Last Christmas I Gave You my Heart

Den Titel habe ich übrigens nur gewählt, um Euch mit einem Ohrwurm ein letztes Mal in diesem Jahr zu ärgern 😉

2014 neigt sich dem Ende und es ist Weihnachten.

Wie es sich für einen nonkonformistischen Revoluzzer gehört geht mir das natürlich total am Arsch vorbei, weil Weihnachten ja eh eine reine Kommerzveranstaltung ist und ich mit diesem ganzen religiösen Klimbim nichts anfangen kann.

Grund dafür ist bestimmt meine Sozialisation:

Zwar bin ich in einem erzkatholischen Dörfchen aufgewachsen, doch die Tatsache, dass mein Vater katholisch und meine Mutter evangelisch waren, hat den damaligen Pfarrer dazu bewogen, uns Kindern die Taufe zu verweigern.

Also wurden wir evangelisch getauft (weil Taufe musste in den 1970ern sein), doch meine Eltern hatten die Nase voll von dem Verein und ich kann meine Kirchenbesuche, die darauf folgten, an einer Hand abzählen.

Trotzdem haben wir in der Familie natürlich Weihnachten gefeiert, ein Fest in erster Linie geprägt von Essen, verdammt viel Essen, Langeweile beim Warten auf das „Christkind“ und jeder Menge mehr oder weniger unterhaltsamen Fernsehsendungen auf den drei Sendern, die es damals gab.

Das Wohnzimmer schmückte eine alte Krippe, deren Figuren schon bessere Zeiten gesehen hatten. Jedes Jahr musste dem jeweiligen Familienhund wahlweise ein Schaf oder einen der drei Könige aus dem Maul gefischt werden, erst Ernie, später Tiger, dann Charlie und – da war ich schon ausgezogen – Olina.

So fehlten einigen der Figuren Extremitäten, den Esel hätte man im richtigen Leben erlöst, und das Jesuskind hatte eine schwere Bißverletzung davongetragen. Ich kann mich nicht mehr genau an das Jahr erinnern, aber irgendwann war die Krippe verschwunden und den Gang alles vergänglichen gegangen.

Nicht verschwunden dagegen war der Weihnachtsbaum aus Plastik, den mein Vater irgendwann mit der Begründung besorgt hatte, dass sich die Anschaffungskosten schon nach wenigen Jahren amortisiert hätten. Stimmt, denn den Baum gibt’s auch heute noch und nur an wenigen Feiertagen wurde er im Abstellraum gelassen, weil es einen echten gab.

Am Niederrhein aufzuwachsen bedeutet, in größtmöglicher Entfernung zu einer weißen Weihnacht aufzuwachsen, wie man sie aus dem Fernsehen kennt. Meistens war der 24.12. grau und nass. Außer natürlich in dem Jahr, als ich ein BMX-Rad geschenkt bekam. An jenem Heilig Abend war dermaßen viel Schnee gefallen, dass an eine Probefahrt nicht zu denken war.

Im Laufe des Lebens verliert Weihnachten dann den Zauber, den es für Kinder hat und artet in Stress aus.

Irgendwann weichen die großen, bunten Pakete einem schnöden Umschlag mit einem Gut- und später einem Geldschein. Und irgendwann beschließen wir, dass wir uns in der Familie keine Geschenke mehr machen. So auch bei uns.

Also keine für die Menschen. Für die Hunde macht meine Familie gerne eine Ausnahme.

Und so bekommen meine Hunde jedes Jahr zum obligatorischen Weihnachtsbesuch am Niederrhein selbstverständlich ein Geschenk – nämlich einen Karton Bonzo-Leckerchen, Schmackos, Kaustreifen und allem, was das Zoofachgeschäft sonst noch so her gibt.

Ich freue mich derweil über eine „Tupperware“-Schüssel mit Rouladen zum Aufwärmen. Ist ja auch was. Es sei denn, ich passe nicht auf, und die Rouladen fallen auf der Rückfahrt einem der Hunde zum Opfer.

Achja, die Hunde, die sind so etwas wie ein Enkelkindersatz für meine Mutter.

Da sie von meiner Schwester und mir in dieser Hinsicht nicht viel zu erwarten hat, nehmen die Hunde eben die Position derer ein, die es großmütterlich zu verwöhnen gilt, ohne dass man sich um die Konsequenzen zu scheren hat.

Dies wiederum ist mit einer der Gründe, warum ich mir sehr genau überlege, welche meiner Hunde ich mit zum Elternbesuch nehme, denn ein Tag bei der Familie reicht vollkommen aus, um den Erziehungsstand der Viecher auf Pubertätsniveau zurückzuwerfen.

Dabei geht es weniger darum, dass meine Hunde verwöhnt werden, sondern wie.

Als ich mal einen Workshop gab, fiel eine Teilnehmerin in der Mittagspause beinahe vom Glauben ab, weil ich meine Hunde vom Tisch füttere. Ein Stück Pizza hier, eine Scheibe Wurst da – ich finde das witzig und gönne meinen Hund den kleinen Snack zwischendurch.

Allerdings habe ich auch kein Problem damit, das arme bettelnde Tierchen in seiner Hungersnot sitzen zu lassen, wenn mir nicht nach teilen zumute ist.

So liegt die Bettelquote im Normalzustand bei lediglich 16,67 %, aber das ist der Dackel und der Dackel ist kein Hund, wie schon Horst Stern zu berichten wusste.

Anders bei meiner Familie. Wenn er oder sie schon so süß guckt, dann soll er oder sie auch was haben. Und da er oder sie ständig süß guckt, kriegt er oder sie ständig was. Und wenn gerade nichts zu Essen in der Nähe ist, steht man halt auf und holt dem armen Klops ein Häppchen. Denn wer weiß, wann er oder sie jemals wieder so süß gucken wird.

Noch Tage nach einem Besuch gucken meine Hunde völlig bekloppt aus der Wäsche in der Hoffnung, dass ich das süß finde und ich ihnen einen Keks hole.

Die Zeit zwischen den Tagen, wie man sie so schön nennt, ist meist von Ruhe und nur wenigen Terminen geprägt, so dass man in sie gut nutzen kann, um ausführliche, romantische Winterspaziergänge zu machen.

Und so lautet der chiffrierte Facebook-Post: „Heute wieder einen ausführlichen, romantischen Winterspaziergang mit meinem Hunde-Team gemacht“ (15 Leuten gefällt das.)

Dechiffriert bedeutet „Winter“ dieses Jahr, dass man besser in Regenhosen und Gummistiefeln unterwegs ist, will man nicht einen elenden Grippetod sterben, aber das ist ja nicht jedes Jahr so.

„Romantisch“ bedeutet wiederum, dass einem die geliebten Hundies all die kleinen Kleinigkeiten, die man in der hektischen Vorweihnachtszeit mangels Zeit und und Muße hat durchgehen lassen, nun geballt vor die Füße schmeißen.

„Ausführlich“ bedeutet nichts anderes, als dass es unter Umständen eben eine Zeit lang dauert, bis der Hund wieder da ist. Glücklicherweise jagen meine nicht, sind ja Hütehunde und die tun sowas nicht … *hüstel*.

Und Team steht, wie jeder weiß für „Toll, ein anderer machts“. Im Falle des Hunde-Teams, dass der eine das macht, was man dem anderen gerade verboten hat.“

Ein Facebook-Chat:

N: „Hast Du einen Moment Zeit, kann ich Dich anrufen?“
Ich: „Kein Problem, ich warte eh darauf, dass Finchen vom jagen zurückkommt.“
N: „Cool, dann kann ich ja erst noch meine Hunde rauslassen.“
Ich: „Klar, ich kann ja nicht weg.“

Wenn der „sichere Rückruf mittels Markersignal“ auf Grund weihnachtlicher Schmackosverstopfung der Gehörgänge mal wieder in Vergessenheit geraten ist, hilft mir meine längst vergangende Karriere als Sänger einer Punkrockband glücklicherweise auch heute noch, wenn es darum geht, auf Distanz mit meinen Hunden zu kommunizieren.

Das Crowling, so der Fachausdruck für ärgerverheißendes Gebrüll hat noch einen weiteren Vorteil – die Umgebung im Umkreis von ca. 20 Km Luftlinie weiß bescheid, dass Tacker heute nicht so ganz supi auf mein „Hiiiieeeeer, jabbajabba“ reagiert.

Da jetzt wieder alle meckern, dass man doch mit dem geliebten Vierbeiner leise und sanft kommunizieren soll, kann ich Euch versichern, dass der blöde Sauköter so weit weg war, dass mein „Du blöder Sauköter“ mit Sicherheit nur noch ganz leise und sanft zu vernehmen war.

So stehe ich also ganz weihnachtlich gestimmt bei angenehmen 3° Celsius im strömenden Regen knöcheltief im Schlamm, während meine Hunde machen, was sie wollen und denke darüber nach, wie sich mein Leben wohl entwickelt hätte, wenn ich mir – wenn ich schon viele Tiere haben will – Goldfische zugelegt hätte.

Goldfische sind toll, man kann ihnen tolle Tricks beibringen. Ein Schulfreund hatte mal fünf Stück, denen er beigebracht hatte, auf dem Rücken an der Wasseroberfläche zu schwimmen.

Allerdings lebten die haarscharf an der Verhaltensstörung, denn sie waren so in diesen Trick vertieft, dass man es nicht mehr abbrechen konnte. Schließlich haben sie das Körperpflegeverhalten ziemlich vernachlässigt, so dass es nach einiger Zeit ganz schön müffelte in dem Aquarium.

Spaß beiseite, ohne Hunde hätte ich viel verpasst.

Die „Hundeszene“ zum Beispiel.

Und meinen hohen Blutdruck und mein Magengeschwür.

Andererseits sollten wir „Hundemenschen“ uns nicht einbilden, dass es nicht noch schlimmer ginge. Wo wir gerade bei Goldfischen sind, besuch doch mal ein Aquaristikforum. Du wirst auf schlagartig erfreut sein, wie sehr die Diskussionen unter Hundehaltern doch von gegenseitigen Respekt und Rücksichtnahme geprägt sind.

Auch in Häkelforen soll es übrigens heiß her gehen, habe ich neulich erfahren.

Überall da, wo Menschen aufeinandertreffen kommt es auch zu Reibungen. Und da, wo es um so etwas hochemotionales wie Häkeln geht, da schlägt man auch mal über die Stränge.

Das ist menschlich und erstmal nicht weiter schlimm. Hauptsache, das Ergebnis stimmt und der Pulli sitzt.

Wenn nicht, dann sieht’s halt scheiße aus, egal ob es sich um den selbstgeklöppelten Anorak oder um den selbst versauten Hund handelt.

So wie neulich, als eine prominente Kynopädagogin im Regionalfernsehen zeigen durfte, wie man seine Hunde ausschließlich mittels positiver Verstärkung dazu bringt, einen vor der Kamera so richtig dämlich aussehen zu lassen.

Grenzen setzen ist sowas von out und Neunziger Jahre, genau das habe ich gerade letzte Woche meinem Sohn erzählt, als ich ihn in der JVA besucht habe.

Achtung Quotenargument: Dämlich aussehen funktioniert natürlich auch hervorragend mit ausschließlich aversiven Methoden! Der Unterschied liegt allerdings darin, dass es die positive Verstärkung ins Privatfernsehen schafft und die Prügelfraktion nur bis Youtube.

Ich bleibe dabei.

Jeder soll seinen Goldfisch so barfen, wie er es für richtig hält, seine Socken so stricken, wie es ihm passt und seinen Hund so erziehen, wie es ihm gefällt.

Wenn das Ergebnis stimmt, ist doch alles prima, wenn nicht, dann hilft Humor und Selbstreflexion.

Und wenn man keinen Humor hat und auch nicht selbstreflektiv ist, dann finden sich im Internet immer noch genügend Gleichgesinnte, mit denen man zum Clickern oder Klöppeln in den Keller gehen kann.

So ist das in einer freien Gesellschaft.

Empathie heißt das Zauberwort, das uns hilft, Mitgefühl für 17.500 Menschen zu empfinden, die sich von sage und schreibe drei salafistischen Straftätern bedroht fühlen und Forderungen stellen, die beinahe so krude und dämlich sind, wie die Umsetzung des §11 für Hundetrainer.

Gerade jetzt zu Weihnachten sollten wir den Gedanken der Nächstenliebe hegen und nicht nur an uns denken.

So könnte man zum Beispiel einen Troll im Dogs-Forum glücklich machen, in dem man mit ihm eine Diskussion startet. Oder eine Petition, in der man dem Weihnachtsmann verbietet, seine Rentiere mittels Peitsche anzutreiben. Man könnte seinem Hund die Nachbarskatze auch mal gönnen. Das ist doch der Gedanke von Weihnachten.

In diesem Sinne muss ich jetzt mal meine Hunde mit Keksen versorgen, denn die gucken schon wieder süß!

Euch wünsche ich ein friedliches und besinnliches Weihnachtsfest und möchte mich bei allen bedanken, die ich auf den Workshops, Lesungen und im Training kennenlernen durfte, die ich sonstwo kennenlernen durfte, die fleißig kommentiert haben und schließlich ganz besonders Dir – fürs Lesen!

 

Der König ist tot, lang lebe der König!

Als „Hoax“ bezeichnet man eine gezielte Falschmeldung, die im Internet rumgereicht wird, meist mit dem Ziel, Clicks zu erreichen und interessierte Leser auf die eigene Seite zu lotsen.

Es gibt Hoaxes, die sich sehr, sehr hartnäckig halten wie beispielsweise der, das es ausreichen würde, den Facebook-AGB zu widersprechen, in dem man das einfach in sein Profil postet. Auch die immer wiederkehrenden Nachrichten über „Altkleidersammler“, die Katzen klauen und den mittlerweile berühmten weißen Bulli, der vor Kindergärten rumsteht sind einfach nicht totzukriegen.

Gestern machte bei Facebook die Nachricht die Runde, dass Cesar Millan an einer „Heart Attack“ gestorben sei, was sich jedoch relativ schnell als Fake rausstellte.

Kein Fake dagegen waren die Kommentare unter der Meldung. Ein paar „Highlights“:

  • „Hoffentlich ist er elendig verreckt.“ (5 Gefällt mir-Angaben)
  • „Endlich ist die Welt diesen Tierquäler los.“ (22 Gefällt mir-Angaben)
  • „Gut so.“ (2 Gefällt mir-Angaben)
  • „Hoffentlich war es ein qualvoller Tod.“ (8 Gefällt mir-Angaben)
  • „Das hat er verdient.“ (17 Gefällt mir-Angaben)
  • etcpp.

Diese Liste ließe sich beliebig weiterführen und beweist ein weiteres Mal, wessen Geistes Kind so manche vermeintliche Tierfreude sind. Die propagierte Gewaltfreiheit beschränkt sich auf den Umgang mit dem eigenen (Haus)tier.

Schon bei solchen Tieren, die verfüttert statt gefüttert werden, hält sich das Mitleid in Grenzen.

Und geht es um Menschen, insbesondere solchen, denen man „Gewalt“ vorwirft, sieht das Ganze nochmal anders aus. Denen darf man den – möglichst qualvollen – Tod an den Hals wünschen und sich diebisch drüber freuen, wenn sie gestorben sind.

Selbstverständlich scheißegal, dass Millan vielleicht eine Familie und Hinterbliebene hat, die sich – im Falle einer echten Meldung – dann mit solchen Äußerungen konfrontiert sehen.

Viele Menschen behaupten ja, dass Facebook geradezu dazu verleiten würde, ungefiltert unter dem Schutz der vermeintlichen Anonymität die Sau raus zu lassen.

Ich sehe das etwas anders.

Bei einem Hund würde man von latenten Verhalten sprechen, also einer Verhaltensweise, die vorhanden, aber nicht unmittelbar zu erfassen ist. Der Hund ist grundsätzlich bereit zu beißen, bisher hat es jedoch keinen Auslöser gegeben, der ihn dazu veranlasst.

Viele Menschen scheinen grundsätzlich dazu bereit zu sein, sich menschenverachtend und (verbal) gewalttätig zu verhalten – und Facebook scheint ein geeigneter Verhaltensauslöser zu sein.

Und wenn man bei Facebook schonmal Erfolg hatte, dann verhält es sich ähnlich wie mit dem Hund. Wenn das mit dem Knurren auf dem Sofa funktioniert, dann kann man es ja mal mit dem ganzen Wohnzimmer ausprobieren. Und wenn es für die kreativste Morddrohung bei Facebook ein paar aufmunternde Likes gibt, vielleicht probiert man es dann mal bei Spiegel Online.

Darauf angesprochen hört man dann, dass der Facebook- oder Forennutzer „sowas im richtigen Leben“ ja niemals sagen würde.

Das Problem ist nur, dass die Empfänger der Botschaft „richtige“ Menschen sind und nicht ein paar virtuelle Schießbudenfiguren, an denen man sich abreagieren kann.

Ein Kollege erklärte mir mal ein radikal neues Konzept, er nannte es „nachdenken.“

Angstmäuse from Hell

Jetzt neu mit Hass-Mail-Live-Ticker:

(A) Präambel

Die gemeine „Angstmaus“ erkennt man daran, dass sie

  1. oft aus einem Land kommt, dessen Bewohner eine etwas andere Vorstellung von Hundehaltung haben als wir, weshalb diese Menschen alle samt und sonders „Schweine“, „Arschlöcher“ oder „Hurensöhne“ sind, die man „umbringen“, „besuchen“ oder deren „Familie man auslöschen“ sollte (vgl. Facebook 2014 et al.)
  2. auf Grund dessen eine schlimme Vergangenheit haben muss, auch wenn diese garnicht bekannt ist. In anderen Ländern landen Hunde nämlich grundsätzlich und immer an der kurzen Kette, in einem nicht rostfreien Zwinger oder auf der Straße.
  3. sie sich gerne mal wie offene Hose benimmt; ihrem Gegenüber gaaanz schüchtern zeigt, wo der ängstliche Frosch die Locken hat oder vor lauter Panik an der Leine pöbelt, als wenn’s kein morgen gäbe.
  4. oft einen Besitzer bzw. vielmehr eine Besitzerin hat, die etwas gutes tun wollte, als sie sich dafür entschieden hat einen Hund aus dem Tierschutz zu kaufen einem armen Notfell eine Chance zu geben und es zu adoptieren.

(Bis hier 5 Hass-Mails)

Wenn eine Angstmaus beißt, dann meist deshalb weil sie ein Problem mit großen Männern oder dicken Kindern oder gebrechlichen Frauen oder Menschen generell hat, was an den oben genannten Gründen liegen muss.

Dieses Verhalten war dann nicht etwa irgendwie aggressiv, sondern zumindest mal eine Übersprungshandlung.

So erklärte mir auch Sabine, warum „Tiffy“ den älteren Herrn im Park in Richtung Krankenhaus befördert hatte. Dieser nämlich hatte die Individualdistanz der Angstmaus deutlich unterschritten – und das trotz gelber Schleife, die an Tiffies Geschirr baumelte.

So ein Idiot, ist der nicht bei Facebook? Dann müsste er doch wissen, dass es die „gelbe Schleife“ ist, an der man Hunde erkennt, deren Besitzer lieber gelbe Schleifen kaufen als ihre Hunde zu erziehen oder ihre Umwelt vor dem Vieh zu schützen.

(20 Hass-Mails, nein, 19, die eine wird ironisch gemeint sein … )

Bei näherer Analyse des Beißvorfalls, ähm, ich meine natürlich der Übersprungshandlung, wurde klar, dass Tiffies Individualdistanz ungefähr 15 Meter beträgt und dass sie „normalerweise“, so Sabine auf dieser Distanz schon sehr gut gegenkonditioniert wäre.

Meine Frage, woher sie denn weiß, dass „normalerweise“ funktioniert, beantwortete sie mit dem Hinweis auf die vier anderen Menschen, denen Tiffy schon in der Hose gehangen hatte. Meine Frage, wozu sie eine Fünfzehnmeterleine hätte war nur noch rhetorischer Natur.

Denn natürlich ist Tiffy ein Hund. Und ein Hund ist ein Lauftier. Und Lauftiere müssen laufen.

Das ist schon richtig, erwiderte ich. Aber sollten sie nicht auch zurückkommen? Ja schon, so das Angstmausfrauchen, das Rankommen übe man ja mittels Angstpendeln – und nein, das habe rein garnichts mit Auspendeln zu tun.

Sie könne mir das auch demonstrieren, aber hier sei dann doch zu viel los. Ich schaute mich um, weit und breit nichts zu sehen. Aber Sabine hatte recht, hier mitten auf dem Feld könnte ja was unvorhersehbares passieren. Ein Flugzeug könnte z.B. ein Piano verlieren, das dann neben uns auf den Boden knallt.

Nein, aber es könnte ja sein, dass irgendwo ein Kaninchen auftaucht und dann wäre Tiffy weg. Denn trotz Würstchenbaum und Antijagd-Clickern hatte das Mäuschen noch nicht verstanden, dass es in Vollpension lebt und das selbstständige Erlegen von Beute nicht mehr notwendig sei. Naja, außer Suchmäuseln, denn das sieht total süß aus, wenn Tiffy – nicht die Maus – so einen Spaß hat.

Ich wiederholte das bis dahin Gehörte, nämlich dass Sabines Hund bisher fünf Leute, davon einen ziemlich heftig gebissen hatte und außerdem jagt wie die Sau. Und trotzdem ohne Leine durchs Leben geht. Alter Schwede. (Hemlik Svenska)

Jetzt gerade stand Tiffy jedoch neben ihrem Frauchen und fixierte mich – nur unterbrochen durch ständiges „Mach Sitz, Tiffy“ von Seiten Sabines, was die Angstmaus mit einem kurzen „Ich hab die Sau im Blick“ quittierte und sich noch ein bisschen größer machte.

Angst sieht anders aus, dachte ich mir.

Und außerdem fragte ich mich, ob irgendwo jemand mit einer versteckten Kamera unser Gespräch filmte. Sozusagen im Sekundentakt erklärte mir Sabine ihre Methoden, natürlich alle nur die neuesten und vor allem solche, bei denen ich Brechreiz kriege.

Vielleicht will die mich verarschen, dachte ich bei mir. Vielleicht gibt es jetzt ein neues Format namens „Grünschleifen-TV“ und ich bin das erste Opfer der Sendung „Irritieren statt trainieren“, in dem böse Menschen wie ich vor laufenden Kameras in den Wahnsinn getrieben werden, bis sie den Job an den Nagel hängen oder so.

(35 Hass-Mails, zwei Anrufe)

Nachdem ich mit Sabine und Tiffy ungefähr 20 Minuten spazieren gegangen war, uns in der Zeit drei Hunde entgegenkamen, die Tiffy allesamt killen wollte, während ich penibel auf die Individualdistanz achtete, damit mir das Notfell nicht gleich in Jacke hüpft, blieben wir schließlich stehen und ich sagte:

„Sabine, du musst jetzt ganz stark sein, aber ich glaube Tiffy ist gar kein Angsthund. Ich glaube sogar, dass sie ziemlich genau weiß was sie tut und ihre Zähne einsetzt, wenn ihr was nicht passt. Und wenn du mich fragst, ist das auch der Grund, warum sie in Spanien ins Tierheim gegeben wurde. Weil sie nämlich beißt. Davon abgesehen jagt sie wie die Sau, ist nicht abrufbar und wenn sie mal an der Leine hängt, dann pöbelt sie wie irre.“

In solchen Momenten kann man die Spannung in der Luft beinahe spüren.

Ich sah Sabine an und hörte quasi die Heavy Rotation in ihrem Kopf. Sie atmete tief ein und ich machte mich auf ein Donnerwetter gefasst. Doch dann sagte sie:

„Stimmt, das habe ich mir auch schon mal überlegt“.

In solchen Momenten kann man wiederum beinahe hören, wie meine Kinnlade auf den Asphalt scheppert. *klirr*

Was nicht sein darf, darf auch nicht sein.

Und wenn die freundliche Tierschützerin aus Spanien sagt, dass die favourisierte Notnase Angst hat, dann ist das so.

Kann ja schließlich keiner wissen, dass es mit dem Fachwissen bei ausländischen Tierschützern häufig genauso weit her ist, wie bei vielen von denen, die hierzulande aktiv sind.

Viele Emotionen, noch mehr Tierliebe, das gepaart mit dem guten Gefühl, etwas uneingennütziges zu tun und dem kynologischen Fachwissen aus einem „Was ist Was“-Hörbuch – und schon wird aus dem herzhaften Beißer ein ängstliches Herzchen.

(Ticker kaputt, müssen mittlerweile tausend Hass-Mails sein.)

Ungefähr Hundertundzwölf Prozent der beißenden Hunde, die in Hundeschulen vorgestellt werden, haben Angst. Der Grund dafür ist einfach.

Denn der Hund, der aus Angst beißt, ist emotional wesentlich einfacher zu verkraften, als der, der beißt, weil er ein unerzogenes Arschloch ist.

Der Kunde mit der Angstmaus zahlt gerne die eine oder andere Zehnerkarte mehr, weil er das Gefühl kennt. Angst hat jeder, sei es vor dem Verlust des Jobs, sei es vor dem älter werden oder vor Spinnen.

Außerdem will man ja was gutes tun. Und wenn einem plötzlich klar wird, dass man da nicht einer armen Seele das Leben gerettet hat, sondern einem hundgewordenen Charles Manson Unterschlupf gewährt, steht man unter Umständen plötzlich ziemlich dämlich dar vor den Freunden aus der Facebookgruppe.

Von der nächsten Kynopädagogin positiv bestärkt, tauscht man flux noch das Stachelhalsband gegen eine Einzelstunde und schon wird fleißig an einem nicht existierenden Verhaltensproblem gearbeitet – und zwar bitte recht freundlich.

Das Mittel der Wahl ist dann häufig die Gegenkonditionierung, salopp ausgedrückt also die hohe Kunst, exakt den Moment positiv zu besetzen, bevor das Tierchen in Stress gerät. Wirklich eine eine hohe Kunst, da es genügend Stresssymptome gibt, die der geneigte Positivbestärker garnicht oder erst bemerkt, wenn es zu spät ist – es sei denn, er hat seinen Hund zufälligerweise gerade am EKG und am Elektroenzephalografen angeschlossen.

Kostenloser Marketing-Tipp!

Für die wirtschaftlich denkenden Hundetrainer unter uns (wir machen das ja eigentlich alle nur aus Liebe zum Tier und weil wir helfen wollen) ist das eine wahre Goldgrube.

Rechtzeitig, bevor die nächste Leasingrate für das vollfolierte Firmenauto fällig wird, schnell noch ein „Oh Mist, das ist aber ein bisschen doof. Jetzt hast du genau in die Angst des Mäuschens reinkonditioniert“ eingeworfen und schon kann’s von vorne los gehen.

Super, der nächste Pauschalurlaub auf Malle ist gesichert. Und wenn man schonmal da ist, kann man grad noch eine Angstmaus mitbringen, die man dann der solventen Kundschaft gegen Zahlung einer entsprechenden Schutzgebühr aufs Auge drückt – zuzüglich Einzeltraining natürlich.

Marketing-Tipp Ende.

Nachdem wir nun alle gelacht haben, wird es ernst. Und zwar unter Umständen todernst.

Angst erkennt man an verschiedenen Symptomen, laut Feddersen-Petersen müssen drei davon identifizierbar sein, um auch ethologisch von einer Angst zu sprechen. Der gravierende Unterschied zwischen Angst und Unsicherheit ist der, dass der unsichere Hund noch in der Lage ist, sich mit dem auslösenden Reiz auseinanderzusetzen. Er verhält sich also ambivalent.

Der Angsthund jedoch kann sich nicht mehr auseinandersetzen, mit dem Ergebnis, dass er – je nachdem, wem man glauben möchte – drei bis vier „f“ zeigt: Flight, Freeze, Fight und neuerdings auch Fidget.

Einem Angsthund, der flüchtet wird man maximal mithilfe einer Lebendfalle oder einer Fangstange habhaft. Beides sehr hässlich und einmal hatte ich auch das „Vergnügen“, einen solchen Hund aus einer Wohnung zu holen. Von den Tierschützern als „ein bisschen schüchtern“ beschrieben, war die „Adoptantin“ etwas verwundert, als man ihr an der Autobahnraststätte eine Flugbox mit der Aufschrift „Nicht öffnen, Fluchtgefahr“ in die Hand drückte.

Als sie dann zuhause ankam und die Box öffnete, wusste sie dann auch, was gemeint war. Drei Wochen mit einem Schatten im Haus später hatte sie die Nase voll, rief mich an und ich musste den armen Hund mit einer Moxonleine aus dem Badezimmer rausoperieren, in das wir es vorher getrieben hatten.

Es ist wirklich kein Vergnügen, einen solchen Hund aus dem zweiten Stock eines Mehrfamilienhauses ins Auto zu bugsieren und ich durfte mir von durch den Lärm aufgeschreckte Nachbarn entsprechende Wünsche für die Zukunft anhören.

Insofern war es mir dann ein kleiner innerer Reichsparteitag, als die empörten Tierschützer ihren Schützling wieder abholen wollten und stundenlang mit ihren Futterbeuteln vor der Hundehütte gammelten, bevor sie eingesehen hatten, dass die Hündin lieber verhungert, als sich ihnen auch nur einen Millimeter zu nähern.

Ein Hund, der in seiner Angst einfriert, der stellt grundlegende Körperfunktionen wie den Stoffwechsel, das Komfortverhalten und die Sexualität ein. Wenn man also versucht, dem Hund ein Steak anzudrehen hat man genauso gelitten wie wenn man dem Angstrüden mit einer attraktiven Hündin in der Standhitze vor der Nase rumwedelt. Wie eine Salzsäule hockt er da und verhält sich nicht mehr – trotz der Aussicht auf eine heiße Nacht und ein „Steak danach“.

Der Angsthund, der in den „Fight“ geht, sorgt oft für bleibende, schmerzhafte Erinnerungen. Kein Wunder, denn wer unter Todesangst agiert, der macht keine Gefangenen und wird so heftig wie irgendmöglich zubeissen.

Und die neue Besitzerin, die es auch nur gut meinte, musste sich schweren Herzen wieder vom frisch zugelegten Liebling trennen angesichts der zwanzig OPs, die nach dem Angstintermezzo noch auf sie zukamen,

Angst haben ist kein Spaß und erst recht kein Zustand, den man einem Hund mit Mitleid, netten Worten und irgendwelchen kynopädagogischen Spöckes entgegentreten könnte.

Ein solcher Hund braucht in erster Linie eines – nämlich einen Besitzer, der in der Gefühlslage ist zu ertragen, dass sein Vierbeiner Angst hat. Das klingt vielleicht herzlos, aber niemanden, und am wenigsten dem Hund ist damit geholfen, wenn man ihm die Situation noch gruseliger quatscht als sie eh schon für ihn ist.

Und der Alltag mit einem solchen Tier ist in erster Linie durch viele kleine und große Momente geprägt, in denen man nur auf dem zweiten Blick gutes tut – auf dem ersten sieht das oft scheiße aus und fühlt sich emotional auch so an.

Den Angstbegriff inflationär zu gebrauchen ist nicht nur fachlich nicht haltbar und oft genug nichts anderes als eine Ausrede für die eigene Verweigerung, den Hund zu erziehen oder moralische Masturbation auf das eigene Gutmenschen-Ego.

Nein, der inflationäre Gebrauch dieses Begriffs stellt auch eine Verharmlosung eines wirklich schwerwiegenden Verhaltensproblems dar, mit der fatalen Folge, dass sich tierliebe Menschen mit einem solchen Hund ins Unglück stürzen.

Das Leben ist ein gottverdammter Ponyhof!

„Ey Finn, tut mir echt leid, aber die meinen das wohl ernst“, sagte ich. Finn ist ausnahmsweise mal kein Hund, sondern ein Pferd. Vielmehr ein sogenanntes „Reitsofa“, wie mir Denise versicherte. Und in den nächsten zwei Stunden sollte ich auf ihm sitzen, denn die Damen des Hauses hatten einen Ausritt geplant und mich kurzerhand eingeplant.

Normalerweise würde ich dankend ablehnen, aber ich hatte es mal jemand wichtigem versprochen und wollte nicht als derjenige dastehen, der seine Versprechen nicht hält.

In meiner Fantasie würden wir gemeinsam dem Sonnenuntergang entgegen reiten. In der Realität musste ich in den nächsten Stunden feststellen, dass die Sonne längst untergegangen ist, bis ich den Gaul mal in Bewegung gesetzt habe.

Davon abgesehen, wir wohnen auf einem Ponyhof, wo kämen wir denn dahin, wenn ich nicht wenigsten ein bisschen reiten könnte.

Das größte Glück der Erde soll ja bekanntlich auf dem Rücken eines solchen Zossen zu finden sein. So ganz sicher war ich mir meiner Sache allerdings nicht. Nun standen wir da, Finn und ich. Er nicht mehr der jüngste, ich nicht nicht gerade der leichteste. Ob das wohl gut geht?

Meine Erfahrung mit Pferden im Nahbereich beschränkt sich weitestgehend auf eine unheilvolle Begegnung mit einem Shetlandpony. Als ich ungefähr sechs Jahre alt war, machte nämlich ein Wanderzirkus bei uns im Dorf halt und hatte eben dieses Vieh im Schlepptau. Als ich es streicheln wollte, biss es mir herzhaft in den Oberschenkel.

Das war’s dann auch mit der Horse-Experience, ansonsten hatte ich als Jugendlicher mal hier, mal da mit irgendwelchen Mädchen zu tun, die Reitunterricht nahmen und die „Wendy“ lasen – meist nur so lange, bis sie das Pferd gegen einen Freund und die „Wendy“ gegen wertvolle Ratschläge vom Dr. Sommer-Team eintauschten.

Davon abgesehen habe ich als bekennender Kontrollfreak naturgemäß ein Riesenproblem damit, eben diese abzugeben und meine Vergangenheit als kleiner, dicker Junge auf dem Land hat sich ebenfalls als nicht besonders förderlich herausgestellt, wenn es darum geht, sich als absoluter Anfänger vor anderen Menschen sportlich zu betätigen.

Aber versprochen ist versprochen. Und so würde ich also ausreiten.

Glücklicherweise ist Finn nicht allzu groß, so dass ich es auch ohne hochnotpeinliche Aufstiegshilfe in den Sattel schaffte. Unglücklicherweise ist Finn wiederum groß genug, um mich daran zu erinnern, dass ich ziemlich höhenängstlich bin.

Als erfahrenes Reitpferd merkte mein getreuer Gaul natürlich sofort, dass ich überhaupt keine Ahnung cavon habe, was ich da tue und beschloss, meinen „Kommandos“ entsprechend exakt Folge zu leisten.

Und da sich die Einweisung von Denise auf „Rechts“, „Links“, „Vorwärts“ und „Stopp“ beschränkte, signalisierte ich wohl auch genau das: „Finn, lauf mal rechts, links, geradeaus und stopp – und zwar gleichzeitig“.

Finn tat wie geheißen, mit dem Ergebnis, dass wir nicht so richtig mit den anderen mithalten konnten und zunächst erstmal mehr oder weniger Slalomgehend hinter der Gruppe hertrotteten. Das Finn sich überhaupt bewegte lag wohl eher am Herdentrieb und nicht meinen souveränen Anweisungen.

Zwischendurch war ich etwas besorgt, ob der gute Finn vielleicht eine Pause bräuchte, ich jedenfalls brauchte eine.

So saß ich auf der Suche nach dem großen Glück auf dem Rücken des Pferdes, versuchte meine Unsicherheit mit dummen Sprüchen zu kaschieren und gleichzeitig mit den anderen Schritt zu halten, während ich mir von meiner Höhenangst getrieben beinahe in die Hosen machte.

Vor meinem inneren Auge stellte ich mir vor, wie ich gleich runterfallen und mir sämtliche Knochen brechen würde, wie ich regungslos auf meinem Krankenbett sitze, von Kopf bis Fuss eingegipst, und von einer schlechtgelaunten Krankenschwester gegen meinen Willen mit schwedischen Stockfisch gefüttert werde.

Selbstverständlich während meine Reitkumpanen immer noch am Ort des Geschehens auf dem Rücken liegen und sich vor Lachen die Bäuche halten.

Finn zeigte derweil viel Verständnis für meine Ängste und Sorgen, hin und wieder blieb er mal stehen und schüttelte mich samt Sattel wieder in eine aufrechte Sitzposition. Dann schaute er mich fragend an, ich vermute, unter einem echten Cowboy hat er sich auch was anderes vorgestellt.

Im Laufe der Zeit erlangte ich eine jedoch gewisse Souveränität und schaffte es tatsächlich kurzfristig meinem Wünschen die entsprechenden Taten folgen zu lassen – oder Finn hatte gelernt, meine kruden Kommandos zu lesen.

Telepathie sozusagen, immerhin hatte die Reitlehrerin ja auch gesagt, dass man ein Pferd nicht mit den Händen sondern mit dem Kopf führt …

Irgendwie ganz cool, so auf nem Pferd, dachte ich mir jedenfalls, machte es mir etwas bequemer und gab etwas mehr Zügel – so dass es Finn plötzlich ziemlich eilig hatte, lostrabte und ich mich just in der Sekunde schon wieder stockfischgefüttert im Krankenhaus sah.

Die Strecke, die die anderen ritten und die Finn und ich irgendwie zu überbrücken versuchten, nennt sich „Zauberwaldweg“. Klingt total romantisch.

Doch mit einem Mal stoppte Denise und sagte: „Das war der Zauberwald, nun kommen wir zum ‚Highway to Hell'“. Aha, ist ja saukomisch!

Die nächsten 300 Meter ging es querfeldein und meine Aufgabe war es, Finn elegant an den Hindernissen vorbei zu lotsen. Da das mit dem „vorbei“ nicht so recht klappen wollte, entschied sich das kluge Pferdchen dafür, einfach untendrunter durch zu gehen, während ich diverse Äste und Zweige aus nächster Nähe begrüßen durfte.

Mit der Lernerfahrung, dass Tanne überhaupt nicht nach Weihnachten schmeckt, verließ ich den „Highway to Hell“ weitestgehend heile und saß den Rest der Zeit sozusagen auf einer Arschbacke ab, weil ich nämlich einen Mordskrampf im Oberschenkel hatte und mich nicht traute, vom Pferd zu steigen.

Finn, der gnadenvolle alte Zosse, gab sich aber jede Mühe, es mir so bequem wie möglich zu machen – gaaaanz in Ruhe – und jemand wichtiges erbarmte sich, mich den Rest der Strecke auf meinem Geschwindigkeitsniveau zu begleiten.

„Vorwärts“ klappte nämlich immer noch nicht so richtig und ehrlicherweise hatte ich Angst, dass Finn gleich einfach umkippt und einschläft.

Reiten ist toll. Überhaupt ist mir ein Sport, bei dessen Ausübung man rauchen kann, sehr sympathisch.

Und es ist tatsächlich ein merkwürdig erhebendes Gefühl auf so einem Pferd. Und ich kann mir gut vorstellen, dass es tatsächlich das großes Glück sein kann – vorausgesetzt, man hat verstanden hat, was man tut.

Als ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, wurden mir dann auch zwei Dinge sofort klar:

1. Es gibt im Oberschenkel- und Beckenbereich Muskeln, von denen ich vorher noch nie etwas gehört hatte und die sauweh tun können.

2. Ich brauche Reitunterricht. Das bin ich Finn schuldig. Und ja, ich will den verdammten Sonnenuntergang einholen.

Das „Wendy“-Abo ist bestellt.

Ist in den Tisch beissen eigentlich ein Beißvorfall?

Es gibt so Momente, in denen immer wieder deutlich wird, dass das Gegenteil von gut gemacht häufig doch gut gemeint ist.

Als ich zum Beispiel heute morgen die Spülmaschine einräumte und auf das Schneidebrett mit den Bratenresten von Gestern abend stiess, meinte ich es gut, als ich es dem – unglaublich süß guckenden – Nookie feilbot und sagte: „Ach du süßer, hier, darfste sauber lecken“. Dafür benötigte der Nook ungefähr 25 Sekunden. Danach benötigte ich gut 25 Minuten, um das arme Schneidebrett wieder aus seinen Fängen zu befreien.

So ist das, eine Sekunde nicht nachgedacht und schon sieht man sich mit ungeahnten Herausforderungen konfrontiert. Man fasst sich an den Kopf und könnte in die Tischkante beißen.

Ein ganz ähnliches Phänomen schilderte mir kürzlich eine Bekannte, die ihr Geld unter anderem damit verdient, indem sie Artikel für ein großes deutsches Hundemagazin verfasst.

Ich outete mich nämlich dahingehend, dass ich die Zeitschrift dermaßen belanglos und einseitig finde, dass ich fast vergessen hätte, das Abo zu kündigen, weil das Heftchen mittlerweile immer ungeöffnet im Mülleimer landet. Früher war das einmal anders.

„Ach weißt du“, erwiderte sie. „Sobald wir irgendetwas von jemanden wie Dir veröffentlichen, hagelt es Leserbriefe, Abokündigungen und Protestschreiben an unsere Anzeigenkunden. So lange wir uns im Bereich Lob, Clicker und Spaß bewegen, bleibt es friedlich“.

Klar, in Zeiten von Verlagssterben und unterbesetzten und -bezahlten Redaktionen kann sich niemand leisten, hunderte E-Mails empörter Kynopädagoginnen zu beantworten und obendrein auch noch zahlende Kundschaft zu verlieren.

Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass ich nicht der einzige bin, der beginnt, sich auf dem Klo zu langweilen angesichts immer neuer Hundekeksbackrezepte und alter Tricks mit immer neuen Alltagsgegenständen.

Und so wette ich auf das Titelthema der nächsten Ausgabe: „Die schönsten Weihnachtsgeschenke für den besten Freund des Menschen“ (Diese Headline kann käuflich erworben werden.)

Wirkliche Zahlen konnte mir die Bekannte als freie Autorin natürlich nicht nennen, doch sind die Abozahlen in nahezu allen Printmedien rückläufig und Anzeigenkunden reißen sich auch nicht mehr darum, Werbung zu schalten, wenn es doch online viel schneller, zielgruppengenauer und günstiger geht.

Wenn die Strategie einer Redaktion jedoch die ist, sich möglichst Ärger vom Bein zu halten, dann muss sie sich quasi aus vorauseilender Rücksichtnahme selber zensieren. Mit dem Ergebnis, dass die Publikation zwangsläufig weichgespült wird und allzu kritische oder anderslautende Meinungen keinen Platz mehr haben.

Interessant wäre an dieser Stelle mal zu eruieren, wie viele Abos eigentlich gekündigt werden, weil die „falsche“ Philosophie oder der „falsche“ Hundeguru publiziert wurde und wie viele Kündigungen dem auf Grund von Langeweile ob der ewig gleichen Inhalte entgegenstehen.

Interlude

Trotzdem kann ich die Verlage gut verstehen, denn zum gekündigten Abo kommt ja noch der Leserbrief bzw. in der heutigen Zeit die E-Mail. Und die ist schnell getippt, auf jeden Fall hochemotional und ganz bestimmt nicht positiv bestärkend.

Das bedeutet, dass dem gestressten Magazinmacher nicht nur die dreißig Euro fürs Abo flöten gehen, sondern dass er auch noch jede Menge kostbare Zeit in eine freundlich formulierte, um den Leser buhlende Antwort investieren muss. Und im schlimmsten Falle wiederum darauf eine Antwort bekommt und sich plötzlich in einer Kommunikation mit einer nicht mehr zahlenden Leserin wiederfindet, die noch mehr Zeit und Energie verschlingt.

Ein typischer Anfängerfehler. Neulich, als ich gerade auf dem Ponyhof angekommen war und auch das Internet so langsam mitbekommen hatte, dass ich mich im Norden einrichte, bekam ich eine außerordentlich nette Nachricht mit dem Text:

„Wo haben Sie eigentlich die Qualifikation her, um über den Umgang mit Hütehunden zu referieren?“

Statt einfach „Aus dem Fernsehen.“ zu antworten oder die Nachricht schlicht zu ignorieren, kam ich auf die blöde Idee, ausführlich zu reagieren und schon hatte ich den Salat. Nachdem ich ausführlich darüber informiert wurde, dass mein Gegenüber „selber seit Hundert Jahren Hundetrainerin“ ist, alle anderen ahnungslos sind und ihre Familie den Hütehund als solchen erfunden hat, wurde ich dann doch neugierig und habe sie mal gegooglet.

Das Ergebnis war eher ernüchternd. Dafür war ein halber Nachmittag draufgegangen, an dem ich auch etwas interessantes hätte tun können. Dauerwerbesendungen gucken oder Fliesen im Flur zählen zum Beispiel.

Aber zurück zum Thema

Dem typischen Hundemagazinleser ist die Problematik vielleicht garnicht so bewusst.

Und der findet dann auf der Suche nach allgemeiner Unterhaltung und interessanten Anregungen die neuesten Tipps fürs Gassigehen im Winter (warme Kleidung), den Hinweis, dass der Audi Q7 ein super Auto für Hundehalter ist und dass es für Smartphones total lustige Apps gibt, bei denen Welpen den Bildschirm abschlecken. Wahnsinn.

Dazu ein Rasseportrait irgendeiner Hunderasse, die sich besser niemand anschaffen sollte, es sei denn man möchte ein Problem im Haus.

Der Erziehungsteil, der dann neudeutsch mit „Kynologie“ überschrieben ist erklärt, warum man dreimal „jabbajabbajabba“ quietschen muss, damit die neueste Rückrufmethode auch richtig funktioniert.

Für diejenigen, die noch ein richtiges Leben haben und nicht den ganzen Tag im Internet rumhängen, um ja nicht die neueste wissenschaftliche Methode zu verpassen, beschreibt das dann den Mikrokosmos Hund:

Wir backen Kekse, kaufen SUV mit dem CO2-Ausstoss eines chinesischen Kohlekraftwerks und dürfen das dritte „Jabba“ nicht vergessen.

100.000 Hater? Mir doch egal!

Ein Hundemagazin machte mal ein Interview mit mir, in dem ich mich dazu hinreissen ließ, ziemlich deutliche Worte zu finden, was unser Zusammenleben mit dem Hund betrifft.

Zuerst lief es dem Redakteur noch feucht das Bein runter angesichts meiner provokanten Aussagen und er hatte die wahnwitzige Idee, die Reaktionen für einen weiteren Artikel zu nutzen. Nach kurzer Rücksprache mit dem Chefredakteur änderte sich dies aber schlagartig. Der redigierte Text reduzierte das Ganze mehr oder weniger auf ein „wir sollten alle nett zueinander sein, alles andere ist ein bisschen doof“.

Da ich eigentlich etwas anderes aussagen wollte, schnappte ich mir den Text und fragte bei einem anderen Magazin an, das im Veröffentlichen meiner Texte etwas kampferprobter ist.

Als ich mich dort nämlich mal auf vier Seiten über Cesar Millan, seine Fans und Kritiker lustig gemacht hatte, formierte sich prompt eine Gruppe humorbefreiter Millangegner, die verhindern will, dass ich je nach Österreich einreise …

Leider durfte ich das Interview nicht verwenden, so dass es jetzt auf meiner Festplatte gammelt und nicht in Österreich für Empörung sorgen kann.

Mittlerweile kann ich persönlich ganz gut damit leben, wenn sich 1.000 oder 2.000 Leute in einer Gruppe zusammenfinden, um mich blöd zu finden. Und selbst wenn es 100.000 wären, wäre mir das noch relativ wurscht. Warum?

Schaut man sich mal ein paar Zahlen an, dann stellt man schnell fest, dass die Masse der Empörten eigentlich relativ überschaubar ist. So hat Facebook ca. 1 Milliarde Nutzer, von denen im Januar 2014 27,38 Millionen aus Deutschland kamen.

Die öffentliche Facebook-Gruppe „Trainieren statt Dominieren“, die als virtueller Muttersumpf der positiven Hundeerziehung angesehen werden kann, hat heute 7.815 Mitglieder. Das klingt erstmal nach ziemlich viel, aber allein der SV hat 60.000 – zahlende – nichtvirtuelle Mitglieder.

Die geschlossene Facebook-Gruppe „Häkeln für Anfänger und Fortgeschrittene“ hat heute zum Beispiel 26.686 Mitglieder.

Der Vergleich hinkt natürlich, schliesslich sind die Häkler nicht unbedingt für ihre internen Grabenkämpfe bekannt und ich kann mich nicht daran erinnern, jemals aufgefordert worden zu sein, eine Petition gegen jemanden zu zeichnen, der aversiv häkelt.

Dennoch. Laut dem Industrieverband Heimtierbedarf lebten 2013 6,9 Millionen Hunde in 14% der Haushalte, also 5,65 Millionen, in denen widerrum statistisch gesehen 2,02 Menschen leben.

Also haben ca. 11,4 Millionen Menschen in Deutschland Kontakt zu Hunden, die – natürlich statistisch betrachtet – in ihrem Haushalt leben. Und da gehören die, die unfreiwillig Kontakt mit den Viechern haben, noch garnicht dazu.

Gehen wir jetzt davon aus, dass sich der Prozentsatz der Hundehalter bei Facebook in etwa in dem Bereich bewegt wie im Rest der Bevölkerung, dann halten wir fest: Wenn von 81,1 Millionen Menschen 27,38 Millionen bei Facebook sind, dann entspricht das in etwa 34 % der Bevölkerung. Wenn von den 11,4 Millionen Hundemenschen ebenfalls 34% bei Facebook sind, dann entspricht die Zielgruppe einer öffentlichen Gruppe ca. 3,9 Millionen Menschen.

Wenn sich also bei Facebook 100.000 User finden, die eine Petition gegen den nächsten Hundetrainer ihrer Wahl unterzeichnen, ist das zugegebenermaßen mit viel Arbeit verbunden. Man muss nämlich entweder jede Mail löschen oder seinen Spam-Ordner entsprechend einstellen. Aber selbst 200.000 Empörte sind noch verschwindend wenig im Vergleich zu den möglichen Empörten.

Dazu kommt das Nutzerverhalten bei Facebook. Man empört sich, liked und geht sich nach kurzer Zeit woanders weiterempören.

Ein Experiment

Viele Tierschützer versuchen mithilfe des Internets, Hunden (oder Katzen oderoderoder) zu einem neuen Zuhause zu verhelfen. Das ist sooo nett.

Das Problem ist nur, dass X = (viele Tierschützer x viele Tiere x viele Seiten, Gruppen, Veranstaltungen) eine schier unendliche Masse an Hilferufe beschreibt. Möchte man einem solchen Notfall nun zu Bekanntheit verhelfen, entscheiden sich viele Nutzer dazu, den Hilferuf

  • a) zu teilen mit den Worten „Ach, wenn ich nicht schon zwei hätte“ oder so ähnlich
  • b) zu liken
  • c) zu ignorieren, weil es heute schon der tausendste Vermittlungsnotfall ist

Als ich mal einen Hund bei Facebook sah, den ich irgendwie niedlich fand (aber hab ja schon so viele), beschloss ich, ihm zu helfen.

Ich kommentierte den öffentlichen Hilferuf und das dazugehörige Foto mit den Worten „Gott, ist der hässlich“. Zu diesem Zeitpunkt standen drei Kommentare („Ich wünsche der Maus alles Gute“) unter dem Bild und es war gerade mal sechs mal geteilt.

Als ich einige Zeit später bei Facebook vorbeischaute, dachte ich mir: Erfolg!

Über 100 Kommentare, 70 mal geteilt! Dem Tierchen war die Aufmerksamkeit sicher.

Und das Überraschende: Für mich blieb der böse Spaß völlig folgenlos. Drei „Freunde“ weniger, dafür drei neue.

Wenn das größte Hundemagazin in Deutschland eine Reichweite von sage und schreibe 88.000 Exemplaren bei einer potentiellen Leserschaft von 14% der deutschen Haushalte hat, dann mag das natürlich an der großen Konkurrenz, an der selbstgewählten Kernzielgruppe oder am Untergang der deutschen Journalie liegen.

Es könnte aber auch sein, dass sich die Hundemagazine einfach zu sehr gleichen, völlig austauschbar sind und allesamt den selben Quark immer neu anrühren. Im Frühjahr gehts um überflüssige Pfunde, im Sommer um den Urlaub, im Herbst um das Herbstwetter und im Winter dreht sich alles um Weihnachten. Kennt man einen Jahrgang eines Magazins, kennt man alle.

Dabei gibt es da draussen jede Menge Konfliktstoff, jede Menge fachlicher, sachlicher aber auch pseudofachlicher und -wissenschaftlicher Gurus, die alle darauf warten, sauber und kontrovers in die Mangel genommen zu werden. Es gibt jede Woche neue Papers, die als der heilige Gral der Hundepsychologie abgefeiert werden und unzählige schöne und weniger schöne Geschichten rund um den Hund.

Und es gibt eine enorm große Zielgruppe, die all das lesen und dafür auch bezahlen würde – wenn sich denn jemand die Mühe machen würde, zu recherchieren und zu publizieren.

Gleichzeitig gibt es eine kleine, hysterische Minderheit, die sofort aufschreit, wenn ihre Heile Hundewelt in Frage gestellt wird, die vielleicht laut ist, aber bei weitem nicht so mächtig ist, wie einige Verlage oder auch Produktionsfirmen denken.

So lange sich die Hundemagazine darauf beschränken, Füllmaterial für die Lücken zwischen den Anzeigen zu produzieren, können die Leser/innen ihr Geld auch woanders ausgeben. Zum Beispiel auf dem Fischmarkt, denn da gibt’s olle Kamellen umsonst dazu.

 

Auf Reise

Als Tacker mich mit diesem für ihn typischen flehenden Blick anschaute und „Bittebittebitte, lass mich die dumme Weimaranersau umbringen“, dachte ich mir „Ok, aber nur, wenn ich die Halterin umbringen darf“.

Da stand ich nun mitten im Futterbeutelland, wie ich es ab sofort nenne. Vor mir eine junge, dynamische Frau mit einem „Weimi“, der dermaßen an der Leine zog, dass sie sich ganz schön strecken musste, um ihm ein Leckerchen ins Maul zu stopfen.

Das edle Tierchen wiederum fixierte frolic-kauend meinen schnöden Hüteköter, was von Frauchen mit einem „feeeeiiin“ quittiert wurde.

Tacker, dem solche Gepflogenheiten gänzlich fremd sind, wollte nicht länger auf mein Ok warten, ihm kam die Einladung zum Infight gerade recht.

Der arme Hund, was der in den letzten Tagen erleben musste.

Fangen wir in dem Zoofachgeschäft an, das ich aufsuchte, um für meine Bande möglichst billiges, getreide- und zuckerhaltiges Trockenfutter zu kaufen.

Zur Erklärung, das ist meine neue Strategie, um Zoofachgeschäftsmitarbeiterinnen von mir fernzuhalten.

Sobald mir eine von denen ein fröhliches „Kann ich Ihnen helfen?“ entgegenflötet, pflege ich zu antworten „Ja, ich suche ein möglichst schädliches Hundefutter, das die Lebenserwartung meiner Hunde drastisch reduziert und Allergien auslöst. Haben Sie etwas genmanipuliertes im Angebot?“

In 94% der Fälle kann ich anschließend den Einkauf in Ruhe fortsetzen, ohne dass mir jemand „Hundewasser“ zu 11,98 € das Sixpack aufschwätzen will.

So stand ich also in diesem Zoofachgeschäft und wollte gerade den Sack Tod auf Raten bezahlen, als eine dieser Mitarbeiterinnen ankam, sich überfallartig auf das Tackerchen stürzte und ihn „Och, bist du süß“-quietschend mal so richtig durchkuschelte.

In diesem Moment vernahm ich ein leises „Pock“. Das war meine Kinnlade, die gerade auf die Fliesen geklatscht war.

Ich fragte mich, ob die Dame wahnsinnig ist, kam aber nicht mehr dazu, sie zu fragen, denn just in dieser Sekunde steckte ein Labbi-Mix seine dicke Nase in den Hintern meines Rüden, was dieser in der selben Sekunde mit sofortiger Exekution beantworten wollte.

Ich zischte möglichst leise ein „Nein, Wag es dich“ in Richtung Tacker und spürte sofort die bohrenden Blicke der um ihren Trauernden in Spe im Kreuz. „Hat der etwa Nein gesagt?“ Ja, hat er.

Angesichts solch derber Aversion meinerseits hätte ich erwartet, dass die Labbi-Mix-Halterin vielleicht mal ihre Fellnase zurückpfeifen würde. Immerhin befanden wir uns in einem Zoofachgeschäft. Jede Menge Ware, die entsorgt werden müsste, wenn das Tackerchen den Labbi auf den Fliesen verteilt.

Aber nö, sie stand da, fand sich und ihren Hund offensichtlich witzig und ich hatte das Vergnügen, den Hüte-Rambo am Amoklauf zu hindern.

Als ich vor zwei Wochen im tiefsten Bayern auf einem Bauernhof zu Gast war, trafen wir auf Simba, den Hofhund.

Simba, 12 Monate alt, Howi-Berni-Irgendwas mit grazilen 40 Kilo, der meinte, in einem Akt gnadenloser Selbstüberschätzung über mein gemerltes Grauen herzufallen. Ungefähr drei Minuten später war Simba um eine Erfahrung reicher und die Besitzer immer noch gelassen.

Hier wären Tacker und ich auf der Stelle ausgewiesen worden. Achwas, hätte ich meinen Hund tun lassen, was Hunde so tun, hätten die mich vermutlich gefesselt und mit Fackeln und Forken zur nächsten Tierärztin mit Zusatzbezeichnung Verhaltenstherapie getrieben, wo das Tackerchen unter lautem Geclicker kastriert worden wäre.

Überhaupt scheinen die Menschen hier – natürlich nicht alle, aber die Ausnahme bestätigt ja die Regel – ein etwas anderes Verhältnis zur Hundeerziehung zu haben als andere Menschen.

Die örtlichen Hundetrainerinnen mit kynopädagigischem Positiv-Diplom zum Beispiel verschreiben samt und sonders Schleppleinentraining und beim Gassigehen aus der Hand füttern als Allheilmittel für jegliche Probleme.

Super Sache, denn erstens kann der geneigte Vierbeiner mit so einer Schleppleine sein Opfer fesseln, bevor er es killt und zweitens kann man seinen Hund prima am Jagen hindern, indem man ihm massives Übergewicht anfüttert.

Die Individualdistanz der hiesigen Hundehalter scheint irgendwo bei Minus 12 cm zu liegen, hier wird nicht gefragt, hier wird getestet. Und sollte es ein Köter auch nur wagen, etwas Distanz einzufordern, liegt das Problem natürlich bei ihm und nicht in der Rücksichtslosigkeit der Menschen.

Als ich dann abends noch mal unterwegs war, hörte ich plötzlich eine Frau quietschen. Sie stand etwas verloren auf dem Weg und machte stimmgewaltig und hochoktavig „Jabajabajaba“. Allein.

Gerade als ich ihr zu Hilfe eilen wollte, weil ich einen Anfall oder schlimmeres vermutete, nahm ich am Horizont einen schwarzen Punkt wahr, der sich hin und her bewegte. Als der Punkt ein wenig größer wurde, brüllte die alleinstehende „Feeeeeeiiiiiin“, worauf der Punkt wieder kleiner wurde.

Ich schaute mir das Spektakel an, guckte Tacker an und ich glaube, er schüttelte kurz den Kopf.

Elisabeths Tränen

Ich hatte beschissen geschlafen und deshalb entschieden, den Wecker auszuschalten und mich nochmal umzudrehen. Gerade als ich wieder einschlafen wollte, hörte ich plötzlich ein klopfen und ein leises „Hallo“. Verdammt.

Ich hasse es, wenn fremde Menschen unangemeldet vor der Tür erscheinen. Dafür vereinbare ich Termine. Und nun dieses „Hallo“.

Also zog ich mir etwas über und schaute nach.

Vor der Haustür stand eine Frau, vielleicht Mitte Dreißig, Sie wirkte tough, aber sie atmete schwer und kämpfte mit den Tränen. Ihr Name war Elisabeth.

Es war ungefähr zwei Stunden her, als ihr Leben schlagartig geändert hatte und ihre schlimmsten Befürchtungen wahr wurden. Um kurz nach Sieben war sie mit ihrem Hund spazieren gegangen, als sich dieser plötzlich losriss und ein siebenjähriges Kind schwer verletzt hatte.

Das Kind wurde mit dem Notarztwagen ins Krankenhaus gebracht und seitdem war Elisabeth auf der Suche nach einer Lösung.

Sie hatte rumtelefoniert, bis sie um diese Uhrzeit schließlich jemanden erreicht hatte, der ihr geraten hatte, sich an mich zu wenden.

Vor ungefähr einer Stunden hatte ich einen Anruf in Abwesenheit, weil ich beschlossen hatte, mich wieder hinzulegen. Da Elisabeth nur meine Mailbox zu hören bekam, setzte sie sich in ihrer Verzweiflung ins Auto und fuhr die knapp Vierzig Kilometer, bis sie schließlich vor meiner Tür stand und mir schilderte, was geschehen war.

Sie versuchte sich zusammenzureißen und den Vorfall zu sachlich wie möglich zu schildern. Sie war sofort zu dem Kind gelaufen und wollte den Notruf wählen. Doch in der Schocksituation wollte ihr einfach die 112 nicht einfallen. Wie versteinert habe sie da gestanden, sagte sie, habe sich an ihrem Hund festgekrallt und war völlig hilflos.

Ein Passant, der zur Hilfe geeilt war, wählte schließlich den Notruf. „Warum ist mir diese Nummer entfallen?“ fragte sie mich verzweifelt und ihr lief eine Träne die rechte Wange hinunter.

Vor einigen Jahren bestand der Hauptteil meiner Kundschaft aus Menschen, deren Hunde an der Leine pöbelten oder jagten. Heute bin ich immer öfter mit richtigen Schicksalen konfrontiert, mit Menschen, die wirklich verzweifelt sind und sich in ausweglosen Situationen wägen.

Dem entsprechend habe ich gelernt, mit hochemotionalen Situationen umzugehen. Wenn mein Gegenüber anfängt zu weinen, fühle ich mit ihm, versuche dabei aber objektiv und sachlich zu bleiben.

Bei Elisabeth halfen all die Strategien, die ich im Laufe der Zeit erarbeitet habe, kein Stück weiter.

Anhand ihrer Schilderungen konnte ich jeden einzelnen abwertenden Blick der gaffenden Masse förmlich spüren, konnte das Wimmern des Mädchens hören und Elisabeths Verzweiflung und Sorge, diese Ausweglosigkeit konnte ich fast greifen.

Sie stand vor mir und weinte. Ich war wohl der letzte Halt, bevor sie den Weg zum Tierarzt antreten würde, um ihren Hund einschläfern zu lassen.

Das Problem sei ihr bewusst gewesen, sagte sie, sie habe förmlich aufgepasst wie ein Schießhund, und nun das.

Sie hatte in einem Forum ihre Sorgen geschildert und auch, dass sie jemanden suche, jemand sachkundiges, der ihrem Hund eine Chance geben würde. Die Reaktionen der anderen Nutzerinnen waren ernüchternd bis verletzend.

Ihr wurde durch die Internetgemeinde vor Augen geführt, dass sie ein schlechter Mensch sei, dass sie sich nicht wirklich bemühe.

Jemand hatte sie als verantwortungslos bezeichnet. Dabei wollte sie doch Verantwortung übernehmen. Für den Hund und vor allem für die Umwelt, für die er eine Gefahr darstellte.

Und sie hatte wirklich vieles probiert, angefangen von tierärztlichen Untersuchungen bis hin zu Futterumstellungen, hatte Kurse besucht und Workshops, Einzelstunden genommen und viel Geld und Zeit investiert, um die Probleme in den Griff zu kriegen.

Sie mochte ihren Hund wirklich und ich konnte spüren, wie enttäuscht sie war – von ihrem Hund, aber vor allem von sich selber –, dass es nun soweit gekommen war.

Elisabeth sagte, dass sie mal mit ihrem Hund auf dem Sofa gelegen und er sie traurig angesehen hatte. In dem Moment hat sie in angefleht, sie doch bitte zu verstehen.

Während sie mir das erzählte, mischte sich ihre Verzweiflung mit einem stockenden Lachen.

Ich stand vor ihr, sie hatte mich gefangen in ihrer traurigen Geschichte. Vielleicht lag es daran, dass ich schlecht geschlafen hatte, wer weiß. Doch hatte sie mich mit ihrer Trauer angesteckt. Und in diesem Moment hätte ich sie gerne in den Arm genommen und versprochen, dass alles gut wird.

Doch leider war mir das unmöglich. Mit belegte Stimme erklärte ich ihr, dass ich ihr leider nicht helfen könne und das ich keine Möglichkeit habe, ihn aufzunehmen.

Manchen Menschen neigen zur Theatralik und zu großen Gesten, um ihrer Gefühlslage Ausdruck zu verleihen. Doch dieser Zusammenbruch war echt. Elisabeth brach in diesem Moment innerlich wie äußerlich zusammen und ich stand vor ihr. Ratlos, fassungslos, hilflos.

Sie setzte sich auf das kleine Mäuerchen vorm Haus, kraulte ihren Hund und hatte jeden Versuch, die Fassung zu wahren, aufgegeben.

Es gibt nur wenige Momente, in denen ich wirklich sprachlos bin. Dieser gehörte dazu und wird mich noch einige Zeit verfolgen. Aber was hätte ich auch sagen sollen?

Man kann sie nicht alle retten, das ist mir klar. Es sind zu viele und man muss den Tieren, die einem anvertraut sind, auch irgendwie gerecht werden. Und vor allem sich selber. Niemanden ist damit geholfen, wenn man sich selber übernimmt, im Versuch zu helfen.

Ich stand mit Elisabeth fast eine Stunde auf dem Hof und hörte, fühlte und sah ihren Leidensweg.

Einen solchen Moment, in dem jemand anders einen so nah an sein Schicksal läßt, ist Belastung und Geschenk zugleich. Ihre Geschichte hat mich mitgenommen, aber auf der anderen Seite war ich dankbar. Dafür, dass sie sich mir anvertraut hat.

Und nein, ich weiß nicht, was Elisabeth getan hat, nachdem sie den Hof verlassen hat, leise „Trotzdem Danke“ schluchzend ins Auto gestiegen ist und losfuhr.

Aber ich weiss, das es das richtige war.

Glaube. Liebe. Hoffnung. Scheitern.

Glaube.

Kein Mensch kauft sich einen Hund mit dem Ziel, sich ein Problem zuzulegen.

Wir handeln in dem Glauben, dass alles gut wird.

Wir glauben daran, dass wir uns ein Familienmitglied ins Haus holen, einen Spielkameraden für die Kinder, eine Sportskanone, mit der wir Erfolge feiern werden oder jemanden, der uns motiviert, uns mehr zu bewegen.

Wir glauben der netten Tierschützerin, dass wir wirklich etwas gutes tun, wir glauben den freundlichen Menschen im Forum, die uns mit Erziehungstipps behilflich sind und wir glauben dem Züchter, dass die Rasse unserer Wahl perfekt zu uns passt.

Schließlich glauben wir, dass unsere Sehnsucht erfüllt wird, unsere Erinnerungen an den Hund unserer Kindheit, unser Bild vom treuen Freund, der mit uns durch dick und dünn geht oder unser Wunsch, einer geschundenen Kreatur ein schönes Leben zu ermöglichen.

All das ist menschlich, all das ist gut.

Liebe.

Kein Mensch verliebt sich, um unglücklich zu werden.

Wir lieben unsere Hunde. Auch das ist menschlich und nachvollziehbar.

Einige Soziologen vertreten die Ansicht, dass wir Menschen mit der Entwicklung einfach nicht Schritt halten konnten, dass wir evolutionär betrachtet nicht in der Lage sind, die Folgen der Industrialisierung und Globalisierung zu verarbeiten.

Der Mensch verinselt, vereinsamt und die Familie, wie sie noch vor Einhundert Jahren Normalzustand war, ist zusammengebrochen. Unsere sozialen Zellen sind mehr und mehr geschrumpft, bis nur noch jeder Einzelne für sich übrig blieb.

Viele von uns sind allein. Und so nehmen unsere Haustiere eine neue Position in unserer Gesellschaft ein. Sie befriedigen quasi unsere sozialen Bedürfnisse, denn eines haben Hund und Mensch gemeinsam. Wir leben sozial obligat.

Mit der Einsamkeit ist das so eine Sache. Sie wird zur effektivsten Methode des Überlebens hochstilisiert. In Vorstellungsgesprächen kommt die Frage nach dem Familienstand nicht von ungefähr. Eine Einzelperson ohne „Anhang“ ist flexibler, abends wartet niemand zuhause, dem man Rechenschaft schuldig wäre. Außer vielleicht dem Hund.

In unserer Liebe zum Hund sind wir bedingungslos. Auch wenn sie manchmal sehr einseitig zu sein scheint.

Wir tun sprichwörtlich alles für unsere große Liebe. Wir opfern uns bis zur völligen Selbstaufgabe auf, passen unser Leben an, geben unsere Hobbys auf und suchen Gleichgesinnte, Menschen, die uns verstehen und die genauso leiden wie wir.

Wagt es jemand, unsere Liebe in Frage zu stellen, dann reagieren wir hochemotional. „Du darfst den Mann, die Kinder und die ganze Familie beleidigen, aber wenn es um den Hund geht, darfst du nicht mal etwas gegen sein Futter sagen“ hat ein Kollege mal bitter zusammengefasst.

Unsere Art der Liebe ist die einzig wahre. Dessen müssen wir uns ständig vergegenwärtigen und vergewissern. Und diesen Umstand müssen wir wohl verteidigen – gegen alles. Denn alles ist das, was wir tun, damit unsere Liebe erwidert wird.

In den Momenten, in denen wir uns fragen, warum er oder sie so ist, obwohl wir doch alles tun, uns so große Mühe geben und uns so aufopfern, spüren wir Zweifel, die uns beinahe zerreißen, weil wir doch nur glücklich sein wollen und geliebt werden.

Hoffnung.

Kein Mensch hofft, dass es wirklich hoffnungslos ist.

Die Hoffnung nicht aufgeben, denn sie stirbt zuletzt. Jeden Strohhalm greifen, vielleicht bringt er ja die (Er-)Lösung. In unserer Hoffnung sind wir vereint, heisst es. Und warum fühlt sich der Mensch so verdammt allein, wenn er am Waldrand steht und – hofft.

Er hofft, dass nichts passiert. Verrückt, denn ständig passiert was, alles ist im Fluss. Vielmehr stehen wir da und hoffen, dass der Kelch an uns vorüber geht. Wir hoffen, dass es ausreicht. Wir hoffen, dass wir nicht scheitern.

Scheitern.

Kein Mensch beginnt, um zu scheitern.

Am Ende ist alles Scheitern. Und am Ende steht der Mensch allein da, mit all seinen Ängsten und Hoffnungen, seiner Liebe und seinem Glauben an das Gute.

Egal, ob es um den Hund, einen geliebten Menschen, den Job oder was auch immer geht. Menschen scheitern nunmal. Ein irrsinnig schmerzhaftes Gefühl voller erfüllter Selbstzweifel, voller sich erklärender Irrtümer und der Ungewissheit, wie es nun weitergehen soll.

Und dennoch ist Scheitern ein Teil des Lebens. Und häufig ist das Eingeständnis, gescheitert zu sein, sogar der Beginn etwas guten.

Denn die Erde dreht sich weiter, wir können sie weder anhalten noch die Zeit zurückdrehen. Und unsere Facebook-Freunde geben uns vielleicht ein „Like“ des Mitleids und ein paar aufmunternde Worte mit, doch dann wenden sie sich wieder um ihrem persönlichen Scheitern zu.

Wenn Hunde scheitern, dann meistens am Menschen. Sei es an einer gestellten Aufgabe, sei es an einer Form der Kommunikation, die sie nicht verstehen oder an Ansprüchen, die sie nicht erfüllen können.

Die Menschen wiederum, die scheitern zu allererst, an sich selber. An Aufgaben, die einfach nicht zu lösen sind, an Konflikten, denen sie nicht gewachsen sind und an Ansprüche, derer sie selber nicht gerecht werden.

Wir sind schnell dabei, ihnen ihr scheitern vorzuwerfen. Ihnen zu sagen, dass man es hat kommen sehen, dass man sich eh immer gewundert hat, wie der oder die scheiternde nur so blöd gewesen sein könne.

Das ist nicht fair, wir sollten uns darüber bewusst sein, dass es zutiefst menschlich ist, zu glauben, zu lieben und zu hoffen.

Menschen sind so wertvolle Lebewesen, unvollkommen klar, voller Fehler und voller Missverständnisse. Und doch so zerbrechlich, dass wir aufpassen müssen, ihnen nicht weh zu tun.

Ich wollte immer nur Dein bestes. Wir müssen aufhören, immer nur das Beste zu wollen, vielleicht will unser Gegenüber es ja behalten. Wir sollten dankbar sein, für die schönen Momente und nicht nur an die traurigen und ärgerlichen denken.

Wir sollten Respekt haben. Vor der Lebensleistung eines jeden, dem wir begegnen. Wenn jemand fällt, sollten wir nicht über den Sturz lachen, sondern Beifall klatschen, wenn er wieder aufsteht.

Wir sollten anfangen, in unseren Gegenübern das wertvolle, dass einzigartige zu sehen, das es ausmacht und all die Fähigkeiten anerkennen, die es mitbringt.

Wir sollten Respekt haben vor der Fähigkeit anderer, bedingungslos zu lieben, für jemanden zu leiden und für die Bereitschaft, sprichwörtlich vor die Hunde zu gehen.

Am Ende läuft alles auf diese sieben Buchstaben hinaus: RESPEKT.

Respekt vor dem anderen. Mit seiner Meinung, seinen Schwächen und seinen Entscheidungen, die uns vielleicht missfallen. Eine Haltung, die leider vielen Menschen – und insbesondere solchen mit Hund – zu fehlen scheint.

 

Der Hütitüti-Schluckauf

Schon vor einiger Zeit habe ich mir abgewöhnt, Hundeforen oder -gruppen im Internet aufzusuchen. Denn allzu oft passiert es, dass ich mich auf meine Hände setzen muss angesichts der teils abenteuerlichen Tipps, die da so zu finden sind.

Würde ich jedes Mal in die Tastatur greifen, wenn ich mich mal wieder aufrege, hätte das nichts anderes zur Folge, als dass

a) ich keine Zeit für irgendwas anderes mehr hätte
b) der erste Herzinfarkt in großen Schritten näher käme
c) F. irgendwann ausziehen würde.

Also lasse ich es. Naja, meistens.

Denn manchmal kann man garnicht anders. So wie neulich, als ich mich bei diesem großen blauen sozialen Netzwerk in eine Gruppe verirrt hatte, die es sich zur Aufgabe macht, Hütitütis an den Mann oder die Frau zu bringen, die vermutlich versehentlich als Familienhund vermittelt wurden.

Dort fand ich einen „Threat“, in dem jemand seine Probleme mit dem hauseigenen Border Collie schilderte, dass dieser alles fixieren, Kinder, Autos, Schmetterlinge und hyperaktive Schnecken „hüten“ und Fremden gegenüber auch mal die Zähne einsetzen würde.

Und da stand es, sozusagen schwarz auf weiß von einer Userin in den Äther geblasen:

„Wer einen Border Collie halten möchte, muss lernen mit diesem Verhalten zu leben. Schließlich wurden sie dafür gezüchtet, alles zu hüten.“

Ich las diese beiden kurzen Sätze und bekam kurzfristig Ganzkörperherpes, gefolgt von einem Schluckauf, den ich seit dem nicht mehr loswerde, sobald ich an diese Aussage denke.

Diese Aussage, gute Frau, ist aus vielerlei Gründen blödsinnig und schlicht falsch! Und für die Tatsache, dass Sie so einen Dummfug für etwa ein Achtel der Weltbevölkerung gut lesbar bei Facebook hinterlassen, würde ich Sie am liebsten aversiv anstupsen! So.

  1. Kein Border Collie wurde je dafür gezüchtet, irgendetwas zu hüten. Denn das, was die Tierchen da tun hat nischt aber auch jaanischt mit „hüten“ zu tun. Denn der Koppelgebrauchshund als solcher treibt das Vieh. Die Engländer, die ja ein kluges Völkchen sind, nennen den Border Collie deshalb auch „Sheep Dog“ oder „Herding Dog“ und den Hütehund „Tending Dog“ oder „Shepherd Dog“. Aber genug klug geschissen. Vielleicht meinen Sie ja eigentlich das Treiben.
  2. Trotzdem, selbst, wenn er den Nachwuchs ins Kinderzimmer treibt anstatt ihn zu hüten, wurde kein Border Collie dafür gezüchtet, an Kindern, Autos oder sonstwas zu arbeiten.

Tatsächlich ist es so, dass diese Hunde dazu neigen, unbestimmten Bewegungsreizen nachzugeben. Diese Disposition zu managen ist wiederum Aufgabe des Besitzers.

Ich kenne zig Besitzer von Border Collies – solche, die mit den Hunden an Schafen arbeiten und solche, die es nicht tun – die keine derartigen Probleme mit ihren Hunden haben. Der Grund dafür ist einfach. Diese Menschen haben eben nicht eingesehen, dass man mit einem solchen Verhalten leben muss, sondern haben ihren Hund erzogen.

Es ist verrückt.

Der Besitzer eines Jack Russel Terriers muss die angeborene Disposition seines Hundes managen, der Border Collie-Besitzer muss lernen, damit umzugehen. Dabei stammen beide Verhalten – das Hetzen, Packen und Töten der Beute genauso wie das Fixieren und Anschleichen – aus ein und dem selben Funktionskreis, nämlich dem Jagen und damit dem stoffwechselbedingten Verhalten.

Das könnte wiederum ein Hinweis darauf sein, warum diese Verhalten mit Spiel genauso viel gemein haben könnte wie mein morgentlicher Gang zur Toilette.

Doch zurück zum Border Collie. Die Aufgabe, nämlich das rassetypische Verhalten zu managen, kann mitunter tatsächlich schwierig bis unmöglich werden. Zum Beispiel dann, wenn man sich einen Hund aus einer VDH-Zucht kauft.

Innerhalb des VDH zeichnet sich der Club für Britische Hütehunde für den Border Collie verantwortlich.

Ein Club, dessen Mitglieder solche Dinge behaupten wie, das ein Border Collie nicht rollhaarig sein darf, weil es in Schottland so oft regnet. Naja gut, der selbe Club behauptet auf seiner Internetseite auch, dass die Shetlander den Sheltie gezüchtet hätten, weil sie zu den winzigen Shetlandponies und den noch winzigeren Shetlandsheeps eben ganz besonders winzige Hunde gebraucht hätten. Überhaupt, die Shetländer, ein außerordentlich kleines Volk mit großen behaarten Füßen, dessen Hauptstadt Michelbinge heißt …

Die Züchter des „CfBrH“, wie der Verein abgekürzt heißt, züchten gemäß des Rassestandards der FCI, also der Fédération Cynologique Internationale.

Das sechseitige Dokument inklusive Illustration beschäftigt sich in exakt 18 Worten mit den gewünschten Verhalten des Hundes, nämlich:

Zu harter und ausdauernder Arbeit fähiger Hund von guter Führigkeit; aufgeweckt, aufmerksam, empfänglich, intelligent, weder nervös noch aggressiv.

Im restlichen Text erfahren wir zum Beispiel, dass der Nasenschwamm bitte schwarz zu sein hat – mit Ausnahme bei braunen oder schokoladenfarbigen Hunden, da darf er braun sein. Jedes, aber auch jedes Schaf auf dieser Erde verliert in der Sekunde den Respekt vorm Sheepdog, in dem es feststellt, dass er einen fehlpigmentierten Nasenschwamm hat! Nicht.

Irgendwie ist den Verantwortlichen dann aufgefallen, dass die paar Wörtchen wohl ein bisschen wenig sind und haben dem letzten Absatz noch einen weiteren Halbsatz (in fett) hinzugefügt:

Jede Abweichung von den vorgenannten Punkten muss als Fehler angesehen werden, dessen Bewertung in genauem Verhältnis zum Grad der Abweichung stehen sollte und dessen Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden des Hundes und seine Fähigkeit, die verlangte rassetypische Arbeit zu erbringen, zu beachten ist.

Die Aufnahme in die FCI hat noch keiner Rasse gut getan, beim Border Collie und anderen Gebrauchshundetypen ist es jedoch nahezu absurd, einen Standard festzulegen, der beschreibt, wie das Tierchen bitteschön auszusehen hat.

Aber schlimmer geht ja bekanntlich immer.

Wenn ein Schäfermeister zwei Hunde miteinander verpaart, dann legt er Wert darauf, dass die Elterntiere bestimmte Eigenschaften mitbringen, die später bei der Arbeit am Vieh hilfreich sind.

Im Falle des Border Collies wären das zum Beispiel neben anderen das Fixieren in Verbindung mit dem Anpirschen („Eye and Style“), gepaart mit dem entsprechenden Druck am Vieh, der dann gerne mal als „Power“ bezeichnet wird.

Gemäß Mendel’scher Vererbungslehre stehen die Chancen dann gut, dass die Nachkommen die gewünschten Eigenschaften an den Tag legen.

Ein Züchter, der sich dem Rassestandard verpflichtet fühlt, wird die Elterntiere nach den gewünschten äußerlichen Merkmalen aussuchen und versuchen, dem Standard möglichst nahe zu kommen – mit der Nebenwirkung, dass die hypertrophierten (also stärker ausgeprägten) Merkmale der Tiere ungünstig vererbt werden können.

So wird aus dem „aufgeweckten“, „aufmerksamen“ und „empfänglichen“ Hund unter Umständen ein hypernervöses Wrack mit Geräuschphobie und dem Hang zur genetisch bedingten Störung. Psycho + Psycho ergibt eben Psycho. Lass ihn doch Tapeten fressen, spart Futter …

Neben Ganzkörperherpes und Schluckauf bekomme ich dann hin und wieder hektische Zuckungen, wenn ich auf die Internetseite von „Stehohrbordercollies von Kleinpopelsdorf“ stosse.

Border Collies, aber die mit Stehohren bitte, waren übrigens die letzten Vertreter ihrer Rasse, die dem Meer entstiegen sind. Deshalb auch die Stehohren, denn der Hund soll ja empfänglich sein … Wie das Rollhaarverbot mit den erlaubten Stehohren einhergehen soll, bleibt mir derweil ein Rätsel. Immerhin regnet es da rein – und in Schottland, das wissen wir ja …

Das muss natürlich nicht bedeuten, dass alle Hunde, die rein auf äußerliche Merkmale hin verpaart werden, unbedingt problematisch werden müssen, aber die Gefahr ist größer als bei Verpaarungen, bei denen das Verhalten im Vordergrund steht.

Vorausgesetzt, die hübschen Tierchen sind nicht schon von Geburt an bekloppt, gibt es jede Menge Möglichkeiten, dies nachzuholen – teilweise mit einem Eifer, der vermuten lässt, dass es Zulieferverträge zwischen Züchtern und Hundetrainern geben muss.

Wirft man zum Beispiel einen Blick auf die Internetseite einer beliebten Züchterin, findet man jede Menge herzzereißender Videos, in denen die kleinen Scheißer schon im Alter von Sechs Wochen munter irgendwelchen Objekten hinterher trampeln Niedlich. 250 Personen gefällt das.

Den späteren Welpenkäufern allerdings nicht unbedingt, die sich dann mit monochromen Plüschkugeln rumschlagen müssen, die mit 10 Wochen jedem Auto hinterher machen. Und dann zur Erklärung zu hören bekommen, dass sich das von alleine erledigt.

Das, was da passiert, nämlich das unkontrollierte Hetzen von unbelebten Objekten, bezeichnen viele Menschen als „Spiel“. Viele Hundetrainer, Tierärzte und Ethologen bezeichnen so etwas als problematisch.

Denn, und das dürfte sich mittlerweile bis ins letzte Hundeforum durchgesprochen haben, das Jagdverhalten ist selbstbelohnend. Der Hund, der jagt, wird mit körpereigenen Endorphinen zugeschüttet, der Begriff Endorphin ist eine Wortkreuzung aus endogenes und Morphin sagt Wikipedia und trifft den Nagel auf den Kopf.

Anders als von diversen TsDlern propagiert sind diese Endorphine sehr wirkungsstark und der Versuch, einen Hund mittels Leckerchen-Belohnung aus dem Jagen zu holen (unterbrechen sagen wir nicht, denn das ist Pfui! Achja, und „Tscht“ sagen wir nicht, weil das Geräusch den Hund bei seiner Urangst vor der Schlange packt, genau) vergleichbar ist, wie Sie mit einem trockenen Knäckebrot vom Sex abzuhalten (vergl. Krawallmaus). Aber egal.

Im Normalfall wird jeder Hund im Laufe seiner Entwicklung früher oder später mit der glücklich- und süchtigmachenden Wirkung des Jagens konfrontiert.

Der Welpe indes probiert sich bereits im Spiel aus, allerdings noch verschwurbelt mit jeder Menge anderer Verhaltensweisen, die so ein kleiner Pups lernt. Erst im Laufe der Zeit lernt er die verschiedenen Verhalten voneinander zu trennen und sozusagen nach Funktionskreis zu sortieren. Er lernt (im besten Fall), dass man Artgenossen nicht hetzt, packt und tötet und das man seiner Beute nicht vorher lautstark zu verstehen gibt, dass man sie gleich fressen wird.

Wird ein junger Hund jedoch schon sehr früh und einseitig mit jagdlichen Reizen konfrontiert, so wird die arme Maus (so nennt man die doch) mit den körpereigenen Belohnungssystemen im wahrsten Sinne des Wortes vollgeballert, obwohl das Tier vom Entwicklungsstand her noch garnicht in der Lage ist, damit umzugehen.

Verrückt, würden Sie heute abend auf der Straße einen 11-jährigen treffen, der sturzbetrunken ist, würden Sie sich fürchterlich aufregen. Der viermonatige Hütitüti der morphingeschwängert einer wertlosen Filzkugel hinterhetzt, als wenn es kein Morgen gäbe, den youtubet man und genießt die „Oh Cuuuute“-Kommentare …

Anders als die Hundebespaßungsindustrie uns glauben machen will, braucht ein Border Collie (oder irgendeine andere Rasse) keinen Agility-Vorbereitungskurs für Welpen, nein, rein genetisch betrachtet ist es für einen Hund, der dafür gezüchtet wurde, den Outrun quasi per Disposition mitzubringen, eher widersinnig,  einen Parcours zu absolvieren.

Die erste Lektion des Border Collie-Welpen: Nicht glotzen! Gefolgt von der zweiten Lektion des Border Collie-Welpen: Immer noch nicht glotzen. Schafe (und anderes Vieh) sind im ersten Jahr tabu, die bekommt er nicht zu Gesicht. Achwas, er bekommt nicht mal Lamm & Reis!

Dann mit etwa einem Jahr stehen da auf einmal diese komischen Tiere, machen „Mäh“ und hassenichgesehn – jetzt darf er. Mehr brauch er nicht. Vorausgesetzt, man möchte einen Hund haben, der adäquat am Vieh arbeitet.

Möchte man einen Hund haben, der Familienbegleiter ist, dann lautet die erste Lektion immer noch: Nicht glotzen!

Nur mit dem Unterschied, dass man das angeborene Verhalten tatsächlich bis in alle Ewigkeit managen muss, ohne einen adäquaten Einsatz für das Tier bieten zu können. Zu glauben, man könnte ihm irgendetwas anderes vorsetzen, der irrt bzw. glaubt dem Marketing der Hundeschulen. Kein Hund geht zum Treibball und sagt „Mensch, eigentlich werde ich ja seit Jahrhunderten für die Arbeit am Vieh gezüchtet, aber hey, so ein paar Bälle in ein Handballtor treiben, das ist viel cooler!“

Auch wenn der eine oder andere ISDS-Anhänger nun meinen sofortigen Tod fordert, für Familien mit Border Collie-Anspruch könnten verantwortungsvolle Züchter genau solche Exemplare verpaaren, die das typische Verhalten weniger stark ausgeprägt zeigen. Mit dem Nachteil, dass auch untalentierte Border Collies nicht unbedingt dem Rassestandard entsprechen. Die hätten dann vermutlich Rollhaar, da regnet es durch …

Die Engländer, ich erwähnte schon, was für ein pfiffiges Volk das ist, nennen solche Hunde dann übrigens „Pet Dog“. Und Pet bedeutet neben „Haustier“ eben auch „streicheln“. Und auch das wäre ja ein tolles Leben für einen Hund.

Doch so lange auf der einen Seite Hunde in erster Linie auf Schönheit hin selektiert, Verhalten nur eine Nebenrolle bei der Zucht spielt, die Tiere ungünstig sozialisiert und wie lebendige Sportgeräte behandelt werden, hat die Dame bei Facebook wohl nicht ganz Unrecht:

Dann muss man wohl damit leben. Eigentlich schade.

Mein Freund Elmo

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„Komm doch mal vorbei und guck ihn dir an“, sagte Rolf am Telefon und versuchte mir einen Hund anzudrehen.

Also setzte ich mich irgendwann letztes Jahr ins Auto und besuchte meinen Schäferfreund. Mit mir im Auto ein Welpe, der später noch zu Berühmtheit in diesem Blog gelangen sollte.

Rolf führte mich zu den hinteren Zwingern und zeigte mir den imposanten, viel zu dicken Elmo, den er einige Zeit zuvor von einer Dame bekommen hatte, um ihn dahingehend zu testen, ob er zum Hüten geeignet wäre. War er nicht.

„Ach weißt du“, sagte ich zum Rolf, „der ist ja ganz nett, aber wir sind voll bis unters Dach.“

Rolf ließ nicht locker und machte mir das in meinen Augen unverschämte Angebot, dass ich ja den Welpen da lassen und dafür den pummeligen Tiger mitnehmen könne.

Am Arsch die Räuber, mit Verlaub. So einen Welpen, den kann man gut vermitteln. So einen Hüteklops muss man erstmal auf Diät setzen und Manieren beibringen. Denn, das hatte die Besitzerin gesagt, der Elmo wäre nicht ganz einfach.

Rolf konnte das nicht bestätigen. „Is’n toller Hund, taugt aber nix zum Hüten.“

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Überhaupt, die Besitzerin. Die rief ungefähr zwanzig mal am Tag an, erklärte mir der Schäfrmeister und konnte kaum verbergen, wie dermaßen ihm das auf den Senkel ging. Irgendwann war ihm dann der Kragen geplatzt und er verlangte, dass sie ihren Hund wieder abholen müsse.

Für mich ein weiterer Grund, dankend abzulehnen. Also sagte ich Rolf, dass er diesen Tausch – Welpe gegen Klops – vergessen könne, einige Minuten später killte Arco sein erstes Huhn.

Also fuhr ich nach Hause und die Sache war vergessen. Bis vor einigen Wochen.

Da nämlich erzählte mir F., dass wir einen Altdeutschen Hütehund übernehmen würden. Von einem anderen Tierschutzverein. Für Umme. Ich war in etwa so begeistert wie eine Mutter, die erfährt, dass ihr Sohn 15 Banken ausgeräumt hat.

Denn das Problem in solchen Fällen ist oft, dass der Verein den Hund bei uns ablädt und sich dann in Ruhe zurücklehnen kann. Kostet ja nix.

Als F. mir dann erzählte, dass der Hund mehrfach „aus dem Nichts heraus“ gebissen habe und nun darüber nachgedacht würde, ihn einzuschläfern, steigerte dies meine Laune nicht unbedingt. Vor meinem geistigen Auge sah ich schon, wie wir den erst dreijährigen Hund die nächsten 10 Jahre am Bein hätten.

Na super.

Als ich an dem Abend nach Hause kam und den Neuzugang erblickte, war ich – gelinde gesagt – fassungslos. Da stand er: Elmo. Der Hüteklops, den ich ein Jahr zuvor bei Rolf gesehen hatte.

In der Zwischenzeit war er einige Male vermittelt worden, hatte dann irgendwann zugehappst und wurde wieder zurück an den Verein gegeben. Da die Heftigkeit des Happsens von Mal zu Mal heftiger wurde, hieß es nun „Hopp oder Topp“. Aha.

Nun lebt Elmo seit einiger Zeit bei uns und weiß sich zu benehmen. Dabei könnte er, wenn er wollte. Aber tut’s nicht.

Elmo ist einer von den Hunden, die sich einen Komplizen suchen, um dann gemeinsam die Welt zu erobern und jedem zu zeigen, wo der Frosch die Locken hat. Geht man darauf ein, dann duldet er nach kurzer Zeit keine vermeindlichen Eindringlinge mehr, die das „Dream-Team“ gefährden könnten. Nett ausgedrückt ist er außerordentlich kooperationswillig und vergisst halt nur nachzufragen, was denn nun der gemeinsame Plan ist. Weniger nett ausgedrückt zeigt er eine sozial motivierte Aggression gegen Menschen

Umso fataler, dass mit ihm so lange „Bindungs-Training“ praktiziert wurde, bis er zuverlässig zugebissen hat. Und so bestätigte der Hundetrainer noch mal, dass er noch nie einen so anhänglichen Hund kennengelernt hätte, während Elmo sich an ihm anlehnte und jeden fixierte, der sich nähern wollte.

Eigentlich ist Elmo alles andere als ein Held und will eigentlich nur ein Hund sein. Mit seiner vermeindlichen Aufgabe, alles Unheil dieser Erde von sich und SEINEM Menschen fernzuhalten, ist er heillos überfordert.

Loslassen zu können, mal abzuschalten, das gute Gefühl zu geniessen, dass es nichts zu regeln gibt und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen – diese Erfahrung durfte Elmo bei uns machen.

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Auf seine sehr charmanten Freundschaftsangebote sind wir erstmal nicht eingegangen, sondern haben erstmal auf unsere Individualdistanz bestanden. Denn eine Freundschaft mit Elmo kann im wahrsten Sinne des Wortes erdrückend sein, wenn man nicht von vorneherein klarstellt, dass das erste Date nicht mit einem Heiratsversprechen gleichzusetzen ist.

Denn dann wird Elmo zum liebeskranken Psychopathen – erst Freund, dann Stalker und schließlich folgt die Beziehungstat.

Eine tiefe und wahrlich große Liebe muss sich entwickeln und benötigt wesentlich mehr Zeit als die kurze Phase der Verliebtheit. Die große Liebe besticht durch Momente, in denen man seinen Standpunkt vertreten kann, mal Freiraum in Anspruch nimmt und über Distanz erst richtig spürt, wie nah man sich ist.

Wenn man das verinnerlicht, findet man in Elmo einen ganz tollen Hund, der einfach nur dabei sein will und außerordentlich nett und zuvorkommend mit Artgenossen und anderen Menschen umzugehen weiß.

Hunde wie Elmo gibt es zu Hauf. Angeschafft, weil er etwas besonderes ist, mit seinem gemerlten Fell, dem blauen Auge, der seltenen Rasse, der er angehört. Angeschafft, weil etwas wichtiges im Leben seiner Menschen fehlte, angeschafft, um eine Lücke zu füllen. Überfrachtet mit Emotionen und Erwartungen.

Oh ja, in Elmo wurden viele Erwartungen gesetzt – Erwartungen, die ein Hund nicht erfüllen kann und selbst einen Menschen dazu bringen könnten, sich einer Beziehung zu entziehen.

Aber Elmo, der hat sich reingekniet, hat alles in seiner Macht stehende versucht, um diesen Erwartungen gerecht zu werden. Nur ist er eben ein Hund und kein Therapeut, kein Ehepartner und erst recht nicht die beste Freundin, die sich bereitwillig als emotionaler Mülleimer zur Verfügung stellt, wenn es einem schlecht geht.

Elmo hat die in ihn gesetzten Erwartungen enttäuscht. Dabei hat er sich so viel Mühe gegeben, hat versucht Verantwortung zu übernehmen, Schutz zu bieten und den Alltag zu regeln. Mit dem Ergebnis, dass er immer wieder ins Tierheim gebracht wurde.

Also hat er sich noch mehr angestrengt, wurde noch enger zum Menschen, noch unfreundlicher zu Fremden und noch kontrollierender seiner Umwelt gegenüber.

Elmo wäre – das steht fest, denn so wurde es gesagt – im wahrsten Sinne des Wortes für seinen Menschen in den Tod gegangen.

Was für ein dramatischer Irrtum.

Dieser Blog dient nicht als Vermittlungsportal, doch für Elmo, meinen Freund Elmo, wünsche ich mir endlich Menschen, die ihn behandeln wie einen Hund. Und dafür genau das bekommen – einen tollen Hund!

Wer ihn kennen lernen möchte, klicke hier!

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