Paul, der Labbi-Mix (7)
An diesem Abend war Frau Gutmensch sehr müde, als das Telefon klingelte und sie mit gequälter Stimme ihren Namen ausformulierte. Frechheit, sie nach 20 Uhr noch zu belästigen. Wer das wohl wieder sei.
Am anderen Ende war eine junge Frau, die ihr mit tränengetränkter Stimme von ihren Problemen mit dem Hund berichtete, den sie vor eineinhalb Jahren von Frau Gutmensch adoptiert hatte. Der Hund hatte gebissen, doch das sei nicht das eigentliche Problem. Vielmehr seien sie jetzt in der Nachbarschaft geächtet, würden gemieden und könnten einfach nicht mehr. Der Hund sei ihnen so ans Herz gewachsen, aber dieser stetige Druck und die Verdächtigungen würden sie fertig machen. Außerdem bekäme die junge Frau bald ein Baby. Sie und ihr Mann hätten lange überlegt und seien zu dem Schluss gekommen, dass sie ihren geliebten Vierbeiner leider abgeben müssten.
Frau Gutmensch hörte sich die Geschichte an und war etwas genervt. So ist das, sobald es das kleinste Problem gibt, geben die Leute auf. Das ist diese Wegwerfmentalität, schlimm ist das. Und wenn sie ehrlich sei, glaubte sie der Anruferin kein Wort. Die will sich doch nur schnell eines Problems entledigen. Dem entsprechend fiel auch ihre Antwort aus.
„Und was soll ich jetzt machen?“ fragte Frau Gutmensch die über diese pfiffige Reaktion sichtlich verwunderte junge Dame. „Naja“, erwiderte diese, „im Schutzvertrag steht ja drin, dass Sie unseren Hund zurücknehmen würden, wenn uns die Haltung nicht mehr möglich sei. Und deshalb habe ich gedacht …“ Frau Gutmensch unterbrach ihr Gegenüber.
„Nun hörn’Se mal. Erstens geht das nicht so einfach. Wir haben auch nur begrenzte Kapazitäten und im Moment habe ich auch gar keine Pflegestelle, die so einen Hund nehmen könnte. Außerdem haben Sie den Hund damals von Frau Kannix adoptiert, mit der arbeiten wir schon lange nicht mehr zusammen. Abgesehen davon, wie stellen Sie sich das vor? Der Hund hat jetzt jemanden gebissen, den kriegen wir ja auch nicht so vermittelt. Wenn er dringend weg muss, dann bringen Sie ihn halt in eine Hundepension oder fragen Sie im nächsten Tierheim.“
Das hatte gesessen. Die junge Dame am Telefon war sprachlos und stammelte nur noch ein knappes „Vielen Dank für Ihre Mühe!“, bevor sie auflegte. Frau Gutmensch fühlte sich erleichtert, dieser Kelch war also an ihr vorrüber gegangen. Was sich diese Leute immer einbilden. Als wenn sie sofort springen müsste, nur weil irgendwo ein kleines Problem auftauchte. Und überhaupt, wenn sie das höre, gebissen, die Leute übertrieben immer maßlos. Bestimmt hatte diese inkompetete dumme Kuh den Hund bedrängt und er hat mal kurz geschnappt. Frau Gutmensch brauchte einen Moment, um sich zu beruhigen. Sie setzte sich wieder in ihren Fernsehsessel und schaltete um: Rosamunde Pilcher.
Am selben Abend war auch Beate sehr müde, als das Telefon klingelte und sie mit gequälter Stimme ihren Namen ausformulierte. Am anderen Ende war eine junge Frau, die weinte und ihr von ihrem Problem mit ihrem Hund berichtete und davon, dass der Verein, der ihr das Tier vermittelt hatte, ihn nicht zurücknehmen wolle. „Entschuldigen’Se, wenn ich das so sage, aber da könnte ich kotzen.“ erwiderte Beate, nachdem sie sich die Geschichte angehört hatte. Sie war Leiterin eines kleinen Tierheims und hatte schon oft erlebt, dass Hunde zwar vermittelt, aber dann im Fall des Falles von den „Orgas“ nicht wieder zurückgenommen wurden. So etwas ärgerte sie. Einige schwarze Schafe ruinierten den Ruf aller Tierschützer. Kein Wunder, dass alle anderen, die gute Arbeit machten und seriös waren, darunter litten. Und solche Geschichten sind natürlich Wasser auf den Mühlen der Tierschutzgegner.
Gerade jetzt hatte sie wieder drei solcher Hunde in der Anlage untergebracht. Immer dieselbe Geschichte. Die Tiere werden als liebe, nette und verträgliche Traumhunde angepriesen und wenn sich herausstellt, dass doch nicht alles Gold ist, was glänzt, werden die Menschen im Stich gelassen. Gerne hätte sie der jungen Frau geholfen, aber in dem kleinen Tierheim konnte sie den Hund nicht unterbringen. Kein Platz. Vor allem, weil die Anruferin geschildert hatte, dass der Hund nicht so besonders verträglich sei. Sonst hätte Beate ihn in eine Gruppe setzen können. Sie bot der jungen Frau an, dass sie sich schlau machen würde, vielleicht fände sie ja eine Möglichkeit.
Am selben Abend war Herr Dr. Müller bereits eingeschlafen, als das Telefon klingelte und er mit gequälter Stimme noch seine Begrüßung „Tierklinik Dingenskirchen, Müller mein Name.“ ausformulierte. Am anderen Ende war eine junge Frau, die mit stockender Stimme von ihrem Problem mit ihrem Hund berichtete, dass der Tierschutzverein ihn nicht zurücknehmen würde und auch das Tierheim überfüllt sei. Der Hund habe gebissen, ja, schon sehr heftig, der Mann hätte eine Woche im Krankenhaus verbracht und sei noch immer arbeitsunfähig. Ja, das sei ihr auch klar, dass eine kleine Wohnung nicht der richtige Ort sei, um einen solchen Hund zu halten. Ja, die Nachbarn würden ihr und ihrem Mann das Leben zur Hölle machen. Und dann sei da noch das Kind, das sie erwarte.
Herr Dr. Müller war selber Familienvater und hatte eine strikte Meinung, was bissige Hunde angeht. Der Schutz der Umwelt geht vor. Und der Hund hatte den Mann ja ernsthaft verletzt. Und dann auch noch diese Rasse. Der Tierarzt war sich sicher. Anhand der Schilderungen und des Umfeldes, wäre es am besten, wenn man die Welt von diesem Hund befreit. Und die junge Frau zeigte sich verantwortungsbewusst und hatte eingesehen, dass es so am besten wäre.
In Fünfzehn Minuten wäre sie da. Als er die Türe öffnete, stand da diese junge schwangere Frau und weinte. Ihr Lebensgefährte, oder war es ihr Mann, hielt ihre Hand. Der Hunde war sehr ruhig und schaute etwas skeptisch. Sicherheitshalber bestand Dr. Müller darauf, dass ihm ein Maukorb übergestülpt würde. Der Hund wurde in Anbetracht der engen Maulschlinge nervös und Dr. Müller und die Besitzer brauchten einige Kraft, um das Tier auf den Behandlungstisch zu hieven.
Der Tierarzt schor mit einem kleinen Apparat ein bisschen Fell am rechten Vorderbein des Hundes weg und staute mittels einer Gummischlinge das Blut. Nun musste er eine Vene finden und die Braunüle setzen. Das war garnicht so einfach, der Hund war deutlich gestresst, versuchte dem Nadelstich auszuweichen und stemmte sich mit aller Kraft gegen das nahende Schicksal. Das Tier schnaufte und fiepte und die Besitzer waren Müller keine große Hilfe. Endlich konnte der Tierarzt das Braunüle fixieren. Nun spritzte Dr. Müller ein Betäubungsmittel, langsam gab der Hund nach und fiel in einen tiefen Schlaf. Müller griff zum Eutha 77 und spritzte dem nun ruhigen Hund, dem die Zunge schlaff seitlich aus dem Maul hing, das Mittel.
In dem Moment, in dem ein Lebewesen stirbt, erschlaffen seine Muskeln. Und so machte sich in dem kleinen Behandlungsraum ein unangenehmer Geruch breit, da die Schliessmuskeln nachgaben und sich Enddarm und Blase entleerten. Die junge Frau weinte und ihr Lebensgefährte stand mit versteinerter Miene und aschfahlen Gesicht neben ihr. Dr. Müller schob den leblosen Körper des Tieres so sanft wie möglich auf einen Wagen und schob diesen in einen hinteren Raum. Nun packte er das tote Tier in einen schwarzen Plastiksack und wuchtete es in die Tiefkühltruhe. „Hoffentlich kommt heute keine Einschläferung mehr rein“, dachte Müller bei sich. Die Truhe war voll und erst morgen würden die Kadaver abgeholt werden.
Ebenfalls an diesem Abend kam Gertrude gerade vom Sport, als ihr Telefon klingelte und ihre Tochter Sabine am anderen Ende der Leitung war. „Hallo, na wie geht’s Euch?“ fragte Gertrude, ganz besorgte Mutter, die sie war. „Wir sind stinksauer“, erwiderte Sabine ungewohnt patzig und erzählte ihrer Mutter von den Nachbarn, von der Versammlung, die sie abgehalten hätten und von dem Brief, den sie erhalten hatten. Und von Paul, der heute seinen Wesenstest bestanden hatte.
„So eine Frechheit“, sagte Gertrude, die alle nur Gertie nannten. „Aber jetzt, wo Paul den Wesenstest bestanden hat, ist doch alles gut. Er ist nicht gefährlich, das habt ihr ja jetzt nachgewiesen“. „Naja, so einfach ist das nicht“, sagte Sabine. „Er hat zwar den Wesenstest bestanden, aber er wird immer als gefährlich gelten. Und die Nachbarn werden immer drauf rumreiten.“ Gertrude fragte sich in dem Moment mal wieder, wofür dieser Test eigentlich gut sei.
In den letzten Wochen hatte sie sich zu einer wahren Expertin in Sachen Hundegesetze entwickelt. Natürlich in aller erster Linie aus Sorge um ihren zukünftigen Enkel. Das, was sie gelesen hatte, beruhigte sie jedoch in keinster Weise. Und als Hausfrau und Mutter dreier Kinder war sie eine Freundin einfacher Lösungen. Aber diese Hundegesetze waren weder einfach noch logisch. In einem Bundesland war eine Rasse gefährlich, im nächsten wieder nicht. Im dritten Bundesland waren Hunde über 40 cm per se gefährlich, aber bei einigen Hunden dann wohl nur die Rüden, denn Hündinnen sind ja häufig kleiner. Das wusste sogar sie, die nie einen Hund gehabt hatte. Gertrude war in Sorge um ihr Enkelkind, doch das, was sie da las, war lediglich ein Wulst an Verordnungen und Gesetzen. Schutz versprachen diese alle nicht.
Und Paul? Paul war eigentlich ein ganz lieber. Manchmal etwas stürmisch, wenn er sie begrüßte, aber eigentlich ein lieber Kerl. „Sabine, mein Kind“, sagte sie. „Das kriegen wir hin. Das lassen wir uns nicht gefallen.“
(Fortsetzung folgt)
Uff, ich hatte natürlich auf ein happy end gehofft.
Aber es ist wahr, es werden immer mehr HSH. Die sind ja sooo cool. und so urwüchsig und so selten.
Ist ja noch nicht vorbei 😉
Dann bleibts dabei:
SCHREIB SCHNELLER.
Am selben Abend sitze ich auf der Couch und verstehe Paul´s -Welt nicht mehr. Tot oder lebendig??
Hatte Sie einen Alptraum als Sie von Dr. Müller träumte?? och, mensch – wieder bis morgen warten –
Ostern war schon schrecklich 😉
Vielleicht nimmt Gerti ja Paul?? – na, jetzt träum ich wohl….
Die Geschichte handelt von zwei jungen, schwangeren Damen. Die eine versucht ihren Hund unter zu bringen, die andere heisst Sabine 😉
Immer noch am selben Abend sitz ich noch auf der Couch und freu mich:
Paul lebt!!! Danke 😉
Oh man, sehr spannend.
Eine Freundin kam nach 6 Jahren Ungarn Aufenthalt kürzlich auch mit einem Kaukasen (Alfred) und einer Pumi Dame (Kora) zurück und ich muß sagen, das meine Hundeverstand da auch erst mal ganz schön umschalten mußte um diese Wauzi’s zu verstehen. 😉