Marketing, Baby!
Wenn es eines gibt, über das der geneigte Hundehalter die totale und absolute Kontrolle im Zusammenleben mit seinem Hund hat, dann ist es die Fütterung. Trotzdem sind ungefähr die Hälfte der in Deutschland lebenden Haushunde zu fett. Ich persönlich finde, dass dieser Zustand viel über unsere Beziehung zu unseren Hunden aussagt und da ich ein Freund offener Worte bin, spreche ich das Thema auch meistens gleich im ersten Termin mit einem neuen Kunden an, wenn mich an der Tür mal wieder eine vierbeine Regentonne begrüßt.
Mittlerweile scheint sich das rumgesprochen zu haben, denn in letzter Zeit kommt es vor, dass ich den Hund noch garnicht zu Gesicht bekommen habe und mir schon die ersten Erklärungen für das Gewichtsproblem des Hundes entgegengebracht werden. „Der muss so sein, das ist ‚amerikanische Leistungslinie'“ oder „Wir passen mit dem Futter ja auf, aber die Oma, die …“.
Na toll, der Mrozinski ist also der Tierquäler, der sich über alles und jeden lustig macht und den armen Hunden jetzt auch noch das Futter madig machen will. Das ist also mein Ruf, hm.
Neeneee, so wird das nichts. Kein Wunder, dass die Hundeschule immer noch nicht genügend für die Villa und den Firmenporsche abwirft. Was her muss, ist ein Marketingkonzept, aber eines, dass so richtig Catchy ist. Und natürlich schnellstmöglich den Break Even erreicht. Und ganz, wichtig, eine USP, Unique Selling Proposition, oder ein Alleinstellungsmerkmal, wie die Ewiggestrigen sagen würden.
Nun gibt es in Deutschland ungefähr 50.000 Hundeschulen. Das sind also ungefähr halb so viele Hundetrainer wie es Meinungen zur Frage „Geschirr oder Halsband?“ gibt. Und ich bin einer von ihnen. Uff, um da herauszustechen, muss man sich schon was einfallen lassen.
Sehr gut bewährt hat sich, wenn man nicht einfach nur Hundetrainer ist, sondern gleich ein ganzes System entwickelt hat, welches in einem schmissigen Wort alles wesentliche zusammenfasst. „Dog Oriented Guiding System“, kurz D.O.G.S. von Herrn Rütter ist so ein marketingtechnisches Meisterstück, das zu Recht als die Mutter aller Systembezeichnungen im Hundebereich gilt. Dem Creative Director, dem das eingefallen ist, ein großes „Horay“ für diesen Volltreffer.
So etwas würde mir vielleicht auch die erhofften Millionenumsätze einbringen. Meine erste Idee „Natürlich, artgerecht, profund und fair“, kurz „N.a.p.f.“, verprach zwar jede Menge Publicity, aber ich befürchte, nicht unbedingt die beste. Also habe ich weiter überlegt und bin schliesslich auf „Richtig toll, allumfassend und interaktiv“ gekommen, kurz „Ri.T.al.in“. Passt ja auch irgendwie gut zu den Hütehunden, mit denen ich jeden Tag zu tun habe. Das Kürzel „Artgerecht schulen“, kurz „Ar.sch“ war’s dann auch nicht. Ich stelle mir vor, wie ich irgendwo auftauche und irgendjemand sagt. „Der Ar.sch. ist auch da.“ Wobei das eh schon einige sagen …
Mannmannmann, ganz schön schwer das Ganze. Am besten verschiebe ich das System nach hinten und konzentriere mich auf einen anderen Aspekt.
Wenn es mit der Alleinstellung nicht so ganz klappt, bleibt immer noch die Möglichkeit, sich durch vergleichende Werbung von der Konkurrenz abzuheben. Pepsi Cola und Coca Cola machen das bereits seit Jahrzehnten. Ein schmissiger Claim ála „Normen. Alle anderen sind nur Hundeschulen.“, wobei das nicht wirklich griffig ist. Vielleicht mehr sowas: „Normen. Alle anderen sind doof und haben Schweissfüsse.“ Oder der Klassiker: „Normen. Alle anderen sind Tierquäler.“ Wobei ich glaube, dass dieser Slogan schon durch Trichia von Pöbel besetzt ist.
Nach einiger Zeit hatte ich mich dann für eine Kombination aus pfiffigen Wortspiel und cooler Abkürzung entschieden: „S.H.i.T: Hundetraining für Arme. Und Beine.“ Voller Erfolg! „Super Hundeschule im Taunus!, Yeahh!
Viel wichtiger als der Name ist natürlich das Konzept. Da muss einfach etwas neues her, etwas bahnbrechendes. Und wissenschaftlich natürlich. Denn wenn man als Hundetrainer nicht ganz weit vorn ist, hat man gelitten und gilt schnell als ewiggestriger und Stachelwürgerschwingender Blödmann, der garnichts, aber auch garnicht begriffen hat.
Da es allerdings nicht genügend Neues für all die vielen Hundetrainer gibt, haben sich zwei Methoden etabliert.
Methode 1: Man nehme eine – halbwegs aktuelle – wissenschaftliche Studie und lokalisiere den einen Absatz, der irgendetwas neues suggeriert (oder den kein Schwein versteht) und reiße ihn aus dem Zusammenhang. Den Rest der Studie verschweigt man geflissentlich, sollen die Idioten doch selber nachlesen, was da drin steht. Tadaaa (Mann denke sich hier einen Tusch!): Dr. Schlagmichtod hat in einer Studie festgestellt, dass 35 Prozent er jungen Rüden beim Pinkeln umfallen – ergo, Deprivationsschäden entstehen, wenn die armen Tiere Artgenossen ausgesetzt sind! Deshalb werden sie ab sofort mit Hamstern vergesellschaftet! Bäm, eine neueste wissenschaftliche Erkenntnis mehr.
Methode 2: Man nehme etwas, das eh jeder Hundehalter mehr oder weniger unbewusst tut, gebe ihm einen wichtigen Namen, untermauere das Ganze mit Erkenntnissen aus der neueren Metaphysik, etwas esoterischen Geschwurbel und zack – die neueste und beste Erziehungsmethode ist fertig. Eigentlich so alt, dass vermutlich schon die Höhlenmenschen ihre Säbelzahntiger so erzogen haben, aber jetzt mit „®“ und „©“ wissenschaftlich belegt.
Ich habe mich für eine Mischung aus Methode 1 und Methode 2 entschieden und den intertelepathischen Unterstützer® entwickelt. Hundehalter nennen diesen Vorgang eigentlich „sich zum Horst machen.“ Damit sie aber nicht merken, dass meine Methode genau das selbe ist, war bei der Entwicklung meiner Methode wichtig zu beachten, dass wirklich jede Begrifflichkeit neu und irgendwie therapeutisch klingt.
Also hier – weltexklusiv – mein selbst entwickeltes „S.H.i.T.-System©“ mit intertelepathischen Unterstützer®:
- Man bringe den Hund durch einladenes, leicht beschwingtes Kreisen der Arme in eine den Menschen beachtene Position. Das ist der sogenannte „Neuronale Verstärker“ und hat seinen Urspung in einer Studie von Notfallmedizinern, die den Zusammenhang zwischen heftigen Armbewegungen in Verbindung mit ungünstig im Schutzdienst geführten Malinoisrüden untersucht haben. Ganz klare Erkenntnis, die Aufmerksamkeit der Hunde war den Probanten sicher.
- Nun forme man seine Beine sanft zu einem „O“ und führe seine Arme mit einer sanften Bewegung nach vorne. Dies ist der „Performer“, das heisst, das wir dem Hund durch unsere Körpersprache signalen, dass wir gleich mit dem telepathischen Unterstützer beginnen. Forscher haben rausgefunden, dass die „O-Beine“ dem Hund das „funktionale U“ der Mutterhündin signalisieren, während andere Forscher rausgefunden haben, dass Hunde augenscheinlich ein „U“ nicht von einem „O“ unterscheiden können. (Außer Rico, aber ist auch ein Border Collie.)
- Nun sagen wir ruhig und säuselnd den Namen des Vaters des Hundes, schauen weg und sagen „Ding Dong“. Das ist der „Kontakter“. Und hier beginnt der eigentlich intertelepathische Unterstützer. Dadurch das wir da stehen wie ein Depp, einen fremden Namen flüstern und uns „Ding Dong Ding Dong“-säuselnd von unserem Hund abwenden, wird dieser uns für bescheuert halten und sorgevoll nachsehen, ob er sich nicht besser einen neuen Dosenöffner suchen sollte.
- Experten sagen, dass sich ein Verhalten generalisieren muss. Das Bahnbrechende an meiner Methode ist, dass der Hund uns von vorneherein für bescheuert hält und eine Generalisierung nur auf Seiten des Hundehalters stattfinden muss. Noch bahnbrechender ist, dass diese intrartliche Kontaktaufnahme auch innerartlich super funktioniert. Einfach mal im Büro in die neuronale Verstärker-Position bringen und den Arbeitskollegen mittels Performer und Kontakter intertelepathisch unterstützen. Der wird einen für bescheuert halten.
Wahnsinn, oder?
Nachdem ich mir mein wissenschaftliche Wundermethode so betrachtet habe, ist mir in den Sinn gekommen, dass mein „S.H.i.T-System©“ zwar catchy und funky ist, aber das Marmorbad, das ich mir schon ausgesucht hatte, dadurch immer noch nicht finanziert ist. Und da fielen mir die Worte meines alten Freundes Manfred ein: „Das einzige, was schneller reich macht als selber zu arbeiten, ist anderen das für Geld zu erzählen.“ Weise Worte für jemanden, der wegen Betrugs in Haft sitzt …
Aber er hatte recht, und abgesehen davon, dass bei jedem Scheiss-Wetter auf irgendwelchen Hundewiesen rumstehen eh was Blöde ist, habe ich entschieden, dass ich ab sofort interessierten Hundefans anbiete, sie in der hohen Kunst der intertelepathischen Unterstützung auszubilden.
Nach erfolgreich überwiesenden 199,90 € darf sich jeder, der sich öffentlich vor seinem Hund zum Horst macht „Certified S.H.i.T.-Guide©“, außerdem biete ich die Fortbildung zur Zusatzbezeichnung „Star of Richtig Mistbauen“ an, so dass erfolgreiche Absolventen sich „Certified S.H.i.T.St.o.R.M.“ nennen dürfen.
Mein einzigartiges Ausbildungssystem ist absichtlich niederschwellig angelegt, so dass möglichst vielen Interessierten ein Abschluss ermöglicht wird. Zudem werden erfolgreiche Absolventen von „Samt Köter volle Pulle in dem Schlamm fallen“ (S.K.v.P.i.d.S.f) und „Sorry, die Rechnung für die Reinigung übernehme ich selbstverständlich“ (S.d.R.f.d.R.ü.i.s) mit einem Rabatt von 2 Prozent bedacht (zzgl. 5 Prozent Anerkennungsgebühr versteht sich!).
Da natürlich jeder daherkommen kann und Zertifikate ausstellen darf, habe ich mein Zertifikat nochmal mit anderen Zertifikaten untermauert. Quasi habe ich mein Zertifikat zertifiziert: So ist z.B. das Auto, mit dem ich durch die Gegend fahre TüV-zertifiziert, mein T-Shirt fairtrade-zertifiziert, meine Zahnpasta antibakteriell und das Klopapier ist bio!
Ich glaube ganz fest, dass meine „S.H.i.T-Guides“ die Hundeszene umkrempeln werden. Denn wir sind viele, Und wir haben Clubjacken!