Tacker und ich

Man sagt ja, dass es die kleinen Momente mit „Ecken und Kanten“ sind, die einem in Erinnerung bleiben, wenn man später an die gemeinsame Zeit mit dem Hund denkt, wenn er mal nicht mehr ist. So gesehen bin ich ein glücklicher Mensch, denn ich werde ich viele, viele Erinnerungen an Tacker behalten.

So er aus, der Tacker, als ich ihn das erste Mal in der Anzeige sah.

So er aus, der Tacker, als ich ihn das erste Mal in der Anzeige sah.

Andere Hundetrainer haben einen Mali, der nahezu in manifestierter Genickstarre seinen Besitzer anhimmelt. Oder einen Deutsch Drahthaar, der als lebendiger Beweis für die Qualitäten des Trainers jedem Reh maximal geringschätzendes „Pff“ entgegenbringt. Häufig auch einen Australian Shepherd, der jeden noch kleinen Blick mit unendlicher Dankbarkeit und tausend Kooperationsangeboten erwidert. Oft trifft man auch auf ganze Podenco-Galgo-Kombos, die das tierschützerische Engagement des Menschen unterstreichen und edel und würdevoll daherschweben

Nunja, ich habe Tacker – der seinen Namen daher hat, dass er mir bereits am ersten Tag unseres gemeinsamen Lebens herzhaft in die freundschaftlich entgegengestreckten Hände gebissen hat.

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Eigentlich verläuft Tackers und mein Leben einigermaßen reibungslos. So lange ich ein Auge auf ihn habe, taugt er sogar zum vorzeigbaren und wohl erzogenen Angeberhund, den jeder Hundetrainer haben sollte. Aber wehe wenn nicht …

Tackerchen ist ein altdeutscher Hütehund, genauer gesagt ein Mitteldeutscher Tiger. Er hat ein bisschen Hüteerfahrung, was bedeutet, dass er Furche laufen kann. „Kann“ wiederrum bedeutet, dass er das nur so lange tut, bis keiner hinguckt.“Nicht Hingucken“ kann als Synonym für so ziemlich alles genutzt werden, was nicht der 100 Prozentigen Laser-Augen-Fixierung mit „Wag es“-Blick entspricht.

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Vergisst man diesen Grundsatz auch nur einen Moment und wagt es zum Beispiel auf die Uhr zu gucken, ist Tackerchen blitzschnell dabei, dem nächstgelegenem Schaf seiner Wahl klarzumachen, warum er der Hund und das Schaf das Schaf ist.

Glücklicherweise hat Tacker einen guten „Griff“, macht nur ein bisschen Wirbel in der Herde, jagt ein bisschen hie und da, richtet aber keinen Schaden aber. Naja, zumindest nicht an Schafen. Anders sieht das aus, wenn jemand es wagt, das Grundstück zu betreten und ich das gerade nicht mitbekomme.

Nun haben wir sage und schreibe fünf (!) „Vorsicht bissiger Hund“-Schilder am Zaun und am Tor angebracht. Was den DPD-Boten allerdings nicht die Bohne zu interessieren scheint. Ich habe schon überlegt – ähnlich wie bei den Warnhinweisen auf australischen Zigarrettenschachteln Bilder von Bissverletzungen ans Tor zu hängen. „Betreten ohne Klingeln gefährdet Ihre Gesundheit“ Todesmutig kommt der Bote wie selbstverständlich aufs Grundstück – Tor und Schleuse ignorierend läuft er in sein Unglück geradewegs 10 ernsthaften Hunden entgegen. Ist der Mann todessehnsüchtig?

Tackers Spezialität ist es, sich dem Delinquenten von hinten anzuschleichen, blitzschnell in dessen Hintern zu beissen und schneller abzuhauen, als der Betroffene überhaupt merkt, wie ihm geschieht. Nun benutzt der DPD-Mann die Klingel.

Ähnlich verhält es sich, wenn Tacker im Hochdachkombi sitzt und ich weiter als 10 Meter entfernt bin. Kommt ein unbedarfter Passant des Weges, geht mein Hund in Deckung, passt den richtigen Moment ab und – Zack – pöbelt, dass der Caddy wackelt.

Kreischende junge Frauen, verschreckt zur Seite springende gestandene Männer – Tacker findet das sauwitzig. Seitdem ich Tacker habe, fahre ich ohne Werbung auf dem Auto …

Mit Artgenossen verteht mein Rüde sich prächtig, vorausgesetzt, sie haben Verständnis für seinen speziellen „Willkommen-in-meinem-Freundeskreis-Initiationsritus“. Zukünftige Freunde kriegen erstmal ordentlich einen auf die Mütze – danach kann man ja immer noch spielen! Wenn die sich Kumpels in Spe davon nicht beeindrucken lassen, schrumpft Tacker in Sekundenschnelle auf Dackelgröße zusammen und mimt den Schleimer – Alles nur Spass, man kann es ja mal probieren.

Abgesehen von den Löchern in den Händen wird mir der erste Tag mit ihm auch sonst in lebhafter Erinnerung bleiben. Nach gefühlten 10 Stunden Autofahrt durch die niedersächsische Prozinz, stand da der Schäfer, der in seinem Auto zwei junge Rüden und die dazugehörigen Elterntiere sitzen hatte:

„Wie alt sind die?“

„Gut 5 Monate.“

„Haben die einen Namen?“

„Nö.“

„Gibt es einen Impfausweis?“

„Nö.“

„Sind die entwurmt?“

„Muss ich meine Frau fragen.“

„Was sollen die kosten?“

„500.“

„Nö.“

Eine Stunde und eine längere Diskussion später hatte ich meinen Verhandlungspartner davon überzeugt, dass sich seine Vorstellungen, was den Handel mit Hunden angeht, von meinen deutlich unterscheiden. Tacker selber saß im Kofferraum und machte sich während der Rückfahrt an die Arbeit, den Stoffbezug von der Rücksitzbank meines Firmenwagens abzufressen. Mit Erfolg.

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Mittlerweile ist Tacker in der Pubertät, wie man so schön sagt. Flegelphase, Frechdachs, Lausbub … Kleines Arschloch.

Ich glaube, wäre Tacker ein Kind, dann wär sein Name Thorben-Pascal oder Kevin-Henrik und wir wären Stammkunden in der Notaufnahme. Tacker wäre eines von den Kindern, die nur aus Prinzip auf die Herdplatte greifen, unglaublich dämliche Dinge mit Fahrrädern in der Nähe von stark befahrenen Straßen anstellen, zusammengefasst also nur Quatsch im Kopf haben und dennoch immer irgendwie durchkommen.

Sei es, weil sie schnell genug abhauen oder eine gute Ausrede haben. Vor allem aber, weil sie so unverschämt charmant und unschuldig gucken würden, nachdem sie gerade einen halben Stadtteil in die Luft gesprengt haben.

Das Feuerzeug in der Hand, voller Ruß im Gesicht, aber mit einem absolut ernstgemeinten „Hast Du mich noch lieb?“-Blick.

Ja, Tacker, hab‘ ich!

Bis einer heult …

 

biseinerheult

Nachtrag Liebe Nutzerinnen der Facebookgruppe: „Trainieren STATT Dominieren“ – Sie dürfen sich gerne an der Diskussion auf dieser Seite beteiligen anstatt in den anonymen Weiten von Facebook zu grollen. Gerne stehe ich Ihnen auch Rede und Antwort zum zermatschten Mittelfinger, Hypothesen sind garnicht notwendig! Hier wird niemand gefressen und allzu aversive Kommentare werden nicht veröffentlicht! Nachtrag Ende

Zunächst einmal: Diesen Artikel schreibe ich nicht, um irgendeine Erziehungsphilosophie zu bashen – vielmehr liegt mir doch sehr am Herzen, dass niemand verletzt wird. Ernsthaft.

Bevor es aber ans Eingemachte geht, ein paar erfrischende Fakten aus der Medizin:

Wikipedia bezeichnet einen Schock als „ein lebensbedrohliches Zustandsbild, bei dem die Blutzirkulation in den Kapillaren vermindert ist.“ Ein Volumenmangelschock ist dem entsprechend ein Schockzustand in Folge von erhöhtem Flüssigkeitsverlust, wie zum Beispiel Blut. Wird ein Schock nicht behandelt, kommt es zum Kreislaufstillstand und der Geschockte stirbt.

Bei einem traumatischen Pneumothorax gerät Luft auf Grund einer Verletzung in den Pleuraspalt , sodass die Ausdehnung der Lungenflügel und somit die Atmung nicht mehr möglich ist.

Als Amputation bezeichnet man wiederrum das Abtrennen eines Körperteils und eine Weichteilverletzung ist eine umschriebene Gewebedurchtrennung bzw. Gewebezerstörung durch Gewalteinwirkung von aussen.

Dr. Dorit Feddersen-Petersen widerrum ist eine anerkannte Verhaltensforscherin und hat vor einigen Wochen über eine Studie, die sie in Zusammenarbeit mit Juristen und Rechtsmedizinern erstellt hat, referiert. Die Studie befasst sich mit tödlichen Beißunfällen mit Kindern.

So schilderte Dorit u.a. den durch die Medien bekannt gewordenen Fall, in dem fehlgeleitetes Beutefangverhalten zweier Hunde den Tod eines Kindes verursachten.

Der tragische Unfall passierte auf einem Schulhof in Hamburg. Die Besitzer, gegen die ein Haltungsverbot vorlag nutzen diesen Ort, um mit ihren Hunden zu trainieren.

Laut Zeugenaussagen haben die Tiere die Kinder, die gerade Ball spielten, ohne ersichtlichen Grund plötzlich attackiert. Der kleine Junge erlag seinen Verletzungen noch an Ort und Stelle.

Die pathologische Untersuchung ergab großflächige Weichteilverletzungen und Skelettierungen des Kopfes und des Brustbereiches. In einem anderen Fall wurde ein Kind, welches etwa 15 Minuten alleine mit den beiden Schäferhunden der Familie alleine gelassen worden war, tot am Rande des Gartenteiches gefunden. Der Rüde zeigte noch Beißschütteln, das Kind erlitt ebenfalls großflächige Weichteilverletzungen, Amputationsverletzungen und den oben erwähnten traumatischen Pneumothorax, welcher pathologisch als Todesursache bestätigt wurde.

Im vorletzten Jahr habe ich eine Besitzerin zweier Border Collies kennengelernt. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen attackierte der Rüde im Beisein der Besitzerin das Enkelkind und fügte ihm eine großflächige Skalpierungsverletzung zu. Für diejenigen von Euch, die so etwas mal sehen möchten, hier ein Link zur Fachzeitschrift „Unfallchirurg“ aus dem Jahr 2000. Die Abbildung befindet sich auf der zweiten Seite des Artikels, den man durch Klick auf „Look Inside“ erreicht – das ist nichts für schwache Nerven!

Im April 2010 verbiss sich ein Hund, den wir auf Grund seiner Gefährlichkeit von einem Ordnungsamt aufs Auge gedrückt bekommen hatten, u. A. in meiner rechten Hand. Es dauerte vielleicht 10 Sekunden, bis ich ihn von mir wegtreiben konnte. In dieser kurzen Zeit durchtrennte er mir die Sehne im Mittelfinger, frakturierte ihn mehrfach und hinterließ mittels Beißschüttelns eine etwa 5cm breite Weichteilverletzung.

Noch in der Nacht wurde ich notoperiert. Was darauf folgte war ein unangenehmer Krankenhausaufenthalt, 6 Wochen Arbeitsunfähigkeit, eine wenig amüsante Reha und eine Hand, die nur noch beschränkt einsatzfähig ist.

Warum ich das schildere?

Weil ich doch etwas über die Diskussionen in unser aller Lieblingsnetzwerk staune, die dermaßen weit an der Realität vorbei gehen, dass ich mir wirklich Sorgen mache, dass jemand ernsthaft verletzt wird, wenn er oder sie mal auf einen wirklich aggressiven Hund stösst und mit ihm arbeiten soll.

Wie oben beschrieben geht es nicht darum, über Erziehungsphilosophien herzuziehen. Ich stimme sogar zu, dass es in der Erziehung nett und ohne Gewalt zugehen sollte. Was jedoch teilweise als Gewalt deklariert wird, hat wenig mit der Lebenswirklichkeit von Haushunden zu tun. Und das, was bei vielen Hunden funktionieren mag, funktioniert eben nicht bei allen.

Wenn wie in den oben genannten Fällen Rassedisposition und/oder ungünstige Lebenssituation/ ungünstige Beschäftigung etc. aufeinandertreffen, gibt es einen einzigen aber triftigen Grund, warum Klicker und Co. nicht funktionieren können.

Der Ausführende hat schlicht keine Zeit, weil er keinen Zugang zu dem Hund hat. Auch hier die Warnung, nicht besonders schön anzusehen!

Ein weiteres Video:

Jetzt kann man einwerfen, dass die Hunde im oberen Video vielleicht „nur“ das Haus bewachen wollten und der Hund im unteren Video ja ein abgerichteter „Kampfhund“ wäre.

Erstrecht nicht für schwache Nerven:

Die allermeisten der untersuchten Beißvorfälle ergaben, dass ein fehlgeleitetes, übersteigertes Beutefangverhalten für die Attacke des Tieres ursächlich war. Und wenn Beutefangverhalten eine Rolle spielt, geht es häufig ohne Warnung und sehr schnell von Statten. Ein Hund, der ein Reh jagt, will es nicht verprügeln – er will es packen, töten und schliesslich fressen. Da wird nicht großartig gedroht, nach dem Motto: „Komm mir zu nahe und ich fress Dich auf.“ Beutegreifer kommunizieren nicht mit ihrem Futter.

In den Fällen, die von den lieben Mitdiskutanten bei Facebook und anderswo veröffentlicht wurden, geht es wiederrum um etwas völlig anderes:

Und noch eines:

„Ein Hund der knurrt, ist nicht aggressiv – er kommuniziert“. Dieser schöne Satz stammt übrigens auch von Dorit Feddersen-Petersen. Ich für meinen Teil würde einen solchen Hund auch nicht als gefährlich bezeichnen, aber das liegt ja im Auge des Betrachters.

Hier bekommt der Mensch, der mit dem Hund arbeitet einen Zugang zum Tier. Und hat dem entsprechend die Möglichkeit, mittels positiver Verstärkung zu arbeiten.

Genau diesen Zugang wird einem ein Hund, der entsprechend ungünstige Vorerfahrungen gemacht hat, nicht ermöglichen.

In einem solchen Fall kann nur über Abbruch gearbeitet werden oder man bringt sich in Sicherheit. Der Versuch über Ignorieren, Ablenken, Desensibilisierung, Tauschen o.ä. zu arbeiten, wäre ohne entsprechende Sicherung zum Einen fatal, zum Anderen wird der Hund auf Grund generaliserter Verhaltensmuster auch nicht lernen, dass sein Gegenüber das gerade nicht gut findet. Dafür wiederrum müsste der Hundetrainer erstmal in den Kopf des Hundes kommen und wahrgenommen werden.

Dem Argument, dass man den Hund ja nicht „provozieren“ müsse und ohne Auslösen des Verhaltens eine Verhaltensänderung herbeiführen könne, liegt die Fehleinschätzung zu Grunde, man würde ein Verhalten auslösen, welches „nicht da“ ist.

Dies ist jedoch ein fataler Irrtum – ein Hund kann nur Verhaltensweisen zeigen, die er auch beherrscht, sei es auf Grund von Lernerfahrung und/oder genetischer Disposition. Nur weil ich ein Verhalten nicht auslöse, heisst das nicht, dass der Hund es nicht zeigt. In einer Nachbarschaft, in der ein Hund mit wirklich ernsthaften Potential so trainiert wird, möchte ich keine Kinder haben.

Im Falle eines übersteigerten Beutefangverhaltens oder eines wie auch immer gearteten inadäquaten aggressiven Verhaltens würde der Ansatz der positiven Verstärkung bedeuten, dass der Hund immer dann, wenn er nicht attackiert gelobt wird. Meistens geschieht dies über eine schrittweise Annäherung an das auslösende Objekt. Zeigt der Hund nicht das gewünschte Verhalten, wird dieses Fehlverhalten ignoriert.

Gerne wird jedoch verschwiegen, dass diese Vorgehensweise einen entscheidenen Haken hat – nämlich den, dass die Lebensrealtität häufig anders aussieht. Wenn ich mit meinem Hund erreicht habe, dass ich mich bis auf 10 Meter an Artgenossen nähern kann, habe ich in dem Moment ein Problem, in dem der blöde Nachbar plötzlich um die Ecke kommt und der Owtscharka-Rüde Face to Face meinem pöbelnden Papillon gegenübersteht. Selbiges gilt für den Fall, dass ich das Hilsmittel meiner Wahl mal nicht bei mir trage und in eine entsprechende Situation gerate. Auf Grund dessen, dass unerwünschtes Verhalten nicht beantwortet wird, lernt der Hund entsprechend, dass dieses konsequenzlos bleibt.

Im Falle eines Leinenpöblers, Sofazerfetzers oder eines anderen Problemchens von mir aus tolerierbar. Alles gut – nichts dagegen. Aber im Falle eines bissigen Hundes auf gar keinen Fall!

Wenn ich nun das Argument lese, dass die Hunde, die man in den Videos sieht,  ja aus anderen Ländern kämen – und das sie mittels positiver Verstärkung ganz andere Hunde geworden wären, dann möchte ich doch anmerken:

Liebe Leute, geht ins Internet. Es gibt unzählige Hunde aus anderen Ländern, die hier ein Zuhause suchen. Die wären dann also alle gefährlich? Warum dem nicht so ist? Vielleicht, weil in der Perrera oder in den Caniles so positiv gearbeitet wird? Übrigens, ein Großteil der Filme stammt aus den USA, dem Land, in dem das Klickern erfunden wurde … Sorry, aber das ist Realitätsverklitterung und eine Ausrede.

Abgesehen davon, die Hundeerziehungs-Timeback-Maschine gibt es noch nicht. Was bedeutet, dass wir alle mit dem arbeiten müssen, was bei den Menschen so lebt …

Wenn ich dann lese, solch brutale Videos würden nur veröffentlicht, um jemanden ein schlechtes Gewissen zu machen und eine Philosophie zu dikreditieren, Entschuldigung. Hier geht es nicht um eine Philosophie, sondern darum, zu verdeutlichen, dass ein Knochenverteidigender, knurrender Labrador-Welpe sicherlich nicht das ist, was gemeint war, als es um die Arbeit mit gefährlichen Hunden ging. Denn bei diesem Hund erreicht man sein Ziel mittels der erwähnten positiven Verstärkung – und eine andere Vorgehensweise wäre in einem solchen Fall auch nicht fair.

Jeder wie er will – jede Jeck is‘ anders. Aber ganz ehrlich und lieb gemeint: Passt auf Euch auf! Aber vor allem, passt auf, dass vor lauter positiver Verstärkung nicht die Umwelt in Mitleidenschaft gezogen wird!

Zum Beschimpfungsformular geht’s da lang 😉

Frau Müller

mueller

Frau Müller heisst vermutlich garnicht Müller, sondern vielleicht Kawutzke.

Sie begegnete mir einige Jahre lang jeden Morgen auf dem Weg zur U-Bahn, als ich noch in einer Stadt mit U-Bahn wohnte. Frau Müller war ungefähr einhundert Jahre alt, in etwa einen Meter groß und brachte vielleicht das Gewicht einer Kiste Premiumbier auf die Waage. Sie war eine unglaublich kleine und dünne Person, mit tiefen Falten in ihrem vom Leben gezeichneten Gesicht. Sie war grau – grauer Rock, grauer Mantel, graue Haut, in etwa so grau wie der Stadtteil, in dem wir wohnten.

Mit ihr unterwegs war immer ein Bullterrier, der so Circa genauso alt wie Frau Müller war, nur dass er – im Laufe der Jahre geschrumpft – ungefähr die Schulterhöhe und nicht das Gewicht einer Bierkiste hatte. Dafür war er deutlich schwerer als sein Frauchen. Ein unglaublich knorriger, markanter Bullterrier, der früher sicherlich sehr eindrucksvoll gewesen war. Auch der Bullterrier war irgendwie grau. Bestimmt ist er als junger Hund strahlend weiß gewesen, hat dann aber aus Solidarität zu seiner Besitzerin ihre Farbe angenommen.

Wenn man aus dem Hochhaus kam, in dem ich zu dem Zeitpunkt einen Einbauschrank mit Klo gemietet hatte, hielt man sich links, lief ungefähr 100 Meter neben dem berühmten Ruhrschnellweg entlang und gelangte so zur oberirdisch gelegenden U-Bahnhaltestelle, die sich treppabwärts genau in der Mitte der Autobahn befand.

Frau Müller war nicht mehr so gut zu Fuss, selbiges galt für ihren Bullterrier. Also überholte ich sie jeden Morgen, wenn ich eilig zur Arbeit hetzte und abends kamen mir die beiden wieder entgegen. Der Bullterrier sah das gelassen, Frau Müller sowieso.

Der Teil des Stadtteils in dem Frau Müller, ihr Bullterrier und ich wohnten, war für sie wie geschaffen. In kurzer Fussreichweite fand man alles, was man zum Leben benötigte. Einen Plus, einen Schlecker, eine Trinkhalle und eine Kneipe, in der man nicht willkommen war, aber in der dafür das Glas „DAB“ nur Einemarkvierzig kostete.

Doch selbst für die kurzen Wege brauchten Müller und Terrier ziemlich lange. Stoisch zogen sie in einer unglaublichen Langsamkeit ihre Bahnen.

Immer wenn ich die beiden sah, habe ich mich gefragt, wie Frau Müller und ihr Hund wohl gelebt haben, als beide noch jünger waren. Ob diese unglaublich kleine Person wohl 15-Kilo-Futtersäcke in ihre Wohnung im Hochparterre geschleppt hat? Oder hat sie Dose gefüttert? Ob der Bullterrier, damals noch jung und wild, wohl an der Leine gezerrt hat und wie Frau Müller ihn bändigen konnte?

Für mich waren das Team Müller immer so etwas wie meine persönlichen Helden. Wie unglaublich friedfertig und gelassen beide durch den Stadtteil schlurften. Mit sich und der Welt im Reinen.

Einmal habe ich Frau Müller dabei gesehen, wie sie im Park Pfandflaschen gesammelt hat. Ihr Bullterrier legte sich an jedem Mülleimer hin und schlief auf der Stelle ein, während sein Frauchen nach etwas verwertbarem suchte. Doch trotz ihrer offensichtlich prekären Situation, erschienen beide würdevoll und stolz.

Der Hausmeister meines Wohnklos erzählte mir mal, dass der Mann von Frau Müller gestorben und der Hund sozusagen das letzte sei, was ihr geblieben ist. Herr Müller habe im Tagebau gearbeitet, beinahe 40 Jahre lang. Die Hunde, so der Hausmeister seien in erster Linie sein Hobby gewesen. Immer Bullterrier, die ganzen 40 Jahre.

Kurz nachdem Herr Müller in Rente gegangen war, starb er an einem Infarkt. Der Hausmeister bestätigte mir, dass sowas einfach nicht fair sei. Fast 40 Jahre lang malocht und dann konnte er nicht mal seine Rente geniessen.

Zurückgeblieben sind Frau Müller und ihr Bullterrier. Und die kleine Wohnung in einem Arbeiterviertel, in dem schon lange kaum noch einer Arbeit hat. Also kümmerte sich nun Frau Müller um den Bullterrier und schlich mit ihm den ganzen Tag durch das Viertel. Zum Supermarkt, zum Schlecker, zum Bäcker und zum Pfandflaschensammeln in der Grünanlage.

An einem Morgen sah ich Frau Müller, aber diesmal lief sie nicht durch die Gegend. Sie saß auf einer Bank. Ohne Hund.

Ich habe mich nicht getraut zu fragen.

Meine liebste Sonntagsbeschäftigung ist es …

… mit meinen Hunden in Hausen-Anspach am Sportfeld spazieren zu gehen.

Denn dort trifft sich wochenends das Who is Who der Hundeschullerngruppen zwecks gemeinsamen Erziehungserlebnis.

Gerne erkennt man die Protagonisten an der Foodbag XPro einer bekannten Outdoorfirma, passend zur Bekleidung für Frauchen aus neuesten Weltraum-Materialien und K9-Geschirr mit lustigem Bapperl für den Hund.

Sobald ich die Erziehungsgruppe erspäht habe, suche ich mir eine möglichst ungünstige Ecke für eine Hundebegegnung und  forciere die Konfrontation. Ich also mit meinen Vieren einen guten Moment abgepasst und Zack:

Schon haben wir High Noon: Mein einer Rüde pöbelt was das Zeug hält (seitdem ich Tacker habe, fahre ich ohne Werbung auf dem Auto :-)), die drei anderen bauen sich bedrohlich auf und die gerade noch souverän daherkommende Hundeerlebnisgruppe gerät in helle Aufregung.

Ein buntes Wirrwarr aus hysterischem „Neeeeeeeiiiin“, Bleeeeeiiiib“, nervösen Nesteln im Futterbeutel und hektischem Gezerre an Leine mit Brustgeschirr sind die Antwort. Gepaart mit den aus dem aufbrausenden Chaos raustönenden Erklärungsversuchen der Hundeerziehungsgruppenleiterin – herrlich, der Sonntag hat mal wieder ein neues Highlight!

Also gehe ich weiter, meine Hunde beruhigen sich und die Hundeerziehungsgruppe schaut mir ungläubig hinterher – auf meine Rütter-Jacke … Herrlich.

Von Hundeahnungshabern, Shitstorms und Behindertenausweisen

anka-diego

Diejenigen, die mich kennen, wissen, dass die Hunde, mit denen ich im Tierschutz konfrontiert bin, eher speziell sind und in den allermeisten Fällen herzaft zubeissen bzw. zugebissen haben. Während solche Fälle bis vor einigen Jahren relativ selten waren, könnte ich mittlerweile – ein Millionenvermögen vorausgesetzt – ganze Hundertschaften bissiger Hunde beherbergen.

Nunja, könnte ich – würde ich aber nicht.

Im Moment bekomme ich, ich habe es schonmal erwähnt, nahezu täglich Anfragen, ob ich einen auffällig gewordenen Hund aufnehmen könnte. Das hängt sicherlich damit zusammen, dass sich durch das Internet recht schnell verbreitet, wer so wahnsinnig ist bereit ist, sich einem solchen Hund anzunehmen. Aber irgendwie habe ich schon länger das Gefühl, dass mit der Zahl der Hundeahnunghaber auch die Zahl der unerzogenen und vor allem bissigen Hunde wächst.

Wobei Hundeahnunghaben heutzutage garnicht so einfach scheint, angesichts der immer neuer werdenen Methoden und wissenschaftlichen Erkenntnisse, die zwar irgendwie alle nix mit Hunden zu tun haben, aber dafür ganz schön wichtig und modern daherkommen. Dazu kommen natürlich die ganzen anderen Hundeahnunghaber, die sich im favourisierten Forum, in den sozialen Netzwerken, im Fernsehen oder – irgendwie garnicht modern – in Zeitschriften und Büchern verewigen.

Die einzigen, die ob all dieser neuen Erkenntnisse staunen und den Kopf schütteln, sind die, die es am besten wissen – die Forscher selber.

Natürlich haben all diese Experten ihre eigene Philosophie, meistens mit einem schmissigen Namen und einem ® oder © versehen, und sind ganz weit vorne in Sachen Hundeahnunghaben. Vor kurzem habe ich für die grandiose DogTalking eine Umfrage unter Hundetrainern gemacht und festgestellt, dass die neueste und meiste Methode die ist, dass man vorgibt keine zu haben. Nur um dann eine Zeile weiter unten die Methode von Oberhundeahnunghaber XY zu rezitieren – aber bitte mit einem „©“.

Nun ist mir das alles in allem ziemlich wumpe, wie oder warum jemand diese oder jene Methode für sich nutzt, um sein Ziel zu erreichen. Wäre da nicht die Sache mit den vielen, vielen, wirklich vielen Anfragen, die ich jeden Tag bekomme.

Denn eigentlich hat das, was wir hier oder unsere Kollegen und Freunde in den kommunalen Tierheimen tun, mit Tierschutz im eigentlichen Sinne nichts mehr zu tun. Die ursprüngliche Idee des Tierschutzes war es, gequälten und leidenen Tieren zu helfen.

Doch hat sich die Tierschutzarbeit im Laufe der letzten Jahrzehnte gewandelt. In den nunmehr 15 Jahren, in denen ich mich mit dem Thema beschäftige, habe ich vielleicht eine Hand voll Hunde untergebracht, die echte Tierschutznotfälle im oben beschriebenen Sinne waren.

Der Mammutanteil der Hunde, die heute in Tierheimen sitzen, ist seinen Menschen schlicht und ergreifend lästig geworden – sei es, weil vor der Anschaffung des Tieres nicht nachgedacht wurde oder weil die Hunde mangels Erziehung irgendwelche Verhaltensweisen an den Tag legen, die nicht ins Leben des Besitzers passen.

Während es vielen Ex-Hundebesitzern in Spe herzlich egal zu sein scheint, dass sie da gerade ein Lebewesen in eine ungewisse Zukunft abschieben, gibt es nicht wenige Menschen, die ihren Hund wirklich mögen und eine schier endlose Odyssee durch die Welt der Hundeahnunghaber hinter sich gebracht haben, bevor sie sich schweren Herzens und oft tränenreich von ihrem Hund trennen.

Solche Menschen haben sich wirklich Mühe gegeben. Schon beim Züchter haben sie sich rückversichert, dass der niedliche Weimaraner oder Border Collie der perfekte Familienhund ist. Irgendwie ist es komisch.

Niemand würde auf die Idee kommen, im Mercedes-Autohaus den Verkäufer zu fragen, welche Automarke die richtige für ihn sei. Was wäre wohl die Antwort? Machen wir uns nichts vor. Einer der Gründe, warum es so viele Probleme zwischen Hund und Halter gibt, ist doch die Tatsache, dass wir uns unsere Hunde nach dem Äußeren aussuchen und nicht danach, ob sie in unser Leben passen.

Um bei dem Beispiel mit dem Autohändler zu bleiben – ein einigermaßen vernunftbegabter Vater dreier Kinder würde immer den praktischen Kombi kaufen, auch wenn das kleine Cabrio ihm äußerlich mehr zusagen würde. Aber Vernunft und Hundehaltung hat seit gefühlten Hundert Jahren nichts mehr miteinander zu tun.

Die hundelieben und ambitionierten Neuhundehalter haben nun also ihren Welpen, dass dazugehörige Starterpaket vom Schrottfuttermittelhersteller und einen dreistelligen Betrag in einem Zoofachgeschäft für die „Welpen-Erstausstattung“ gelassen.

Was kommt jetzt? Richtig, es geht in die Welpengruppe. Aber bitte in eine, die auch hält, was sie verspricht. Und eine gute Welpengruppe erkennt man daran, dass sie genauso gut ausgestattet ist, wie das Småland, in das man den Nachwuchs sperrt, um in Ruhe Möbel mit Männernamen shoppen zu können.

Zwischen Bällebad, Wippe, Rutsche und natürlich quietschvergnügten Erwachsenen, die sich einen Oktav-Wettstreit in den Disziplinen „Feinfeinfein“ und „Hiiiiiiaaaaa“ liefern, lernt der junge Hund den ersten Blödsinn – super! Naja, zumindest für den kommerziell arbeitenden Hundeahnunghaber (zu denen ich übrigens auch gehöre). Denn nach dem Welpenkurs ist vor dem Junghundekurs – und dann gibt es ja noch den Fortgeschrittenen-, Erwachsenen-, Klein-, Groß- und Mittelgroße Hundekurs.  Und wenn das nicht reicht, dann gibt es ja noch die Einzelberatung …

Eines ist sicher – die finanzielle Zukunft des Hundeahnunghabers.

Versteht mich nicht falsch, all das ist völlig in Ordnung, wir leben in einer Marktwirtschaft und jeder soll sein Auskommen haben. Harald Schmidt hat mal gesagt: „Auch Behinderte haben ein Recht, verarscht zu werden.“ Selbiges gilt für Hundehalter. Weltoffen wie ich bin, würde ich sogar soweit gehen, dass jeder Hundebesitzer das Recht hat, sich auszusuchen, vom welchem Hundetrainer er sich ausnehmen lässt.

Meiner Meinung nach gibt es drei Sorten von Hundeverstehern:

  1. Diejenigen, die ein gutes Bauchgefühl und/oder viel Ahnung haben, mit Menschen können (sic! die sind unsere Kunden) und bei Problemen wirklich weiterhelfen können.
  2. Diejenigen, die zwar weder Ahnung haben noch über ein gutes Bauchgefühl verfügen, aber mit Menschen gut können und auch niemanden schaden
  3. Betrüger – meistens Menschen, die nicht nur ihren ihnen anvertrauten Kunden schaden, sondern häufig fest davon überzeugt sind, dass sie zu Gruppe 1 gehören oder besser noch diese erfunden haben.

Das schöne an Hunden ist aber, dass man auch mit Bällebad und Kinderrutsche in den meisten Fällen nicht viel kaputt machen kann. In den ca. 15.000 Jahren, die Hunde jetzt schon domestiziert sind, haben sie durchaus begriffen, dass wir Menschen einen Knall haben. Und den meisten Blödsinn, den wir mit ihnen anstellen, verzeihen sie uns für einen Keks.

Doch gibt es Fälle, in denen es eben nicht so einfach ist. Wenn wir von richtigen Problemen sprechen, dann sprechen wir von echten Dramen, von verzweifelten Menschen und ausser Kontrolle geratenen Hunden.

Und von Hundeahnunghabern, die mit dem Leid der ihnen anvertrauten Menschen und deren Hunden Geld machen – häufig ohne schlechtes Gewissen oder gar Reue, sehr oft aber auch aus wirtschaftlichen Zwängen heraus. Das vollfolierte Hundeschulauto will schliesslich finanziert werden.

Denn es gibt bei der ganzen Geschäftsidee mit Hund einen klitzekleinen Haken – und der nennt sich auf Neusprech Mitbewerber, im Falle von Hundeahnunghabern eher Konkurrenz oder besser noch Feinde. Und hier sind wir ausnahmsweise mal ganz nah beim Hund. Begriffe wie „Recourcenbedingte Aggression“ bekommen eine völlig neue Bedeutung, wenn man sich die Hundeahnungshaberszene mal so anschaut.

Jeder hat eine bis zehn Meinungen, in jedem Falle aber eine andere als der Guru von Gegenüber. Und wenn man ausnahmsweise mal deckungsgleich ist, hat man das natürlich völlig anders gemeint, da der Konkurrent das Prinzip falsch versteht und auch ansonsten keine Ahnung hat. Das eigene Hemd ist immer das nächste und wenn es ums Geld um den Hund geht, hört der Spaß auf.

Wie weit so etwas geht, konnte man als Facebook-Nutzer kurz vor Weihnachten trefflich beobachten. Bekanntermaßen hat zu diesem Zeitpunkt ein Video auf Youtube den Hundetrainer Michael Grewe über Nacht zum Internetphänomen gemacht, gefolgt von einem Shitstorm, in dem jede Menge Hundeahnunghaber bewiesen haben, dass Tierliebe nicht automatisch mit guter Kinderstube oder gewählter Ausdrucksweise einhergehen muss.

Über den Inhalt wurde bereits ausführlich diskutiert, kurz zusammengefasst bekommt in dem Video ein Schäferhund recht unsanft einen Napf über den Schädel gezogen. Sieht scheisse aus, ist nicht nett, lässt sich bestimmt auch eleganter lösen und läßt Herrn Grewe auch nicht besonders gut da stehen.

Aber darum soll es jetzt nicht gehen. Viel interessanter ist nämlich, dass die Feinde die Mitbewerber, also Wirtschaftsunternehmen, die ebenso wie Michael Grewe bzw. sein Unternehmen Canis eine Ausbildung für Hundetrainer anbieten, die Gelegenheit nutzten, sich gleich mal in Stellung zu bringen und sich von solch tierschutzrelevanten Methoden zu distanzieren.

Wenn man die üblichen Verdächtigen der Hundeszene etwas kennt, reibt man sich verwundert die Augen, da der eine oder andere, der sich nun besonders weit distanzierte, bekannterweise selber kein Kind von Traurigkeit ist, wenn es darum geht, Hunden mal so richtig tierschutzrelevant eins auf die Mütze zu geben. Nur halt eben (noch) nicht auf Youtube.

Genauso interessant waren die Reaktionen der Verbände, wenn man sie denn so nennen will. Denn – rein fiskalisch betrachtet – handelt es sich dabei um gewinnorientiert arbeitende Unternehmen, aber das nur so am Rande als kleiner Tipp an unsere Leserinnen und Leser vom Finanzamt.

Zurück zum Thema: Also schlossen sich die Mitbewerber zusammen, um sich von Herrn Grewe und „seiner“ Zertifizierung von Hundetrainern zu distanzieren. Ein Blick in die Vergangenheit lässt jedoch nochmal staunen. So wurden zwei der drei Verbände von wem? Genau, von Michael Grewe mitbegründet. Und was den dritten Verband angeht, gibt es zumindest persönliche Verflechtungen.

Überhaupt lässt sich mit etwas Mühe nachvollziehen, dass die Oberhundeahnunghaber sich auf ein paar Gestalten reduzieren lassen, die immer wieder Berührungspunkte miteinander haben, sich dann zertreiten, wahlweise gegenseitig verklagen und in anderer Konstellation weitermachen.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt dann, dass der im Moment so angesagte Ahnunghaber Bücher über Fusspflege geschrieben hat, der nächste mal ein Schlagersänger war und der übernächste Gewaltfreiheit propagiert, obwohl er wegen eines Gewaltdeliktes vorbestraft ist. On Top kommen dann noch hysterisch daherkommende Gewaltverneiner und Hundeversteher, deren Namen man schon mal gehört hat – allerdings nicht im Zusammenhang mit Hunden, sondern mit psychiatrischen Einrichtungen und pathologischen Befunden.

Es ist erstaunlich – mit einer dermassenen Macke würde man in jedem anderen Berufszweig eine Pflegestufe und einen Behindertenausweis bekommen – in der Hundeahnunghaberszene bekommt man einen Buchvertrag und eine eigene Facebookgruppe …

Meine Wenigkeit hat zur allgemeinen Empörung gewagt, relativ früh (das Video hatte so ca. 150 Klicks) einen Kommentar auf Facebook zu hinterlassen und damit komme ich auch wieder zurück zum eingangs erwähnten Thema. Damals schrieb ich:

Eine Person stellt unter falschen Namen einen Filmausschnitt ins Netz, auf dem zu sehen ist, wie ein Hund, der gerade noch Menschen attackiert hat, unnett gemaßregelt wird und im Anschluss ein Alternativerhalten zeigt. Ganz Hundedeutschland muss sich darüber aufregen und Mord und Totschlag schreien.
Aber, die 5-10 HundetrainerInnen, die daran beteiligt waren, das Tier so zu versauen, können sich in Ruhe wegducken und mit dem Finger auf den „Übeltäter“ zeigen … Verkehrte Welt.

Was darauf folgte waren gefühlte 1.000 Kommentare, einige Damen, die mir unbekannterweise vorwarfen, ihre Hunde wahlweise aufgegessen, missbraucht oder verprügelt zu haben und einige E-Mails, die so ganz und garnicht gewaltfrei gemeint waren.

Mein absolutes Highlight war ein Kommentar von einer Facebook-Userin, die mir erst gestern vorwarf, ich würde meine Hunde „psychisch misshandeln“ (vermutlich mit 3xtäglich das neue „Heino“-Album hören). Bist Du nicht meiner Meinung, bist Du ein Tierquäler. So einfach ist das.

In der allgemeinen Empörungswelle wurde meine Kernaussage einfach mal ignoriert und mir automatisch unterstellt, dass wir ein vom Veterinäramt geduldetes Guantanamo betreiben würden und den ganzen Tag Hunde foltern, wenn uns gerade mal die Taliban ausgehen.

Der Grund, warum wir mit so vielen Hunden mit Beißvorfall konfrontiert sind, liegt darin, dass der größte Teil von ihnen schlicht und ergreifend nie gelernt hat, dass Beissen verboten ist.

Immer wieder erleben wir Menschen, die mit ihrem Hund bei zig Hundetrainern waren, ohne dass sich was am Verhalten des Tieres geändert hätte. Sogenannte Profis, und ich spreche nicht von denen, die offen gesagt hätten, dass sie nicht helfen können, denn die haben meinen größten Respekt!

Ich meine die „Profis“ die wider besseren Wissens nicht geholfen haben. Ich meine die 5 bis 10 Hundetrainer, die diesen Schäferhund und seine Besitzerin so lange alleine gelassen haben, bis die Frau soweit war, dass sie in Kauf genommen hat, dass der Hund den Napf an den Schädel bekommt. Ob der Napf tierschutzrelevant ist, weiss ich nicht, einen Menschen in einer solchen Situation alleine zu lassen ist in jedem Falle menschenverachtend!

Und ich bin mir hundertprozentig sicher, dass zumindest ein Teil dieser „Profis“ die Gelegenheit des Shitstorms genutzt hat, um sich zu profilieren anstatt darüber nachzudenken, dass es vielleicht sinnvoller wäre, sein Geld damit zu verdienen, bei H&M Jeans zu falten.

 

Kacke im Auge des Betrachters

Hunde sind ja bekanntermaßen ein sehr emotionales Thema. Und wenn man mit Hunden im Tierschutz zu tun hat, kennen die Emotionen kaum Grenzen.Wenn man allerdings mit Facebook UND Hunden UND Tierschutz zu tun hat, dann geht der Emotionspegel gerne mal komplett durch.

Mittlerweile kenne ich eigentlich keinen – aktiven – Tierschützer mehr, der von den sozialen Netzwerken nicht einigermaßen genervt wäre. Denn wie man’s macht, macht man es bekanntlich falsch und es finden sich immer ein paar aufgebrachte Schreibtischtäterinnen und -täter, die sofort Mord und Totschlag brüllen und teilen, dass das Rechenzentrum quietscht, sobald irgendwo mal wieder wahlweise ein 10 Jahre altes Bild, irgendeine Fake-Meldung, Foto-Montage oder sonst irgendwelcher Kladderadatsch bei Facebook und Co. auftaucht.

Der weisse Bulli, dessen Insassen je nach Meldung Hunde, Katzen oder gleich Kinder verschleppen, hält sich hartnäckig und taucht regelmäßig in den „Neuigkeiten“ auf. Nur, dass die vermeintlichen Täter, die dann auch gleich als „Schweine“, „Bastarde“ usw. betitelt werden, keine Täter sind sondern eine Falschmeldung.

Was das für Leute sind, die solche Fakes, Hoaxes undwiesiealleheissen im Internet verbreiten, darüber haben andere schlauer und schöner geschrieben als ich. Hier auch gerne mal: http://www.mimikama.at/

Wie die dadurch erzeugte Hysterie auf Aussenstehende, also z.B. Menschen, die potentiell an Tierschutzarbeit interessiert wären, wirken muss, machte mir neulich ein Kommentar deutlich, den ein FB-User brachte: „Wenn ich mir das so durchlese, habe ich keinen Bock mehr auf einen Hund.“Aber neben den ganzen Falsch- und Fakemeldungen habe ich noch ein ganz andere Problem: Manchmal würde ich ja gerne helfen wollen und sogar können.

Aber in Anbetracht der Masse an Rundmails, Aufrufen, Aufschreien, Anfragen und sonstigen habe ich irgendwann entschieden, ALLE Nachrichten komplett in den SPAM-Ordner zu verfrachten bzw. bei Facebook und anderswo zu ignorieren.Selbst wenn jetzt ein Notfall (nein, ich schreibe nieeeeemals Notfell, Gib Wortspielen keine Chance!) daher käme, dem ich helfen könnte, der gut in die Gruppe passen würde und für den ich vielleicht sogar passende Menschen kennen würde – tja, ich würde es nicht merken, weil er im Spam-Ordner landet.

Im Moment bekomme ich jeden Tag zwischen 80 und 150 Hilferufe (je nachdem, wie aktiv Frau M. ist, die ich übrigens persönlich mit meinem E-Mail-Account erschlage, wenn ich sie jemals treffen sollte) weitergeleitet – alle ungefragt und ungewünscht. Dabei so lustige Dinge wie E-Mails mit dem Betreff „Nur für den internen Gebrauch“ an 340 Adressaten mit Hinweisen, wer auf Grund welchen Problems keinen Hund bekommen sollte …

Früher musste man noch selber in ein Tierheim fahren, um zu sehen wie schlimm es ist. Heute liefern uns Facebook, e-Mail  und Co. das Grauen frei Haus – Elend auf Rädern sozusagen.Dazu eine Empörungsmaschinerie, die es jedem noch so intelligenzbefreitem Kommentar erlaubt, geistig dünnpfiffig durch das Netz zu wabern.

Ob’s was bringt? Meiner Erfahrung nach eher nicht. So bekommen wir via Facebook zwar viele Anfragen, aber kaum seriöse. Einen Hund mehr haben wir jedenfalls mit Hilfe der sozialen Netzwerke nicht vermittelt.

Here we go!

normen1

Bis 2012 hab ich gebloggt, wie man so schön sagt. Nun blogge ich wieder – neue Seite, neues Glück und ich fühle mich auch schon wieder so richtig Zweipunktnull.

Wie schon damals schreibe ich oft über Hunde, meistens jedoch über Menschen, darunter sind aber viele Hundehalter. Ausserdem findet Ihr hier alles, was ich so veröffentlicht habe. Insbesondere die sogenannten „Pamphlete“, die ich mal hier veröffentlicht habe.

In diesem Sinne – viel Spaß beim Lesen!