Paul, der Labbi-Mix (11a)

„Das kann ja wohl nicht wahr sein“ rief Sabine und war ausser sich. „Paul, du böser, böser Hund!“

Paul, der sich keiner Schuld bewusst zu sein schien, kaute auf einem Teil von irgendeinem Tier rum und hatte sich wohl auch in den Überresten seines persönlichen „Geburtstags-Festmahls“ gewälzt. Missmutig und ohne jedes Verständnis dafür, dass er nicht in Ruhe zu Ende essen durften, kam Paul angetrottet und Sabine stellte fest. Der stinkt nach Verwesung. Ekelhaft.

Als sie mit ihrem Hund zurück zu Erika kam, konnte die sich vor lachen kaum auf der Bank halten. Sogar Maya, die Rotti-Dame schien etwas angewidert von dem Aroma. Mit spitzen Fingern fummelte Sabine die Leine an ihren Hund und die Quartett verliess den Ort des Geschehens. Sabine verabschiedete sich noch von ihrer neuen Bekanntschaft und man verabredete sich für irgendwann in der Zukunft, in der man Paul wieder begegnen konnte, ohne beinahe ohnmächtig zu werden.

Während der Fahrt zurück nach Hause hatte die im Moment nicht ganz so glückliche Hundebesitzerin alle Fenster des Kombis runtergekurbelt. Trotzdem drang ein schier unbeschreiblicher Gestank nach vorne zur Fahrerin. „Ich hoffe, du hattest Deinen Spass“ sagte Sabine, als sie auf die Auffahrt des Hauses fuhr. „Denn ohne vorher gebadet zu haben, kommst du mir nicht ins Haus.“ Paul war da ganz anderer Meinung und fand es überhaupt nicht witzig, dass ein gestandener Rüde wie er in diese rutschige Wanne sollte, um sich von einer Frau, die kaum mehr als 5 Kilo schwerer war als er selber, waschen zu lassen.

Später hatte sich Sabine trockene Sachen angezogen und setzte sich zu Michael auf das Sofa, der immer noch ein Grinsen im Gesicht hatte. „Na immerhin hattet Ihr Euren Spass“ sagte Sabine. Tatsächlich war ihre „Bade-Erfahrung“ mit Paul ein Happening für die ganze Familie. Die beiden Kinder waren quietschvergnügt, als Sabine kopfüber in die Badewanne fiel und Paul pitschnass durchs ganze Haus geflüchtet war. Und erst jetzt fiel ihr auf, dass sich auch Michael vor lachen kaum halten konnte. Die Situation hatte zugegebenermaßen auch etwas urkomisches.

Paul lag nun in seinem Körbchen uns schlief. Was für ein Tag, dachte sich Sabine, als sie im Wohnzimmer das Licht ausmachte und schlafen ging.

(Fortsetzung folgt)

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Paul, der Labbi-Mix (11b)

Paul lag zwischen den Bäumen und atmete schwer. Aus seinem Maul quoll Blut und er konnte sich augenscheinlich nicht bewegen. Sabine könnte schwören, dass sie das „Oh Gott“ nur geflüstert hätte, doch augenscheinlich hatte sie es in ihrer Verzweiflung geschrien.

Erika kam in das Waldstück gerannt, warf einen kurzen Blick auf Paul und rief: „Sabine, geh das Auto holen, wir müssen ihn sofort zum Tierarzt bringen.“ Sabine rannte so schnell wie sie nur konnte. Und hatte das Gefühl, dass sie nicht vorwärts kam. Nein, nicht das, nicht jetzt, Nein, Nein. Der Weg zum Parkplatz kam ihr unendlich lang vor und jeder Schritt fühlte sich an, als wenn sie im Sand versinken würde. Nervös fingerte sie an ihrem Schlüsselbund rum. Wo ist der verdammte Autoschlüssel? Mit Vollgas fuhr sie den Wanderweg hoch, dass ein paar Spaziergänger sie noch beschimpfen, weil sie zur Seite springen mussten. Kurz vor dem See kam ihr Erika entgegen. Sie hatte den nun leblosen Paul wie einen Sack Zement geschultert. Später könnte Erika sich auch nicht mehr erklären, wie sie den 45-Kilo-Hund soweit hätte tragen können. Maya, die Rotti-Dame lief aufgeregt neben ihrem Frauchen her.

Sabine bremste, sprang aus dem Auto und riss die Heckklappe auf. Tränen liefen ihr das Gesicht runter und sie zitterte bei jeder Bewegung. Die beiden Frauen hievten den Hund in den Kofferraum, Erika rief Sabine zu, dass sie fahre und Maya nahm auf der Rückbank Platz. Erika zückte ihr Handy, während sie den Wanderweg runter raste und sagte ins Telefon „Hallo Herr Dr. Müller, wir sind in 10 Minuten da, der Hund hat wohl Gift gefressen und atmet nicht mehr.“ Er atmet nicht mehr. Er atmet nicht mehr. Dieser Satz kreist in Sabines Kopf rum, sie fragte sich, wie sie das den Kindern erklären sollte. Und wie Michael. Warum hatte sie nicht aufgepasst? Hätte sie Paul doch nur an der Leine gelassen.

Plötzlich drang in ihre Gedanken die Stimme von Erika. Sie musste sich konzentrieren, um wahr zu nehmen, was sie sagte. „Wir sind da“ …

Dr. Müller kam mit einer Tierarzthelferin auf den Parkplatz gerannt. Sie bugsierten Paul mit einem Satz auf eine Trage, die auf einem Wagen stand und rannten mit dem Hund in das Klinikgebäude. Als Sabine einen Blick in den Kofferraum warf, sah sie, dass alles voller Blut war. Noch bevor sie sich richtig gesammelt hatte, kam schon Dr. Müller an und erklärte ihr, dass ihr Hund vermutlich einen scharfen Gegenstand gefressen hätte, der mehrere Schnittwunden in der Speiseröhre verursacht hätte. Er müsste den Hund sofort operieren, da ansonsten die Gefahr bestehe, dass Paul in kurzer Zeit stirbt.

Jaja, machen Sie, bitte. Sabine konnte ihre eigene Stimme kaum hören. Wie in Trance stand sie daneben und nahm nur verschwommen wahr, was da gerade passierte. Nur Erika gab ihr Halt. Erika, die ruhig und souverän geblieben war und ohne die Sabine vermutlich immer noch regungslos vor ihrem Hund in diesem Waldstück am See stehen würde.

Zwischenzeitlich war ein Taxi vorgefahren und Michael war dazu gekommen. Er hatte extra im Sportstudio angerufen und Gertie aus ihrem Yogakurs holen lassen, damit er bei Sabine sein konnte.

Nach fast drei Stunden kam ein sichtlich erschöpfter Dr. Müller aus dem OP-Saal raus und sagte mit sorgevoller Stimme: „Er ist soweit stabil, aber wir behalten ihn erstmal hier. Ihr Hund hat wirklich Glück gehabt. Nur kurze Zeit später und es wäre zu spät gewesen.“

In dieser Nacht bekamen Sabine und Michael kein Auge zu. Sie waren mit ihren Gedanken bei Paul, der nun in dem kleinen Zwinger in der Tierklinik an Infusionen hing. Wer macht sowas? Wer legt mit böser Absicht Köder mit Rasierklingen aus, um Hunde zu töten? Das wollte nicht in ihren Kopf.

Am nächsten Morgen fuhren Michael und Sabine direkt in die Klinik. Ausnahmsweise durften sie Paul auf der Station besuchen, aber nur, weil zur Zeit kein anderes Tier stationär aufgenomen war. Paul sah müde aus, lag flach auf dem Bauch und schnaufte ein wenig. So ein großer Hund und jetzt so ein Häufchen Elend. Die Tierarzthelferin erklärte Michael, dass Paul Schmerzmittel bekommen habe und noch etwas erschöpft von der OP war. In den nächsten Tagen dürfe er nichts zu sich nehmen, nur ein bisschen Spezialnahrung und etwas Wasser. Die Wunden müssten verheilen, das wäre jetzt wichtig. Außerdem müssten sie regelmäßig zur Nachbehandlung kommen, Antibiotikum und etwas gegen die Schmerzen.

Morgen schon könnte Paul wieder nach Hause, der Doktor will ihn noch eine Nacht da behalten.

Eine weitere schlaflose Nacht später holte Sabine Paul gleich morgens aus der Tierklinik ab und es dauerte noch einige Zeit bis Paul wieder der Alte war.

Auch Sabine brauchte einige Zeit, bis sie wieder die Alte war, der Schock über das Erlebte hatte ihr doch stark zugesetzt.

Nun lag Paul in seinem Körbchen uns schlief. „Ach Paulchen“, flüsterte Sabine, als sie im Wohnzimmer das Licht ausmachte und schlafen ging.

(Fortsetzung folgt)

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Paul, der Labbi-Mix (11)

Da lag er nun, der Paul. An seinem Geburtstag. Sabine war entsetzt und stand wie geschockt vor ihrem Hund …

Hier geht es zu Teil 11a – die Version für Leute mit schwachen Nerven.

Hier geht es zum Teil 11b – die Version für alle, die sich in den Schlaf weinen wollen.

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Paul, der Labbi-Mix (10) Wochenend-Spezial

Als Michael am Abend nach Hause kam, fiel ihm als erstes diese häßliche Porzellanfigur auf, die im Flaur auf dem Telefonschränkchen stand. „Wo hast du das denn her?“ fragte er und zweifelte ein bisschen am Geschmack seiner Frau. Gut, dass man mit Kleinkind und Kampfhundesteuer keine Bo-Concept-Einrichtung mehr zahlen könnte, war ihm ja klar. Aber wenn sich das Leben der beiden mittlerweile derart armselig gestalten würde, dass sie sich so einen Kitsch ins Haus stellen müsste, würde er sich Paul schnappen un mit ihm einen Kiosk ausrauben. Ein Blick auf diese Figur und jeder Richter hätte Mitgefühl.

Sabine erklärte ihm, was sie an dem Tag erlebt hatte. Sie erzählte von Herrn Gutmuts Sohn, von dem alten Haus und davon, dass es nun leerstünde. Und sie erklärte, dass Gutmut Junior ihr diese Figur geschenkt hatte. Außerdem erklärte sie Michael, warum sie in letzter Zeit emotional so angespannt war. Der Test aus dem Drogeriemarkt hatte es ergeben. Sie war schwanger. Und nun musste sie lächeln. Das erste Mal seit Wochen.

Es muss irgendwann im Frühling gewesen sein, jedenfalls war es endlich etwas wärmer geworden, als Sabine in einem der Kartons den Impfausweis von Paul fand. „Mensch Paul“, sagte sie zu ihrem Hund. „Heute hast du Geburtstag“. Sie musste lachen. „Aber glaub nicht, dass Du eine Torte kriegst“. Sie ging runter ins Erdgeschoss, in dem Michael gerade versuchte, den neuen Herd anzuschliessen. Die Betonung lag auf „Versuch“, denn bereits seit zwei Stunden waren alle Sicherungen ausgeschaltet.

Als die beiden das Haus gekauft hatten, hatte Michael gewusst, dass hier viel zu tun sei.  Aber hatte sich gedacht, dass man viel Geld sparen könnte, wenn man vieles selber macht. Naja, das hatte er jedenfalls gedacht. Sein erster Versuch, eine Wand zu verputzen endete darin, dass der Handwerker, den er schliesslich bestellen musste, erst Michaels „Kunstwerk“ von der Wand entfernen musste. Aber Heinz war schliesslich einiges gewöhnt. Schliesslich kannte er das Paar noch aus der Zeit, in der Sabine mit Marie schwanger war. Und Michael war hat ein Denker und kein Macher. Auch diesmal musste Heinz zur Hilfe eilen. Nachdem Sabine gesehen hatte, dass es trotz angeblich rausgezogener Sicherungen bedenklich funkte, bestand sie darauf.

Sie lebten nun schon zwei Jahre in diesem Haus und die neue Küche war die letzte der großen Anschaffungen gewesen, die dringend notwendig waren. Und sie wollte weder den teuren Herd noch ihren handwerklich ungeschickten Mann verlieren. Nicht jetzt, wo es so gut lief.

In diesem Sommer würde Marie in den Kindergarten kommen und Felix, wie ihr Sohn hieß, entwickelte sich prächtig. Seitdem sie ihre piefigen Nachbarn losgeworden waren, fühlte sich das Paar freier. Michael sagte mal „Endlich kann ich wieder durchatmen.“ Sabine hatte die Gartenarbeit für sich entdeckt, auch wenn sie zugeben musste, dass sie in diesem Bereich ungefähr so begabt war wie Michael in Sachen Renovierung.

Und heute hatte Paul Geburtstag. Mit zwei Kindern und der niemals endenden Baustelle im Haus kam er in den letzten Monaten immer etwas zu kurz. Aber Paul ertrug sein Schichsal tapfer. Überhaupt war er in seiner stoischen Gelassenheit seinen Menschen gegenüber der perfekte Familienhund. Ruhig und gelassen – egal, ob er gerade als Hüpfburg für die kleinen herhalten musste oder als Joggingpartner für Sabine, die sich fest vorgenommen hatte, die Pfunde, die der Nachwuchs hinterlassen hatte, wieder loszuwerden.

Lediglich der Postbote konnte sich nicht so recht mit Paul anfreunden. Und Paul nicht mit ihm. Die beiden hatten so etwas wie eine Übereinkunft getroffen. Wenn der Bote ein Paket lieferte, stellte er  es direkt hinterm Gartentor ab. Das bedeutete, dass er die Türe aufmachen, das Paket ablegen und die Türe wieder schliessen musste. Der erfahrene Postler hatte errechnet, dass er dafür ungefähr zehn Sekunden brauchte. Paul hatte errechnet, dass er in zehn Sekunden ungefähr 15 Leckerchen fressen konnte. Und so kam der Postbote, sagte: „Hol’s Dir“, Paul holte sich das Futter und der Postbote hatte das Paket abgelegt, bevor Paulchen wieder am Tor war.

Der heutige Tag, der sollte Paul gehören, dachte sich Sabine und öffnete den Kofferraum des Kombis. „Komm Paul“ sagte sie und der Hund sprang in den Kofferraum.

Mit dem Auto fuhr Sabine zu dem etwa 15 Minuten entfernt gelegenen See, den sie im letzten Winter entdeckt hatte. Paul war eine wahre Wasserratte und liebte es, im See zu planschen. „Ein bisschen wie ein Rentner auf Kneipp-Kur“ sagte Sabine mal, als sie ihren Hund dabei beobachtete, wie er gemächlich seine Runden zog. Schon am Parkplatz stellte sie fest, dass hier doch ganz schön was los war, sobald es etwas wärmer wurde. Also musste Paul erstmal an die Leine.

Nach ungefähr einem Kilometer gemütlichen Spaziergangs tauchte am Horizont der erste Hundebesitzer auf. Glücklicherweise einer der vernünftigen Sorte, der seinen Hund gleich an die Leine nahm. „Ist Ihrer verträglich?“ fragte die Frauenstimme. Sabine antwortete „Rüde oder Hündin?“ Hündin, gut, das klappte meistens. Die Hundehalterin stellte sich als Erika vor und ihre Hündin als „Maya“. Maya war eine große und nicht minder beeindruckende Rotti-Hündin und Paul machte den Anschein, als sei er verliebt.

Nach kurzem Überlegen leinte Sabine ihren Paul ab und die beiden Hunde tobten durch den Wald. Die beiden Frauen entschlossen sich dazu, die Runde am See gemeinsam zu gehen.

Erika war nett und Sabine verstand sich auf Anhieb mit ihr. Sie war etwas älter und ihre Kinder, die sie scherzhaft als „Brut“ bezeichnete, gingen zur Schule. Ihre Tochter sei in der Pubertät, ein Kotzbrocken, wie er im Buche steht, lachte Erika. Und „Jungsverrückt“. Aber, wenn das Kind irgendwann einen mit nach Hause bringen würde, hatte sie da schon einen Plan. „Maya darf dann mit ins Kinderzimmer, dann packt er die Jenny schon nicht an.“

Am See angekommen setzen sich die beiden auf eine Bank unterhielten sich angeregt, während die Hunde durch die Büsche, durchs Wasser, über die kleine Wiese und wieder durch die Büsche tobten. Das war ein schöner Geburtstag für Paul, dachte Sabine. Übrigens, wo ist er überhaupt?

Erika rief ihre Maya zu sich, die auch irgendwann widerwillig auftauchte. Nur Paul lies sich nicht blicken. Sabine ging am See auf und ab, suchte in den Büschen, rief nach Paul, doch nichts tat sich. Also ging sie in das Waldstück rein und rief nach Paul. Keine Reaktion. „Paaaauuuul!!! Der war doch gerade noch hier! Dieser blöde Hund“ fluchte sie vor sich hin, als sie einen Blick zwische eine Gruppe junger Bäume warf und ihn schliesslich fand.

(Fortsetzung folgt)

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Paul, der Labbi-Mix (9)

An diesem Morgen waren Sabine und Gertie mit Marie und Paul im mittlerweile fünften Geschäft, um eine neue Pfeife für Herrn Gutmut zu finden. Sabine bekam immer noch einen kleinen Schweißausbruch, wenn sie daran dachte, wie Paul den älteren Herrn mit geballten 45 Kilo Allradantrieb und ordentlich Schwung umgeworfen hatte. Glücklicherweise hatte Gutmut verständnisvoll reagiert. Eines war auf jeden Fall sicher, ab sofort gab es für Paul nur noch Freilauf, wenn Sabine auch wirklich den Überblick hatte.

Als sie Michael am Abend davon erzählt hatte, konnte er sich ein Lachen nicht verkneifen. Früher wäre er besorgt gewesen, aber zwei Jahre Paul hatten ihn verändert. Mittlerweile machte er sich jeden Morgen einen Spass daraus, laut im Treppenhaus „So, Paul, jetzt geht’s zur Jagd“ zu rufen, nur um sich dann beim Frühstück über die verärgerten Blicke der Nachbarn lustig zu machen. Und während er noch vor einigen Monaten bemüht war, den Frieden aufrecht zu erhalten, nutze er nun jede Gelegenheit, um mit den Anwohnern zu diskutieren. Ironie war nie seine Stärke gewesen, mittlerweile beherrschte er die komplette Palette, wenn es darum ging die verbitterten alten Leute aus der Wohnung gegenüber in den Wahnsinn zu treiben.

„Sollen wir das jetzt bis ans Ende unseres Lebens ertragen?“ rief zum Beispiel einmal die Nachbarin, die sich mal wieder über den Kinderwagen im Flur beschwerte. „Is‘ ja nicht mehr lang.“, konterte Michael trocken und musste grinsen, als er den verdatterten Blick dieser alten Schachtel zur Kenntnis nahm. Sabine hatte den Eindruck, dass ihr Mann langsam Spass an dieser Outsider-Rolle hatte.

„Die hier ist doch gut“ sagte Gertie und zeigt Sabine eine geschwungene Pfeife aus Holz. „Keine Ahnung, ich hab noch nie Pfeife geraucht. Aber schön aussehen tut sie.“ Blöderweise hatte Sabine die kaputte Pfeife von Herrn Gutmut nicht mehr in Erinnerung, aber Gertie machte einen überzeugten Eindruck, also sollte dieses Modell der versprochene Ersatz werden.

Manche Momente im Leben vergisst man nie. Das wussten auch Sabine und Gertie. Die Geburt von Marie zum Beispiel oder als Gerties Mann starb und sie die letzten Wochen seines Lebens an seiner Seite verbrachte, bis er schliesslich seinem Leiden erlag. Oder der Tag, an dem Sabine Michael kennengelernt hatte – obwohl die Erinnerungen der beiden hier etwas auseinandergingen. Während Sabine stundenlang alle Details ihrer ersten Begegnung zu erzählen wusste, antwortete Michael auf die Frage, wie er seine Frau kennengelernt hatte, mit einem knappen „An der Uni“. Typisch Mann.

Das der heutige Vormittag zu einem solchen Moment für die beiden Frauen werden sollte, ahnten sie noch nicht, als sie mit dem Kombi den geteerten Feldweg zu Herrn Gutmut hochfuhren. Sabine hatte vorher bei ihm angerufen, um sich zu versichern, dass er auch zuhause sei. Am Telefon klang er etwas komisch und sie war sich nicht sicher, ob sie wirklich willkommen waren. Als sie an dem etwas vergammelten Gartentörchen stand und klingelte, tat sich erst mal nichts. Sie klingelte erneut – nichts.

„Bist du sicher, dass Ihr 12 Uhr verabredet habt?“ fragte Gertie. „Ja, ganz bestimmt, ich habe ihn ja heute morgen extra noch mal angerufen.“ erwiderte Sabine. „Hm, komisch“. Gertie öffnete das Tor und ging in den Vorgarten. Sabina war nicht so ganz wohl dabei und so zog sie es vor, lieber vor dem Grundstück zu warten. „Ich schau mal hinterm Haus, aber es scheint niemand da zu sein.“ sagte Gertie.

Christian und Marco hatten gerade ihren Bereitschaftsdienst angetreten, als der Notruf eintraf. In eiliger, aber präziser und routinierter Vorgehensweise hatte es keine fünf Minuten gedauert, bis sie ihren Rettungswagen auf die Straße gebracht hatten und weniger als zehn Minuten, bis sie am Einsatzort eingetroffen waren. Fast zeitgleich war Herr Dr. Schnelle vor Ort, der als zuständiger Notarzt gerade aus dem Klinikum gekommen war. Der etwa 70-jährige Patient war jedoch bereits tot, als die Einsatzkräfte zur Hilfe geeilt waren.

Eine ältere Dame und ihre Tochter hatten den Notruf ausgelöst. Die Dame, die sich als die Mutter der jungen Frau herausstellte, hatte den Toten hinterm Haus gefunden. Später würde ein Schlaganfall als Ursache für den Tod des Mannes festgestellt werden und Christian und Marco würden unisono sagen, dass sie froh seien, dass der Mann gefunden wurde, bevor die Natur sich seines Körpers bemächtigte. Ältere Leute, die einsam versterben und oft erst wochenlang später gefunden wurden, waren so ziemlich das Schlimmste an dem Job.

In den folgenden Wochen fühlte sich Sabine irgendwie bleiern, wenn man sie ansprach, erreichten sie die Worte wie durch einen Schleier und wenn sie unterwegs war, dann wie mit Scheuklappen. Dieser Mittag ließ sie nicht mehr los, sie musste an Herrn Gutmut denken, und wie der darüber gesprochen hatte, wie einsam er sich manchmal fühlte. Das seine Frau gestorben waren und seine Kinder lange aus dem Haus. Es war weniger der Anblick der Leiche, der ihr zu schaffen machte. Vielmehr beschäftigte sie die Tatsache, dass dieser nette Mensch alleine gestorben, dass niemand bei ihm war und seine Hand gehalten hatte, dass seine Kinder über das Telefon vom Tod ihres Vaters erfahren hatte.

In diesem Wochen stand sie oft am Bett von Marie und dachte darüber nach, wie wohl ihr Leben im Alter aussehen würde. Was sie tun würde, wenn sie irgendwann allein sei. Und ob Marie sich wohl um ihre Eltern kümmern könnte, wenn diese Pflege bedürften. Michael fühlte sich etwas hilflos, er beobachtete Sabine, hatte aber das Gefühl, dass er keinen echten Zugang zu ihr bekam. Was sollte er tun. Ein Freund von ihm rat ihm, einfach da zu sein. Sabine würde schon darüber hinwegkommen und es kämen auch wieder bessere Zeiten.

Gertie wiederrum hatte sich recht schnell von dem Schock erholt, schliesslich hatte sie den Mann ja nie kennengelernt. Sie verfolgte die Devise, dass „Etwas unternehmen“ das beste Mittel war, um Sabine aus ihrem emotionalen Tief herauszuholen. Und so stand sie jeden Tag vor der Tür, packte ihre Tochter, ihre Enkeltochter und das Zweitkind, wie sie Paul liebevoll nannte, ein und es wurde etwas unternommen. Kaffee trinken gehen, ins Einkaufszentrum oder spazieren im nahegelegenen Naturschutzgebiet.

Vielleicht war es Zufall, vielleicht führte auch irgendetwas unterbewusstes Gertie und Sabine genau an diesen Tag in die Nähe von Herrn Gutmuts Haus. Sabine war zunächst wie starr vor Schreck, als sie die Giebel des Hauses zwischen den Laubbäumen wieder erkannte. Aber irgendwas zog sie dahin. Vielleicht brauchte sie einen Abschluss, einen finalen Schlussstrich, wer wusste das schon.

Gemeinsam mit Gertie ging sie den Weg runter zu dem Gartentörchen, an dem sie an dem Tag gestanden und vergeblich geklingelt hatte. Im Vorgarten stand ein großer Container, in dem jede Menge Sperrmüll und Gerümpel lag. Ein ganzes Leben in einem Container. Ein etwas pummeliger Mann trug gerade einen alten Beistelltisch aus Buchenholz aus dem Haus, als er bemerkte, dass da jemand vor dem Grundstück steht.

„Kann ich Ihnen helfen?“ fragte er sichtlich aus der Puste. „Nein“, stammelte Sabine etwas unsicher, „es ist nur …“. Sie erzählte dem Arbeiter, wie sie Herrn Gutmut gefunden hatten und dass sie einfach nochmal hierher kommen wollte, um einen Schlussstrich zu ziehen. Und sie erzählte ihm von Gutmuts unheilvollen Begegnung mit Paul und von der zerbrochenen Pfeife.

Der Mann hörte zu und drehte sich derweil eine Zigarette. „Ich erinnere mich,“ nuschelte er etwas, während er sich den Glimmstengel anzündete. „Mein Vater hat mir davon erzählt. Paul, wie mein Uropa, ein harter Hund“, grinste er und guckte Paul freundlich an. „Komm’se doch rein, hier isses viel zu kalt.“ Sabine, Gertie und Paul folgten Gutmuts Sohn ins Haus. Fast alle Räume waren bereits leergeräumt. Nur ein paar helle Stellen an den Wänden zeugten von den Möbeln, die hier mal gestanden hatten.

Gutmut Junior ezählte von seinem Vater, von dem nicht immer ganz einfachen Verhältnis zu ihm und dass Herr Gutmut sich bis zum Ende geweigert hatte, das Haus aufzugeben. Nun stand es da, ohne Besitzer. Juniors Schwester hatte gleich klargestellt, dass sie kein Interesse an der Immobilie hatte, ihr Lebensmittelpunkt war im Süden und sie liebte München. Außerdem, das Haus war alt, es gab viel zu renovieren und wer wollte schon soweit abseits leben. Der nächste Nachbar 200 Meter weit weg, kein Supermarkt und kein Bahnhof in dem Kaff.

Gutmut Junior hatte das Haus vor einiger Zeit zum Verkauf angeboten und schnell die Erfahrung gemacht, dass die Immobilienpreise tatsächlich ziemlich im Keller sind. „Wenn Sie jemanden kennen, der das Haus haben will, geben’Se mir bescheid“ sagte er nachdenklich, während er einige Porzellanfiguren in einen Müllsack bugsierte. Er musste schmunzeln. „Mein Vater hat diesen Tinnef gehasst, aber Mutter hat ständig diesen Kram angeschleppt und das Haus bis unters Dach mit Kitsch vollgestellt. Vater hätte sich nie getraut, die Figuren wegzuwerfen. Mutter war schon zehn Jahre tot und er hat sie immer noch hier stehen gehabt.“ Er nahm eine der Figuren, einen gold-weißen Porzellan-Engel mit einer Harfe. „Wollen Sie die vielleicht haben?“

(Fortsetzung folgt)

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Paul, der Labbi-Mix (8)

“Sabine, mein Kind”, sagte sie. “Das kriegen wir hin. Das lassen wir uns nicht gefallen.”

Die Worte ihrer Mutter waren Sabine im Ohr geblieben, als sie am nächsten Morgen mit Paul auf dem Weg nach draussen war. Ihr kam eine Nachbarin entgegen und rümpfte die Nase. „Ist das Vieh immer noch da?“ kam es Sabine unfreundlich entgegen. „Ja, und bleibt auch“ grinste sie die ältere Dame an, die sichtlich beeindruckt war ob Sabines Frechheit. Das tat gut!

Gertie hatte morgens mit einem Rechtsanwalt telefoniert, der ihr mitgeteilt hatte, dass es keinen Grund zur Sorge geben würde, da die anderen Eigentümer kein Recht hätten, die Hundehaltung „einfach so“ zu untersagen. Aber vermutlich würden sie einen Versuch unternehmen und auf die Gefahr hinweisen, die vom Paul ausgehe. Aber dem könne man gelassen entgegen sehen. Größere Sorgen machten Gertie auch die Nachbarn selber. „Es kann der frömmste nicht in Frieden leben, wenn’s dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ Da war was wahres dran. Und Gertie hatte schon gemerkt, wie angespannt ihre Tochter und ihr Schwiegersohn in der letzten Zeit gewesen waren. Wenn das mal gut geht.

Gut bzw. viel besser als erwartet verlief einige Wochen später die Geburt des Kindes. Marie. Michaels Prinzessin. Die kleine hatte es eilig gehabt, kam einige Tage zu früh und auch der Geburtsvorgang ging schneller von Statten als erwartet. Michael war froh, dass Sabine noch einige Tage im Krankenhaus bleiben sollte, da er zum Geburtsttermin hin ein wenig aus den Augen verloren hatte, was so ein Kind alles an Erstausstattung benötigte.

Als er in dem Geschäft stand und die schier endlose Auswahl an Zubehör, Accesoires und Babykleidung sah, musste er grinsen und an den Tag denken, an dem Sabine und er die Erstausstattung für Paul gekauft hatten. Tatsächlich stellte er an der Kasse fest, dass er bei Marie sogar etwas günstiger weg gekommen war als damals bei Paul. Sowas.

Derweil hatte sich Sabine bereits etwas von den Strapazen der Geburt erholt. Ihr Tagesablauf begann mit der Versorgung des Säuglings unter Mithilfe einer Hebamme. In den Pausen unterhielt sie sich mit ihrer Zimmernachbarin. Nicht nur, dass beide gerade Mutter geworden waren, sie hatten auch ein ähnliches Schicksal. Die junge Frau im Bett neben ihr hatte ihren Hund jedoch einschläfern lassen, nachdem er gebissen hatte. Eine Sache, die sie zutiefst bereute. Doch die Nachbarn hatten dermaßen Druck gemacht, und sie hatte niemanden gefunden, der ihren „Paul“ übernehmen wollte. Sabine merkte, wie schwer es ihrem Gegenüber fiel darüber zu sprechen und hielt sich deshalb ein wenig zurück, wenn es auf das Thema Hund kam. Einmal jedoch sagte die junge Frau wie aus dem Nichts: „Es hätte eine andere Lösung gegeben, es gibt immer eine andere Lösung.“

Eine Lösung brauchten auch Sabine und Michael. Morgen würde sie mit der Kleinen nach Hause kommen und sie hatte etwas Angst, wie Paul wohl auf den Zuwachs reagieren würde. In verschiedenen Foren hatte sie eine Vielzahl an Tipps gelesen, wie man Hund und Kind aneinander gewöhnt. Und sie hatte sich Notizen gemacht. Doch jetzt war sie einfach nur nervös. Paul wog 45 Kilo, Marie nicht viel mehr als 4,5 Kilo. Insgeheim jedoch vertraute sie ihrem Paul, vielmehr setzte sie voraus, dass es mit dem Kind gut geht. „Wir haben so viel Ärger gehabt, wenn es jetzt daran scheitert, bring ich ihn persönlich zurück nach Spanien.“ hatte sie mal im Scherz gesagt und dabei gehofft, dass Paul ihre Worte verinnerlicht.

Am Tag von Sabines Entlassung musste Michael feststellen, dass es unmöglich war, den Kinderwagen UND Paul im Kofferraum des Kombis unterzubringen. Also musste Paul zuhause warten. Heimlich fand Michael diesen Umstand gut, war er doch das Argument, sich nach einem neuen, größeren Auto umzuschauen. Sabine würde das schon verstehen. Schliesslich sollte der Hund immer dabei sein.

Zwei Stunden später, Sabine war noch mal alle Notizen durchgegangen und Michael hatte zur Sicherheit einen Regenschirm in der Hand, warum wusste er auch nicht. Würde Paul wider Erwarten die Kleine im Kinderwagen angehen, würde der Schirm auch nicht helfen. Und außerdem traute er Paul auch nicht zu, dass er so böse auf das Neugeborene reagieren würde. Aber, für den Fall, dass es in der Wohnung regnet, wäre er gewappnet. Und er kam sich einen kurzen Moment auch ziemlich männlich vor.

Wochenlang hatten die Nachbarn sie gewarnt, Gertie hatte ihre Bedenken geäußert und auch der Herr vom Ordnungsamt sah die Sache skeptisch. Sabine und Michael hatten das Internet nach Informationen durchforstet, mit jemanden und mit dem Experten telefoniert und nun standen sie vor der Wohnungstür. Die Kleine im Arm, der Hund auf der anderen Seite.

Vorsichtig schloss Michael die Türe auf und Sabine kam mit Marie rein. Paul schaute neugierig nach dem Bündel und Sabine liess ihn die kleine kurz beschnuppern. Paul schnupperte, musste niessen, hechelte kurz aufgeregt und legte sich wieder in seinen Korb. Das war’s. Dafür der ganze Aufriss. Problem erledigt.

In den folgenden Monaten machten Sabine und Michael die Erfahrung, dass sich die Nachbarn nun nicht mehr wegen des Hundes sondern wegen des Hundes und Marie beschwerten. Das Geschrei wäre nicht auszuhalten und der Kinderwagen im Treppenhaus wäre eine Zumutung. Und dann die Windeln in der Restmülltonne. Schliesslich lebten hier auch alte Leute und Menschen, die nachts ihren Schlaf brauchen. „Die Kinder haben die wohl mittlerweile vergrault“, sagte Michael irgendwann.

Die nörgelnden Nachbarn und die Tatsache, dass nicht nur der Kofferraum des Autos sondern auch die drei Zimmer für Sabine, Michael, Marie und Paul auf Dauer zu eng würden, veranlasste Michael dazu, abends im Internet nach „was anderem“ zu suchen. Das Budget der kleinen Familie war Dank Marie und einer 560 Euro teuren Tierarztrechnung für so eine vermalledeite, distanzlose Hundewiesenbegegnung ziemlich geschröpft. Aber so, das war kein Leben. In dieser verpesteten Atmosphäre sollte Marie nicht aufwachsen. Auch wenn der Verkauf der Wohnung sicherlich mit einem Verlust für ihn enden würde. Michael war bereit, das in Kauf zu nehmen.

Herr Gutmut musste in letzter Zeit auch einiges in Kauf nehmen. Seit einem Schlaganfall konnte er nicht mehr so wie er gerne wollte. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Seine Frau war schon vor einigen Jahren gestorben und der nun lebte er alleine in dem großen alten Haus. Zu seinen Kindern hatte er nicht besonders viel Kontakt, seine Tochter war nach dem Studium nach München gezogen und sein Sohn arbeitete viel im Ausland auf Montage.

Das letzte, was er von seinen Kindern mitbekommen hatte, war der Rat, doch in ein Altenheim zu ziehen. Dort würde man ihn versorgen und er hätte nicht mehr so viel Arbeit auf dem Grundstück. Er fand das frech, er war zwar nicht mehr der Rüstigste, aber er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, in so einem „Rentnerknast“, wie er es nannte, zu leben.

Herr Gutmut nahm seinen Stock, den er zum Aufstützen brauchte und beschloss, ein paar Meter durch die Landschaft zu laufen und sich eine Pfeife zu gönnen. Er kam gerade zu der Bank neben dem alten Wasserwerk und wollte Platz nehmen, als er am Horizont eine Person wahrnahm, die irgendetwas rief. Auf dem zweiten Blick sah er, dass der Grund für die Rufe geradewegs auf ihn zurannte. Es musste ein Grizzlybär oder so etwas sein, dachte er noch, als er nochmal genau hinschaute und genau in diesem Moment – Rumms – zu Boden ging. So lag er da erstmal einige Sekunden wie eine Schildkröte auf dem Rücken.

Als er die Augen aufmachte, stand da dieser riesengroße hechelnde Hund über ihn und schaute Herrn Gutmut ernst an. Von hinten kam eine Frau mit einem Kinderwagen angespurtet, die so etwas wie „ohmeingottohmeingottohmeingottohmeingott“ vor sich hinstammelte und etwas hysterisch wirkte.

„Nun beruhigen Se sich mal, junge Frau“ sagte Gutmut und versuchte, sich aufzurichten. Das würde einen schönen blauen Fleck geben. Als er es endlich geschafft hatte, wieder auf eigenen Beinen zu stehen, klopfte er sich den Dreck von den Hosen und suchte nach seiner Pfeife. Die junge Frau hob sie auf und streckte sie ihm hin, während unzählige Entschuldigungen aus ihrem Mund sprudelten. Die Pfeife war hin, genau am Aufsatz abgebrochen, Mist. Herr Gutmut setzte sich auf die Bank und rief lauter als er wollte: „Is‘ ja gut, is ja nichts passiert.“

Die junge Frau stellte sich ihm als Sabine vor, die Kleine in dem Kinderwagen wäre Marie und der große Hund, der Herrn Gutmut beinahe entschuldigend anschaute, das war Paul. „Paul,“ sagte der Rentner, „wie mein Opa, der hiess auch Paul und war genauso ein harter Hund.“ Sabine beteuerte noch circa fünfzig Mal, dass ihr das fürchterlich peinlich sei und das sie die Pfeife natürlich ersetzen würde.

Sie begleitete ihn noch nach Hause und Herr Gutmut kam sich etwas wie einer dieser alten Leute vor, mit denen er Mitleid hatte. Aber die junge Frau hatte es nur gut gemeint und der Hund war mittlerweile auch freundlicher gesinnt. Und das Kind war wirklich entzückend. Gutmut war immer ein Familienmensch gewesen und genoss das Gespräch mit Sabine. Am Abend saß er in seinem alten Fernsehsessel mit dem dunkelgrünen Cordbezug und fühlte sich einsam. Er wollte sich eine Pfeife stopfen, aber die war kaputt. Glücklicherweise hatte er noch ein paar Cigarrillos gefunden. Die waren bestimmt schon Zwanzig Jahre alt. „Da bin ich mal gespannt,“ dachte er bei sich und schaute aus dem Fenster raus auf das Naturschutzgebiet, in dem er lebte. „ob die mir wirklich die Pfeife ersetzt.“

(Fortsetzung folgt)

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Paul, der Labbi-Mix (7)

An diesem Abend war Frau Gutmensch sehr müde, als das Telefon klingelte und sie mit gequälter Stimme ihren Namen ausformulierte. Frechheit, sie nach 20 Uhr noch zu belästigen. Wer das wohl wieder sei.

Am anderen Ende war eine junge Frau, die ihr mit tränengetränkter Stimme von ihren Problemen mit dem Hund berichtete, den sie vor eineinhalb Jahren von Frau Gutmensch adoptiert hatte. Der Hund hatte gebissen, doch das sei nicht das eigentliche Problem. Vielmehr seien sie jetzt in der Nachbarschaft geächtet, würden gemieden und könnten einfach nicht mehr. Der Hund sei ihnen so ans Herz gewachsen, aber dieser stetige Druck und die Verdächtigungen würden sie fertig machen. Außerdem bekäme die junge Frau bald ein Baby. Sie und ihr Mann hätten lange überlegt und seien zu dem Schluss gekommen, dass sie ihren geliebten Vierbeiner leider abgeben müssten.

Frau Gutmensch hörte sich die Geschichte an und war etwas genervt. So ist das, sobald es das kleinste Problem gibt, geben die Leute auf. Das ist diese Wegwerfmentalität, schlimm ist das. Und wenn sie ehrlich sei, glaubte sie der Anruferin kein Wort. Die will sich doch nur schnell eines Problems entledigen. Dem entsprechend fiel auch ihre Antwort aus.

„Und was soll ich jetzt machen?“ fragte Frau Gutmensch die über diese pfiffige Reaktion sichtlich verwunderte junge Dame. „Naja“, erwiderte diese, „im Schutzvertrag steht ja drin, dass Sie unseren Hund zurücknehmen würden, wenn uns die Haltung nicht mehr möglich sei. Und deshalb habe ich gedacht …“ Frau Gutmensch unterbrach ihr Gegenüber.

„Nun hörn’Se mal. Erstens geht das nicht so einfach. Wir haben auch nur begrenzte Kapazitäten und im Moment habe ich auch gar keine Pflegestelle, die so einen Hund nehmen könnte. Außerdem haben Sie den Hund damals von Frau Kannix adoptiert, mit der arbeiten wir schon lange nicht mehr zusammen. Abgesehen davon, wie stellen Sie sich das vor? Der Hund hat jetzt jemanden gebissen, den kriegen wir ja auch nicht so vermittelt. Wenn er dringend weg muss, dann bringen Sie ihn halt in eine Hundepension oder fragen Sie im nächsten Tierheim.“

Das hatte gesessen. Die junge Dame am Telefon war sprachlos und stammelte nur noch ein knappes „Vielen Dank für Ihre Mühe!“, bevor sie auflegte. Frau Gutmensch fühlte sich erleichtert, dieser Kelch war also an ihr vorrüber gegangen. Was sich diese Leute immer einbilden. Als wenn sie sofort springen müsste, nur weil irgendwo ein kleines Problem auftauchte. Und überhaupt, wenn sie das höre, gebissen, die Leute übertrieben immer maßlos. Bestimmt hatte diese inkompetete dumme Kuh den Hund bedrängt und er hat mal kurz geschnappt. Frau Gutmensch brauchte einen Moment, um sich zu beruhigen. Sie setzte sich wieder in ihren Fernsehsessel und schaltete um: Rosamunde Pilcher.

Am selben Abend war auch Beate sehr müde, als das Telefon klingelte und sie mit gequälter Stimme ihren Namen ausformulierte. Am anderen Ende war eine junge Frau, die weinte und ihr von ihrem Problem mit ihrem Hund berichtete und davon, dass der Verein, der ihr das Tier vermittelt hatte, ihn nicht zurücknehmen wolle. „Entschuldigen’Se, wenn ich das so sage, aber da könnte ich kotzen.“ erwiderte Beate, nachdem sie sich die Geschichte angehört hatte. Sie war Leiterin eines kleinen Tierheims und hatte schon oft erlebt, dass Hunde zwar vermittelt, aber dann im Fall des Falles von den „Orgas“ nicht wieder zurückgenommen wurden. So etwas ärgerte sie. Einige schwarze Schafe ruinierten den Ruf aller Tierschützer. Kein Wunder, dass alle anderen, die gute Arbeit machten und seriös waren, darunter litten. Und solche Geschichten sind natürlich Wasser auf den Mühlen der Tierschutzgegner.

Gerade jetzt hatte sie wieder drei solcher Hunde in der Anlage untergebracht. Immer dieselbe Geschichte. Die Tiere werden als liebe, nette und verträgliche Traumhunde angepriesen und wenn sich herausstellt, dass doch nicht alles Gold ist, was glänzt, werden die Menschen im Stich gelassen. Gerne hätte sie der jungen Frau geholfen, aber in dem kleinen Tierheim konnte sie den Hund nicht unterbringen. Kein Platz. Vor allem, weil die Anruferin geschildert hatte, dass der Hund nicht so besonders verträglich sei. Sonst hätte Beate ihn in eine Gruppe setzen können. Sie bot der jungen Frau an, dass sie sich schlau machen würde, vielleicht fände sie ja eine Möglichkeit.

Am selben Abend war Herr Dr. Müller bereits eingeschlafen, als das Telefon klingelte und er mit gequälter Stimme noch seine Begrüßung „Tierklinik Dingenskirchen, Müller mein Name.“ ausformulierte. Am anderen Ende war eine junge Frau, die mit stockender Stimme von ihrem Problem mit ihrem Hund berichtete, dass der Tierschutzverein ihn nicht zurücknehmen würde und auch das Tierheim überfüllt sei. Der Hund habe gebissen, ja, schon sehr heftig, der Mann hätte eine Woche im Krankenhaus verbracht und sei noch immer arbeitsunfähig. Ja, das sei ihr auch klar, dass eine kleine Wohnung nicht der richtige Ort sei, um einen solchen Hund zu halten. Ja, die Nachbarn würden ihr und ihrem Mann das Leben zur Hölle machen. Und dann sei da noch das Kind, das sie erwarte.

Herr Dr. Müller war selber Familienvater und hatte eine strikte Meinung, was bissige Hunde angeht. Der Schutz der Umwelt geht vor. Und der Hund hatte den Mann ja ernsthaft verletzt. Und dann auch noch diese Rasse. Der Tierarzt war sich sicher. Anhand der Schilderungen und des Umfeldes, wäre es am besten, wenn man die Welt von diesem Hund befreit. Und die junge Frau zeigte sich verantwortungsbewusst und hatte eingesehen, dass es so am besten wäre.

In Fünfzehn Minuten wäre sie da. Als er die Türe öffnete, stand da diese junge schwangere Frau und weinte. Ihr Lebensgefährte, oder war es ihr Mann, hielt ihre Hand. Der Hunde war sehr ruhig und schaute etwas skeptisch. Sicherheitshalber bestand Dr. Müller darauf, dass ihm ein Maukorb übergestülpt würde. Der Hund wurde in Anbetracht der engen Maulschlinge nervös und Dr. Müller und die Besitzer brauchten einige Kraft, um das Tier auf den Behandlungstisch zu hieven.

Der Tierarzt schor mit einem kleinen Apparat ein bisschen Fell am rechten Vorderbein des Hundes weg und staute mittels einer Gummischlinge das Blut. Nun musste er eine Vene finden und die Braunüle setzen. Das war garnicht so einfach, der Hund war deutlich gestresst, versuchte dem Nadelstich auszuweichen und stemmte sich mit aller Kraft gegen das nahende Schicksal. Das Tier schnaufte und fiepte und die Besitzer waren Müller keine große Hilfe. Endlich konnte der Tierarzt das Braunüle fixieren. Nun spritzte Dr. Müller ein Betäubungsmittel, langsam gab der Hund nach und fiel in einen tiefen Schlaf. Müller griff zum Eutha 77 und spritzte dem nun ruhigen Hund, dem die Zunge schlaff seitlich aus dem Maul hing, das Mittel.

In dem Moment, in dem ein Lebewesen stirbt, erschlaffen seine Muskeln. Und so machte sich in dem kleinen Behandlungsraum ein unangenehmer Geruch breit, da die Schliessmuskeln nachgaben und sich Enddarm und Blase entleerten. Die junge Frau weinte und ihr Lebensgefährte stand mit versteinerter Miene und aschfahlen Gesicht neben ihr. Dr. Müller schob den leblosen Körper des Tieres so sanft wie möglich auf einen Wagen und schob diesen in einen hinteren Raum. Nun packte er das tote Tier in einen schwarzen Plastiksack und wuchtete es in die Tiefkühltruhe. „Hoffentlich kommt heute keine Einschläferung mehr rein“, dachte Müller bei sich. Die Truhe war voll und erst morgen würden die Kadaver abgeholt werden.

Ebenfalls an diesem Abend kam Gertrude gerade vom Sport, als ihr Telefon klingelte und ihre Tochter Sabine am anderen Ende der Leitung war. „Hallo, na wie geht’s Euch?“ fragte Gertrude, ganz besorgte Mutter, die sie war. „Wir sind stinksauer“, erwiderte Sabine ungewohnt patzig und erzählte ihrer Mutter von den Nachbarn, von der Versammlung, die sie abgehalten hätten und von dem Brief, den sie erhalten hatten. Und von Paul, der heute seinen Wesenstest bestanden hatte.

„So eine Frechheit“, sagte Gertrude, die alle nur Gertie nannten. „Aber jetzt, wo Paul den Wesenstest bestanden hat, ist doch alles gut. Er ist nicht gefährlich, das habt ihr ja jetzt nachgewiesen“. „Naja, so einfach ist das nicht“, sagte Sabine. „Er hat zwar den Wesenstest bestanden, aber er wird immer als gefährlich gelten. Und die Nachbarn werden immer drauf rumreiten.“ Gertrude fragte sich in dem Moment mal wieder, wofür dieser Test eigentlich gut sei.

In den letzten Wochen hatte sie sich zu einer wahren Expertin in Sachen Hundegesetze entwickelt. Natürlich in aller erster Linie aus Sorge um ihren zukünftigen Enkel. Das, was sie gelesen hatte, beruhigte sie jedoch in keinster Weise. Und als Hausfrau und Mutter dreier Kinder war sie eine Freundin einfacher Lösungen. Aber diese Hundegesetze waren weder einfach noch logisch. In einem Bundesland war eine Rasse gefährlich, im nächsten wieder nicht. Im dritten Bundesland waren Hunde über 40 cm per se gefährlich, aber bei einigen Hunden dann wohl nur die Rüden, denn Hündinnen sind ja häufig kleiner. Das wusste sogar sie, die nie einen Hund gehabt hatte. Gertrude war in Sorge um ihr Enkelkind, doch das, was sie da las, war lediglich ein Wulst an Verordnungen und Gesetzen. Schutz versprachen diese alle nicht.

Und Paul? Paul war eigentlich ein ganz lieber. Manchmal etwas stürmisch, wenn er sie begrüßte, aber eigentlich ein lieber Kerl. „Sabine, mein Kind“, sagte sie. „Das kriegen wir hin. Das lassen wir uns nicht gefallen.“

(Fortsetzung folgt)

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Paul, der Labbi-Mix (6)

Michael hatte Kopfschmerzen und massierte sich die Schläfen. Vor ihm lag das Schreiben vom Ordnungsamt. „Muss von einer Gefährlichkeit ausgegangen werden“ stand da. „Gefährlich“, dachte Michael und schaute auf Paul, der in seinem Körbchen lag und schnarchte. Nunja, besonders freundlich war Paul ja wirklich nicht, aber gefährlich? Michael musste an das gemeinsame Kind denken, das in vier Monaten zur Welt kommen würde. „Gefährlich“, murmelte er und streichelte Paul über den Kopf.

In dem Schreiben stand, dass Sabine, Michael und jeder andere, der Paul ausführen würde, eine Sachkunde nachweisen müsse und das Paul einen Wesenstest absolvieren sollte. Michael beschloss, dass er am nächsten Tag zum Ordnungsamt fahren würde, um sich zu erkundigen, wie das von Statten gehen würde und an wen er sich wenden müsse.

Alles ist für irgendetwas gut. Der Morgen hatte miserabel angefangen. Sabine war beruflich unterwegs und Michael war im Treppenhaus mit einem Nachbarn aneinandergeraten, weil Paul ihn angebellt hatte. Der Nachbar hatte sich furchbar aufgeführt, geschimpft und getobt. Und Michael als Asozialen bezeichnet. So ein Idiot. Mit jeder Menge Wut im Bauch setzte sich Michael ins Auto, knallte die Tür zu und fuhr schwungvoll rückwärts aus der Einfahrt. Geradewegs in ein parkendes Auto. „So ein verfluchter Mist“ schimpfte Michael über sich selber, als er ausstieg, um den Schaden zu begutachten.

Der Fahrer des anderen Autos war etwas baff, aber blieb entspannt und erwiderte nur, dass es ja nur Blech sei und Michael bestimmt versichert. Er warf einen Blick auf das kaputte Rücklicht von Michaels Kombi und warf dann einen Blick auf Paul, der ihn missmutig anblickte. „Einen schönen Hund haben Sie da“, sagte der Mann und Michael könnte bis heute nicht sagen, warum er dem Fremden die Geschichte von Paul erzählt hat.

„Oh, er muss also einen Wesenstest machen?“ fragte der Mann, der sich als Herr Maier vorstellte und fuhr fort. „Ich hatte mit meinem Hund auch das Problem, aber das ist eine andere Geschichte. Wissense, ich kenn da jemanden, die kennt sich aus. Rufen Se da mal an, bevor Sie noch den selben Rattenschwanz mit machen müssen wie wir damals.“

Am Abend tat Michael wie ihm geheissen und rief jemanden an. Er schilderte sein Problem und die Person am anderen Ende lachte herzlich und sagte: „Ich liebe solche Hunde. Kommse mal vorbei!“

Einige Wochen später konnten sich Sabine und Michael ein Grinsen nicht verkneifen, als sie mit Paul die Praxis der Tierärztin und Sachverständigen wieder verliessen. Bestanden. Mit Sternchen sozusagen. Paul ist ein intelligenter Hund. Das wussten sie schon immer. Nichts konnte ihn an dem Tag aus der Ruhe bringen. Weder die bedrohliche Annäherung durch die Prüferin, noch der viele Verkehr beim Stadtgang und selbst die kläffenden Hunde hatte Paul heute komplett ignoriert. Er hatte sofort begriffen, was hier lief. Und so schnell läßt sich ein gestandener Herdenschutzhund nicht aus der Ruhe bringen.

In den letzten Wochen waren sie öfter zu jemanden hingefahren und hatten für den Wesenstest geübt. Es war erstaunlich gewesen. Paul verhielt sich so wie immer, nur Sabine und Michael hatten gelernt, sich so darzustellen, dass Paul keine Veranlassung mehr hatte, die Konfrontation mit fremden Menschen in seinem Sinne zu regeln.

Das Paar fühlte sich erleichtert und auch ein bisschen beschwingt. Jeden Abend hatten sie im Internet die Testfragen für die Sachkunde durchgebüffelt, tagsüber hatten sie mit Paul geübt. Bestanden! Yeeeees!

Diese Erleichterung hielt bis in den Abend, und selbst als Sabine den Brief von der Hausverwaltung aus dem Briefkasten fischte, dauerte es noch etwas, bis sich ihre Laune wieder eintrübte.

Einige Nachbarn hatten so etwas wie eine Eigentümerversammlung einberufen, allerdings ohne Sabine und Michael einzuladen. Alle waren sich einig. Der Hund muss weg. Und alle hatten sie unterschrieben. Schliesslich ging es um die Sicherheit in der Nachbarschaft. Gegen Hunde hätten sie ja nichts. Aber so ein gefährliches Tier stelle ein Risiko für die Kinder und die alten Leute dar, die ja hier lebten.

Und gemäss der Versammlung vom Zwölften hätten sich alle darauf geeinigt, dass die Haltung eines solch gefährlichen Hundes hier nicht erwünscht sei und Michael und Sabine ihren Paul deswegen abgeben müssten.

„Recht haben und Recht bekommen sind zwei unterschiedliche Dinge“ murmelte Michael vor sich hin. „Die können uns den Paul nicht verbieten, immerhin sind wir auch Eigentümer.“ Er war sauer, stinksauer. Er, der Feingeist, der überzeugte Pazifist, verspürte in diesem Moment Gewaltphantasien sondergleichen.

Seit Paul im Treppenhaus auf Heinz gestossen war, konnte man förmlich spüren, wie sich das Klima in der Nachbarschaft verschlechtert hatte. Diese Blicke, dieses Getuschel, dieses verlogende bigotte Pack, das freundlich grüßte, um sich dann im nächsten Moment das Maul zu zerreissen. Sabine und Michael hatten schon extra darauf geachtet, dass sie niemanden im Treppenhaus begegneten, dass Paul ja keinen Mucks von sich gab, wenn jemand an der Wohnungstür vorbei lief und das es ja keinen Grund zur Beschwerde gab.

Sie hatten sich solche Mühe gegeben und alles getan, was man von ihnen verlangt hatte.

Nun waren die beiden müde, sie hatten es satt. Wenn irgendein Hund in der Nachbarschft bellte, war es Paul, wenn irgendein Hund irgendwo iregndwen gebissen hatte, dann musste es Paul gewesen sein und wenn irgendjemand die Hinterlassenschaften seines Hundes hat liegen lassen, dann waren es natürlich Michael und Sabine. Und dann das ungeborene Kind. Wie ein Damoklesschwert verfolgte Sabine der immerwährende Verdacht, dass sie eine Rabenmutter sein müsse, wenn sie ihr Kind mit so einer Bestie aufwachsen liesse.

Sabine streichelte Paul, der seinen Kopf auf ihren Schoß legte und sie mit seinen melancholischen Bernsteinaugen anblickte. Sie atmete tief durch und griff zum Telefon.

(Fortsetzung folgt)

Hier geht’s zu Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4 und Teil 5.

Paul, der Labbi-Mix (5)

drohen

Heinz war ein Handwerker, wie er im Buche steht. Einer, der anpacken konnte, erdig war und stolz auf sein kleines Unternehmen. Die Gründung seiner Firma, die sich auf Renovierungen und Innenausbau konzentrierte, war vor 10 Jahren aus der Not heraus geboren. Mittlerweile hatte er zwei Arbeiter angestellt und konnte ganz gut mit dem auskommen, was die Firma so abwarf.

Er nahm einen kräftigen Schluck Kaffee und schaute auf die Uhr. Viertelnachsieben. Um Acht Uhr hatte er den Termin bei diesem jungen Paar. Tapezieren, Streichen, Fussboden verlegen. Nichts besonderes. Heinz zog sich seine Arbeitsjacke an und stieg in seinen Bulli. Er war etwas früh dran und würde die Zeit vertrödeln, in dem er sich beim Bäcker noch ein Brötchen und die Tageszeitung holen würde. Außerdem dachte er sich, besser zu früh als zu spät.

„Oh, ist es schon spät?“ dachte Sabine, als sie im Halbschlaf auf den Wecker schaute. Schlagartig saß sie aufrecht im Bett. „Mist, wir haben verschlafen.“ Sofort weckte sie Michael, der sich verwundert die Augen rieb. Zwanzigvoracht, bald käme der Handwerker. Ausgerechnet heute, das letzte Mal, als sie verschlafen hatte, hatte sie noch studiert und abends zuvor ein bisschen zu viel getrunken.

Schnell zog Sabine sich ein paar Sachen über, die in greifbarer Nähe waren, wusch sich kurz das Gesicht und schnappte sich Paul, der noch dösend auf dem Sofa lag und sie gelangweilt ansah. In zehn Minuten kommt der Handwerker und Paul soll doch im Schlafzimmer bleiben. Also, schnell vor die Tür, der Morgengassigang würde heute sehr kurz ausfallen müssen.

Heinz war derweil froh, dass er direkt vor der Tür des Mehrfamilienhauses einen Parkplatz gefunden hatte. Er kramte seinen Werkzeugkoffer aus dem Bulli. „Niemals mit leeren Händen eine Treppe gehen“ waren die Worte seines Meisters gewesen, als er noch in der Ausbildung war. Er musste schmunzeln.

Es gibt Zufälle im Leben, die könnte man als Schicksal bezeichnen. Wäre Heinz an dem Morgen nicht so früh dran gewesen, wäre er beim Bäcker nicht sofort bedient worden, hätte auf den Straßen mehr Verkehr geherrscht und hätte er nicht einen Parkplatz direkt vorm Haus gefunden, dann stünde er nicht genau in diesem Moment vor der Haustür und klingelte.

Hätte Sabine nicht verschlafen, hätte sie sich nicht das Gesicht gewaschen, ein paar Klamotten übergezogen, die gerade in Reichweite waren und hätte sie Paul noch im Flur angeleint, dann wäre sie nicht genau in diesem Moment mit ihrem Hund im Treppenhaus unterwegs.

Und hätte Michael nicht direkt im Flur gestanden, als es klingelte, wäre er etwas wacher und aufnahmefähiger gewesen und einen Blick auf den verwaisten Korb von Paul geworfen, dann hätte er bestimmt nicht den Türsummer betätigt.

Später würde Sabine sagen, dass alles so schnell gegangen ist, dass sie erst später realisiert hatte, was da eigentlich passiert ist. Heinz würde sagen, dass er eigentlich keine Angst vor Hunden hätte, schliesslich wären viele seiner Kunden Hundebesitzer und man müsse sich damit arrangieren. In dem Moment aber, da hatter er Angst. Angst um sein Leben. Wie es jetzt weiter gehen würde? Erstmal abwarten, was die Ärzte sagen und hoffen, dass die Versicherung für den Verdienstausfall aufkommen würde. Der Hund könne ja nichts dafür, war halt dummer Zufall.

Der Nachbar, der durch den Lärm aufgeschreckt wurde und das Szenario beobachtete, der würde sagen, dass er es immer gewusst hätte. Das es unverantwortlich ist, dass eine solche Bestie in dem doch sonst so friedlichen Haus leben würde. Schliesslich wohnten hier auch alte Leute und Kinder. Und überhaupt, die Frau erwartet doch selber Nachwuchs. Das geht so nicht. Die anderen Nachbarn, denen er in den folgenden Tagen von Paul berichtete, sahen das ähnlich. So geht das nicht, der Hund stellt eine Gefahr für die Menschen hier dar. Man muss mal doch was tun.

Am Abend des selben Tages hatte Esperanza sehr viel zu tun. Sie kam mit ihrer Arbeit nicht voran. Es mussten passende Transportboxen gefunden, aufgebaut und so stabil wie möglich im Mietbus festgzurrt werden, sie musste Impfausweise überprüfen und ggf. nachstempeln, jeder Hund benötigte ein Halsband und so weiter und so fort.

Spätestens um Zwölf Uhr wollten die Tierschützer aus Deutschland losfahren. Vor ihnen lagen knapp Zweitausend Kilometer. Laut Wetter-App würde sich die Hitze heute in Grenzen halten, der Plan war, möglichst schnell durchzufahren. Am nächsten Vormittag warteten die Adoptanten an der Autobahnraststätte auf ihre Schützlinge. Die Route würde sie die Autopista 7 bis Barcelona, dann durch Frankreich durch, über den Grenzübergang bei Mühlhausen bis in den Süden Deutschlands. Sie würden sich mit dem Schlafen abwechseln, möglichst wenig Pausen machen und größere Raststätten nur zum Tanken anfahren.

Nun war es schon Viertelnachzwölf und endlich konnten die zweiundzwanzig Hunde verladen werden. Der Laderaum war für die Boxen zu eng, so dass diese gestapelt werden mussten. Für die Welpen musste noch eine „Leihmutter“ gefunden werden, da sie noch keine zwölf Wochen alt waren und deshalb nicht ohne Muttertier reisen durften. Mangels passender Hündin wurde kurzerhand ein Rüde, der eine gewisse Ähnlichkeit zu den Kleinen aufwies, zum Muttertier ernannt.

Mit einer Dreiviertelstunde Verspätung startete der Transport in Richtung besseres Leben. Das laute Gebell vestummte nach wenigen Minuten. Nur ein Welpe kläffte in einer Tour weiter. Die Tierschützerinnen mussten schmunzeln. „Einer ist immer dabei, der keine Ruhe gibt.“

Schon nach einer Stunde musste der Transport eine Pause einlegen. Die Wetterinformationen aus dem Smartphone stimmten nicht mit der Realität überein. Es war sehr heiß, die Mittagssonne strahlte erbarmungslos auf den Sprinter und so mussten die beiden Damen anhalten, die Hunde mit frischen Wasser versorgen und den Innenraum lüften. Die meisten Hunde waren wohlauf, lediglich den Welpen machte die Hitze zu schaffen und sie lagen apathisch hecheln in ihrer Box.

Die Tierschützerinnen überlegten, was zu tun sei. Umdrehen unmöglich, immerhin warteten die neuen Besitzer bereits in einigen Stunden auf ihre Hunde. So tränkten sie einige Handtücher in kaltes Wasser, um den noch jungen Hunden etwas Kühlung zu verschaffen. „Wir müssen schnell aus der Hitze raus.“ Nun war es Halb Drei, noch mindestens vier Stunden, bis die Temperaturen sinken würden.

Als wenn es eine kühlende Wirkung hätte und die Temperaturen dadurch schneller erträglich würden, trat die Fahrerin aufs Gas. Schnell nach Deutschland.

Zwei Tage später wurde eine süddeutsche Regionalzeitung über eine gemeinse Aktion des Veterinär- und Ordnungsamtes berichten. „Illegaler Welpentransport gestoppt“ würde die lauten und der Redakteur würde beschreiben, dass zwei Frauen mittleren Alters ohne Genehmigung Hunde zum Verkauf nach Deutschland transportiert hatten. Die Tiere wären in einem schlechten Gesundheitszustand gewesen und es gäbe Ungereimtheiten bei den Unterlagen. Der Zugriff erfolgte auf einer Autobahnraststätte. Die Hunde seien beschlagnahmt worden und befänden sich nun im örtlichen Tierheim, in dem sich „die Mitarbeiter um die teilweise kranken und verstörten Hunde kümmern“ würden, wie es hieß.

Jemand hatte die Behörden informiert. Gegen die beiden Damen wurde Anzeige wegen Verstosses gegen gleich mehrerer Paragraphen des Tierschutzgesetzes erstattet und sie müssten jetzt mit einer Geldstrafe von bis zu 25.000 € oder sogar einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren rechnen. Auch von den Adoptanten wurden die Personalien festgestellt. Später würde eine sagen, dass sie sich wie eine Kriminelle vorgekommen sei.

Wie Kriminelle kamen sich auch Sabine und Michael vor. In den Tagen, nachdem Paul den Handwerker Heinz gebissen hatte, spürten sie, dass sie nicht mehr willkommen waren. Die Nachbarn sahen die beiden verständnislos an und sie merkten förmlich, wie hinter ihnen getuschelt wurde. Sabine hatte Heinz im Krankenhaus besucht, glücklicherweise hatte dieser seinen Humor nicht verloren und sagte zu, dass er von einer Anzeige absehen würde.

Sein Arm war eingegipst und pochte ganz schön. Das Krankenhaus nervte ihn gewaltig, den ganzen Tag nur rumsitzen, zwei Infusionen, den Rest der Zeit verbrachte er damit, fernzusehen oder in der Cafeteria rumzusitzen und eine nach der anderen zu rauchen. Die Ärzte hatten ihm gesagt, dass er am Wochenende vielleicht nach Hause könne. Das Infektionsrisiko sei bei Hundebissen nunmal enorm, deshalb müsse er noch etwas ausharren. Ungefär vier Wochen würde er nicht arbeiten können. Schöne Scheisse, zumal seine Arbeitsunfähigkeitsversicherung erst ab dem 40. Tag zahlt.

„Ach komm schon, das kriegen wir irgend auch so gedeichselt.“ Heinz‘ Schwager sah das anders. „Du hast gar keine andere Wahl, was willst du denn der Versicherung erzählen? Das Du in das Maul von dem Hund gefallen bist? Du hast mindestens vier Wochen kein Einkommen. Wenn Du nicht pleite gehen möchtest, musst du das zur Anzeige bringen und Schadensersatz einfordern.“ Heinz leuchtete das ein, aber er hatte ein ungutes Gefühl dabei. Die junge Frau hatte sich vielmals entschuldigt und so schlimm war die Verletzung jetzt auch nicht. Sicher, sie hätte besser aufpassen müssen. Aber jeder macht mal was falsch.

Außerdem waren ihm diese ganzen Behörden zu wider. Seitdem er mit dem Bauamt Ärger wegen seiner Lagerhalle gehabt hatte, konnte er diese Sesselpubser nicht mehr ausstehen. Aber sein Schwager hatte recht, wenn er nicht pleite gehen wollte, musste er was unternehmen.

(Fortsetzung folgt)

Hier geht es zu Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4 und Teil 6.

 

 

 

Paul, der Labbi-Mix (4)

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„Nachwuchs. Schon wieder.“ Esperanza lebte in einem kleinen Ort im Norden von Spanien und betrieb, seit dem sie sich zur Ruhe gesetzt hatte, ein kleines Tierheim. Die 62-jährige seufste, nahm das Bündel neugeborener Welpen in den Arm und brachte es erst mal ins Warme. Heute nacht war es empfindlich kalt gewesen und die kleinen waren unterkühlt. Sie würde die Welpen mit der Flasche großziehen müssen.

In jüngeren Jahren hatte Esperanza einige Zeit in Deutschland studiert und schliesslich als Deutschlehrerin in Barcelona gearbeitet, bis sie mit ihrem Mann in den Norden gezogen war. Die Idee mit dem Tierheim war eher zufällig entstanden, Esperanza war schon immer tierlieb und als sie aus dem Beruf ausgestiegen war, fing sie irgendwann gemeinsam mit einer Freundin an, die Straßenhunde der Umgebung anzufüttern, einzufangen, zu kastrieren und wieder auszusetzen.

Schon bald hatte sich rumgesprochen, dass die beiden Damen sich um herrenlose Hunde kümmerten und mit der Zeit brachten immer mehr Anwohner Hunde und Katzen zu Esperanza. Glücklicherweise verfügte die Finka über ein großes Grundstück. So lebte seit einigen Tagen eine verletzte Hündin in den Hecken hinter dem Pool. Jeden morgen fütterte Esperanza das scheue Tier an und war sich sicher, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, bis sie sich dem Hund soweit nähern könnte, dass eine tierärztliche Untersuchung möglich wäre.

Nach kurzer Zeit jedoch stiegen die Kosten in so schwindelerregende Höhen, dass sich die beiden Tierschützerinnen etwas überlegen mussten. Über ein Internetforum traten sie in Kontakt zu einer privaten Tierschutzgruppe, die sich seit dem um die Vermittlung der Hunde kümmerte und ein- bis zweimal im Monat mit einem großen Transporter vorfuhr, um die Hunde, die ein Zuhause gefunden hatten, abzuholen. Mit den 40 Euro, die sie von den Deutschen für jeden Hund bekam, konnte sie zwar nicht die Kosten für Versorgung, Impfungen, Kastrationen usw. decken, aber immerhin, besser als nichts.

Einmal hatte Esperanza nachgefragt, ob es möglich wäre, den Preis etwas zu erhöhen. Doch ihre Ansprechpartnerin hatte ihr glaubhaft versichert, dass die Tierschützer dermaßen hohe Kosten zu bewältigen hätte, dass das nicht möglich wäre. Außerdem gäbe es viele Tierheime in Spanien und anderswo, die gar kein Geld für die Hunde bekämen. Die Chancen, einen Hund in ihrer Nachbarschaft zu vermitteln, waren eher gering und so war Esperanza auf die Hilfe der Gruppe angewiesen.

In den letzten Jahren hatten sich in der Gegend einige deutsche Ruheständler niedergelassen. Die waren hier nicht besonders gern gesehen. Kein Wunder, viele von ihnen hatten das Platzen der Immobilienblase in Spanien genutzt, um günstig Eigentum zu erwerben. Unter Androhung einer Zwangsvollstreckung hatten viele der ehemaligen Besitzer lieber schnell verkauft, um so wenigstens einen Teil der Schulden zahlen zu können und den Verlust in Grenzen zu halten.

Eine dieser Ruheständlerinnen war Roswita, Ehefrau eines ehemaligen Kaufmannes aus Düsseldorf. Vor etwa einem Jahr stand sie morgens vorm Tor von Esperanzas Anwesen und hatte gefragt, ob sie Hilfe gebrauchen könnte. Natürlich, gerne. Und so verstärkte Roswita das Team um Esperanza.

Roswita fuhr oft die Gegend ab und sammelte Straßenhunde ein, die sie fand. Leider manchmal auch Hunde, die eigentlich jemanden gehörten, aber nach dem Dafürhalten der Deutschen unter inakzeptablen Umständen lebten.

Esperanza wusste, dass Roswita es nur gut meinte, doch war sie es, die mit den Anfeindungen der Nachbarn leben musste. Sie hatte versucht, ihrer Helferin zu erklären, dass sich die Hundehaltung in diesem Teil von Spanien deutlich von dem unterschied, wie Hunde in Deutschland lebten. Und das sie nicht möchte, dass es Streit mit den Bauern der Umgebung gäbe. Und natürlich, dass es Diebstal ist, einfach einen Hund mitzunehmen.

Erst vor einigen Monaten stand ein zorniger Mann vor Ihrem Haus und wollte in das Grundstück eindringen. Er war außer sich vor Wut, brüllte Esperanza an, dass sie seine Hunde rausrücken solle. Das sie eine Diebin sei und das sie was erleben könne. Die Spanierin sagte, dass sie die Hunde nicht hätte und eigentlich war das nichtmal gelogen. Sie hatte die Hunde nicht mehr, denn sie waren kurz vorher nach Deutschland transportiert worden.

Wutschnaubend war der Mann schliesslich abgezogen und hatte noch gedroht, dass sie sich ja niemals seinem Grundstück auch nur nähern sollte …

Sich Paul zu nähern stellte sich in diesen Tagen wiederrum etwas schwierig dar, insbesondere in Verbindung mit Sabine. Michael hatte das Gefühl, dass der mittlerweile 45 Kilo schwere Rüde ganz genau durchschaut hatte, dass sie schwanger war und seine Aufgabe darin gefunden hatte, sie vor allem Unglück dieser Erde zu schützen. Wenn Sie mit dem Hund unterwegs war, musste er sich wenigstens keine Sorgen machen. Zumindest nicht um Sabine. Fremde durften sich ihr nicht nähern, aber das hatte auch keiner vor. Paul zeigte durch seine Haltung und seinen Blick ganz klar, dass man besser auf Abstand blieb.

Auch in der Wohnung akzeptierte Paul nur solche Besucher, die er kannte. Sabine und Michael hatten sich damit arrangiert. Denn seinen Besitzern gegenüber war Paulchen einfach nur nett und zeigte sich als ruhiger und verschmuster Hund. Sogar die Sache mit dem Sofa hatten Sabine und Michael aufgeweicht. Hatte Paul auf Anraten des Herdenschutzhund-Experten bis Dato Sofaverbot, so konnte sich der Rüde mittlerweile eine Ecke mit eigener Decke auf der Wohnlandschaft sichern.

Überhaupt verlief das Leben der werdenden Eltern einigermaßen reibungslos.

Nur eine Sache bereitete ihnen Sorgen. In der nächsten Woche würden die Handwerker anrücken und das zukünftige Kinderzimmer renovieren. Die große Frage war, was Paul davon halten würde, wenn fremde Menschen zwei Tage lang ein und aus gehen. Einmal war es bisher passiert, dass sie nicht aufgepasst hatten. Sabine hatte dem Paketboten noch zugerufen, dass er warten sollte, doch da stand er schon im Flur. Beziehungsweise an der Wand, vor ihm Paul, der ihn mit einem kräftigen Schubser dahin verfrachtet hatte und ihn nun bedrohlich anknurrte. Sabine wunderte sich heute noch, wie laut sie „Aus!!!“ brüllen konnte.

Der Versuch, den Hund vorübergehend in einer Hundepension unterzubringen, war an dem Versuch gescheitert, Paul der Pensionsinhaberin vorzustellen. Sie war nett fanden Sabine und Michael, Paul jedoch nicht. Und so beschlossen sie, dass Paul im Schlafzimmer bleiben würde, so lange die Handwerker im Haus sind.

(Fortsetzung folgt)

Hier geht es zu Teil 1, Teil 2, Teil 3 und zu Teil 5 von „Paul, der Labbi-Mix“.