Hässliche Wahrheit (2): Der beste Freund des Hundes

Paul Watzlawick war ein schlauer Mann und seine „fünf Axiome der menschlichen Kommunikation“ sind mir oft hilfreich.

Eines dieser Axiome lautet: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Als Beispiel nannte Watzlawick eine Person, die in einem Wartezimmer sitzt und auf den ersten Blick nicht kommuniziert. Dennoch sagt die Person durch ihre Körperhaltung, ihren abgewandten Blick und die verschränkten Arme etwas aus, z.B.: „Lasst mich in Ruhe.“

Fangfrage: Wenn man nicht nicht kommunizieren kann, wie kann man dann jemanden ignorieren?

Deswegen nennt der kluge Kynopädagoge das vermeintliche Ignorieren eines Hundes auch „Aktives Ignorieren“.

Ein Beispiel: Der Hund, der seinen Besitzer anspringt, wird im ersten Schritt ignoriert. Bietet der Hund dann ein anderes – erwünschtes – Verhalten an, wird er belohnt. So soll er lernen, dass erwünschtes Verhalten zum Ziel (Fürsprache) führt und unerwünschtes Verhalten nicht (Entzug sozialer Auseinandersetzung).

Damit das Ziel erreicht werden kann, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein.

  1. Das Verhalten des Hundes muss sich an den Menschen richten. Springt der Hund nicht seinen Menschen an, sondern will z.B. einem Reh hinterher, dann kann der Hundebesitzer ignorieren bis der Arzt kommt. Und sei es, weil der Vierbeiner es schlicht und ergreifend nicht mitbekommt.
  2. Der Hund muss das Ausbleiben der Reaktion des Menschen situativ als unangenehm wahrnehmen. Wenn das Menschen-Anrempeln Spaß macht, wird das Ignorieren zur stillen Zustimmung.

Die Idee, ein unerwünschtes Verhalten einfach zu ignorieren und ein erwünschtes in der Folge zu belohnen, ist zwar sehr flauschig, aber eben auch sehr limitiert. Was also tun, wenn es mit dem Ignorieren nicht klappen will?

Der Hauptgrund für Verhaltensprobleme beim Hund ist meiner Meinung nach nicht der, dass Menschen falsch reagieren, wenn ihr Hund unerwünschtes Verhalten zeigt. Vielmehr reagieren Menschen gar nicht. Oft aus Unsicherheit, aus Angst verkehrt zu reagieren und weil im Internet steht, was man alles nicht darf.

Oft höre ich, dass Hundeerziehung und Kindererziehung in vielen Bereichen Parallelen aufweisen. Auf jeden Fall kann man viele beobachten.

Hunde sind ebenso wie Menschen hochsoziale Lebewesen. Die soziale Auseinandersetzung gehört zu den elementaren Grundbedürfnissen unserer Vierbeiner. Verwehren wir ihnen dieses Bedürfnis, entstehen nicht nur Probleme – wir verhalten uns auch hochgradig unfair!

Vor einiger Zeit saß ich morgens im Frühstücksraum eines Hotels in Luxemburg und beobachtete zwei kleine Kinder, die schreiend durch den Frühstücksraum tobten und sprichwörtlich über Tische und Bänke gingen. Ihre Mutter hing mehr oder weniger teilnahmslos an ihrem Smartphone und murmelte irgendwas vor sich hin. Die Kinder taten mir leid. Denn die beiden gaben alles, um die Frau irgendwie dazu zu bewegen, eine Reaktion zu zeigen und auf sie einzugehen. Doch die liess die armen Kleinen am langen Arm verhungern. (Ok, in der Situation hätte ich sie gerne erschlagen, aber im Nachhinein tun mir die beiden leid.)

Naja, zumindest bis eines der Kinder anfing, die Brötchen vom Buffet auf den Boden zu schmeissen, da musste die Mutter eingreifen. Kinder sind nunmal kreativ, Hunde auch.

Soziale Reibung gehört zur Entwicklung und zum Miteinander dazu. Nur so erlangen wir ein Bewusstsein für uns selbst. Der Entzug von Konflikten macht nicht glücklicher. Ganz im Gegenteil.

Der junge Hund möchte wissen, wo er steht und lernt das in der Auseinandersetzung mit seinen Geschwistern und seiner Mutter. Er bekommt wichtiges Feedback, lernt z.B. Beißhemmung und Fairness und schafft so Voraussetzungen für neues Spiel.

Dann kommt er zu seinen Menschen und trifft leider allzu oft auf einen sozialen Schwamm. Und ähnlich wie die beiden Kinder im Hotel wird der Hund Mittel und Wege finden, um eine Reaktion hervorzurufen, wenn wir uns verweigern.

Als ich mich neulich über Resozialisierung ausgelassen habe, machte mich mein Freund Niko darauf aufmerksam, dass viele Hunde, die mit Beißvorfällen im Tierheim landen, oft ganz arme, missverstandene Kerle sind. Damit hat er vollkommen recht.

So beobachte ich Hunde, die trotz 24h-Bespassung, aufwendiger Fütterung und Dauer-Training ziemlich einsam auf der Welt sind. Die ihre Menschen um Auseinandersetzung förmlich anflehen. Und manchmal beißen, weil sie nur so ein soziales Feedback erhaschen können. Arme Hunde.

Und arme Menschen. Denn wenn ich auf der anderen Seite sehe, wie manche Hunde mit ihren Menschen umgehen, frage ich mich doch ernsthaft, welches Bild der Mensch von sich selber hat.

Das führt so weit, dass eine bekannte Hundetrainerin fordert, dass wir alle unerwünschten Verhaltensweisen als Teil der hündischen Persönlichkeit gefälligst akzeptieren sollten – beißen inklusive, versteht sich.

Die Verweigerung von Grenzen wird gerne mit Freiheit gleichgesetzt. Doch die beiden Kinder in dem Luxemburger Hotel sind nicht frei. Sie sind stark reglementiert, da man sie nicht eine Sekunde aus den Augen lassen kann.

Ein Freiraum ist ein Raum, und Räume sind definiert durch Grenzen. Innerhalb eines gesetzten Raumes darf sich mein Gegenüber frei verhalten.

Beherrscht mein Hund also ein gutes Sozialverhalten, ist er gut abrufbar und orientiert sich an mir, dann ist der Freiraum, den ich ihm ermöglichen kann, größer als bei einem Hund, der nicht kommt, wenn ich ihn rufe oder bei dem ich mir Sorgen machen muss, dass er wegrennt.

Setze ich keine Grenzen, dann darf ich mich auch nicht beschweren, wenn der Hund diese überschreitet. Und wenn er sich nicht benehmen kann, dann muss ich ihn jederzeit kontrollieren und jeden Schritt überwachen. Wo ist das Freiheit?

Wo ist der Hund frei, der ständig vollgequietscht und mit Leckerchen kontrolliert wird? Der sich nicht einen Meter entfernen darf, weil er sonst vielleicht nicht wieder kommt? Wie viel Freiraum kann ich einem Hund bieten, der so schlecht an der Leine läuft, dass er eine „Halsband oder Geschirr“-Diskussion notwendig macht?

Rita Defries nannte das, was man heute auf vielen Hundewiesen beobachten kann, „Zuckerguss-Kontrolle“. Vermeintliche Belohnungen werden genutzt, um ein Verhalten zu manipulieren oder zu verhindern, dass der Hund nervt.

Die junge Mutter, die das Kind ruhigstellt, in dem es mit dem Tablet spielen darf, wird nicht erzieherisch tätig, sondern macht es sich erstmal leicht.

Ein bekannter Hundesportler hat mal gesagt, dass nur die wenigsten Menschen in der Lage sind, selber die Leistungen zu erbringen, die sie von ihren Hunden erwarten. Der Hund soll 10 Minuten in der Platzablage vor seinem Futter verharren, während sich sein Mensch keine dreißig Sekunden zusammenreissen kann, wenn er mit einem Stück Schokolade konfrontiert wird. Der Hund soll eine Stunde konzentriert arbeiten, während wir selbst über die Aufmerksamkeitsspanne eines Goldfischs verfügen.

Wir wollen also soziale, souveräne und gut verträgliche Hunde? Dann sollten wir wieder lernen, Konflikte anzunehmen und zu lösen. Wir wollen den besten Freund des Menschen? Dann sollten wir uns aber auch wie ein Freund benehmen.

Und nicht wie ein lebender Futterbeutel mit Kontrollzwang.

Hässliche Wahrheit (1): Das Resozialisierungs-Dilemma

„Eigentlich“ ist das Wörtchen, von dem Hundetrainer leben. Und es gibt bestimmte Dinge, die behält man eigentlich besser für sich. Zeit sie anszusprechen.

Vor kurzem stieß ich im Internet auf ein Video, in dem ein maulkorbgesicherter Hund in einem Tierheim einen Menschen attackierte. Das war kein Zufall, sondern Teil eines Trainings. In den Kommentaren darunter fanden sich diverse Respektsbekundungen und – selbstverständlich – auch ein paar Kommentare, die gegen das Gezeigte wetterten.

Ein geschätzter Kollege von mir hatte auch einen Kommentar hinterlassen, nämlich:

. „An wen will man diesen Hund guten Gewissens vermitteln?“

Das ist eine verdammt gute Frage, die jedoch niemand aufgriff. Stattdessen kamen jede Menge blöder Kommentare, auf die ich jetzt nicht eingehe.

Dabei hat er vollkommen recht. Und zwar aus mehreren Gründen:

Ein Blick in die sozialen Netzwerke zeigt, dass es eine Vielzahl von Projekten gibt, die sich mit der Resozialisierung von Hunden befassen. Wenn ich nur mal die Handvoll nehme, die mir auf Anhieb einfallen, macht das gut und gerne 200 Hunde, die trainiert und an geeignete Menschen vermittelt werden sollen.

Hier stehen wir vor dem ersten Problem. Solche Menschen sind rar gesät, während es genügend problematische Hunde auf Wartelisten gibt, die sofort nachrücken, wenn morgen alle resozialisiert und vermittelt worden sind.

Ich selber habe 2015 meine tierheimähnliche Einrichtung dicht gemacht. Trotzdem bekomme ich noch wöchentlich Anfragen, ob ich einen Hund aufnehmen könne.

Die bittere Wahrheit ist, dass die eigentliche Kunst darin liegt, jemanden zu finden, der a) Lust auf ein jahrelanges Projekt hat und b) über die entsprechenden Mittel und Möglichkeiten verfügt. Hin und wieder gelingt das. Ein Grund zur Freude, aber sicherlich keine Routine.

Denn, und damit kommen wir zum zweiten Problem. Eine Resozialisierung beim Hund – zumindest so, wie wir uns das wünschen – gibt es nicht!

Der Grund dafür ist simpel. „Kannst Du Fahrrad fahren? Wir können noch so lange trainieren, du wirst es auch morgen noch können.“

Man kann ein einmal erlerntes und etabliertes Verhalten nicht einfach löschen. Hunde sind – ebenso wenig wie Menschen – keine Computer, deren Festplatte man formatiert, und danach ist alles wieder gut.

Anders als Hunde sind wir Menschen jedoch in der Lage, Einsicht über begangenes Unrecht zu entwickeln und einen Zusammenhang zwischen unserem früheren Verhalten und unserer aktuellen Situation herzustellen.

Diese Einsicht ist der Kern von Resozialisierung. Und selbst bei menschlichen Straftätern schwierig und oft vergebens.

Das, was im Hundetraining erreicht werden kann, ist eine Verhaltensänderung.

Das zuvor erlernte Verhalten ist jedoch nach wie vor da und kann auch wieder abgerufen werden. Dementsprechend muss der Mensch bereit sein, auf das alternative Verhalten zu bestehen.

Denn auch das gehört dazu: Eine Gewohnheit, und sei es eine schlechte, ist erstmal etwas Gutes. Sie erspart uns das Denken. Das ist bei Hunden nicht anders. Der Hund, der beißt, tut dies aus gutem Grund. Und Handlungstrategien, die uns lieb und teuer sind, schmeißen wir nicht einfach so über Bord.

Die meisten Hunde zeigen Verhaltensänderungen nur dahingehend, dass sie kreativer werden, um ihre Ziele zu erreichen.

Während Lernen ein Leben lang möglich ist, ist Erziehung ein zeitlich begrenzter Vorgang. Irgendwann sind wir „fertig“. Einen erwachsenen Menschen grundlegend zu ändern, ist nicht möglich. Selbiges gilt für einen erwachsenen Hund.

Wenn im Vermittlungstext des Tierheims steht, dass „der kleine Rocky noch etwas Erziehung benötigt“, bedeutet das nichts anderes, als dass er eine Marotte hat, die gemanaged werden möchte. Ob und wie intensiv er das Verhalten zeigt, hängt dabei stark von seinem Gegenüber ab.

Auch das ist eine hässliche Wahrheit: Nur weil der Hund nicht mehr versucht, den Trainer zu beißen, heißt das noch lange nicht, dass das auch für den neuen Besitzer gilt.

Diejenigen, die sich ernsthaft mit Tierschutz befassen, wissen, wie oft Hunde nach einiger Zeit wieder im Tierheim landen – wegen genau der Probleme, wegen derer sie dort gelandet sind.

Vor einiger Zeit hieß es noch „Unsere Tierheime sind voll“, mittlerweile haben wir Meta-Tierheime für Hunde, die im Tierheim nicht mehr gehalten werden können?

Eine weitere hässliche Wahrheit ist, dass wir mehr problematische Hunde haben als es Menschen gibt, die sie übernehmen können oder wollen.

Eine befreundete Tierschützerin erzählte mir mal, dass sie grundsätzlich jeden Rüden kastrieren lässt. „Wie kommst Du dazu?“, fragte ich einigermaßen entsetzt. „Heute ist doch keiner mehr in der Lage, einen intakten Rüden zu führen“, antwortete sie trocken.

Was mich zu der Frage führt, ob viele Hunde nicht auch einfach deshalb problematisch sind, weil wir mit Normalverhalten nicht mehr umgehen können?

Ein anderer, ebenfalls sehr geschätzter Kollege, vertritt die Meinung, dass man beißvorfällig gewordene Hunde einschläfern sollte. Er argumentiert, dass Hunde keine gefährdete Spezies seien, womit er recht hat. Er argumentiert weiter, dass die Sicherung und Arbeit mit diesen Hunden sehr teuer sei, womit er ebenfalls recht hat. Und er argumentiert, dass die meisten dieser Hunde trotz der einen oder anderen erfolgreichen Vermittlung im Gros eh ein Leben lang weggesperrt bleiben werden. Auch damit hat er zumindest nicht Unrecht.

Erik Zimen sagte mal, dass es kein Tier gäbe, das leichter zu erziehen sei, als der Hund. Immerhin – und das macht Hunde einzigartig – ist es ein elementares domestikationsbedingtes Merkmal, dass der Hund den Menschen vorzieht. Wenn er die Wahl hat.

Warum also haben wir so viele problematische Hunde?

Ist es die Folge unverantwortlicher Zucht? Werden Hunde immer schwieriger? Sind sie Opfer unserer Wegwerfmentalität geworden?

Und/oder sind wir Menschen nicht mehr in der Lage mit Hunden umzugehen? Ist es einfach die Entwicklung unserer Gesellschaft?

Fragen über Fragen, auf die es keine einfachen Antworten gibt.

Die Sache mit dem Tierschutz

Früher – um genau zu sein bis vor einigen Wochen – habe ich mich mit Tierschutz beschäftigt. Zuletzt war ich Beisitzer in einem Tierschutzverein, den ich persönlich vorbildlich finde. Es gibt eine aktive Mitgliederschaft, engagierte Ehrenamtliche und eine tolle Hundeanlage mit Gruppenhaltung.

Hunde in Gruppen zu halten hat große Vorteile. Zum Einen kommt diese Form der Unterbringung dem Gemeinschaftsbedürfnis des Hundes entgegen, außerdem verbringen die Tierpflegerinnen und Tierpfleger wesentlich mehr Zeit in der Gruppe, als es in einer Einzelhaltung möglich wäre. Auch ist die Arbeitsorganisation wesentlich effizienter. Eine Gruppe zu füttern dauert immer in etwa gleich lange, egal ob dort nun 10 oder 20 Hunde verköstigt werden. Selbiges gilt für die Reinigung der Anlage. Und dort wo Zeit gespart werden kann, können andere Aufgaben übernommen werden – beispielsweise das Training mit den Hunden oder die Beratung von Interessenten.

Natürlich gibt es immer einzelne Hunde, die nicht gruppenkompatibel sind – im Laufe der Jahre war ich allerdings immer wieder erstaunt, wie wenige es eigentlich sind.

Weil ich von diesem Konzept so überzeugt bin und weil ich weiss, dass der praktische Umgang mit Hundegruppen in der Ausbildung von Tierpflegern nur eine untergeordnete Rolle spielt, bin ich in den letzten Jahren immer wieder durch die Republik getingelt, um Tierheime bei der Umsetzung zu unterstützen.

Manchmal war das erfolgreich, manchmal glich es eher einem Kampf gegen Windmühlen. Dann wurden Gruppen wieder auf die Zwinger verteilt, sobald ich vom Hof war. Aus Sorge, es könnte etwas schief gehen. Mal sträubten sich die Ehrenamtlichen, mal die Pfleger, mal die Tierheimleitung, mal der Vorstand.

Die Fortbildungen, die für sehr wenig Geld oder sogar kostenlos angeboten wurden, waren zumeist eher mau besucht. Und auch, wenn es mittlerweile viele tolle Vereine gibt, die mit großer Mühe und Engagement ihr Hundehaltungskonzept angehen, muss ich doch ernüchtert feststellen, dass immer noch viel zu viele Tierheime Hunde nach wie vor einzeln, maximal paarweise halten.

Und damit gegen die Tierschutzhundeverordnung verstossen.

Dort steht in §2:

„Wer mehrere Hunde auf demselben Grundstück hält, hat sie grundsätzlich in der Gruppe zu halten, sofern andere Rechtsvorschriften dem nicht entgegenstehen. Von der Gruppenhaltung kann abgesehen werden, wenn dies wegen der Art der Verwendung, dem Verhalten oder dem Gesundheitszustand des Hundes erforderlich ist.“

Ausnahmen sind also möglich, sollten und müssen jedoch nicht die Regel sein. Es gibt genügend Tierheime, die beweisen, dass eine Gruppenhaltung möglich ist – ohne, dass ständig Hunde verletzt werden oder die Gefahr für die Tierpfleger steigen würde.

Man muss es so hart sagen. Der Grund, warum so viele Hunde in Einzelhaft sitzen, hat nichts mit mangelnden Möglichkeiten zu tun, denn es gibt vielerlei Angebote. Zum Beispiel von engagierten Tierschutzvereinen, sich vor Ort die Umsetzung der Gruppenhaltung anzusehen und sich fortzubilden.

Um es nochmal zu betonen, natürlich gibt es Hunde, die nicht in einer Gruppe integrierbar sind. Aber Hunde sind sozial obligat, die überwiegende Mehrzahl kann in Gruppen gehalten werden.

Auch das liebe Geld ist in der Regel kein Hindernis. Ich habe sehr viele Tierheime besucht und keines angetroffen, in dem man nicht mit etwas Kreativität Raum hätte schaffen können.

Am Ende sind es die Strukturen, die verhindern, dass sich etwas zum Wohle der Hunde – und darum sollte es im Tierschutz doch gehen – verändert.

Mit dieser Kritik stehe ich nicht alleine.

Viele Tierschützer, Ehrenamtliche und Gassigeher beklagen, dass Hunde ohne Not in Einzelhaltung leben. Viele Hundetrainer, Tierärzte und Biologen auch. Weil sie eben nicht nur schädlich für ein soziales Lebewesen ist, sondern sich auch nachteilig auf das Verhalten und die damit verbundenen Vermittlungschancen auswirken kann.

Warum ich das schreibe? Weil ich genau diesen Zustand öffentlich angeprangert habe. Mit erstaunlichen Erlebnissen in der Folge.

Um genau zu sein, zielt meine Kritik auf vier Punkte:

  1. Hunde werden ohne vernünftigen Grund einzeln gehalten, obwohl die Tierschutzhundeverordnung die Gruppenhaltung vorsieht und diese große Vorteile für die Tiere bietet.
  2. werden Hunde nach wie vor ohne vernünftigen Grund kastriert. §6 des Tierschutzgesetzes besagt, dass „das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres“ ohne entsprechende Indikation verboten ist. Geburtenkontrolle wäre eine solche für eine Kastration. Diese fällt jedoch weg, wenn Hunde einzeln gehalten werden, da eine Fortpflanzung ohnehin ausgeschlossen ist. Und ganz ehrlich – wenn dem Interessenten an dem Tier so wenig Vertrauen entgegengebracht wird, dass man eine unkontrollierte Fortpflanzung befürchtet, sollte man den Hund besser nicht an die Person vermitteln. Natürlich gibt es veterinärmedizinische Gründe für eine Kastration, aber diese sind Einzelfälle und nicht die Regel.
  3. werden Hunde ohne vernünftigen Grund aus der Vermittlung genommen, wenn Trainingskonzepte erfolglos bleiben. Eigentlich sollte klar sein, dass Hunde Individuen sind, die wiederum eine individuelle Ansprache erfordern. Es ist nicht nur dem Hund gegenüber hochgradig unfair, sondern bedeutet am Ende unter Umständen, dass Spendengelder unnötigerweise über 10 oder 12 Jahre darauf verwendet werden, ein Tier zu versorgen, welches vielleicht gute Vermittlungschancen hätte, wenn nur das Trainingskonzept angepasst würde. So scheitert erfolgreiches Hundetraining nicht an den Möglichkeiten, sondern an den persönlichen Befindlichkeiten einzelner Beteiligter.
  4. werden moderne Haltungskonzepte in der Ausbildung von Tierpflegern nicht ausreichend berücksichtigt. Generell leiden insbesondere kleine Tierheime unter Personalmangel, die Betreuung der Tiere wird in vielen Fällen von ungelernten Mitarbeitern übernommen, da die Gelder für Fachkräfte nicht ausreichen. Mit der Folge, dass Defizite im sicheren Umgang mit Hunden auftreten können, wenn sich die Menschen nicht selber um Fortbildung kümmern. Die Unfallgefahr ist in der Hundeanlage nun mal nicht wegzuleugnen und in trauriger Regelmäßigkeit erfahre ich von mitunter schwerwiegenden Beißvorfällen, die zu verhindern gewesen wären. Erst vor ein paar Monaten wurde ein Tierpfleger bei der Arbeit schwer verletzt, da er den Hund in der Situation falsch eingeschätzt hatte. Während der Hund ihn massiv attackierte, konnte die anwesende Aushilfskraft nur hilflos zusehen. In solchen Fällen muss man von Glück sprechen, dass es „nur“ zu erheblichen Verletzungen gekommen ist und der Betroffene wieder genesen wird.

Diese Kritikpunkte sind alle nicht neu und auch nicht alle auf meinem Mist gewachsen. Sie sind auch nicht geheim, sondern werden von verschiedenen Menschen seit Jahren immer wieder angesprochen – ohne dass sich im großen und ganzen etwas geändert hätte.

Die Frage ist, wie eine Verbesserung erreicht werden kann, wenn man leider an vielen Orten auf Granit beisst. Immerhin sprechen wir hier nicht über ein „Nice to have“, sondern über Rechtsvorschriften auf der einen Seite, dem Wohlergehen der Tiere auf der anderen Seite und nicht zuletzt über Arbeitssicherheit für die Menschen, die die Hunde versorgen.

An dieser Stelle sehe ich die Verbände in der Pflicht. In Deutschland gibt es gleich mehrere davon, denen auch Tierheime angeschlossen sind. Für die Verbände wäre es ein leichtes, eine moderne und artgerechtere Hundehaltung in den Mitgliedstierheimen zu fördern und zu fordern.

Der mit Abstand größte Verband hierzulande ist der Deutsche Tierschutzbund mit ca. 800.000 Mitgliedern, 520 angeschlossenen Tierheimen und etwa 13 Millionen Euro Einnahmen im Jahr 2016.

Dieser Text bezieht sich auf meine Erlebnisse mit diesem Verband, aber natürlich betrifft die Kritik, die von mir geäußert wird, nicht ausschließlich den Tierschutzbund, sondern auch andere und ebenso betroffene Tierheime, die verbandslos sind.

Würde der Deutsche Tierschutzbund mit gutem Beispiel vorangehen und die Umsetzung der Tierschutzhundeverordnung mit Blick auf Gruppenhaltung forcieren, würden die kleineren Verbände bald folgen. Immerhin stellt eine moderne Hundeanlage ja auch ein Highlight beim Tierheimbesuch dar und immer wieder konnte ich beobachten, wie begeistert Besucher davon waren, die Hunde in Interaktion zu beobachten. Und aus begeisterten Besuchern werden begeisterte Unterstützer.

Ehrlicherweise weiss ich nicht, wie der Stand der Diskussion in anderen Verbänden ist – im Falle des Tierschutzbundes weiss ich auf Grund meiner langjährigen Mitgliedschaft und verschiedener Positionen in Vereinen, dass eine Arbeitsgruppe die Haltung und die Arbeit mit den Hunden diskutieren soll. Bis dato allerdings ohne Erfolg.

Auf jeden Fall ist dies ein deutlicher Hinweis, dass die Thematik auch auf höherer Ebene bekannt sein sollte.

Um interessierten Hundefreunden einen Einblick in diese Problematik zu gewähren und meine Kritik zu platzieren, habe ich im September letzten Jahres ein Webinar veranstaltet, das den Titel „Die Sache mit dem Tierschutz“ trug.

Hier findest Du den Mitschnitt.

Die Erlöse plante ich an den Tierschutzverein zu spenden, in dessen Vorstand ich zu diesem Zeitpunkt noch Mitglied war. Schliesslich sollte nicht der Eindruck entstehen, dass ich mich bereichern wollte. Meine Intention war in erster Linie, eine Diskussion anzuregen und Ideen auszutauschen. Tatsächlich war diese Veranstaltung die am schlechtesten besuchte im letzten Jahr.

Dafür jedoch waren die Ereignisse in der Folge bemerkenswert.

Zumindest einen Teil seiner Einnahmen verwendete der Tierschutzbund nämlich darauf, einen Brief durch einen Justiziar aufsetzen zu lassen. Dieser Brief war nicht etwa an mich adressiert, sondern an den Vorstand des Vereines, in dem ich Mitglied war.

In diesem Schreiben wurde nicht etwa mir, sondern dem Verein vorgeworfen, ich würde als Mitglied des Vorstands den Deutschen Tierschutzbund und seine Mitglieder verunglimpfen.

In der Veranstaltungsankündigung hatte ich tatsächlich den einleitenden Satz etwas blöd gekürzt, so dass man dies – wenn man wollte – so verstehen konnte, als wenn sich meine Kritik ausschliesslich gegen den Verband richten würde. Dem Verfasser liegt jedoch der Mitschnitt des Webinars vor, so dass er sich selber davon überzeugen könnte, dass sich meine Kritik nicht ausschliesslich auf den Verband bezieht.

Juristisch betrachtet ist diese Vorgehensweise allerdings schlau. Der Vorwurf bezieht sich nicht auf meine Kritik, sondern darauf, dass es anderswo auch Probleme gibt. Wobei der Verfasser des Schreibens ausdrücklich betonte, dass es

„in Einzelfällen Probleme geben mag und manch ein Verein sicherlich Unterstützung im Bereich Hundetraining benötigt“.

Eine Einschätzung, die ich so nicht teilen kann – und die von mir befragten Kolleginnen und Kollegen auch nicht.

In dem Schreiben wurde schliesslich auf die „Solidaritätspflicht“ verwiesen, vermutlich bezogen §5, Absatz 3 der Satzung:

„Ein schädigendes Verhalten liegt insbesondere bei (…) öffentlicher Schädigung des Ansehens des Deutschen Tierschutzbundes e.V.“.

Was nichts anderes bedeutet, als dass dem Verein durch die Blume mit Ausschluss aus dem Verband gedroht wurde.

Der Brief, der mir vorliegt, endet mit den Worten, dass der Verband sich ausdrücklich vorbehält, mich persönlich zu kontaktieren. Dies ist bisher nicht geschehen, was zum einen schade ist, weil ich die Vorwürfe gegen mich und meinen Standpunkt gerne diskutiert hätte. Zum anderen bin ich natürlich froh, denn die Kontaktaufnahme wäre sicherlich teuer geworden, da es nicht um eine Sachauseinandersetzung geht, sondern um Formulierungen, die gegen mich ausgelegt werden.

In der Folge sollte ich Stellung beziehen, allerdings konnte ich mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, meine Kritik zurückzunehmen. Auf der anderen Seite wollte ich selbstverständlich auch „meinem“ Verein nicht schaden oder gar riskieren, dass ich für einen eventuellen Ausschluss verantwortlich bin. So sind wir übereingekommen, dass ich alle Ämter niederlegte, meine Mitgliedschaft beendete und den Verein verliess.

Seit dem 28.12. bin ich offiziell raus aus dem Tierschutz.

Die Vorgehensweise des Tierschutzbundes finde ich schon bemerkenswert. Zum einen, weil ich – wie erwähnt – nicht der erste oder einzige wäre, der sich offen kritisch äußert. Zum anderen, weil mir unterstellt wird, ich wollte dem Tierschutzbund schaden und nicht die Situation für die Hunde verbessern. Wenn man das so will, kann man das so sehen. Aber:

Wenn das offene Ansprechen von Problemen gegen das Solidaritätsprinzip verstösst und im schlimmsten Falle den Rauswurf mit sich bringt, dann kommen diejenigen unter die Räder, die etwas verbessern wollen. Davon gibt es einige, und nicht wenige von ihnen sind mittlerweile frustriert oder haben es aufgegeben.

Eigentlich wäre ich hier am Ende meiner Erlebnisse angekommen.

Und eigentlich hatte ich auch gar nicht vor, das großartig öffentlich zu machen. Immerhin verfügt der Deutsche Tierschutzbund über die entsprechenden Mittel, mir das Leben schwer zu machen. Aber:

In den Tagen nach meinem Rücktritt hatte ich für mich entschieden, in Zukunft nicht mehr wie auch immer geartet mit Tierheimen zu arbeiten, egal welcher Verband dahintersteht. Ich hatte ehrlicherweise ziemlich die Nase voll und war auch persönlich ziemlich angefressen – immerhin habe ich ein paar Lebensjahre im Tierschutz gelassen und fand das Ende etwas unwürdig.

Vielleicht ist das der Grund, dass es nun doch noch einmal zu einer Fortbildung in einem Tierheim kommen wird, bzw. soll bzw. könnte.

Vor ein paar Jahren war ich schonmal vor Ort, man kennt sich also und die Idee der Veranstaltung war, Tierpfleger/innen die Möglichkeit zu geben, sich ein Wochenende kostenlos im Umgang mit Hunden im Tierheim weiterzubilden. Ich habe eh frei und Kaffee gibt es auch.

Themen sind Verhaltenseinschätzung und Selbstschutz, und vor allem Gruppenhaltung im Tierheim. Die Teilnehmer/innen müssen zwar nichts bezahlen, opfern jedoch ihre Freizeit zu Fortbildungszwecken und eigentlich sollte jeder Arbeitgeber glücklich sein, so tolle Mitarbeiter zu haben.

Nicht jeder Arbeitgeber – die Leiterin einer Einrichtung im Deutschen Tierschutzbund z.B. fühlte sich bewogen, den einladenden Verein zu kontaktieren und ihren Unmut darüber kundzutun, dass ich eine Fortbildung in einem Tierheim des Deutschen Tierschutzbundes geben darf.

Das ist in sofern verständlich, weil ich (neben vielen anderen Kolleginnen und Kollegen) die Methodik im Rahmen des von ihr verantworteten Hundeprojektes mehrfach hinterfragt und auch deutlich kritisiert habe. „Wie Du mir so ich dir“ sozusagen, aber dahingehend erstaunlich, dass sich mir die Frage stellt, ob sie aus Eigenantrieb oder auf Anforderung gehandelt hat. Aber das ist Spekulation.

Tierpfleger aus einer anderen Einrichtung haben derweil kurzfristig wieder abgesagt, da sie – so ihre Aussage – persönliche Konsequenzen befürchten. Abmahnung als Konsequenz für Fortbildung? Ok.

Wie beschrieben, es geht hier um die Freizeit der Menschen, die diese nutzen möchten, um im Arbeitsalltag sicherer agieren zu können. Es geht nicht um Arbeitszeit. Es geht auch nicht um „Trainingsphilosophien“, da die genannten Personen gar nicht wissen können, wie ich arbeite (dafür hätten sie mich fragen oder eine Veranstaltung besuchen müssen) und es im Rahmen einer solchen Veranstaltung auch gar nicht um Hundetraining geht.

Es scheint – und das ist die bittere Erkenntnis – einzig und allein darum zu gehen, dass Kritik nicht erwünscht ist und auf diesem Wege verhindert werden soll, dass irgendjemand von ihr erfährt.

Die Veranstaltung soll in ein paar Tagen stattfinden, bisher habe ich noch nichts gegenteiliges gehört. Man darf also gespannt sein, ob in letzter Sekunde noch eine Absage kommt.

Hiermit lade ich im übrigen gerne alle Beteiligten zu einer fachlichen Auseinandersetzung ein – leider blieben die bisherigen Versuche verschiedenster Menschen, eine fruchtbare Diskussion in Gang zu bringen, erfolglos.

Und ich vermute, dass das auch so bleiben wird.

Die Fortbildung am Wochenende jedenfalls setzt einen würdigen Schlusspunkt in Sachen Tierschutz. Immerhin etwas.