Eine schrecklich nette Familie
Zugegeben, manchmal werfe einen Blick auf unsere Hunde und überlege, ihnen einfach die Haustürschlüssel zu geben, ihnen alles Gute zu wünschen und auszuwandern. Kanada sollte weit genug weg sein.
Aber dann denke ich an F. und finde den Gedanken irgendwie unfair.
Eigentlich leben F. und ich ein ganz normales Leben wie Tausende andere Paare auch. Mit einer winzigkleinen Ausnahme.
F. ist nämlich – ebenso wie ich – hauptberufliche Hundeversteherin. Was im Klartext bedeutet, dass wir ungefähr Achtzehn Stunden am Tag entweder mit anderen Menschen über Hunde reden oder miteinander über Hunde reden. Unser Bücherregal besteht dem entsprechend auch aus unzähligen Hundefach-, Sach- und -Lachgeschichten und im DVD-Regal stapeln sich die Dokus über alles, was irgendwie canidenartig ist.
Wenn wir „Hachiko“ im Fernsehen schauen, weinen wir nicht über den Tod des Hundes, sondern diskutieren über die Rasseeigenschaften des Akita Inu.
Reden, lesen, schreiben oder diskutieren wir nicht über Hunde, dann haben wir ja noch welche. Und was das betrifft, sind wir ein bisschen wahnsinnig.
Denn ebenso wie ich findet auch F. das Leben mit nur einem Hund extrem lanweilig. Und als wir irgendwann beschlossen, in Zukunft unser Leben zu teilen, bedeutete das nicht nur, dass wir doppelt so viele Hundebücher, -zeitschriften, -filme und -wasweissich besitzen, sondern eben auch viele, viele Hunde.
Um genau zu sein sind mit F. vier Hunde eingezogen. Zusammen mit meinen Sechsen macht das Zehn. Uff.
Dazu kommt, dass es sich bei den Viechern nicht etwa um zwölfjährige Molosser handelt, die den ganzen Tag dösen und furzen, sondern zum größten Teil um Hütehunde. Um Altdeutsche Hütehunde. Um junge Altdeutsche Hütehunde. Um junge Altdeutsche Hütehunde, die zwar alle für sich ganz gut erzogen sind, in der Gruppe aber nur Blödsinn im Kopf haben.
Und die, die keine Hütehunde sind, sind wahlweise begnadete Jäger oder Beisser. Ausser Pugsley, der sabbert.
Aber zurück zu den Hüte- und Treibhunden: Sie treiben Dich in den Wahnsinn und werden sich hüten, zu tun, was du sagst …
Machmal habe ich das Gefühl, wären unsere „Hütitütis“ Kinder, dann würden sie Kevin oder Kimberly heissen – nur ohne Ritalin.
Das Lieblingsspiel unserer Rüden ist es, an den Weidezaun zu pinkeln. Und wenn kein Weidezaun in der Nähe ist, suchen sie eben irgendeine andere Möglichkeit, sich ins Unglück zu stürzen.
Der eine Dödel geht dem wirklich ernsthaften und 20 Kilo schwereren, völlig überlegenen Rüden so lange auf den Senkel, bis er eins auf die Mütze bekommt. Nur um dann von vorne zu beginnen.
Der andere Dödel legt sich mit Vorliebe mit unseren Pferden an, die glücklicherweise so cool sind, nur ganz sanft zu treten. Ein Tritt, ein Aufjaulen, einmal dämlich hecheln und nochmal von vorne. Tat nämlich garnicht weh, und wenn doch, beim Tierarzt gibt’s immer Leckerchen.
Der dritte Dödel springt schon mal von der Dachterasse, wenn ihm danach ist oder rennt im Spiel ungebremst gegen das Garagentor. Ich bin mir sicher, er hält sich für unverwundbar.
Wenn ich in Foren oder sonstwo lese, wie intelligent Hütehunde sind, schau ich mir Kevin, Phillipp und Thorben-Oliver an und muss seufzen. Unsere Rüden haben was von Stan Laurel und Oliver Hardy, nur dass keiner von ihnen dick ist, dafür alle manchmal ziemlich doof.
Das ganze Leben besteht aus einem Spiel, ob die anderen mitmachen oder nicht, ist dabei egal. Schafe hüten macht Spaß, Schafe quer über die Weide zu jagen noch viel mehr … Das Leben ist doch ein Ponyhof. Nur eben nicht für die Ponys, wenn unsere Hunde auftauchen.
Unsere Hündinnen sind dagegen sehr souverän, lässig und längst nicht so wahnsinnig wie ihre männlichen Artgenossen.
Sie verhalten sich wie Damen, vielmehr wie konservativ erzogene Mädchen. Hausarbeit und so. Naja, vielmehr erwische ich sie regelmäßig auf der Anrichte, wie sie irgendwas fressen, das man dreister Weise fünf Sekunden alleine gelassen hat.
Und manchmal sind sie etwas zickig, zumeist mit den Rüden, die das dann wiederrum nicht begreifen.
Aber immerhin nutzen sie nicht jede Gelegenheit, vor eine Wand zu laufen. Ist ja auch was, spart Tierarztkosten.
Alles in allem verstehen sich unsere Hunde gut. Hin und wieder raschelt es mal im Gebälk, aber meistens ohne größere Nebenwirkungen. Es wird gemeinsam gespielt und gefressen, in der Sonne gedöst oder sich um irgendwas gestritten. Oder sich in irgendwas gewälzt. Zu zehnt. Eine besondere Freude.
Mit der Zeit haben F. und ich uns aber daran gewöhnt, dass wir Wurmkur für 300 Kilo Hund kaufen und ein 15-Kilo-Sack Hundefutter gerade mal ein paar Tage reicht. Und das die Hundesteuer hier fast ein Monatsgehalt auffrisst, ist uns mittlerweile auch wurscht.
Wenn wir spazieren gehen, sind uns die Blicke der anderen sicher. Um Hundebegegnungen müssen wir uns keine Sorgen machen. Fremde Hunde sind immer sehr verträglich angesichts 420 Zähne, die ihnen gegenüber stehen. Die sind ja nicht blöd. Und die meisten Hundehalter flüchten eh, sobald sie uns erblicken. Die sind auch nicht blöd.
Die „Körbchen“ wurden gegen eine 1,40 x 2,00 Meter große Matraze ausgetauscht, die dem Wohnzimmer das gewisse Etwas verleiht. Kontaktliegen heisst das Motto. Und an eine Horde Hunde, die nachts ums Bett drapiert schnarcht hat man sich auch schnell gewöhnt.
Das macht meistens sehr viel Spaß, und nur ganz selten frage ich mich, warum ich mir nicht lieber Goldfische angeschafft habe, wenn ich doch mit vielen Tieren leben wollte.
Und manchmal, aber nur ganz selten, liegen F. und ich abends im Bett und übertrumpfen uns gegenseitig mit Gewalt- und Mordphantasien, wenn es unsere Bande mal wieder ganz besonders bunt getrieben hat.
Denke ich an F., dann denke ich daran, dass wir viel mehr lachen als wir fluchen. Wie wir abends auf der Stufe vorm Haus sitzen und den Hunden dabei zusehen, wie sie interagieren. Wie sie spielen, wie sie Mist bauen, wie die Rüden an den Weidezaun pinkeln und die Hündinnen sprichwörtlich den Kopf schütteln über soviel Deppness. Und wie charmant sie dabei sind.
Ich glaube, wir haben schon ein ziemlich cooles Leben. Meistens.
Würde ich nach Kanada auswandern, ohne F. wär das alles doof. Und ohne die Hunde auch.
Lieber Normen, nachdem ich auf dem Boden gelegen habe, mich vor lachen hin und her gekugelt habe, die Tränen versiegt sind, kann ich nur wieder sagen: ist das geil! Selten so gelacht und mich in vielerlei Hinsicht in den Erzählungen wiedererkannt. Ich bringe es zwar nicht auf 10 Hunde, aber immerhin zur Zeit auf 4, welches im Spätsommer wieder die Zahl 5 erreichen wird, aber die Story´s sind ähnlich, die Gedanken auch. Danke für dieses außerordentlich lustige, interessante und authentische Nummer.
Um Gottes willen, soll das heißen das eure Hunde nicht perfekt sind? Aber ihr seit doch Hundeversteher!
*kicher* Wie gut das es eben Hunde sind, ne?
Ich hab nur 2, aber beide fallen eher unter „Dog with special needs“, oder wenn man das politisch korrekte weglässt: Hund 1 ist strunzendoof und rafft immer noch nicht das „Hier!“ wirklich bedeutet das er herkommen soll (vom Rest schweigen wir) und Hund 2 ist ein Arschloch, der hat keinen Bock und zeigt einfach mal generell die Mittelkralle. Es sei denn er sieht ein Leckerchen, dann gibts die Möglichkeit das er gehorcht. Oder einen anspringt und sich das Lecker so holt, egal ob Finger im Weg sind.
Ich würd auch gerne mal auswandern, Maui soll ja auch ganz nett sein…
Und an deiner Stelle würd ich F. und die Hunde einfach einpacken. Dann ist es auch in Kanada richtig schön. 😉
DAS ist eine wirklich zauberhafte Liebeserklärung an F. von N.M…ich habe ein bisschen Pippi in den Augen…
…vielleicht liegt das an dem halben Liter Weisswein, den ich mit den Nachbarn auf der Terrasse konsumiert habe, während der Tageshundebesatz schrittweise abgeholt wurde…jetzt liegt hier nur noch die JackAss-Gelbbacke schnarchend im Beet
Mein Sohn hat auch ordentlich gerinst,..
Bei mir ist es J., der die eigene Altdeutsche mit blöden Kosenamen belegt und dann die magischen Worte: „Komm hopp!“ spricht, damit man schon beim Aufwachen ordentlich Hundehaare im Mund hat und dem ich sehr dankbar bin, dass er die Hundemacke seiner Gattin nicht nur erträgt – sondern geniesst!
Hach, ich habe zwar „nur“ 4 Hunde…..Tendenz eher steigend:-))))) und somit bekennender „Vielhund-Assi“ habe uns aber in jedem deiner Worte wiedergefunden. Danke für die schöne Geschichte. Bitte mehr davon!!!
herrlich…über deine Geschichten kann ich immer herzhaft lachen, erkenne mich und mein jetziges Leben wieder mit allem was dafür sprich…..und da gegen..äh neee so a bisserl Wahnsinn belebt einfach nur das Leben!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Danke
Ich werde schon für verrückt gehalten. Und bin es eventuell auch und das mit nur 3 !!! Hunden 🙂
Und davon nur ein 1/2 hütitütili.
Respekt.
Schöne liebes erklärung
Erst ist es ein Hund, dann sind es zwei. Dann kommen die Schafe. Und weil der eine hütende Hund ja mal ausfallen könnte, muss ein zweiter hütender (also dritter) her. Weil jetzt aber die angebotenen Flächen zu groß sind für die Schafe, müssen zusätzliche Schafe her… Urlaube werden seltener – zumindest die am Stück. Aber das tägliche Seele-baumeln-lassen beim Anblick der Rasenmääääääääherinnen, dem ganz im Hier-und-Jetzt-Sein beim Training ist dann der tägliche Kurzurlaub und wiegt die Mühen wieder auf.
Bekloppt ist nicht mit Tier sondern ohne!
Jaja, schön und gut- aber denn Quatsch mit Kanada schlag dir mal lieber aus dem Kopf. Ich kenn ja F. und die ist dann am Ende noch begeistert von der Schnapsidee… 😀
Und mal ehrlich, 600 km sind weit genug weg, dafür dass der Privatzoo und ich hinterhergereist/-gezogen kommen… außerdem will niemand Lizzy (!) auf ner so langen Autofahrt ertragen müssen. 🙂
Die Vieltierassi-Zweigstelle (noch) im hohen Norden
Ich hab mich echt krumm gelacht als ich zufällig über den Text gestolpert bin und muss sagen, dass es mir Mut mach, dass andere manchnal meine Gedanken teilen. Wir haben auch einen von Deppness geplagten Harzer Fuchs Rüden, der nach dem zwanzigsten Mal vermöbelt werden noch ein 21 Mal lästig ist. 🙂 Aba offensichtlich sind Altdeutsche Hütehunde und das gibt Hoffnung 😉
Einfach herrlich! Wir haben nur einen Labbi. Aber der hats in sich wie 10 zusammen. Dabei wird immer behauptet, dass der Labbi ein idealer Familienhund wäre…Wird aber vergessen darauf hinzuweisen, dass es ein Jagdhund ist!
Ja, solche Geschichten bauen mich auf!!!! Es geht also auch noch andere Frauchen und Herrchen, den es genauso geht wie uns. Aber wir lieben unsere Dösel absolut! Es wäre langweilig ohne sie. Ob in Kanada oder hier. Danke für die tolle Geschichte!
Ohne den „perfekten“ Partner keine Freude mit zehn Hunden , oder einem, oder zwei, oder drei …
Halten wir sie uns sehr gewogen – könnte sonst ganz anders kommen.
DU!
LIEBST!
SIE!
Wunderbar!
Schön, ich dachte schon nur mein hutili ist so.
Aber als hundetrainer für uns, was ich evtl gedacht hatte, sehe ich nun schwarz. Hihihi
Ich hätte gerne einen Hund der wenigstens Pferde, Autos, Jogger, Radfahrer in Ruhe lässt.
Nun glaube ich, nach diesem Text, das dieses Ziel in verdammt weite Ferne rückt.
Und mein Baske ist nun der Vorfahr eurer altdeutschen und hat viel gen im Blut. 🙂
Naja, dei Rüden sind nicht unerzogen, sie sind nur etwas dämlich … Und Intelligenz kann man schlecht anerziehen. Was die Mädels angeht, sind wir etwas dämlich. Gelegenheit macht Diebe, das sollte uns klar sein 🙂
„Außer Pugsley, der sabbert.“ … Ich schmeiß mich weg. Einfach genial geschrieben.
Ach Normen, ich liebe Dich für Dein großes Herz :-))))
Schon komisch….das ist eigentlich geschrieben wie ein weiterer Höllenkreis aus Dante Komödie…und ich will einfach nur noch einen Hütitüti. Einer kann nicht reichen, ich sehe mich absolut bestätigt.
Einer der schönsten Liebeserklärung die ich je gelesen habe.:-D;-)