Laut lachen mit Mark

Der Biologe Norbert Sachser schreibt in seinem Buch „Der Mensch im Tier“ (gutes Buch, kaufen!) über seine Oma, die einen Hund hatte. Er schildert, dass sie das Tier in- und auswendig kannte, genau wusste, was er mag und wie sie mit ihm umgehen konnte. Sachser bescheinigt seiner Oma eine hohe Tierkenntnis, wie er es nennt. 

Worüber Sachsers Großmutter jedoch nicht verfügte, war Sachkenntnis. Sprich, sie kannte sich sehr gut mit ihrem Hund aus, jedoch nicht mit Hunden im Allgemeinen.

In meiner Familie war es nicht die Oma, sondern meine Tante Waltraud mit ihrem Hund Purzel. Purzel war ein kleiner Mischling unbekannter Herkunft und hatte einige „Special Effects“, wie es heute euphemistisch genannt wird, wenn Hunde schlecht erzogen sind*. Doch auch meine Tante verfügte über die besagte Tierkenntnis und kam mit ihrem Purzel prima klar. Von Hunden an sich hatte sie jedoch keine Ahnung.

Das war aber auch nicht weiter tragisch, denn meine Tante ist nie auf die Idee gekommen, irgendwelchen Menschen Ratschläge im Umgang mit deren Hund zu geben.

40 Jahre später ist das anders.

Heute füttert Tierkenntnis den Algorithmus sozialer Netzwerke, insbesondere den des Boomer-Netzwerks „Facebook“. Mark Zuckerberg gefällt das.

Sobald jemand eine Frage zum oder gar ein Problem mit Hund formuliert, finden sich jede Menge Erfahrungen, die andere Menschen mit jeweils ihrem Hund gemacht haben.

Hunde sind allerdings hoch individuell. Genauso wie Menschen. Das heisst, nur weil mein Topptipp bei meiner Fellfresse* maximale Wunder bewirkt hat, heisst das noch lange nicht, dass das bei Deinem Wauwau auch klappt.

Dazu kommt, dass das, was du schilderst noch lange nicht dem entsprechen muss, was ich verstehe. (Das gilt übrigens auch für die Interpretation etwaiger Videoschnipsel etc)

Ein Beispiel: Vor vielen Jahren klingelte mal mein Telefon und ein älterer Herr schilderte mir, dass er Training benötige, weil sein Hund den Nachbarn „gezwickt“ hatte. Auf meine Frage, ob der Nachbar ihn angezeigt hätte, antwortete der Herr: „Nein, der liegt noch im Krankenhaus“.

Seine Vorstellung von Zwicken war definitiv eine andere als meine.

Fassen wir mal zusammen:

Auf Grund einer Hundegeschichte in einer Hundegruppe bastelt unser Gehirn beruhend auf unserer persönlichen Phantasie Bilder zusammen, anhand derer wir Tipps geben, die auf unserer Erfahrung mit einem völlig anderen Hund beruhen.

Diese Tipps wiederum werden von anderen beruhend auf ihrer Phantasie und persönlichen Erfahrung interpretiert und Tada:

Schon ist die deftige, nennen wir es Diskussion, inklusive des verschwenderischen Umgangs von Satzzeichen in vollem Gange.

Mark Zuckerberg gefällt das.

Die Person, die sich eigentlich Hilfe oder einen Tipp erhofft hatte, darf sich aus dutzenden Meinungen, die als Ratschläge getarnt sind, derweil eine aussuchen.

Alles Wissen dieser Welt – jetzt kostenlos

Glücklicherweise gibt es in jeder Hundegruppe, die was auf sich hält, entsprechend kynopädagogisch geschultes Fachpersonal, das sich in die Diskussion einbringt und die eigene Expertise zumeist auch gleich im ersten Satz betont.

Bei meinen Workshops frage ich gerne mal in die Runde, wer von den Teilnehmenden** eigentlich hauptberuflich mit Hunden arbeitet und wie viel Zeit dabei übrig bleibt, um in Hundegruppen über Verhalten zu diskutieren und Tipps zu geben.

Wenn ich nicht gerade Veranstaltungen vorbereite, gebe oder nachbereite, versuche ich die ganzen Mails zu beantworten, Telefonate zu führen und irgendwie die Buchhaltung zu schaffen, um zu verhindern, dass mein Steuerberater das Land verlässt. Nebenbei möchten meine eigenen Hunde ja auch mal raus und diese merkwürdigen sozialen Bedürfnisse meiner Familie befriedigt werden.

Natürlich möchten auch die sozialen Netzwerke bedient werden, damit ihr mitbekommt, dass ich endlich mal wieder zum Bloggen gekommen bin.

Doch selbst wenn ich es wollte, hätte ich nicht die Zeit, in Hundegruppen ernsthaft mitzudiskutieren. Geschweige denn, eine gesamte Kommentarspalte durchzuarbeiten.

Und eine Frage soll erlaubt sein:

Eine fundierte Ausbildung in Sachen Hundetraining kostet eine Menge Geld. Dazu kommen jede Menge investierte Zeit in Fortbildungen, das Lesen von Fachbücher etc.

Warum sollte jemand all dieses Wissen für alle kostenlos in eine Hundegruppe schenken?

Wie hilfreich sind eigentlich soziale Netzwerke?

Mit Blick auf junge Menschen können wir überall nachlesen, wie bedenklich soziale Netzwerke sein können.

Während Instagram ihnen vorgaukelt, dass ein Körpergefühl nahe am Hungertod das wahre Sexy ist, fackeln sich andere selber ab, weil es eine entsprechende Challenge auf TikTok gibt. Facebook und Telegram werden mittlerweile von vielen Menschen als seriöse Quelle für vermeintlich sensationelle Nachrichten akzeptiert.

Warum sollten soziale Netzwerke für Menschen mit Hund weniger problematisch sein als für Jugendliche?

Niemand kommt auf die Idee, bei Instagram mal ein Reel zu posten, in dem man gerade maximal genervt vom Köter* ist. Überall brave Hundchen, strahlende Herrchenmenschen*, überall Heititei. Und wenn nicht, dann total ironisch, *hihi*, diese kleine Kackbratze*. Man muss sie einfach lieben,

Es gibt jede Menge Studien, die sich damit beschäftigen, dass der ständige Vergleich mit anderen in den sozialen Netzwerken die Menschen unglücklich macht, dass das Prinzip der „Likes“ für eine Dopaminausschüttung sorgt, die empfängliche Menschen süchtig machten kann. YouTube hat das „Dislike“ nicht etwa angeschafft, weil Alphabet so menschenfreundlich ist, sondern weil es schwerwiegende psychische Folgen für insbesondere junge Menschen haben konnte.

Ich habe es bereits an anderer Stelle geschrieben und erzähle es nahezu jedes Wochenende bei meinen Veranstaltungen:

Wenn jemand in einer Gruppe, die sich z.B. mit der Fütterung von Hunden beschäftigt, besonders betont, wie viel Mühe in die Zubereitung und Zusammensetzung des Futters investiert wird, dann tut dieser Mensch das in erster Linie, um sich selber gut zu fühlen.

Selbiges gilt, wenn die selbe Person fordert, das Dir der Hund abgenommen werden sollte, weil Du nur schnödes Trockenfutter verfütterst.

Wenn jemand jeden Tag die ewig selben Fotos* vom Hund auf Baumstamm, Heuballen, im Wald und auf dem Hundeplatz postet, dann, damit jeder sieht, wie aktiv man ist.

Und wenn Dir jemand einen kostenlosen Tipp gibt, dann vielleicht, um dir parallel zu zeigen, dass du keine Ahnung hast. Ratschläge sind auch Schläge.

Nicht Facebook, Instagram oder TikTok müssen mit deinem Hund klarkommen, sondern du.

Soziale Netzwerke sind Dir bei der Erziehung deines Hundes in etwa so behilflich, wie die Menschen, die dich ungefragt auf der Hundewiese vollquatschen.

Es ist deine Entscheidung, wie du trainierst, welche Form der Beschäftigung du wählst, was du fütterst und ob Du Halsband oder Geschirr anlegst.

Ganz schön polemisch, wa? 

Vor kurzem habe ich mal ein Meme mit folgendem Text erstellt:

„Wenn ein Hund droht, ist das sehr nett von ihm. Er sagt ‚Hau ab, sonst gibt das Ärger.‘ Es git auch heute noch Menschen, die das Drohverhalten abtrainieren. Mit dem Ergebnis, dass es Ärger gibt.“

Darunter kommentierte jemand „Das ist aber sehr verkürzt dargestellt“, jemand anderes antwortete darauf „Ja, aber das gibt Likes“.

Genauso funktionieren soziale Netzwerke, eine kurze prägnante Aussage mit dem Ziel, Likes zu generieren.

Wenn man sich dessen bewusst ist, kann auch Facebook nette Unterhaltung sein.

Bei allem anderen hilft ein gutes Buch.

Wie sagen die jungen Leute so schön? Haters gonna hate.

 

*Diese Formulierung nutze ich nur für den Algorithmus!

** Außerdem habe ich versucht, den Artikel weitestgehend in genderneutraler Sprache zu verfassen, nur um Euch zu ärgern.

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