schäfer dabei zu helfen, die Schafe einzupferchen oder ggf. zurück zum Stall zu treiben.

Außerdem müssen die Altdeutschen eigenständig in großer Entfernung zum Schäfer arbeiten können. So laufen die Hunde „Furche“ und ziehen so eine unsichtbare Linie zwischen dem Gehüt und den benachbarten Grundstücken, um zu verhindern, dass die Frucht des Nachbarfeldes durch die Schafe zerstört wird.

„Nascher“, also Schafe, die sich vom Gehüt entfernen wollen, um Futter vom Nachbarn zu stibitzen, werden von den Hunden wieder zurück zur Herde getrieben.

Hierbei setzt der Hund den sogenannten „Griff“ an, d.h. er beißt dem Schaf in ein bestimmtes Körperteil, ohne dabei Schaden anzurichten, also das Tier zu verletzen.

Dieser Griff kann ein Nacken-, Rippen- oder Keulengriff sein, greift der Hund ständig zu hart zu oder zeigt einen falschen Griff (z.B. zum Bauch), dann ist er als Herdengebrauchshund ungeeignet.

Neben diesen Eigenschaften sollen die Tiere außerdem ernstzunehmende Wächter für die Herde und Schutzhund für den Hirten sein, so entstand also eine Kombination aus Herdenschutzhund und wendigen Hütehund.

Der Hütehund als Couchpotatoe

Seit einigen Jahren finden sich vermehrt Altdeutsche Hütehunde in Privathand.Über die Sinnhaftigkeit, einen solchen Hund in der Familie zu halten, streiten sich die Geister.

Viele Schäfer sind in Sorge, dass die Tiere nach und nach ihre Leistungsfähigkeit verlieren könnten, wie es bei anderen Rassen immer wieder zu beobachten war.

Die Befürworter argumentieren indes, dass man für den Erhalt der Hunde auf Privatleute angewiesen sei, da der Berufsstand des Schäfers und insbesondere die Wanderschäferei immer weiter schrumpft.

Fest steht, dass sich Hütehunde, egal ob es sich um Altdeutsche oder andere Rassen wie Border Collie, Cattle Dog, Kelpie und in letzter Zeit vor allem Australian Shepherd handelt, großer Beliebtheit auch bei Menschen erfreuen, bei denen die Tiere keiner „geregelten Arbeit“ nachgehen können.

Und während es viele Beispiele dafür gibt, dass auch Fuchs, Strobel und Co. erfolgreich als Familenhund gehalten werden können, landen auf der anderen Seite immer mehr solcher Tiere im Tierschutz.

Welche Gründe dazu führen, dass die Zahl der Hütehunde, die auf Grund unerwünschten Verhaltens oder Überforderung (meistens gehen die beiden Gründe Hand in Hand) abgegeben werden, in der letzten Zeit massiv angestiegen ist, und was angehende Besitzer eines solchen Hundes beachten sollten, versuche ich auf den nächsten Seiten zu erörtern.

Vom Arbeitstier zum Obdachlosen

Besonders häufig finden sich in letzter Zeit Australian Shepherds in den Merle-Varianten aber auch Altdeutsche Tiger bei uns im Tierheim. Der Merle-Faktor, also die „bunte“ Fellfarbe, erfreut sich momentan größter Beliebtheit, was zur Folge hat, dass gerade solche Tiere oft aus einer ersten Verliebtheit heraus gekauft und mit der Einsicht, dass man sich verschätzt und übernommen hat, auch häufig weitergegeben werden.

In den letzten Monaten wurden wir immer wieder gefragt, ob wir blinde oder taube Merle-Hunde aufnehmen könnten. Diese stammten meist aus Verpaarungen zweier Tiger von verantwortungslosen Vermehrern oder ahnungslosen Züchtern, denen nicht bewusst ist, welche Folgen das Verpaaren von Merle x Merle hat und das dies nicht umsonst verboten ist.

Dazu kommen Mixe, meistens Border Collie-AH-Kreuzungen, die aus privaten Zuchten stammen. Hin und wieder bekommen wir auch Strobel, zumeist Rüden, die im besten Alter ihren Besitzern klargemacht haben, was sie von aufgestellten Regeln halten.

Seltener im Tierschutz, dafür sehr häufig in der Hundeschule, finden sich Füchse und die mitteldeutschen Tiger, da diese Hunde als etwas leichtführiger gelten und es meiner Erfahrung nach seltener zu einer Eskalation kommt.

Nahezu alle Abgabetiere, die wir bekommen, haben Probleme mit mangelnder Frustrationstoleranz und können kaum ertragen, wenn sie z.B. einem Bewegungsreiz nicht nachgeben dürfen. Die Hunde haben Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, wirken hypernervös und neigen bei Unterbrechung von Fehlverhalten zum Schnappen.

Viele der Hunde zeigen unerwünschtes Jagdverhalten sowie AggressionsVerhalten gegenüber Menschen sowie Unverträglichkeit gegen Artgenossen.

Schließlich sind wir hin und wieder mit Hunden konfrontiert, die Stereotypien und Verhaltensstörungen wie Flysnapping, Kreiseln oder Autoaggressionen zeigen.

Gründe für die Anschaffung

Viele Menschen sind begeistert von der Intelligenz und dem „Will to Please“, den man bestimmten Hütehundrassen wie dem Border Collie oder dem Australian Shepherd nachsagt.

Solche Menschen sehnen sich nach einem pfiffigen und aktiven Familienbegleithund, der eine schnelle Auffassungsgabe besitzt, gerne lernt und sich unkompliziert ins Familienleben einfügt.

Dazu kommt, dass das Potential der Hunde häufig unterschätzt wird, was sicherlich mit der romantisierten Darstellung z.B. von Border Collies in den Medien zu tun hat.

Hündin Fly adoptiert im Film „Ein Schweinchen namens Babe“, Rico kann über 100 Gegenstände auseinanderhalten und schafft es so mit seiner Begabung ins Fernsehen.

Wenn man Bilder und Videos solcher Hunde im Internet oder in Zeitschriften sieht, dann handelt es sich zumeist um strahlende Turniersieger, sensible Therapiehunde oder um echte Helden, die untermalt von romantischer Musik Schafe in Schottland oder Wales hüten.

Den neurotischen Tapetenfresser und unberechenbaren Beisser hingegen sieht man kaum in den Hundezeitschriften oder auf den Internetseiten der Züchter.

Bei den Altdeutschen Hütehunden aber auch bei Kelpies, Cattle Dogs und anderen Hunden, die nach wie vor ihrer ursprünglichen Aufgabe nachgehen, steht meiner Meinung nach häufig der Wunsch nach etwas besonderen, einem Stück „unverdorbener Natur“ mehr oder weniger unbewusst im Mittelpunkt.

Die Hunde sind von einer Aura umgeben, die sie besonders macht. Sie gelten als urig, sind vom Aussterben bedroht und sehr selten. Außerdem stellen sie eine Herausforderung für den ambitionierten Hundehalter dar. Gelingt es, den Hund „zu bändigen“, ist einem der Respekt anderer Tierfreunde auf der Hundewiese sicher.

Nicht umsonst sagte ein prominenter Hundetrainer mal zu einer Besitzerin eines jungen, unbändigen Altdeutschen Tigers: „Wenn Du ihn hinbekommst, hast Du einen großartigen Hund, wenn nicht, ein großes Problem.“

Dazu kommt sicherlich das Bild des Schäfers und seinem treuen Hund, draußen in der Natur.

Dass die Arbeit der Schäfer und damit die der Hütehunde alles andere als romantisch ist, dass die Tiere sehr robust und selbstbewusst sein müssen, wird dabei leider häufig vergessen.

Und dass ein Hund, der auch dann noch nachsetzen muss, wenn der Hammel oder die Kuh einen Tritt platzieren konnte, sich nicht unbedingt von einem netten Menschen beeindrucken lässt, müssen viele Halter eines solchen Hundes früher oder später selber erfahren.

Dabei ist schon der Begriff „Hütehund“ irreführend, da das, was die Hunde an der Herde machen, nicht mit „Hüten“ im Sinne von Schützen oder Bewahren zu tun hat. Der Begriff „Herdengebrauchshund“ oder „Working Sheep Dog“ ist hier deutlich passender.

Showlinie vs. Arbeitslinie

Bei vielen Rassen unterscheiden Züchter zwischen Show- und Arbeitslinien. Hiermit ist salopp gemeint, dass die Vorfahren des Hundes gearbeitet haben oder ob die Tiere „auf Schönheit“ gezüchtet wurden. Gerade bei Hütehunden findet sich von Verkäuferseite häufig die Argumentation, dass der Welpe aus einer Showlinie stammt und deshalb für eine Familie besonders gut geeignet ist, da er über keinen so hohen „Hütetrieb“ verfügen würde.

Abgesehen von den Auswirkungen auf die Rassegesundheit, die gegeben sein können, wenn ausschließlich hinsichtlich äußerlicher Merkmale hin selektiert wird, möchte ich doch in Frage stellen, auf welcher Basis eine solche Aussage fußt.

Denn nur weil ein Hund bestimmten Schönheitsidealen entspricht und nie an einer Herde gearbeitet hat, verfügt er doch über das entsprechende genetische Potential dazu.

Die Selektion der Showlinien beschränkt sich auf das Aussehen und nicht auf ein bestimmtes Verhalten. Und so finden sich sehr oft Hunde aus einer „Showlinie“, die trotz ihrer äußerlichen Attribute hervorragende Hütehunde sind und dies auch zeigen – sehr zum Leidwesen ihrer Besitzer.

Auf der Suche nach dem richtigen Hund

Bei den Altdeutschen findet sich derweil keine Unterscheidung hinsichtlich irgendwelcher Linien, auch wenn es mittlerweile Menschen gibt, die eine solche gerne sehen würden.

Hunde, die in Privathand landen, wurden meistens von Schäfern als „untauglich“ ausgemustert oder stammen von Hobbyzüchtern, die auf den einschlägigen Internetportalen Welpen anbieten.

Wenn ein Schäfer einen – älteren – Hund abgibt, weil dieser für die Arbeit nicht geeignet ist, kann dies verschiedene Gründe haben, die der interessierte Hundefreund hinterfragen sollte.

Manchmal finden sich auch bei den Altdeutschen im Wurf Hunde, die sich nicht „schicken“ lassen, am Menschen förmlich kleben oder kaum Interesse an den Schafen zeigen. Ein solcher Hund kann für das Familienleben ein wahrer Glücksfall sein und wird die Nähe zu seinen Menschen genießen, während er für den Schäfer nur eine Belastung darstellt.

Häufiger jedoch werden Hunde abgegeben, weil sie an den Schafen Schaden anrichten oder zum „Wildern in der Herde“ neigen. Ein Hund, der dermaßen überambitioniert an seine Arbeit geht, wird dieses Verhalten auch in die Familie tragen, mit dem Ergebnis, dass Probleme hier vorprogrammiert sind.

Gibt ein Schäfer Welpen ab, so sollte man sich außerdem immer darüber bewusst sein, dass er die wesensstärksten und robustesten Tiere an Schäferkollegen geben wird und der Privatmensch die Welpen zur Auswahl hat, die der Schäfer „aussortiert“ hat.

Des Weiteren sollte man sich darüber im Klaren sein, dass die Aufzucht der Hunde in Schäferhand nicht unbedingt mit der bei einem Züchter vergleichbar ist. Zwingerhaltung ist normal, auch Anbindehaltung findet man häufig vor und wichtiger noch: Die Welpen werden hinsichtlich ihres späteren Verwendungszwecks sozialisiert – und dieser unterscheidet sich meistens deutlich von den Anforderungen, die das Leben in einer Familie mit sich bringt. Bällchenbäder, Familienanschluss, Geräusche-CDs und Spielzeug wird man meist vergeblich suchen.

Eine andere Möglichkeit, einen Altdeutschen Hütehund zu finden, sind wie schon beschrieben die zahlreichen Angebote im Internet.

Insbesondere der Harzer Fuchs und Hunde, die den Merle-Faktor in sich tragen, erfreuen sich großer Beliebtheit und dem entsprechend gibt es viele Hobbyzüchter, die solche Welpen anbieten –meistens mit dem Hinweis, dass es sich hierbei um tolle Hunde für Sportarten wie Agility handelt, und selbstverständlich wird auch betont, dass es sich um eine sehr seltene Rasse handelt.

An dieser Stelle möchte ich nicht näher darauf eingehen, woran man einen seriösen Züchter erkennt, natürlich sollte sich jeder Interessent diesbezüglich vorab informieren und mit offenen Augen und kritischen Fragen zum Welpenbesichtigen fahren. Erstaunlich ist jedenfalls, wie viele vermeintliche Füchse und Tiger für teils horrende Preise im Internet gehandelt werden.

Um sicher zu gehen, dass man auch einen Altdeutschen Hütehund erwirbt, gibt es schließlich die Möglichkeit, sich für einen Hund von einem der AAH (Arbeitseigenschaft zur Zucht Altdeutscher Hütehunde) angeschlossenen Züchter zu entscheiden. Diese Welpen verfügen über Papiere, aus denen ersichtlich wird, wer die Vorfahren waren.

Hunde mit AAH-Papieren erfreuen sich mittlerweile großer Beliebtheit bei Privatleuten, es muss an dieser Stelle jedoch festgehalten werden, dass es viele Schäfer und auch andere Züchter gibt, die „echte“ Altdeutsche auch ohne Papiere züchten. Oder um es mit einer befreundeten Schäferin zu sagen: „Papier hütet keine Schafe.“

Ursachen für Verhaltensprobleme

Wenn man im Internet, in Zeitschriften und Büchern über die Erziehung von Hütehunden recherchiert, findet man immer wieder den Hinweis, dass diese Tiere unbedingt ausgelastet werden müssen, weil sie ansonsten Neurosen, Verhaltensstörungen usw. entwickeln würden.

Dies wird auch von Züchterseite und sogar auf der Internetseite der AAH immer noch weitestgehend undifferenziert verbreitet, so dass viele neue Welpenbesitzer mit dem Wunsch, ihren Hund zu fördern, erst mal ins Zoofachgeschäft gehen, sich mit allerlei Spielzeug eindecken und ihren Hund im nächsten Hundesportverein anmelden.

Vor lauter „Auslastungsanspruch“ bleibt jedoch unerwähnt, dass mit der vermeintlich hohen Notwendigkeit der Beschäftigung auch gewisse Gefahren für den noch jungen Hund verbunden sein können, wenn diese nicht verantwortungsvoll und dem Entwicklungsstand des Hundes entsprechend stattfindet.

Und so haben manche Hunde mit wenigen Lebensmonaten bereits ein Programm wie ein 12-jähriges Mädchen mit überambitionierten Eltern: Montags Ballet, dienstags Geigenunterricht usw.

Dabei spricht an sich überhaupt nichts dagegen, auch den Junghund zu beschäftigen. Ganz im Gegenteil, es ist sogar zu empfehlen, das Tier zu fördern – und zwar in den in Bereichen, in denen es nicht so talentiert ist.

Schnell ist ein Hütehund aufgrund seiner Disposition, aber wie sieht es mit Konzentration aus? Mit Ruhe halten oder feinmotorischen Fähigkeiten?

Ein befreundeter Hundetrainer hat nannte es so: „Wenn Dein Kind gut in Mathe und schlecht in Geschichte ist, dann fängst du ja auch nicht an, mit ihm Mathematik zu üben.“ Ähnlich verhält es sich mit den Hunden.

Es stellt sich also die Frage, welche Beschäftigung für einen solchen Hundetyp geeignet ist.

Es gibt bestimmte Hundetypen, die von ihrer Disposition her dazu neigen, stark auf bestimmte Angebote wie z.B. Bewegungsreize zu reagieren und dann ein übersteigertes Beutefangverhalten bis hin zu einer wahren Sucht mit all ihren körperlichen und geistigen Auswirkungen zu entwickeln.

Hierzu würde ich neben den Hütehunden z.B. auch bestimmte Terrier-Typen zählen.

Die Bedürfnisse des Schäfers, nicht die des Hundes

Voraussetzung für bewegungsintensive Beschäftigung wie z.B. Agility sollte also sein, dass das Tier die nötige Reife hat und in der Lage ist, Bewegungsreizen auch zu widerstehen.

Der Schäfer nimmt seinen Junghund mit an die Herde und bindet ihn am Feldrand an. Während er mit seinen Hunden und den Schafen arbeitet, lernt der junge Hund, Frustration zu ertragen und nicht jedem Reiz hinterherzujagen. Erst, wenn er diese Eigenschaft sicher besitzt, darf er – zunächst angeleint – auch an die Schafe.

Bei der Erziehung und dem Zusammenleben mit ihrem Hund haben jedoch viele Menschen in allererster Linie die Bedürfnisse des Tieres vor Augen.

Verschiebt man den Fokus vom Hund hin zum Hirten und macht sich bewusst, welche Ansprüche der Schäfer an seinem Hund hat, dann kommt man schnell zu dem Schluss, dass dieser einen Helfer benötigt, der in der Lage ist, Ruhe zu halten, auf Kommando jedoch hellwach ist.

Ein Schäfer kann keinen Hund gebrauchen, der durch ständige Bewegung die Schafe am Fressen hindert, jedem Kaninchen hinterherjagen muss oder jeden Wanderer belästigt, der an der Herde vorbeikommt.

Aus diesem Grund wird mit dem jungen Hütehund im ersten Lebensjahr oft konsequent nichts getan, außer dass er dem Hirten und den anderen Hunden bei der Arbeit zusehen darf und gut behandelt wird. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Hund in dieser Zeit nichts lernen würde – ganz im Gegenteil: Der Hund lernt, gelassen auf Außenreize zu reagieren und diese zu differenzieren – eine unendlich wichtige Voraussetzung für einen guten Arbeitshund.

Training mit Gefahrenpotential

Häufig sieht man gerade bei Hundesport-Turnieren völlig aufgedrehte, kläffende Hunde, die deutliche Stressmerkmale wie starkes Hecheln usw. zeigen. Diese Verhaltensweisen werden von den Besitzern dann gerne als „Vorfreude“ interpretiert.

Tatsächlich ist diese Aufgedrehtheit nicht selten das Ergebnis einer viel zu frühen Fixierung auf Bewegungsreize, ohne dass der Hund die notwendige Souveränität und Reife hatte.

So gibt es einige Sachbücher im Bereich Agility, in denen den Haltern empfohlen wird, bereits mit acht Wochen unter Zuhilfenahme von Reizangeln, Bällen und anderen Wurfgegenständen den „Spieltrieb“ der Hunde zu fördern.

Was tatsächlich geschieht, ist das gezielte Training des Beutefangverhaltens – mit dem Ergebnis, dass die Hunde unter Umständen irgendwann auf jede Bewegung reagieren, egal ob vorbeifahrendes Auto, Radfahrer oder rennendes Kind. Häufig mit dramatischen Folgen für die Umwelt oder den Hund.

So ist es nicht erstaunlich, dass ich persönlich keinen Schäfer kenne, der Probleme mit dem Jagdverhalten seiner Hunde hätte, gleichzeitig genau dieses Problem den Großteil der Hütehundehalter in unsere Hundeschule treibt.

Ein Hund, der dergestalt auf Bewegungsreize fokussiert wurde, zeigt im Laufe der Zeit häufig sehr nervöses Verhalten, welches von einer inneren Unruhe und der Unfähigkeit zur Entspannung geprägt ist.

Häufig erleben wir Abgabe-Hunde, die – sobald sie zur Ruhe gefunden haben – völlig erschöpft tagelang durchschlafen.

Stellt man einen solchen Hund vor eine ihm unbekannte Aufgabe, lässt sich nicht selten beobachten, dass er alle ihm bekannten Tricks abspult und schließlich – mangels Erfolg – in hysterisches Kläffen verfällt.

Fatalerweise wird genau dieses unruhige Verhalten wiederrum oft als mangelnde Auslastung interpretiert und der Besitzer bemüht sich, dem Hund noch mehr Beschäftigung zukommen zu lassen.

Ein Teufelskreis, der nicht selten in einer Änderung der chemischen Prozesse im Gehirn und damit zu einer Verhaltensstörung beim Hund führt.

Dem jungen Herdengebrauchshund eine Entwicklung zu ermöglichen, die ihn zu einem ausgeglichenen Begleiter auch für die Familie werden lässt, ist also prinzipiell machbar, wenn man sich bewusst ist, welche grundlegenden Fähigkeiten ein solcher Hund erlernen sollte, BEVOR man in bewegungsintensive Sportarten einsteigt.

Sportgeräte auf vier Beinen?

Leider erleben wir immer wieder, dass bestimmte Menschen weniger auf der Suche nach einem Hund sind, als nach einem Sportgerät, das möglichst schnell spektakuläre Leistungen erbringen soll.

Und wenn bis vor ein paar Jahren der Border Collie das „Gerät der Wahl“ war, so finden sich nun gerade im Agility viele Menschen, die auf den Altdeutschen Hütehund zurückgreifen – sozusagen als „Border Collie für Fortgeschrittene.“ Dies hängt sicherlich auch damit zusammen, dass diese Hunde allenthalben als geradezu prädestiniert für diesen Sport beschrieben werden.

Dabei möchte ich gerade hinsichtlich der Altdeutschen hinterfragen, wie sinnvoll ein Hundesport für diese Tiere ist, bei dem sie einem vorgegebenen Parcours absolvieren sollen, wie es beim Agility der Fall ist.

Eine Eigenschaft der Hunde ist schließlich, bei der Arbeit recourcenschonend vorzugehen, kurze Wege zu wählen und pragmatische Lösungen zu finden. Immerhin müssen sie viele Stunden täglich laufen. Ein vorgegebener Parcours, der für den Hund „unlogische“ Umwege enthält, widerspricht dem Wesen der Hunde, die z.B. beim Furche laufen oder beim Zurückholen von Naschern den direkten Weg wählen würden.

Dennoch möchte ich festhalten, dass grundsätzlich nichts dagegen spricht, mit einem Altdeutschen Agility oder andere bewegungsorientierte Sportarten zu betreiben, wenn der Hund die nötige Reife hat und sein Besitzer das notwendige Verantwortungsbewusstsein für seinen Hund.

Hüteseminare

Einen weiteren Trend bei der Beschäftigung von Herdengebrauchshunden im privaten Bereich stellen Hüteseminare dar. Der Gedanke, dass man seinem Hütehund etwas Gutes tut, in dem man ihn mal „Herdenluft“ schnuppern lässt, liegt zunächst auf der Hand. Das Problem ist jedoch, dass diese Hunde eben nicht dauerhaft hüten dürfen, man ihnen also eine tolle Möglichkeit aufzeigt, der sie danach nicht nachkommen dürfen.

Ähnlich wie ein Kind, dem Eltern die schöne Welt des Schlagzeugspiels zeigen, um direkt danach klarzustellen, dass in der hellhörige Mietwohnung kein Schlagzeug willkommen ist.

Das ist nicht nur gemein, es könnte auch dazu führen, dass das Kind – einmal angefixt – eben mit den zur Verfügung stehenden Töpfen seiner neuen Leidenschaft nachgeht. Ärger mit den Nachbarn vorprogrammiert …

Auf den Hund bezogen, kann es passieren, dass der Hund anfängt, statt Schafe dann eben die vorbeilaufende Gruppe Kinder zu hüten, was dann nicht nur für die Kinder unangenehm wird, sondern auch für den Hundehalter.

Abgesehen davon handelt es sich beim Hüten um Bestandteile aus dem Funktionskreis des Jagdverhaltens, so das von den Border Collies nahezu perfektionierte Fixieren aber auch das Treiben und im Falle des Griffs das Packen der „Beute“.

Kein Besitzer eines Dackels käme auf die Idee, seinen Hund zur Beschäftigung mal in einen Fuchsbau zu schicken, nur weil es zum ursprünglichen Aufgabengebiet des Hundes gehört.

Leider finden sich zudem viele unseriöse Anbieter solcher Seminare. Hier sollte man immer einen Blick auf die Schafe werfen und wie sie sich verhalten. Sind sie extrem scheu und machen einen gestressten Eindruck, würde ich immer empfehlen, sich samt Hund ins Auto zu setzen und nach Hause zu fahren.

Apropos Schafe: Die Idee, sich einige Schafe oder auch Laufenten anzuschaffen, damit der Hund diese im Pferch oder im Garten „hüten“ kann, ist übrigens als tierschutzrelevant anzusehen.

Sinnvolle Beschäftigung

Doch welche Beschäftigungsform eignet sich eigentlich für einen Altdeutschen? Und kann man ihn überhaupt körperlich auslasten?

Die Frage nach der körperlichen Auslastung ist schnell beantwortet.

Einen Hund, der wie schon erwähnt über Jahrhunderte dahingehend selektiert wurde, viele Stunden am Tag zu laufen und schließlich trotz körperlicher Erschöpfung noch dabei zu helfen, die Schafe zu pferchen, wird man körperlich nicht auslasten können.

Hierzu müsste der Hund die Möglichkeit haben, 7-8 Stunden täglich zu laufen – ein Pensum, das selbst ambitionierteste Hundesportler ihrem Hund nicht bieten können.

Die Frage sollte daher vielmehr lauten, ob ein Hütehund ein solches Programm tatsächlich benötigt, um ein tiergerechtes Leben führen zu können.

Hier lautet die Antwort „Ja, aber“. Vorausgesetzt, man weiß um das Potential dieser Hunde, verzichtet darauf, dieses zu fördern und legt gerade in den ersten Lebensmonaten Wert darauf, dass sie ein hohes Maß an Ruhe und Frustrationstoleranz erlernen, dann können solche Hütehunde zu souveränen Begleitern im Alltag werden.

Ein bekannter Besitzer dreier Altdeutscher hat mal gesagt: „Ein Altdeutscher Hütehund will Dir bei irgendetwas helfen, bei was, ist ihm egal“.

Dies kann auch das schlichte, aber so wertvolle gemeinsame Spazierengehen sein, der Besuch im Café, der Sozialkontakt mit Artgenossen oder eben auch das Agility-Turnier oder Rettungshundearbeit.

Quo Vadis, Altdeutscher Hütehund

Ähnlich wie viele Border Collies im Zuge ihrer steigenden Popularität Teile ihrer Arbeitseigenschaften verloren haben, finden sich schon heute vermehrt auch Altdeutsche Hütehunde, die nicht mehr die gewünschten Eigenschaften mitbringen, die sie einst für die Schäfer unersetzbar gemacht haben.

Zwar gab es auch schon früher immer wieder Hunde, die für die Hütearbeit ungeeignet waren und so ihren Weg in Privathand gefunden haben, wenn sie nicht getötet wurden.

Gerade in den letzten zwei Jahren lässt sich jedoch beobachten, dass immer mehr Hunde angeboten werden, die den Anforderungen des Schäfers nicht mehr genügen würden. Und so ergibt sich die paradoxe Situation, dass zwar der Bestand der Hunde wieder zunimmt, die Schäfer jedoch mittlerweile Schwierigkeiten haben, geeignete Tiere zu finden, wenn sie nicht gerade selber züchten.

Wann ist ein Hütehund ein Hütehund?

Dazu kommt, dass viele Hunde als „Altdeutsche Hütehunde“ angepriesen werden, die zwar einem Hütehund ähnlich sehen, aber keine oder nur wenige der gewünschten Leistungsmerkmale in sich vereinen. Diese Hunde landen dann wieder bei Hobbyzüchtern und werden verpaart.

Interessanterweise findet man auch auf den einschlägigen Tierschutzseiten im Internet immer mehr „AH-Mixe“, was darauf schließen lässt, dass ein „Markt“ für diese Tiere besteht und einige Tierschutzvereine sich erhoffen, die Vermittlungschance ihrer Schützlinge durch das Prädikat „Altdeutscher Hütehund“ zu erhöhen.

All diese Umstände lassen beinahe vergessen, worum es den Schäfern einmal ging.

Und wenn man sich nochmal vergegenwärtigt, was die Altdeutschen eigentlich ausmacht und darüber nachdenkt, in welche Richtung sich die Zucht und die Haltung der Hunde – außerhalb der Schäfereibetriebe – derzeit entwickeln, neige ich dazu, diesen tollen Hunden zu wünschen, dass sie in Würde und ohne die Tortur menschlichen Ehrgeizes und zu erwartender züchterischer Übertreibung aussterben dürfen.

„Macht Rassezucht unsere Hunde krank?“

In  der “SitzPlatzFuss” Nr. 7 aus dem Cadmos-Verlag findet sich ein Interview mit dem Kynologen und Huderassenexperten Gerd Leder, welchen Normen geführt hat. Den Artikel können Sie hier nachlesen:

Macht Rassezucht unsere Hunde krank?

Gleich zu Beginn des 6. Leipziger Tierärztekongresses im Januar 2012 stand ein heikles Thema auf der Tagesordnung der Veranstaltung: „Macht die Rassezucht unsere Hunde und Katzen krank?“

Im Blickpunkt der Referenten standen die sogenannten brachyzephalen, also kurznasigen Hunderassen wie z.B. Mops und englische Bulldogge.

Eine Studie der Kleintierklinik der Universität Leipzig unter Besitzern solcher Hunde ergab, dass viele der Tiere unter Atemprobleme leiden. Ein Drittel der Tiere ist sogar schon einmal aufgrund von Atemnot umgefallen, über die Hälfte von ihnen hat dabei das Bewusstsein verloren.

Doch nicht nur bei kurznasigen Hunden gibt es in den letzten Jahren vermehrt gesundheitliche Probleme. Beinahe die Hälfte der durch den FCI anerkannten Hunderassen zeigen Dispositionen für Erbkrankheiten.

Ob Augenprobleme, Allergien, Epilepsie – insgesamt sind heute über 500 Erbkrankheiten bei unseren Rassehunden bekannt.

Wie kann es sein, dass sich diese Krankheiten in den letzten Jahren derart ausgebreitet haben?

Wir sprachen mit Gerd Leder, Kynologe, Hundetrainer und ausgewiesener Kenner der Ursprünge unserer heutigen Rassehunde über die Gesundheit der Rassehunde, über Zucht und über unser heutiges Verhältnis zu unseren Hunden.

Hallo Gerd, in letzter Zeit habe ich den Eindruck, dass immer mehr Hunderassen von Gesundheitsproblemen betroffen sind. Stimmt das?

Meiner Meinung nach hat sich dieser Trend in den letzten Jahren nicht verstärkt, vielmehr ist unsere Gesellschaft transparenter geworden. Ich denke, dass die Problematik mit den Erbkrankheiten ihren Anfang in den 1970er und 1980er Jahren genommen hat. Allerdings wurden solche Probleme damals eher verschwiegen, beschönigt oder gar vertuscht.

Dies ist zwar auch heute noch der Fall, allerdings sind die Hundebesitzer heute mehr vernetzt, treffen sich bei Tierärzten, chatten und tauschen sich in Foren aus. So kommen immer mehr Details über Gesundheitsprobleme ans Licht, die früher noch als absolute Insiderinformationen gehandelt wurden.

Deshalb glaube ich, dass die vielen Erbkrankheiten schon viel früher bekannt waren und es sich nicht um einen Trend der letzten paar Jahre handelt.

Ist es richtig, dass sich die Gesundheitsproblematik in der Hundezucht darauf zurückführen lässt, dass Hunde nicht mehr auf ihren Arbeitseinsatz hin gezüchtet wurden, sondern nunmehr auf Äußerlichkeiten?

Es gibt noch einen weiteren entscheidenden Punkt. Nicht nur die Fokussierung weg von Leistungsfähigkeit hin zu Schönheit sondern auch die Möglichkeiten der Ernährung, der veterinärmedizinischen Versorgung und der Prophylaxe haben es ermöglicht, dass Hunde – mittlerweile auch solche die arbeiten – in die Zucht gelangen konnten, obwohl sie z.B. hoch allergisch auf bestimmte Futtermittel reagieren. Für solche Hunde gibt es Spezialdiäten. Andere Tiere können vielleicht nur unter bestimmten Bedingungen ihre Leistung zeigen, also schafft man diese Bedingungen.

Vor Einhundert Jahren mussten die Menschen es in Kauf genommen, dass ein Teil der Hunde bei einfacher Haltung krank geworden und gestorben ist. So hatte man noch keine Impfstoffe und schwache Tiere haben nicht überlebt.

Heute sind viele Züchter – nicht aus Profitgier, vielmehr aus Tierliebe – bereit, für ihre Welpen und die Zuchthündinnen alles zu tun, damit es ihnen gut geht. Das kann man ihnen nicht zum Vorwurf machen.

Doch die Kehrseite der Medaille ist, dass auch Hunde mit einem schwächeren Verdauungssystem, Immunsystem, Allergien usw. heute erfolgreich in die Zucht kommen, die vor einigen Jahrzehnten nicht mal ihr erstes Lebensjahr überlebt hätten.

Interessant ist zu beobachten, wie sich die Rassen im Laufe der letzten Jahrzehnte äußerlich teilweise gravierend geändert haben, obwohl die Rassestandards nur marginal angepasst wurden.

Diese Übertypisierung, die Du ansprichst, die fast bis zur Lebensunfähigkeit eines Hundes sorgt, konnte erst dadurch entstehen, dass z.B. es Möglichkeiten gab, Hündinnen zur Zucht zu verwenden, die früher bei der Geburt gestorben wären. Heute gibt es die Möglichkeit des Kaiserschnitts. In einem armen Land oder in einem Land, in dem die veterinärmedizinische Versorgung nicht so weit fortgeschritten ist, ist eine solche Übertypisierung gar nicht möglich, weil dort noch gewisse natürliche Selektionsmechanismen greifen. In einer solchen Situation könnte die Hündin ihre Welpen nicht gebären und würde sterben. Nur wenn Menschen unterstützend eingreifen, können solche eigentlich nicht lebensfähigen Formen gezüchtet werden.

Also werden Hunde in den Industriestaaten quasi krank gezüchtet, weil es möglich ist …

Zudem lassen die Standards einen wahnsinnig großen Spielraum für Interpretationen. Außer bei den Größen- und Gewichtsangaben wird nur ganz selten im Zentimeterbereich gemessen, es wird lediglich beschrieben und so ist es Auslegungssache der Zuchtrichter in welchem Maße die Ausprägung eines Merkmales erwünscht ist.

Ist die viel diskutierte abfallende Hüfte des Deutschen Schäferhundes dem entsprechend das Ergebnis des persönlichen Geschmacks einiger Zuchtrichter mit der Folge, dass andere Züchter in der Hoffnung auf Erfolg dieses Merkmal übernommen haben?

Richtig, eine tiefere Erklärung hierfür gibt es nicht.

Fast die Hälfte der erfassten Hunderassen leiden unter erblich bedingten Krankheiten und es sind mehr als 500 Krankheiten bekannt. Gleichzeitig sind Züchter mit dem Versuch, Frischbluteinkreuzungen durchzusetzen gescheitert. Wie passt das zusammen?

Eine ähnliche Problematik gab es in der Sportpferdezucht. In diesem Bereich wird seit Generationen immer wieder ein ähnliches Tier völlig problemlos eingekreuzt und niemand denkt sich etwas dabei z.B. eine Hannoveraner Stute mit einem englischen Vollblut zu kreuzen, um die Leistungsfähigkeit der Tiere zu steigern oder zumindest zu erhalten. Natürlich in Verbindungen mit Leistungsprüfungen.

In der Hundezucht ist man von dieser Praxis leider meilenweit entfernt. Man könnte verwandte Rassen oder Rassen mit ähnlichen Aufgabengebieten einkreuzen. Die erste Generation würde vielleicht nicht ganz rassetypisch aussehen, aber bereits nach zwei bis drei Generationen wären die Hunde vom Aussehen und vom Verhalten kaum noch oder gar nicht von der angestrebten Rasse zu unterscheiden. Allerdings wird dies nicht praktiziert.

Was bei anderen Haus- und Hoftieren Gang und Gäbe ist, ist in der Hundezucht wohl aus ideologischen Gründen vollkommen ausgeschlossen.

Vielleicht auch aus finanziellen Gründen?

Nein, ich glaube nicht, dass finanzielle Gründe eine Rolle spielen. Die Hundezucht hat einen hohen Prestigewert für die Menschen, der nicht zu unterschätzen ist. Sie identifizieren sich in einer Art und Weise mit „ihrer“ Rasse, die sie vielleicht auch ein wenig blind für rassetypische Krankheiten macht. Da heißt es nicht „Diese Hunderasse ist krank“ oder „sie disponiert zu dieser oder jenen Erkrankung“. Stattdessen heißt es „hier muss ich aufpassen: Eingeschränkte Bewegung, spezielle Fütterung, regelmäßige Tierarztbesuche und dann wird das schon.“ Wir sprechen hier von einer ganz anderen Denkweise, als beispielsweise ein Nutztierzüchter hat, der für möglichst robuste und gesunde Tiere sorgen muss, die – und das ist natürlich ein makabres Beispiel – unter den artwidrigen Bedingungen einer Massentierhaltung überleben. Er hat natürlich ein ehrliches Interesse daran, extrem gesunde Tiere zu züchten, die möglichst wenig veterinärmedizinische Kosten verursachen.

Die Terminologie in der Hundezucht ändert sich gerade. Vor 30 Jahren haben Züchter von „ihren Welpen“ gesprochen, heute sprechen sie von „ihren Babys“. Früher sagte man „meine Hündin ist gedeckt und wirft in 63 Tagen“, heute bekommt die Hundemutti ihre Babys.

Kommen wir nochmal zurück auf die Erbkrankheiten. Wie hoch ist den überhaupt noch der Anteil der Hunde, die gesund sind?

Wie will man das ermitteln? Man sieht einen Hund, der offensichtlich gesund ist, glänzendes Fell, strahlend weiße Zähne hat und sich im Ausstellungsring harmonisch bewegt. Man kann aber nicht erkennen, ob der Hund wirklich gesund ist, ein einfaches Futter, regelmäßige Bewegung bekommt und in festen sozialen Strukturen lebt. Vielleicht wirkt er auch nur gesund, weil eine renommierte Tierklinik für das Tier in einer langwierigen Prozedur einen speziellen Ernährungsplan erarbeitet hat. Diese Information wird ein Züchter sicherlich für sich behalten, weil sich sonst vielleicht niemand findet, der Nachzuchten von diesem Hund kaufen wird.

Solche Hintergründe kommen dann meistens durch einen Zufall ans Tageslicht. Wenn ein Rüde mehrere Hündinnen deckt und sich die Welpenkäufer dann z.B. im Internet austauschen und sich so herausstellt, dass ein hoher Prozentsatz der Welpen, die ja Halbgeschwister sind, krank sind, wird so etwas öffentlich.

Außerhalb von solchen Zufällen werden solche Details nicht an die Öffentlichkeit gebracht, vielmehr werden sie vertuscht und beschönigt. „Das ist doch gar nicht so schlimm“, Die dürfen so etwas nicht fressen, das weiß man doch“ und „Nicht alles auf einmal, sonst bekommt er halt eine Magendrehung“ sind häufige Erklärungsversuche. Und schließlich wird erklärt, was man alles beachten muss, damit mit dem Hund alles in Ordnung ist.

Aber um für die Zucht zugelassen zu werden, müssen Hunde – wir hatten das Beispiel Deutscher Schäferhund – doch HD-geröngt werden und Vielseitigkeits- und Ausdauerprüfungen bestehen.

Ja, die Hunde werden geröntgt und untersucht. Der Haken daran ist jedoch, dass die Hunde einer durchgezüchteten Hunderasse sehr eng miteinander verwandt sind. Was bringt es, wenn ich einen befundfreien Hund in die Zucht nehme, dessen Geschwister jedoch Symptome einer Krankheit haben? Wenn ich einen HD-freien Hund mit perfekten Hüften für die Zucht empfehle und dieser Hund hat eine Wurfschwester mit schwerer HD und einen Wurfbruder mit leichter HD – dann ist dieser Hund, obwohl er selber befundfrei und vielleicht ein Prachtexemplar seiner Rasse ist, für die Zucht ein denkbar schlechter Vertreter.

Trotzdem werden solche Hunde verwendet. Denn würden man diese auch noch von der Zucht ausschließen, würde der Genpool weiter verkleinert. So entwickelt sich ein Teufelskreis.

Anders verhält es sich, wenn die ganze Rasse kollektiv in der Arbeit eingesetzt wird, was nur noch bei ganz wenigen der Fall ist. Mir fällt spontan der Working Kelpie ein, wo 95 % der Hunde in Australien auf den Farmen arbeiten. Keiner dort kauft einen Hund aus einer Zucht, in der Krankheiten auftreten. Selbst wenn der Deckrüde und die Hündin befundfrei sind – wenn sich einmal rumgesprochen hat, dass manche Hunde z.B. Probleme bei Hitze haben, dann wollen die Farmer von der ganzen Verwandtschaft nichts mehr wissen.

Auf der anderen Seite haben wir Hunde, für die kein Rassestandard geschrieben wurde, die jedoch seit Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden beinahe identisch aussehen.

Unter starken Einfluss der Natur – also Klima, Gelände, Struktur und Nahrungsgrundlage – und in Verbindung mit einer Arbeitssituation bzw. Anforderung hat sich über Jahrhunderte ein Hundetyp herausgebildet, der für diese Situation am besten geeignet sind. Dieser wird sich auch nicht verändern, ähnlich wie die Unterart eines Wildtiers, dass sich perfekt an seine Umgebung anpasst. Die Füchse in einer Region sehen sich auch sehr ähnlich. In einer anderen Region, in der es vielleicht etwas kälter ist, werden die Füchse gleichmäßig dichteres Fell haben. Dasselbe passiert mit Hunden, die in einem speziellen Arbeitsgebiet in einer relativ natürlichen Umgebung und vielleicht unter etwas extremeren Bedingungen leben und arbeiten müssen. Die Hunde sind daran dann sehr gut angepasst und so gibt es weder für die Züchter einen Grund, etwas daran zu ändern, noch werden sich die Hunde ändern.

Solche Hunde verändern sich jedoch innerhalb von wenigen Jahrzehnten sowohl vom Aussehen als auch vom Verhalten her, wenn man einige Tiere aus ihrem ursprünglichen Aufgabenfeld und ihrer ursprünglichen Umgebung herausgreift. Züchtet man einige dieser Hunde in unserer „zivilisierten“ Umgebung, greift man ja in den Genpool ein und sie werden innerhalb von beispielsweise 50 Jahren ihren Vorfahren kaum noch ähneln.

Du hast gerade das Verhalten erwähnt. Ich habe den Eindruck, dass viele eigentlich als zuverlässig anerkannte Gebrauchshunde heute nach Beißunfällen im Tierschutz enden. Hängt das Deiner Meinung nach auch mit der Zucht zusammen oder liegen die Gründe eher in anderen Bereichen?

Da werden mehrere Faktoren zusammenspielen. Und wenn diese unglücklich in einem durch die Zucht prädestinierten Exemplar zusammentreffen, dann werden solche Katastrophen passieren. Man darf nicht vergessen, dass es immer, seit dem es Hunde gibt auch Unfälle gab. Und man sollte nicht alles, was früher war, romantisieren.

Allerdings hatte man noch vor wenigen Jahrzehnten ein anderes emotionales Verhältnis zu Hunden und bei schweren Beißvorfällen gab es für den betroffenen Hund eigentlich nur eine Lösung. Der Hund wurde beseitigt und seine Gene damit aus der Zucht genommen. Das Tier stellte einen Risikofaktor da und niemand wollte mit einem Risikofaktor zusammenleben.

Außerdem wurde bei der Erziehung mehr nach dem Bauchgefühl gegangen und die Leute legten mehr Wert darauf, einen Hund zu halten, der zu ihrer Lebenssituation passte.

Metzger und Viehhändler hielten Rottweiler, Jäger hielten Jagdhunde, Landwirte hatten Sennenhund- oder Schnauzerähnliche Hunde im Hof und die Familie mit Kindern einen Pudel.

Jeder kam mit seinem Hund gut klar, weil er nicht ständig hemmen und reglementieren musste, sondern eigentlich nur noch die gewünschten Eigenschaften ein wenig kanalisieren.

Heute leben schwere, hochaktive Wach- und Schutzhundrassen und Hundetypen aus anderen Kulturkreisen bei Menschen, die von ihren Möglichkeiten her überfordert sind. Das birgt natürlich Konfliktpotential.

Da ich weiß, dass die Altdeutschen Hütehunde deine Passion sind: In letzter Zeit sehen wir diese Hunde wieder vermehrt, meistens auf Hundeplätzen mit dem Ziel, die Hunde auszulasten. Wie ist Deine Meinung dazu?

Es ist so. Körperlich auslasten kann man einen gesunden und fitten altdeutschen Hütehund kaum. Es sei denn, man gibt ihm die Möglichkeit, sich 6 bis 7 Stunden als Läufer zu betätigen. Aber das ist überhaupt nicht erforderlich.

Ein guter Freund von mir hat drei Altdeutsche, darunter einen 7 Monate alten Junghund. Mit diesem Hund wird bewusst nichts getan. Gar nichts. Außer das er freundlich behandelt wird, nachts mit ins Haus rein darf und mit seinen Artgenossen und Menschen zusammen die Nacht verbringt.

Ich habe selten so ausgeglichene Altdeutsche gesehen wie diese Hunde, die sich sehr leichtführig zeigen aber in keinster Weise überdreht. Man hat vermieden, sie in irgendeiner Weise aufzudrehen. Wenn man diese Süchte – und man kann hier durchaus von Suchtverhalten sprechen – gar nicht erst weckt, dann zeigen diese Hunde auch ein völlig normales Hundeverhalten und lassen sich sehr gut kontrollieren.

Nur sind sie dann nicht mehr spektakulär.

Frühzeitig Frustrationstoleranz lernen und den Leuten nicht auf die Nerven gehen, das mussten die Gebrauchshunde immer. Wenn ein einsamer Schäfer denn mal Besuch bekommt und sich irgendjemand zu ihm stellt und sich mit ihm unterhalten will, dann kann er es beim besten Willen nicht gebrauchen, dass dann sein Hund nervt, sich dazwischen drängt und kläfft.

Der Hund muss sich auch mal zurücknehmen können, das ist ganz wichtig. Aber wenn man versucht, diese Hunde viel zu früh, bevor sie die Reife dafür haben, mit Hundesport auszupowern, dann bekommt man zwar großartige Wettkampfresultate, aber oftmals alltagsuntaugliche Hunde, die durch Hyperaktivität eigentlich jedem auf die Nerven gehen.

Außer den Haltern. Und da stelle ich mir die Frage, warum es ein spektakulärer Hund sein muss.

Man kann sich über seinen Hund identifizieren, man kann sich vornehm, rustikal, volksnah oder exotisch geben und je nach Gusto eben aus über 400 Rassen auswählen und den Hund als Accessoire in unserer Gesellschaft nutzen, um sich selber darzustellen.

Damit schließt sich auch der Kreis. Viele Menschen wollen eben eine extrem kurznasige Bulldogge oder eine Rasse, die gerade im Kino zu sehen ist. Meiner Erfahrung nach landen vieler dieser Hunde nach einiger Zeit im Tierschutz.

Das ist das Resultat der Manipulierbarkeit der Massen durch Medien. Welche Möglichkeiten hat man, ist man überhaupt in der Lage ist, einen Hund zu halten oder sollte man vielleicht lieber noch ein paar Jahre warten? Muss es unbedingt die Rasse sein, nur weil mein Nachbar auch so einen Hund hat oder weil er gerade in den Medien ist? All diese Fragen sollten selbstverständlich sein, werden jedoch häufig beiseite geschoben.

Dazu trägt jedoch auch die vielfältige und breitgefächterte Hundeliteratur bei. Rassebeschreibungen werden sehr verschlüsselt wiedergegeben, so dass ein Leser, der nicht gewohnt ist, zwischen den Zeilen zu lesen, die Beschreibung durch die „rosarote Brille“ liest.

Sätze wie „Der Hund braucht eine frühzeitige Sozialisierung auf Artgenossen und Menschen“ oder „Sein Jagdverhalten muss kanalisiert werden“ bedeuten im Klartext: Die meisten Tiere dieser Rasse sind extrem unverträgliche Beisser und Raufer und neigen zum Wildern.

Diese Eigenschaften werden allerdings so schön umschrieben, dass der interessierte Tierfreund denkt, diese in den Griff zu bekommen. Wenn er dann merkt, dass die Schwierigkeiten doch größer sind, dann wird der Hund schnell zum Fall für den Tierschutz.

Bei welchen Hunderassen haben wir im Moment die meisten Probleme, was die Gesundheit angeht?

Es ist schwierig, hier eine Aussage zu treffen, aber ich würde sagen, dass als Faustregel gilt, dass bei den Rassen, bei denen eine Mode oder ein momentaner Trend Hauptanliegen für die Anschaffung ist, Vorsicht geboten ist.

Dabei ist völlig egal, ob es sich um einen Gebrauchshund, einen Jagdhund oder Familienbegleithund handelt. In dem Moment, in dem eine Rasse zum Trend wird, werden Hunde auf den Markt geworfen. Die Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustands bis hin zu Verhaltensauffälligkeiten sind immer unausweichlich die Folge gewesen, egal um welche Rasse es sich gehandelt hat.

Man sollte sich anschauen, wie hoch die Welpenstatistiken sind und ob die Hunde noch in ihrem ursprünglichen Aufgabenbereich tätig sind. Wenn nicht, kann man davon ausgehen, dass sehr viele Krankheiten auftauchen.

Woran erkennt ein Käufer denn einen guten Züchter?

Meine Antwort auf diese Frage ist so simpel, dass die Leute, die mich fragen, sich oft auf den Arm genommen fühlen. Einen guten Züchter erkenne ich daran, dass er gute Hunde züchtet und an sonst nichts.

Kannst Du das näher erläutern?

Der Züchter muss mir nicht sympathisch sein – schön, wenn er es ist, aber ich sehe den Menschen vermutlich nie wieder. Er muss mir keinen aufgeschäumten Kaffee oder ein Stück Kuchen anbieten oder mich zehnmal zu sich nach Hause einladen.

Wenn ich mir einen Hund aussuche, dann will ich wissen, welchen Ruf der Züchter in der Szene hat, wo leben Hunde aus seiner Zucht und wie kommen die Besitzer mit den Hunden zurecht.

Wenn er dann noch ein paar steinalte Exemplare seiner Rasse hat, die noch bei guter Gesundheit mit ihm sein Leben teilen, dann sind das für mich Indizien, dass es sich dabei um einen guten Züchter handelt.

Welche Hunde hat er vorher gezüchtet und wie sieht die Verwandtschaft seiner Hunde aus. Wenn dort Merkwürdigkeiten auftreten wie z.B. frühe Krankheiten oder häufige Unfälle, die ja auch von Verhaltensauffälligkeiten her rühren können, dann werde ich misstrauisch.

Aber wenn die Masse der Käufer unter verschiedensten Bedingungen mit den Hunden aus dieser Zucht überwiegend zufrieden ist, dann würde ich sagen: Das ist ein guter Züchter.

Leider lassen sich viele Leute heute von bunt dekorierten Welpenzimmern und freundlicher Atmosphäre blenden. Doch letztlich zählt ja der Hund, der mit mir mein Leben teilen soll. Und deshalb will ich wissen, ob er gute Verwandte und Vorfahren hat oder nicht.

Wenn ich nun einen guten Züchter gefunden habe, woran erkenne ich denn, dass die Welpen gut gehalten werden? An einem gut ausgestattetem Welpenzimmer?

Das würde ich nicht unbedingt so sehen. Ich würde eher auf eine naturnahe Haltung achten, allerdings ist die Einschätzung etwas schwierig und ich würde das an der Rasse festmachen. Einen Whippet-Welpen kann man kaum so halten wie einen gleichaltrigen Herdenschutzhund. Dennoch würde ich darauf achten, dass die Hunde möglichst naturnah aufwachsen. Das soll jetzt natürlich nicht bedeuten, dass sie in einem nassen und verdreckten Zwinger hinter einem Holzschuppen leben sollen. Aber wenn ich Züchter sehe, die ihre Welpen vor allem abschirmen und den Hundekäufern verbieten, vor einer bestimmten Woche die Hunde überhaupt zu begutachten, weil sie irgendwelche Keime einschleppen könnten, dann habe ich wirklich Bedenken, ob ich dort Hunde mit einem stabilen Immunsystem finde. Einfach auf das Bauchgefühl und auf eine gewisse Natürlichkeit achten. Wenn vor Ort alles fürchterlich kompliziert und hygienisch ist, dann hätte ich Bedenken, ob da nicht sehr empfindliche Hunde leben, die in normalen Alltagssituationen möglicherweise öfter erkranken.

„Hunde sind so.“

In  der “SitzPlatzFuss” Nr. 7 aus dem Cadmos-Verlag ist Normen mit einem Artikel vertreten, den Sie hier nachlesen können.

Hunde sind so!

Die Gründe, sich für ein Leben mit Hund zu entscheiden, sind vielfältig. Während die Sehnsucht nach einem Sozialpartner sicherlich die größte Bedeutung für den Wunsch nach einem Hund einnimmt, spielt häufig auch der Gedanke eine große Rolle, mehr Zeit an der frischen Luft zu verbringen und mit dem „neuen Kumpel“ die Natur zu erleben.
Mensch und Hund in der Natur. Dieses Bild weckt Assoziationen wie Aktivität und Gesundheit, eine ganze Industrie lebt vom Bedürfnis des Menschen, „Outdoor“ zu sein. Für Hund und Halter gibt es eine Vielzahl an Accessoires, die versprechen, Wind und Wetter zu trotzen und so für ein unbeschwertes Naturerlebnis zu sorgen.

Und in der Fantasie ist es so schön:

Raus in den Wald, einen Gang runterschalten und mal wieder die Sonne auf der Haut spüren. Der Geruch von frisch gemähten Gras, Erinnerungen an eine vergessen geglaubte Kindheit, vielleicht Ferien auf dem Lande, gemeinsame Abenteuer mit dem geliebten Hund der Großeltern, eine tolle Zeit.

In der Realität müssen viele Hundebesitzer dann feststellen, dass sie bei all den schönen Erinnerungen einige Details vergessen haben. Im frisch gemähten Gras wimmelt es nur so von Mücken, im Wald versinkt man mit den neu erworbenen Outdoorschuhen aus Weltraummaterial knöcheltief im Schlamm und das größte Abenteuer mit Opas Hund war, ihn irgendwie zu bändigen, sobald er eine Katze gesehen hat.

Mit der Natur ist das so eine Sache.

Neben den vielen schönen Dingen, die es zu erleben gibt, finden sich eben auch einige, die nicht so schön, idyllisch und entspannend sind. Und so wollen zwar viele Menschen die Natur und das Landleben geniessen, gleichzeitig beschweren sie sich dann darüber, dass es nach Kuhmist riecht oder das der Hahn frühmorgens kräht.

In den letzten Jahren verstärkt sich bei mir der Eindruck, dass dieses etwas gespaltene Verhältnis auch auf die Beziehung einiger Menschen zu ihren Hunden und deren Natur zutrifft.

Menschen und Hunde sind sich in vielerlei Hinsicht erstmal ähnlich. Beide sind hochsoziale Lebewesen, extrem anpassungsfähig und kommunikativ, was mit ein Grund für das gute Verhältnis zwischen Zwei- und Vierbeiner ist.

Doch bei aller Gemeinsamkeit unterscheiden sich Hunde hinsichtlich ihres Verhaltens und ihrer Bedürfnisse deutlich vom Homo Sapiens.

Und manche Hundebesitzer scheinen sich mit dem – normalen – Verhalten ihrer Hunde schwer zu tun und haben Probleme, dies als Teil des Tieres zu akzeptieren und mit dem Hund seiner Art entsprechend umzugehen.

Wenn man Menschen fragt, welche Eigenschaften sie sich von einem Hund wünschen, dann wird zumeist der klassische Familienhund beschrieben – menschenbezogen, sozialverträglich, kinderlieb und natürlich gut erzogen.
Auf die Frage, welche Eigenschaften sie bei einem Hund ablehnen, fallen Begriffe wie „Aggression“, „Dominanz“ und „Jagen“.

Gerade Aggression wird leider häufig nicht als das erkannt, was sie ist. Nämlich erstmal ein völlig normales und vor allem für die Lösung von Konflikten und zur Schadensvermeidung wichtiges Verhalten.

Ein angemessenes aggressives Verhalten muss allerdings gelernt sein.

Eine Chance, die viele Welpen mit Verlassen ihrer Wurfgeschwister nicht mehr haben.

In vielen Welpengruppen wird jeder Anflug von aggressiver Kommunikation sofort unterbunden und den jungen Hunden jede Möglichkeit genommen, zu erlernen, wie sie in Konfliktsituationen adäquat reagieren können.

In der Praxis erleben wir in der Folge häufig heranwachsende und ausgewachsene Hunde, die auf Grund mangelnder Lernerfahrung in der Konfrontation mit Artgenossen unangemessen reagieren, was schliesslich zu ernsthaften Auseinandersetzungen und Verletzungen führen kann.

Hunde haben Sex!

Ähnlich schwierig wie mit dem Aggressionsverhalten als Bestandteil der Natur des Hundes verhält es sich mit dem Sexualverhalten der Tiere.

Es ist absolut verständlich, dass ein Hundebesitzer kein Interesse hat, Welpen aufzuziehen.

Und in Anbetracht überfüllter Tierheime und einer Unzahl von Hunden, die von Züchtern und anderen Quellen angeboten werden, ist das Unterbinden der Fortpflanzung unserer Hunde gut und richtig.

Nichts desto trotz haben unsere Hunde ein Sexualleben und würden sich, wenn sie die Möglichkeit hätten, auch fortpflanzen und ihre Welpen aufziehen.

Und auch, wenn unsere Hunde in Gegensatz zum Menschen sicherlich nicht lustbetont agieren und der Fortpflanzungsakt alles andere als romantisch ist, gehört das Sexualverhalten ebenso wie beim Menschen zu den elementaren und normalen Funktionskreisen der Hunde.

Diese Tatsache ist für viele Menschen allerdings ein bisschen zu viel der Natur.

Und so wird das Sexualleben unserer Hunde komplett unterbunden und verdrängt.

Schlimmer noch, sobald sich ein Hund sexuell aktiv/interessiert zeigt, reagieren viele Hundebesitzer nahezu schockiert und schämen sich in Grund und Boden.

Und dem Rüden, der auf Grund der läufigen Hündin in der Nachbarschaft nervös ist und bellt, wird schnell mal unterstellt, dass er leidet, was häufig eine Kastration zur Folge hat.

Es gibt einige Rüden, die in Anbetracht einer läufigen Hündin der Art heftig leiden oder sich dermaßen hypersexuell verhalten, dass eine Kastration eine Erlösung ist.

Allerdings – aber das ist nur meine persönliche Meinung – scheinen es doch häufig eher die Menschen zu sein, die beim Anblick von Bluttröpfchen ihrer Hündin auf dem Teppichboden oder auf Grund des Gejammers ihres Rüden leiden und dann dazu neigen, kurzen Prozess zu machen.

Kastration als Allheilmittel

In den letzten Jahren können wir immer öfter einen bedenklichen Trend beobachten. Hunde werden häufig sehr früh kastriert, teilweise bereits in einem Alter von unter sechs Monaten.

Dies trifft besonders häufig auf Rüden solcher Hunderassen zu, die auf den Rasselisten zu finden sind. Meist wird von tierärztlicher Seite argumentiert, dass die Entwicklung eines – beim individuellen Hund vermuteten – erhöhten Aggressionspotentials durch den Eingriff verhindert werden könne.

Dieses Argument kann ich aus meiner Erfahrung nicht bestätigen. So erleben wir immer wieder Frühkastraten, die trotz des Eingriffes ein deutliches Aggressionspotential an den Tag legen.

Statt des gewünschten Effektes der Kastration kann es auch dazu kommen, dass der Hund nach dem Eingriff eine übersteigerte Aggressionsbereitschaft an den Tag legt.

Das Testoreron, das einem sensiblen Rüden vielleicht noch als Stütze bei der Bewältigung des Alltags half, wird abgebaut, und so kann aus einem eher unsicheren Hund ein übernervöser und zu Überreaktionen neigender Hund werden.

Grundsätzlich bin ich jedoch weder Befürworter noch Gegner von Kastration. Bei entsprechender Indikation halte ich sie für sinnvoll. Als Allheilmittel gegen unerwünschtes (Sexual-)Verhalten halte ich den Eingriff für unangemessen.

Leider können wir häufig beobachten, das manche Tierärzte relativ schnell dabei sind, wenn es um die Kastration geht. Zum Einen liegt es sicherlich daran, dass der Eingriff lukrativ ist, zum Anderen drängt sich mir allerdings auch der Verdacht auf, dass viele Veterinärmediziner nicht über das notwendige Wissen verfügen, welche Folgen dieser Eingriff haben kann.

Das Sexualleben unserer Haushunde beschränkt sich nicht ausschliesslich auf den Deckakt. Und wenn dieser aus naheliegenden Gründen ausfallen muss, so wäre es meiner Meinung nach wünschenswert, wenn wir unseren Hunde dennoch zugestehen, dass sie sexuelle Lebewesen sind.

Hunde prügeln sich!

Gerade bei unkastrierten Rüden in der „Sturm- und Drangphase“ lässt sich beobachten, dass sie häufiger aggressiv gegenüber gleichgeschlechtlichen Artgenossen auftreten. Doch vorausgesetzt, der Hund verfügt über die entsprechenden Lernerfahrungen, verhält es sich meiner Meinung nach auch hier so, dass solche „Pöbeleien“ des jungen Hundes zum Reifeprozess gehören und als gesund zu bezeichnen sind.

Wenn wir ehrlich sind, erinnern solche Hunde bei genauer Betrachtung oft doch eher an Jungen in der Pubertät, die sich in der Diskothek selbst darstellen und rumprahlen, tatsächlich jedoch nicht wirklich Eindruck schinden.

Meiner Meinung nach dürfen sich Hunde auch mal prügeln, so lange es beim Kommentkampf bleibt und die Vierbeiner über ein vergleichbares Energielevel verfügen.

Allerdings darf das natürlich nicht bedeuten, dass die Tiere „das schon unter sich regeln“. Ein Auge dafür, wann ein solcher Konflikt in den Ernstkampf kippen könnte, sollte vorhanden sein und bei solchen Anzeichen rechtzeitig abgebrochen werden.

Ein pöbelnder Jungrüde kann je nach Gemütszustand seines Besitzers sicherlich eine große emotionale Belastung darstellen, jedoch würde ich immer dafür plädieren, den Konflikt anzunehmen und erzieherisch einzuwirken.

Auch hier ist eine Kastration, vor allem in früher Jugend, nicht nur ein massiver Eingriff in die Entwicklung des Hundes, sondern verstösst auch gegen das Tierschutzgesetz. Dort steht gleich in §1, dass niemand „einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“ darf.

Ein Rüde, der sich so verhält, wie sich Rüden in einer bestimmten Entwicklungsphase nunmal verhalten, ist sicherlich nicht als vernünftiger Grund anzusehen. Ein Rüde, der sich eventuell irgendwann so verhalten könnte erst recht nicht!

Hunde bellen!

Im Zuge der Domestikation haben unsere Hunde durch Selektion Eigenschaften entwickelt, die für uns Menschen sehr nützlich waren.

Ein Beispiel hierfür ist das Bellen.

Während unsere Vorfahren froh darüber waren, dass ihre Lagerstätten von wandelnden Alarmanlagen bewacht wurden, stellt Bellen heute für viele Hundehalter ein großes Ärgernis und einen häufigen Abgabegrund in den Tierheimen dar.

Dies ist umso erstaunlicher, da bereits Kleinstkinder lernen, dass der Hund „Wau Wau“ macht.

Natürlich nervt ein Hund, der in einer Tour bellt.

Zu welch drastischen Mitteln der Mensch jedoch fähig ist, wenn es um die schnelle Problemlösung dieses unerwünschten Verhaltens geht, zeigt ein Blick in das Fachbuch „Verhaltensmedizin beim Hund“ aus dem Jahr 2007.

Hier wird bei übermäßigen Bellen das sogenannte „Debarking“ als Möglichkeit der Therapie empfohlen. Bei diesem operativen Eingriff werden dem Hund die Stimmbänder durchgeschnitten. Tatsächlich wird das Bellen dadurch jedoch nicht unterbunden, sondern nur verhindert, dass der Hund die Lautäußerung hervorbringen kann.

Wann überhaupt davon gesprochen werden kann, das ein Hund übermäßig viel bellt, hängt dabei stark von Rasse und Umfeld eines Hundes ab.

Gerade im Bereich der Verhaltensmedizin wäre es demnach wünschenswert, wenn im Zusammenhang mit der Verhaltenskunde zwingend auch elementares Wissen über rassespezifische Eigenschaften der Hunde vorhanden wäre.

Paradoxerweise wird Bellen nur dann als störend empfunden, wenn es uns Menschen gerade nicht passt. Der Hund soll zwar anzeigen, wenn jemand im Treppenhaus ist, aber bitte nur, wenn dieser jemand ein Eindringling ist und bitte nicht, wenn wir gerade ein Buch lesen oder die Nachbarn schon schlafen.

Es ist nahezu eine Meisterleistung unserer Hunde, dass es tatsächlich welche gibt, die das beherrschen.

Hunde jagen!

Ebenso, wie wir heute kaum noch Hunde benötigen, die uns durch lautes Bellen vor Eindringlingen warnen, gibt es auch nur noch wenige Menschen, die einen jagdlich motivierten Hund brauchen.

Pointiert könnte man auch sagen, dass heutzutage ausser Jägern eigentlich nur noch Hundetrainer jagende Hunde brauchen – und zwar an der Seite ihrer Kunden.

Wenn ich hier über „Jagen“ schreibe, meine ich damit in allererster Linie das Hetzen als Teil dieses Funktionskreises.

Denn in unserer Wahrnehmung ist es häufig so, dass ein Weimaraner, der hetzt, ein jagender Hund ist. Ein Bordercollie jedoch, der fixiert, sich anschleicht und treibt, der hütet.

Und obwohl die genannten Verhaltensweisen des Bordercollies genauso zum Jagdverhalten gehören wie das Hetzen, werden sie, häufig im Zusammenhang mit der Hunderasse, gerne romantisiert. Und Suchmäuseln finden viele Menschen sogar niedlich.

Die Appetenz, also die Suche nach dem auslösenen Reiz, wiederum wird in vielen Fällen gar nicht erst bemerkt und so gibt es auch Hunde, die bereits an der Wohnungstür Jagdverhalten zeigen, ohne dass die Besitzer das Problem erkennen, welches sie schliesslich draussen erwartet.

Dabei verdanken unsere Hunde uns Menschen, dass sie auch in unserer heutigen Zeit noch begnadete Jäger sind.
Eigentlich müsste ein Hund nämlich nicht jagen und würde es vermutlich auch nicht tun, wenn dieses Verhalten für unsere Vorfahren nicht wünschenswert gewesen wäre.

Schliesslich blickt der Hund auf Jahrtausende Rundumversorgung zurück.

Rein geschichtlich betrachtet hätte der Hund das Jagen irgendwann eingestellt, da es in der Obhut der Menschen und auf Grund der Verfügbarkeit von Nahrung dafür schlicht und ergreifend keinen Grund mehr gab.

Menschen waren es schliesslich, die sich das jagdliche Talent der Hundes zu Nutze gemacht und gezielt gefördert haben.

Nun hat sich unsere Gesellschaft gewandelt und wenn wir auf der Jagd nach Nahrung sind, dann meistens auf der nach besonders günstigen Preisen.

Und was unsere Hunde angeht, ist jagen nicht nur unerwünscht, sondern gesellschaftlich nahezu geächtet.
Für einen Hund, der hier besonders talentiert ist, ist die Situation alles andere als artgerecht.

Über Jahrtausende dahingehend selektiert, jagdliches Verhalten zu zeigen, sind sie nun arbeitslos und häufig dazu verdammt, auf Grund ihrer Fähigkeit ein Leben an der Leine oder unter strenger Beobachtung ihrer besorgten Halter zu führen.

Der Hund, der einem Kaninchen hintermacht, läuft außerdem Gefahr, sein Leben zu verlieren. Wenn nicht auf einer unzähligen stark befahrenen Straßen, dann vielleicht durch einen anderen begnadeten Jäger, nämlich dem Menschen. Arme Hunde!

Wenn ich über Jagdverhalten beim Hund schreibe, benutze ich immer gezielt den Begriff Talent. Denn hierbei handelt es sich um eine besondere Begabung, die man als Hundehalter als Teil seines Hundes akzeptieren sollte, wenn man ihm gerecht werden möchte.

Und wie es mit Begabungen so ist, haben Halter die Möglichkeit, diese zu fördern oder gezielt verkümmern zu lassen. Über eines sollten wir uns aber im Klaren sein.

Ähnlich wie bei einem begabten Kind kann es sein, dass der Hund sein Talent irgendwann auch ohne Förderung entdeckt und sich als wahrer Künstler in seinem Metier entpuppt. Das ist dann seine Natur!

Und auch, wenn ich die Sorgen vieler Besitzer eines jagenden Hundes nachvollziehen kann, finde ich es bedenklich, wie viele Hunde in Deutschland „unter Strom“ laufen, obwohl Reizstromgeräte verboten sind.

Manchmal haben sie Angst

Doch nicht nur vermeintlich „böse“ Verhaltensweisen wie die erwähnte Aggression oder das Jagdverhalten eines Hundes werden häufig nicht als normales Verhalten und somit als Teil unserer Hunde akzeptiert.

Ähnlich verhält es sich, wenn ein Hund „Angst“ hat – eine sehr häufige Problembeschreibung von Hundebesitzern und trotzdem erstmal normal.

Grundsätzlich ist Angst bzw. Furcht eine lebenswichtige Reaktion auf Reize, die wir nicht einschätzen können oder bei denen wir auf negative Erfahrungen zurückgreifen können.

Und vergleichbar mit der Aggression stellt ängstliches Verhalten erst dann ein Problem für uns und unsere Umwelt dar, wenn sie unangemessen ist.

Viele unserer Hunde reagieren auf verschiedene Reize in unseren Augen ängstlich oder unsicher. Meistens handelt es sich dabei um Lernerfahrungen, also Lösungswege der Hunde, die sich als praktikabel erwiesen haben, um einer unangenehmen Situation zu entgehen.

Damit ein solcher Hund alltagstauglich werden kann, würden Menschen benötigt, die die Unsicherheit des Tieres zum Einen akzeptieren, es aber auch auch souverän und deutlich durch die angsteinflössende Situation führen können. Sozusagen der Felsen in der Brandung, an dem der Hund sich halten kann.

Doch leider geschieht häufig genau das Gegenteil. Statt dem Hund diesen Halt zu bieten, gehen viele Halter dazu über, das Tier durch Mitleid, Verständnis und vermeintlichen Entgegenkommen vor dem zu erwartenden Unheil zu bewahren. Mit dem Ergebnis, dass der Hund seine Strategie verfestigt und ausbaut.

Übrigens: Richtige „Angsthunde“ finden sich indes sehr selten. Dazu kommt, dass solche Hunde, wenn sie in die Attacke gehen, im Angesicht von Todesangst deutlich vehementer vorgehen als ein Hund, der z.B. offensiv aggressives Verhalten zeigt.

Wenn man also bei Hunden, die Angst haben, von „Fight, Flight and Freeze“ als mögliche Verhaltensweisen spricht, dann steht der Begriff „Fight“ für eine ernstzunehmende Gefährlichkeit. Dies ist insbesondere für solche Menschen wichtig zu wissen, die aus Mitgefühl einem solch „armen Hund“ helfen möchten.

Artgerecht kommunizieren!

Im Gegensatz zum Menschen kennen Hunde keine Scham. Während wir peinlich berührt nach Entschuldigungen suchen, ist es für unseren Hund überhaupt kein Problem, sich auf den Artgenossen zu stürzen, der ihn gerade drohfixiert hat und sich wild auf der Hundewiese zu prügeln.

In diesem Moment befindet sich der Mensch in einem Konflikt. Vielleicht mit sich selber ob der Blicke, die er erntet, in jedem Fall aber im Konflikt mit seinem Hund.

Wenn wir uns anschauen, wie Menschen Konflikte lösen, dann geschieht dies in den allermeisten Fällen, in dem sie gegensätzliche Argumente darlegen und im Idealfall partnerschaftlich zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen.

Was innerartlich gut funktioniert, schlägt im Konflikt mit dem Hund (und in der Kindererziehung) meist gnadenlos fehl.
Hierarchisches Denken ist uns Menschen zuwider, wir geben keine Befehle, sondern bitten um etwas. Wenn wir etwas nicht möchten, argumentieren wir – alles Dinge, die uns und unsere Kultur vorwärtsgebracht haben.

Hunde sind zwar Teil unserer Kultur, können mit Demokratie und menschlicher Streitkultur jedoch nichts anfangen. Um zu erlernen, dass ein Verhalten nicht erwünscht ist, muss ein Hund erfahren, das ein Zuwiderhandeln mit einer Konsequenz verbunden ist.

Wie die heiße Herdplatte, die für ein Kind so lange verlockend ist, bis es sich verbrannt hat, wird ein Hund an der Leine pöbeln, bis er erfahren hat, dass dieses Verhalten nicht geduldet und – jetzt kommt ein böses Wort – bestraft wird.
Mit dem Begriff Strafe wiederum haben viele Menschen ein Problem. Sofort schiessen einem Tritte, Schläge und fiese Tierquäler in den Kopf und man denkt an Zeiten, in denen die Prügelstrafe an Schulen noch an der Tagesordnung waren.

Eine Hundeschule, die heute etwas auf sich hält, schwört auf den Begriff „positive Bestärkung“. Positiv wird dabei gleichgesetzt mit bejahend und nett. Bejahend und nett kommt bei potentiellen Kunden gut an, da diese Form der Herangehensweise wie eben beschrieben unserer Natur entspricht.

In der Lerntheorie bedeutet der Begriff „positiv“ jedoch nichts anderes als „etwas hinzuzufügen“.

Dies kann im Falle der Belohnung das Leckerchen sein, im Falle der Bestrafung beschreibt der Begriff das Hinzufügen von etwas Unangenehmen.

Hunde sind körperlich!

Wenn man Hunde in einer Gruppe beobachtet, stellt man schnell fest, dass unerwünschte Verhaltensweisen eines Tieres durch die anderen Tiere unmittelbar und deutlich abgebrochen werden.

Wichtige soziale Fähigkeiten wie z.B. die Beißhemmung erlernen Welpen in dem sie austesten, wie weit sie gehen können und erfahren dies sofort anhand der Reaktion ihrer Wurfgeschwister bzw. Mutter.

Doch diese Form der Erziehung und des Erlernens sozialer Regeln entspricht nicht unserer Vorstellung eines partnerschaftlichen Zusammenlebens.

Doch kommt sie nicht nur der Natur unserer Hunde näher, als die höfliche Bitte, den Jogger doch in Ruhe zu lassen, sondern ist auch erfolgversprechender. Und der Jogger wird es Ihnen danken!
Hunde sollten das Recht darauf haben, Ihrem Wesen entsprechend zu erfahren, was sie dürfen und was nicht. Klare Grenzen bedeuten keinesfalls eine Einschränkung des Hundes, ganz im Gegenteil! Ein Hund, der seine Grenzen kennt, kann ohne Leine laufen, kann uns ins Restaurant begleiten und kann Sozialkontakt zu Artgenossen pflegen. Ein tolles Leben!

Hunde sind so – und das muss man mögen!

Hunde sind aggressiv, prügeln sich, jagen und haben ein Sexleben. Außerdem haaren sie, stinken und machen Dreck. Unsere guten Ratschläge sind ihnen völlig egal und sie lassen uns unter Umständen im Regen stehen, weil das Reh gerade interessanter ist.

Diese Dinge machen sie genau so aus wie die vielen positiven Eigenschaften, über die unsere Hunde verfügen. Dessen sollten wir uns bewusst sein und das sollten wir akzeptieren. Nein, das sollten wir mögen! Unsere Hunde haben es verdient.