Wie ich mal versehentlich Verleger wurde

Immer, wenn ich mal ein Buch schreibe, überkommt mich quasi alle 5 Zeilen der selbe Gedanke: „Das kannst du so nicht schreiben“.

Schreibe ich zum Beispiel, dass ein Border Collie meiner Meinung nach in der Familie nichts verloren hat, dann kann ich sicher sein, dass dieser Absatz wieder gestrichen wird.

Denn das Ziel einer Rassemonografie, wie solche Hundebücher genannt werden, ist es, die geneigten Leser von den Hunden zu begeistern und nicht, sie abzuschrecken.

Also besteht die Kunst darin, die Aussage so zu verklausieren, dass sich niemand auf den Schlips getreten fühlt und trotzdem ein Hauch von Kritik rauszulesen ist.

Menschen, die sich einen Border Collie zulegen, sollten also darauf achten, sich eher ein Exemplar mit ruhigem Wesen anzuschaffen. Aha.

Read between the Lines

Aber nicht nur die vermeintliche Eignung eines Hundes als lustiger Familienkumpel will wohlwollend wie ein Arbeitszeugnis für einen unmotivierten Praktikanten beschrieben sein. Auch die typischen kleinen Eigenheiten verschiedener Hundetypen liest man eher zwischen den Zeilen heraus.

So wird aus dem zum Wildern neigenden Jagdhund ein „liebenswerter Charakterkopf, immer auf der Suche nach Abenteuern“ und aus dem enervierenden Kläffer ein „wachsamer Hund“. Der besonders treue Gefährte entpuppt sich bei näheren Hinsehen als sozialmotivierter Stalker, der keinerlei Verständnis für Sozialkontakte seiner Besitzer hat und aus dem „actionliebenden, sportlichen Hund“ ein zur Hypervigilanz neigendes Wrack.

Rassetypische Krankheiten werden zwar erwähnt, jedoch wird gerne verschwiegen, dass sie bei manchen Hunden eher die Regel als die Ausnahme sind.

Über Erziehung will ich gar nicht erst anfangen. Würde man in ein Buch schreiben, dass ein „harter Hund“ ein ernsthaftes Gegenüber braucht und die allermeisten Tierfreunde mit ihm überfordert wären, kann der Verlag sich über böse Post nicht mehr beklagen.

Als es darum ging, etwas darüber zu schreiben, wie man unerwünschtes Gekläffe in den Griff bekommt, habe ich mir fast einen Arm ausgekugelt, um nicht einfach „Kannste vergessen“ in die Tastatur zu brechen.

Und so verbringe ich die meiste Zeit damit, die Aussagen, die mir wichtig sind so zu verpacken, dass keiner merkt, was ich eigentlich sagen will. Eine sehr mühsame Angelegenheit, die außerdem wenig Spass macht.

Bücher schreiben geht bei mir in etwa so:

Als erstes mache ich mir Gedanken, was ich eigentlich schreiben möchte und packe das Ganze dann in Konzept, das in etwa so aufgebaut ist, wie das spätere Inhaltsverzeichnis und einige Unterpunkte beinhaltet, die später als Zwischenüberschriften dienen.

Dann schreibe ich ein bis zwei Seiten Vorwort, die ich dann zusammen mit dem Konzept beim Verlag einreiche.

Irgendwann bekomme ich dann eine Antwort von der verantwortlichen Redakteurin, ob das Buch erscheinen wird oder nicht.

Manchmal kann ich mir den ganzen Schmonz aber auch einfach sparen.

Als ich zum Beispiel auf die Idee gekommen bin, ein Buch über Australian Cattle Dogs zu schreiben, habe ich mir bei jedem einzelnen Wort gedacht: Das kannst Du so nicht schreiben. Hab ich aber trotzdem und schließlich festgestellt:

Das Porto kann ich mir sparen. Dieses Werk wird kein Verlag dieser Erde veröffentlichen.

Und so kam es, dass ich vor einiger Zeit mit einer Kollegin telefonierte. Sie arbeitet ihres Zeichens gerade an ihrem ersten populärwissenschaftlichen Werk und verbringt erstmals in ihrem Leben Zeit damit, Hundebücher zu lesen, um eine Idee davon zu bekommen, was da so drin steht.

Kurz, ihr Urteil als Wissenschaftlerin, die sie studierterweise ist, fällt verheerend aus und sie fragte ob der vielen falschen Angaben in dem ihr vorliegenden Buch, ob es in den Verlagen eigentlich jemanden gibt, der die Inhalte noch mal auf Richtigkeit überprüft.

Jein, lautete meine Antwort.

In den Verträgen steht schwarz auf weiss, dass die Autoren selber dafür verantwortlich sind, dass die Inhalte wissenschaftlicher Überprüfung standhalten. Und als ich über Hütehunde geschrieben habe, wollte ich Werbung für einen Kollegen machen und schrieb prompt den Namen falsch. Mit der Folge, dass es dieser Fehler bis ins Buch schaffte.

Mit einem anderen Kollegen, den ich sehr schätze, tausche ich mich gerne über Hunderassen und unseren Eindruck über ihre Entwicklung aus.

Wir sind uns einig, dass es noch keiner Rasse mit Blick auf Wesen und Gesundheit gut getan hat, von der FCI anerkannt zu werden. Katastrophaler entwickeln sich Hunderassen nur, wenn die Tiere in Mode kommen und die Nachfrage dafür sorgt, dass alles verpaart wird, was nicht bei drei auf dem Baum ist.

Ein schon älteres Beispiel liefert der Australian Shepherd. Während diese Hunde vor 15-20 Jahren noch meist schlanke, hochbeinige und außerordentlich pfiffige Typen waren, trifft man heute immer mehr mächtige, großrahmige und äusserst übellaunige Fellbomben an.

Ein aktuelles Beispiel ist der Cattle Dog, der so beliebt ist, dass man ihn mittlerweile auch bei Welpenhändlern im Internet bestellen kann.

Die Hunde werden von der Gesundheit her immer kranker und vom Verhalten her immer aggressiver.

Die paar seriösen Züchter, die Wert darauf legen, gute Hunde mit guten Eigenschaften zu züchten, haben immer größere Schwierigkeiten, geeignete Deckrüden und Zuchthündinnen zu finden, während eine ganze Schar von Ahnungslosen Hunde miteinander verpaart, die besser in der Regentonne als auf der Ausstellung gelandet wären.

Eine Arbeitsprüfung ist nicht vorgesehen, so dass sich viele dieser Hunde am Vieh – das war ja mal der Zweck der Hunde – verhalten wie eine Horde Kneipenschläger, nachdem der HSV mal wieder verloren hat.

Während andere Hüte- und Treibhunde Showlinien hervorgebracht haben, gibt es beim Australian Cattle Dog weder in Europa noch in Übersee eine nennenswerte Zahl von Landwirten, die erfolgreich Arbeitslinienzucht betreiben.

Dabei finde ich diese Hunde ausserordentlich witzig.

Man muss halt ihren Humor haben. Cattles spielen halt so, wie sich andere Hunde prügeln.

Wie kleine Kevins neigen sie dazu exakt das zu tun, was man ihnen gerade verbieten möchte und auch ansonsten kann man mit ihnen Pferde stehlen. Beziehungsweise sich beim Pferdebesitzer entschuldigen, weil der Cattle die Idee einfach selber in die Tat umgesetzt hat.

Sie sind nicht besonders leichtführig, beherbergen eine ganzen Debattierklub in einem einzelnen Hundegehirn, aber wenn man sie hinbekommt, hat man einen robusten und kernigen Begleiter, mit dem man die Alpen besteigen oder sie kaputt machen kann.

Aber wer will schon so ein Hundebuch veröffentlichen.

Wenn sich kein Verlag findet, der das Manuskript druckt, dann mache ich es halt selber.

Dachte ich mir und machte mich an die Arbeit.

Dank der modernen Technik ist es heute relativ einfach und bezahlbar, einen Verlag zu gründen.

Eine ISBN-Nummer ist recht günstig zu kaufen, die Titelschutzanzeige ist schon etwas teurer. Deshalb habe ich gleich mal mehrere schützen lassen, denn es gibt Mengenrabatt.

Dann ein paar Freunde angerufen und um Hilfe gebeten und siehe da: Sieht gut aus.

Während die meisten Verleger früher an den hohen Produktionskosten für Bücher gescheitert sind, gibt es heute die Möglichkeit auch kleine Auflagen „on demand“, also auf Bestellung drucken zu lassen.

Die Möglichkeiten des Internets ermöglichen neue Vertriebswege, so dass man nicht mehr gezwungen ist, Bücher zum Verstauben in der Bahnhofsbuchhandlung zu produzieren.

Und während die Digitaldruckmaschinen vor wenigen Jahren auf dem Niveau einer Farbkopie vor sich hin dümpelten, ist heute kaum ein Qualitätsunterschied zum „richtigen“ Buchdruck zu erkennen.

Und schließlich, Dank der Tatsache, dass ich den Job in einem früheren Leben mal gelernt habe, kann ich vieles selber machen bzw. kenne Leute, die das können.

Finger weg!

Die Idee, ein kritisches und unzensiertes Hundebuch zu veröffentlichen, hat sich Dank Facebook und Co. natürlich recht schnell rumgesprochen und teils lustige Reaktionen hervorgerufen.

Einige fanden die Idee sehr gut, andere sehen das Ganze eher skeptisch. Allerdings nicht auf Grund dessen, dass der Gedanke per se schlecht wäre.

So bekam ich von einem lieben Kollegen den dringenden Hinweis, über welche Rassen besser nichts veröffentlicht wird, was dem allgemeinen Konsens widerspricht.

Wüste Beschimpfungen bis hin zu Drohungen waren die Folge, als eine gemeinsame Bekannte sich mal etwas kritisch über die allgemeine Gesundheit einer allseits beliebten Hunderasse geäußert hatte.

Is ja’n Ding, dachte ich mir, und antwortete:

Bringen wir erstmal die Cattle-Leute gegen uns auf, dann schauen wir mal weiter.

Hier geht es übrigens zu den Büchern.

 

 

Das bisschen „Drumrum“

Eine gute Freundin meinte neulich zu mir, ich würde langsam aber stetig altersmilde werden. Das mag schon sein, antwortete ich kurz und knapp – bevor ich sie 20 Minuten mit geschmacklosen Witzen, blöden Sprüchen und schändlichen Spott überzog.

Spaß beiseite, man wird ja nicht jünger und im Laufe der Jahre vielleicht nicht unbedingt milder, aber dafür gelassener. Oder müde, wie man es nimmt. Und überhaupt: Wer will schon mit 40 seinen ersten Bypass?

Trotzdem gibt es immer und immer wieder mal Momente, in denen ich auch heute noch an mich halten muss, um nicht in die Tastatur zu brechen (online) oder mich auf die Finger setzen muss, um mein Gegenüber nicht zu schütteln oder schlimmeres (offline).

Neulich zum Beispiel, als ich meinen halben freien Samstag gemeinsam mit gefühlt einer Millionen Touristen auf der A7 verbrachte, um mir in einem Tierheim einen Hund anzusehen, der nach einem innerfamilären Beißvorfall nun das Zeitliche segnen sollte.

Der Delinquent, nennen wir ihn der Einfachheit halber Hasso, entpuppte sich nach eingehender Überprüfung als typischer unerzogener junger Hund, der nicht gelernt hatte, Grenzen zu akzeptieren oder Frust zu ertragen und schließlich zugebissen hatte, als seine Besitzerin anderer Meinung war als er.

Mit solchen Fällen habe ich es, seitdem ich was mit Tierschutz mache, nahezu täglich zu tun und anhand von Hassos Geschichte lässt sich der alltägliche Wahnsinn „drumrum“ ganz gut beschreiben.

Fangen wir mit dem Kennenlernen an. Der Grund, warum ich bei 28 Grad drei Stunden im Stau verbracht habe, war, dass das Tierheim, in dem Hasso zu dem Zeitpunkt untergebracht war, keine Kapazitäten hatte, um ihn längerfristig unterzubringen.

Die Tierheime sind immer noch nicht verpflichtet, Abgabehunde aufzunehmen und bekommen ihr Geld auch nur für die Unterbringung von Fundtieren. Und wenn es sich um ein kleines Tierheim wie in diesem Fall handelt, haben die Kolleginnen und Kollegen auch schlicht keine Kapazitäten, einen Hund zu übernehmen, der auf Grund der Vorkommnisse lange Zeit bleiben wird.

Das ist im Übrigen auch der Grund, warum viele Tierheime mittlerweile Abgabegebühren nehmen, die die Kosten für die Unterbringung und Verpflegung bei weitem übersteigen.

Die Reaktionen lassen natürlich nicht lange auf sich warten:

Frau B. aus Facebook wirft dem Tierheim vor, herzlos zu sein. Frau S. schreibt mir per E-Mail, dass Tierheime Geldmacherei betreiben, anders kann sie die Abgabegebühr nicht erklären. Aha.

Kommen wir zur Einschätzung von Hasso mit Blick auf eine Übernahme durch uns:

Hierbei geht es darum, zu überprüfen, wie und ob der Hund zu managen ist, wo seine Auslöser liegen und wie er auf Ansprache, Berührung, Bewegungsreize, Artgenossen, Einschränkung und Unterbrechung reagiert. Immerhin müssen die Tierpfleger/innen später mit ihm arbeiten können, ohne das Gefahr für Leib und Leben besteht. Und vermittelt werden soll er ja auch irgendwann mal.

Zu diesem Zweck sichere ich den Hund mit Maulkorb ab, denn wenn so ein 30-Kilo-Hasso losmarschiert, ist das auch mit Maulkorb schon unangenehm genug, wenn man nicht aufpasst. Und es ist nicht die Aufgabe des Hundetrainers oder Tierpflegers, sich von fremder Leute Hunde zerlegen zu lassen.

Frau A. schreibt dazu, dass der Maulkorb tierschutzrelevant ist.

S. schreibt dazu, dass es „voll gemein ist, die Fellnase“ während der Einschätzung einzuschränken und sie (die Fellnase) „natürlich beissen muss, wenn man sie derart quält“.

Interessant, ich persönlich finde es nicht nur außerordentlich gemein, sondern extrem fahrlässig, mit Rücksicht auf die arme Hundeseele auf eine allumfassende Einschätzung zu verzichten.

Es ist Aufgabe des Tierschutzvereins, seine Schützlinge so gut zu kennen, dass böse Überraschungen für Mitarbeiter/innen und Interessent/innen ausgeschlossen werden können.

Wenn die neue Familie es ist, die im ganz normalen Alltag den Auslöser für eine Attacke findet, ist das nicht nur peinlich, sondern grob fahrlässig und sollte bestraft werden können. Und zum ganz normalen Alltag gehört nunmal dazu, dass man mal im Weg steht, beiseite gehen muss oder – bewusst oder unbewusst – begrabbelt wird.

L. schreibt was zum Thema Individualdistanz und gelber Schleife.

Ein Hund, der guten Gewissens in eine Familie vermittelt werden soll, muss ein bisschen mehr als Alltag abkönnen. Kann er das nicht, darf er das lernen.

Am Ende des Tages haben wir entschieden, dass wir Hasso übernehmen würden.

Frau B. ist der Meinung, dass Hasso nun ganz viel Liebe braucht, die wir ihm sicherlich nicht geben.

Voraussetzung für die Übernahme ist jedoch, dass seine Besitzerin damit einverstanden ist. Diese jedoch hat – meiner Meinung nach verständlicherweise – Angst vor ihrem Hund und Sorge, dass sich so ein Vorfall wiederholen könnte. Deshalb möchte sie erst nochmal darüber nachdenken, ob sie ihn nicht doch lieber einschläfern lässt.

M. schreibt dazu: Sollen die doch die Frau einschläfern.

Während dessen bringen sich in den sozialen Netzwerken die jeweils religiös-fundamentalistischen Hundeerziehungsexperten in Stellung.

Herr S. vertritt die Meinung, dass Hasso „nur mal richtig einen auf die Mütze braucht“.

Frau S. (nicht verwandt, vermutlich nicht verschwägert) hat gleich eine ganze Reihe Tipps zum Thema Desensibilisierung und Gegenkonditionierung parat.

Zu diesem Zeitpunkt sitzt Hasso noch im Tierheim und ausser den Mitarbeitern, seiner Besitzerin und mir  hat ihn noch niemand zu Gesicht bekommen – dennoch scheinen ihn einige schon persönlich zu kennen.

Selbstverständlich dürfen auch Mutmaßungen dahingehend, welche/r Hundetrainer/in an Hassos Schicksal beteiligt war, nicht fehlen, so dass sich in einer Facebook-Gruppe ein eigener Thread mit ihm befasst – inklusive Verhaltenseinschätzungen, Ratschlägen, Verhaltenskastrationsforderungen und „Wenn ich was zu sagen hätte“-Kommentaren.

Vermutlich sind sie nachts heimlich ins Tierheim eingestiegen und haben ihn ihrerseits eingeschätzt.

Außerdem finden sich die ersten „Wenn ich nicht schon zwei hätte“-Interessenten, die Hasso ja auf der Stelle ein Zuhause geben würde, wenn nicht … (bitte ausfüllen).

Am Abend schreibt O: Ist das nicht frustrierend? 

Ja, aber nicht in dem Sinne.

Leben mit Bosse

In einem früheren Leben muss ich mal ein widerlicher Despot gewesen sein. Vermutlich habe ich ein kleines Land und meine Untertanen unterjocht, so wie man es heute nur noch bei prominenten Ziegenliebhabern vermutet.

Anders kann ich mir jedenfalls nicht erklären, warum ich einen Hund wie Tacker habe, er muss so etwas wie eine verdiente Strafe für längst vergangene Grausamkeiten meinerseits sein.

Nichts desto trotz dachte ich mir vor einigen Monaten, dass die drei mir verbliebenen Hunde doch ein bisschen wenig wären. Und so reifte in mir der Gedanke, mir wieder einen vierten Hund anzuschaffen.

Diesmal hatte ich ganz klare Vorstellungen davon, wie der Neue sein soll: Nett, verträglich, unkompliziert – und vor allem kein Hütehund!

Und so kam es, dass ich eines Tages auf „Bosse“ stieß, der zurück ins Tierheim gekommen war, weil er wohl mit dem Kleinkind der Familie nicht klar kam.

Super, dachte ich mir. Mit Kleinkindern komme ich auch nicht klar, also gehste mal eine Runde mit ihm laufen und guckst, wie er mit dem Rest der Bande klarkommt.

Auf dem ersten Blick stellte sich Bosse als außerordentlich sympathisch dar. Gut, er war in etwa so leinenführig wie ein Ochse, den man vor den Karren gespannt hatte, aber dafür war er wirklich sehr nett im Umgang mit meinen Hunden und abgesehen davon: Ein Husky-Mix, der an der Leine zieht, so eine Überraschung.

Nett mit Hunden stellte sich dann folgendermaßen dar:

Bosse trifft auf Tacker, gegenseitige Ano-Genitalkontrolle, man ergibt sich in wildes Rennspiel. Soweit alles im grünen Bereich und genau das, was ich gesucht hatte. Nämlich ein Hund, der nicht auf die Idee käme, sein Gegenüber zu hüten.

Nach ungefähr zwei Minuten kam Bosse dann auf die Idee, dass man dem einkopfkleineren Hütitüti mal zeigen könnte, wie so ein Husky-Teil imponieren kann.

Keine besonders gute Idee, und in diesem Moment hätte ich stutzig werden müssen.

Bosse versucht also ein „T“ zu buchstabieren, legt den Kopf auf das Tackerchen – und findet sich ungefähr zwei Sekunden später in Rückenlage im Dreck wieder.

Naja, so sind sie halt, denke ich mir, während Bosse etwas verwirrt dreinschaut und sich schließlich übergeben muss.

Seitdem habe ich wieder vier Hunde, die ich mein Eigen nenne.

Toll.

Bosse ist tatsächlich weitestgehend das, was ich gesucht habe.

Sehr gut verträglich mit allen Hunden und sehr nett zu Menschen, die größer als ein Meter sind – nur mit der Unkompliziertheit, das hatte ich mir etwas anders vorgestellt.

Denn, besonders kompliziert darf es für meinen neuen Hund wirklich nicht werden. Kurz: Wäre Bosse ein Mensch, dann wäre er ein Kevin.

Bosse ist der einzige Hund, den ich jemals kennengelernt habe, der zweimal hintereinander den selben Weidezaun markiert, der sich jedes Mal aufs Neue wundert, dass er nach ein paar Metern in der Ostsee nicht mehr stehen kann und der auch nach nunmehr sechs Monaten ratlos auf der falschen Seite der Tür steht, die ich jeden Morgen öffne.

Kurz gesagt, Bosse ist nicht besonders klug.

Oder anders gesagt: Bosse ist jetzt nicht dumm, er hat nur Pech beim denken …

Dafür ist er außerordentlich hübsch. Als die Schönheit verteilt wurde, hat Bosse zweimal aufgezeigt. Als dann die Intelligenz dran kam, war Bosse vermutlich schon damit beschäftigt, sein Spiegelbild anzukläffen.

Über solche Dinge wie Erziehung brauche ich mir bei Bosse keine Gedanken zu machen. Jeder Kognitionsforscher würde seinen Job aufgeben, wenn er nur mit Hunden wie meinem Husky-Mix konfrontiert wäre.

Also sehe ich zu, dass ich immer eine Handvoll Leckerchen dabei habe, dann klappt das mit Bosse und mir ganz gut. Wenn ich ihn rufe, kommt er hochmotiviert in meine Richtung gelaufen, allerdings sollte keine zweite Person dabei sein, weil ihn das überfordert. Auch kann es passieren, dass er freudestrahlend an mir vorbeirennt, um dann – als wenn ihm etwas eingefallen wäre – scharf zu bremsen, um schließlich bei mir zu landen.

Bosse kann Sitz und Platz – und beides sogar auf Distanz. Die sollte allerdings nicht zu groß sein, den im Normalfall muss ich ihn dort abholen.

Der Husky in ihm macht Bosse zu einem ambitionierten, aber vom Pech verfolgten Jäger. Als er mal einem Kaninchen hinterhergerannt ist, traf er zielstrebig den einzigen Baum im Weg. Ich muss an dieser Stelle nicht erwähnen, dass er deswegen noch lange keine Erkenntnis bezüglich Kaninchen oder gar Bäume hätte.

Auch wenn Bosse nicht die hellste Kerze auf der Torte ist, mit seinem Charme macht er alles wieder gut. Es macht unglaublichen Spaß, ihn im Spiel mit den Hütehunden zu sehen (so lange kein Baum im Weg steht) und wie vorsichtig und freundlich er mit Menschen umgeht.

Solche Hunde wie Bosse braucht man viel häufiger: Macht auf dem ersten Blick eine Menge her, ist aber freundlich und sozial. Und bis die anderen gemerkt haben, dass er wirklich nicht besonders schlau ist, hat man die Hundewiese längst verlassen.

Good Boy!

 

Nur die Guten

An anderer Stelle habe ich es schonmal aufgeschrieben. Die Gründe, sich einen Hund anzuschaffen, sind sicherlich mannigfaltig, aber kein Mensch schafft sich einen Hund an, um sich ein dauerhaftes Problem aufzuladen.

Selbst solche Hundebesitzer, die einen wahren „Problemhund“ aufnehmen, tun dies mit dem Ziel, das Problem zu lösen und nicht aus dem Gedanken heraus, nie wieder Besuch empfangen zu können oder die nächsten 10 Jahre aufpassen zu müssen wie ein Schliesser.

Noch vor 50 Jahren gab es keine Hundetrainer und wäre jemand 1960 auf die Idee gekommen, eine Hundeschule zu eröffnen und Geld für Beratung in Sachen Erziehung und Beschäftigung des Hundes zu nehmen, wäre der- oder diejenige mit hoher Wahrscheinlichkeit schnell bankrott gegangen.

Klar, auch vor 50 Jahren gab es Hunde, die gebissen, Wild gehetzt und an der Leine gezogen haben. Und sicherlich ist es so, dass Hundebesitzer heute auf Grund von Rasselisten, Hundegesetzen und Co. wesentlich sensibler sind, was das Verhalten ihrer Vierbeiner angeht.

Ebenso klar ist, dass Hunde heute eine ganz andere soziale Rolle in unseren Leben spielen als noch vor ein paar Jahrzehnten. Und ja, wir treffen heute in Familien auf Hundetypen, die noch vor garnicht langer Zeit Schäfern, Jägern oder Polizisten vorbehalten waren.

Doch sollen das die Ursachen dafür sein, warum so viele Menschen heute mit einem Tier überfordert sind, dass uns – je nach Schätzung – schon über 30.000 Jahre oder gar länger begleitet?

Wer sich heute einen Hund anschaffen möchte oder ein Problem mit dem vorhandenen Vierbeiner hat, der informiert sich in aller Regel – und die Liste der Ratgeber ist so lang wie die Ratschläge unterschiedlich sind.

Während die Tierschützerin sehr gute Argumente dafür hat, einem Hund aus dem Tierheim ein Zuhause zu geben, hat der VDH ebenso gute Argumente, sich lieber für einen Welpen vom Züchter zu entscheiden.

Und die Frage, was für einer es denn sein soll, ist noch garnicht beantwortet.

Es gibt in Sachen Hund jede Menge Themen, über die gestritten wird. Angefangen bei der Gesunderhaltung über das Futter bis hin zum richtigen Zubehör, der Beschäftigung und natürlich der Erziehung.

Zwischen all diesen unterschiedlichen Positionen steht ein Mensch, der eigentlich „nur“ einen Hund haben will, diesen – man kann es deutlich so sagen – von Herzen liebt und nur das beste für ihn will.

Wenn es mit dem besten Freund nicht so klappt wie gewünscht, spielen Emotionen wie das Gefühl von Scheitern, das Zweifeln an der eigenen Fähigkeit und das schlechte Gewissen eine riesengroße Rolle.

Die eigene Wahrnehmung verzerrt sich dahingehend, dass man nur noch wohlerzogene, nette Hunde sieht, die scheinbar nichts aus der Ruhe bringen kann, während der eigene Hund vielleicht an der Leine ausflippt, als fände gerade eine Alieninvasion statt.

Also sucht man Hilfe.

Und schon stehen sie wieder parat – all die Ratgeber im Internet, die Experten in Funk und Fernsehen mit der einzig richtigen Lösung und die mitleidig kopfschüttelnden Nachbarn mit den entscheidenen Tipp.

Im Versuch, alles richtig zu machen, gehen schlimmstenfalls Bauchgefühl und gesunder Menschenverstand und der Mensch verliert sich selbst und das eigentliche Problem auf der Suche nach Lösungen aus dem Auge.

In einem anderen Text habe ich mal etwas ketzerisch geschrieben, dass Altruismus nicht funktioniert und Menschen in den allermeisten Fällen eigene Ziele verfolgen, auch wenn sie vordergründig erstmal gutes tun.

Um zu verhindern, in der Flut der Informationen zu ertrinken, kann es daher hilfreich sein, mal zu hinterfragen, welches Ziel diejenigen verfolgen, die einen mit Ratschlägen versorgen.

Die nette Verkäuferin im Zoofachgeschäft empfiehlt auch deshalb das „Premium“-Hundefutter der Eigenmarke, weil sie dafür eine Provision bekommt. Dem Fernsehsender geht es darum, Werbeminuten zu verkaufen und nicht, den Zuschauer mit Erziehungstipps zu versorgen. Und der Hundetrainer – und zu denen gehöre ich ja auch – wäre ohne die Probleme, die Menschen mit ihren Hunden haben, schlicht arbeitslos und könnte sich einen anderen Job suchen.

Doch auch die Menschen, die vermeintlich uneigennützlich bei Facebook und sonstwo ihre Meinung äußern, ziehen natürlich einen Nutzen aus ihrem Handeln.

Wer sich zum Beispiel besonders intensiv mit der Fütterung seines Hundes beschäftigt, erhöht die eigene Person bewusst oder unbewusst moralisch gegenüber denen, die schnödes Trockenfutter kaufen.

Das eigene Handeln macht einen zum besseren Menschen und die Tatsache, dass andere scheitern bestätigt einen darin, dass man schon immer gewusst hat, wo der Hase lang läuft.

Die im sozialen Netzwerk propagierte Erziehungsmethode bestätigt einen darin, dass man über Expertise verfügt, die andere nicht haben. Und der Bestätigungsfehler unterstützt uns in der Annahme, dass das, was wir für richtig halten auch richtig ist.

Das ist nur menschlich. Wir sind nicht perfekt, wir sind nicht mal nahe dran.

Doch mittendrin steht ein Mensch mit seinem Hund, der nur das beste will. Umgeben von unzähligen Ratgebern, die mehr oder weniger offensichtlich eigene Ziele verfolgen, die oft nichts oder nur wenig damit zu tun haben, tatsächlich zu helfen.

Es stünde uns allen – mich eingeschlossen – gut, wenn wir uns beim dringenden Impuls, einen Ratschlag geben zu müssen, öfter mal zurückhalten würden. Wenn wir uns darauf beschränken würden, Fragen zu beantworten anstatt neue aufzuwerfen, nur um uns darüber aufzuwerten.

Überhaupt sollten wir nicht vergessen, dass unsere Idee davon, wie Hunde gehalten werden sollten, eine regional sehr begrenzte westeuropäische ist, die sich nur auf Grund unseres Wohlstandes und mangels wirklich existentieller Probleme verbreiten konnte.

Unsere Vorstellungen von einem Hundeleben anderen aufzuzwingen ist ganz schön arrogant – und mit Blick auf die Lebensrealität anderer Menschen in anderen Ländern auch ziemlich aus der Wirklichkeit gerissen.

Die von mir hochgeschätzte Dorit Feddersen-Petersen sagte mir mal , dass zwei kritische Fragen meistens weiterhelfen: „Wo haben Sie das her? Und können Sie das belegen?“

 

 

Eine unbequeme Wahrheit

Es gibt Dinge, die – sagen wir mal – etwas merkwürdig anmuten, wenn man sich mit ihnen ein wenig intensiver beschäftigt. Eines davon ist das Tierschutzgesetz.

Im §1 steht geschrieben, dass „niemand (…) einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“ darf. Das ist erst mal gut und richtig.

Aber was ist ein vernünftiger Grund?

Jedes Mal, wenn eine Novellierung des Gesetzes ansteht, bringen sich verschiedene Gruppen in Position, um ihre jeweiligen Interessen in die Gesetzgebung einfliessen zu lassen. Dann gibt es Petitionen und Aufrufe und jede Menge Arbeit für die Lobbyisten.

Wie das dann aussieht, erkennt man am besten an den Forderungen, die es nicht ins die Neufassung schaffen.

Ein paar Beispiele:

Als es das letzte Mal darum ging, den Tieren etwas vermeintlich gutes zu tun, kämpfte der Deutsche Tierschutzbund dafür, das Ferkel nicht mehr ohne Betäubung kastriert werden dürfen und startete eine große Kampagne, um dieses Ziel zu erreichen.

Die Resonanz darauf war eher sparsam, insbesondere, wenn man den Erfolg der Kampagne mit anderen Petitionen vergleicht. So kam der Deutsche Tierschutzbund bei Openpetition nur auf einen Bruchteil der Unterschriften, die die Initiative erreicht hatte, die sich für ein Verbot von sexuellen Handlungen mit Tieren einsetzte.

Auch die Forderung, das Brandmarken von Pferden zu verbieten, wurde in der Neufassung des Gesetzes nicht berücksichtigt. Tradition und so. Und überhaupt, wie sähe das denn aus, ein Pferd mit Ohrmarke?

Nun fände ich persönlich – aber das ist vielleicht so ein Männerding – es außerordentlich sinnvoll, das Ferkelchen zu betäuben, bevor man ihm die Eier abklemmt. Und auch wenn dem einen oder anderen Reiter der Gedanke nicht gefällt, für die Kennzeichnung von Pferden gibt es weit weniger schmerzhafte Möglichkeiten, sie identifizierbar zu machen, ohne ihnen gleich die Initialen auf den Arsch zu brennen.

Wenn man sich mal die Mühe macht und versucht, das ganze emotionale Gewäsch bei Seite zu lassen, wird einem relativ schnell klar, der „vernünftige Grund“, warum die Ferkel auch weiter betäubungslos kastriert werden, schlicht und ergreifend der ist, dass die Betäubung Geld kostet.

Geld, welches die „Erzeuger“ nicht haben angesichts der Tatsache, dass unsereins sein Schweinefleisch für 1,99 das Kilo kaufen möchte.

Und der Grund, warum 20.000 Leute für die Schweine voten und 150.000 Leute gegen Sex mit Tieren, ist auch schnell erklärt: Die einen Tiere werden gefüttert, die anderen werden verfüttert.

Und so stelle ich mir bildlich vor, wie ein paar politisch Verantwortliche am runden Tisch sitzen und darüber diskutieren, wie das nächste Tierschutzgesetz aussehen soll:

„Wenn wir das mit den Ferkeln aufnehmen, kriegen wir Ärger mit den Bauern. Das kostet Wählerstimmen“

„Stimmt“.

„Lass uns doch die Nummer mit dem Sex reinnehmen. Kostet nix und die Tierschützer glauben, sie hätten Erfolg.“

„Gute Idee, und von den Z***genf***ckern kommt bestimmt keiner auf die Idee, sich zu beschweren.“

Gesagt, getan.

Tierschützer feiern ihren Erfolg, während die Bauern die Kohle und die Politiker den Ärger sparen.

Besonders merkwürdig werden unsere Gesetze, wenn sie mit anderen Interessen kollidieren. Wie dem Recht auf freien Handel zum Beispiel.

Im Falle der Straßenverkehrsordnung ist es so, dass die Benutzung von so genannten „Radarwarnern“ zwar verboten ist, man diese Teile aber überall kaufen kann.

Im Tierschutzgesetz ist geregelt, dass der Einsatz von Telereizgeräten verboten ist. Auch diese Teile kann am an jeder Ecke kaufen. Jemand, der mit den Dingern handelt, hat mir mal erzählt, dass er jede Woche ein paar Dutzend davon verhökert.

Natürlich nur so als Partygag oder für die Verwirklichung sadomasochistischer Phantasien. Nicht.

Hier komme ich als Hundetrainer dann in meine persönliche, kleine Zwickmühle.

Immer wieder mal kommen Menschen auf mich zu, die ihrem jagenden Hund diese schlechte Angewohnheit abgewöhnen möchten und sich zu diesem Zweck so ein Gerät gekauft haben.

Gemäß Tierschutzgesetz verliere ich meinen Job, wenn ich nun mit ihnen trainieren würde.

Schön und gut, also schicke ich die Leute nach Hause mit dem Hinweis, dass ich ihnen nicht helfen darf und dass der Einsatz der Dinger verboten ist.

Das Blöde daran ist nur, dass vermutlich die wenigsten Hundehalter das Halsband in der Folge zusammen mit einem bösen Brief zurück an den Händler schicken oder es für immer und alle Zeiten in den Keller verbannen.

Also werden sie dann eben ohne zu wissen, was sie tun, versuchen, ihr Problem mittels Knopfdruck zu lösen. Sowas endet dann oft richtig gruselig, vor allem, wenn die Menschen dann auf die Idee kommen, dass das, was beim Jagen (zufällig) funktioniert hat, dann bestimmt auch bei Sitz, Platz und Fuss klappt.

Es gibt immer irgendeinen Nachbarn, Experten auf der Hundewiese oder Bekannten, der vermeintlich weiss, was zu tun ist. Dabei ist die Arbeit mit so einem Teil alles andere als einfach und „mal eben“.

Vor einigen Jahren habe ich mal eine Hundehalterin gesehen, die ihrem Hund ein Teletakt als „Motivator“ umgeschnallt hatte, damit er im Agility schneller rennt, wenn er im Nacken eine gebretzelt bekommt …

Mit den Hilfsmitteln in der Hundeerziehung ist es wie mit vielen anderen Dingen auch. Mit einem Messer kann ich ein Brötchen schneiden, ich kann aber auch jemanden damit umbringen.

Bestimmte Dinge gehören sich einfach nicht, egal ob sie verboten sind oder nicht. Mangelnde Sachkenntnis und vor allem die Faulheit mancher Hundebesitzer sind die Hauptgründe, warum im übertragendem Sinne aus Messern Tatwerkzeuge werden.

Das gilt für Trainingsdics und Wurfketten heute genauso wie vor ein paar Jahren für die Teletakts.

Das war übrigens ursprünglich sogar mal eine Tierschutzmaßnahme. Ein pfiffiger Jäger, der später einen großen Haustierzubehörversand gründete, hatte es in den 1950er Jahren satt, seine Jagdhunde mittels „Strafschuß“ aus der Hatz zu unterbrechen, weil immer wieder Hunde durch die Schrotladung schwer verletzt wurden.

Also entwickelte er dieses Gerät, um seinen Hunden dies zu ersparen.

Bis zum Verbot dieser Teile fand man sie dann auf vielen Hundeplätzen weit ausserhalb ihrer ursprünglichen Verwendung. Da wurden Hunde in die Unterordnung gestromt, weil die Menschen, wie bereits erwähnt, schlicht zu faul waren, vernünftig zu trainieren.

Und faul, das sind viele auch heute noch. Verbot hin oder her.

Aber es gibt halt auch einige Menschen, die nicht zu faul sind, sondern Hilfe bei der Lösung eines Problems suchen und die ich nach Hause schicke.

Wohl wissend, dass sie dann im stillen Kämmerlein mit einem Gerät hantieren, das – falsch eingesetzt – tatsächlich jede Menge Schaden anrichtet.

Im Idealfall würde man die Hundehalter vernünftig beraten und so dafür sorgen können, dass das Telexakt ggf. gar nicht erst zum Einsatz kommt und wenn doch, dann so, dass keine unnötigen Schmerzen, Leiden oder Schäden entstehen.

Also frage ich mich, ob „der vernünftige Grund“ dafür, Menschen dabei anzuleiten, ihren Hund mit Strom zu arbeiten, nicht der ist, wesentlich erheblichere – mangels Kenntnis – hinzugefügte „Schmerzen, Leiden oder Schäden“ zu verhindern?

Diese Frage habe ich übrigens auch meinem zuständigen Veterinäramt weitergeleitet. Bin mal gespannt.

 

Die Schwierigkeit ist das Problem

Der Termin zieht sich. Normalerweise komme ich mit der geplanten Stunde ganz gut hin, doch meine Kundin stellt sich als außerordentlich schwierig dar.

Bisher konnte ich kaum etwas dahingehend herausfinden, warum ich eigentlich hier bin.

Dafür jede Menge privates, nein, intimes über sie, über ihr Leben und sich ständig wiederholende, sehr persönliche Fragen an mich, die ich jedoch nicht beantworte.

Der Hund kommt nur am Rande vor und ich merke, ich bin nicht hier, um sie bei einem Erziehungsproblem zu beraten.

Vielmehr nutzt sie das Tier als Vorwand, um sich jemanden anzuvertrauen.

Sie ist tieftraurig, einsam und sie hat ernsthafte Probleme.

Und in ihrer tieftraurigen Einsamkeit vertraut sie mir Dinge an, die mich nichts angehen und bei denen ich ihr nicht helfen kann und will. Schlimme Dinge, ganz schlimme Dinge.

Ich bin Hundetrainer, kein Therapeut. Ich bin hier falsch.

Also schlage ich vor, dass wir mit dem Hund rausgehen. Frische Luft täte mir jetzt nämlich gut, außerdem mag ich das Gefühl nicht, mit ihr in ihren Räumen zu sein. Ich bereite meinen Abgang vor.

Also leint sie ihren Hund an und wir gehen auf die Straße.

Ich starte einen weiteren Versuch und frage sie, welches Problem sie mit ihrem Hund hat. Sie weicht aus, erzählt aus ihrer Vergangenheit, nun weiche ich aus und versuche, beim Hund zu bleiben.

Nach schier unendlich erscheinenden Eineinhalb Stunden entschließe ich mich, den Termin abzubrechen.

Es tut mir leid, aber ich glaube, nein, ich weiß, ich kann Dir nicht helfen.

Innerlich brülle ich sie an: „Mensch, such Dir professionelle Hilfe. Und wenn wir schon dabei sind, bitte bring dich nicht um, wenn ich gefahren bin.“

Aber ich spreche es nicht aus.

Vielmehr gebe ich ihr ein paar Erziehungstipps und schlage vor, dass sie mich anruft, wenn sie weiter trainieren möchte.

Ich weiß, dass sie das nicht tun wird, aber so gebe ich ihr immerhin eine Option und lasse sie nicht komplett verlassen zurück. Dabei hätte ich ein schlechtes Gefühl.

Sie macht einen ziemlich labilen Eindruck.

Auf dem Weg zurück stelle ich fest, dass ich mir nicht mal den Namen des Hundes gemerkt habe.

Dafür ihre höchstprivate Geschichte, die ich eigentlich gar nicht wissen wollte.

Ich hole mir bei „Junge“ einen Kaffee, sitze im Auto und höre Nachrichten.

Es ist ein merkwürdiges Gefühl. Da vertraut sich dir jemand völlig unbekanntes, jemand, den du nie vorher gesehen hast, plötzlich mit intimsten Details aus seinem Leben und traumatischsten Erlebnissen an.

Damit umzugehen, vor allem, sich nicht einnehmen zu lassen, ist eine riesige Herausforderung.

Nicht wenige fühlen sich geschmeichelt ob des vermeintlich entgegengebrachten Vertrauens und nicht wenige versuchen – weit außerhalb ihres eigentlichen Betätigungsfeldes – zu helfen.

Was unter Umständen fatal enden kann.

Nicht ohne Grund dauert eine fundierte therapeutische Ausbildung Jahre und selbst dann braucht es jede Menge Praxis, um komplexe psychische Probleme behandeln zu können.

In der Arbeit mit bissigen Hunden sage ich immer, dass wir am Auslöser arbeiten sollten und nicht mit dem Auslöser. Selbiges gilt für die Arbeit mit Menschen.

Glücklicherweise habe ich noch weitere Termine an diesem Tag, bei denen es um leinenpöbelnde, jagende oder schlicht unerzogene Hunde geht.

Trotzdem kaue ich am Abend noch lange am Gehörten rum.

Während meines Studiums war oft von Abgrenzung und Selbstschutz in der Arbeit mit Klienten die Rede.

Mit einer der Gründe, warum ich nie in dem Bereich gearbeitet habe war, dass ich genau mit diesem Thema so meine Probleme hatte, als ich noch jünger war.

Während eines Praktikums in einer Einrichtung für obdachlose Jugendliche hatte ich nichts besseres zu tun, als genau diese bei mir unterzubringen. Eine vermeintlich  „gute Tat“, die mich einen Fernseher und zwei Handys kostete. Dafür aber die Erkenntnis einbrachte, dass das mit der Abgrenzung doch eine gute Sache ist.

In Zeiten, in denen Hunde eine immer wichtigere Rolle im Leben ihrer Menschen spielen, werden wir als Hundetrainer immer öfter mit komplexen Problemen konfrontiert, die nichts mit Erziehung- oder Beziehungsproblemen zwischen Mensch und Hund zu tun haben.

Kein Wunder, dass es mittlerweile eine Fortbildung für Hundetrainer mit dem Titel „Häufige psychische Erkrankungen bei Kunden“ gibt.

Vor einigen Jahren fand ich mich übrigens schon einmal in einer Situation wieder, die mich lange nicht losließ.

Damals war ein Kind im Spiel, die völlig überforderte Mutter derart verwirrt, dass ein Gespräch nicht möglich war. Die Wohnung in einem Zustand, der für Mensch und Tier nicht haltbar war.

Im Anschluss an dieses Debakel rief ich nach einigem Zögern beim Jugendamt an und schilderte die Situation.

Ich wollte ob des Gesehenen nicht diejenige oder gar eine weitere Person sein, die tatenlos zusah wie die kleine Familie verwahrloste.

Was daraus wurde? Ich weiß es nicht.

Und ich bin auch froh darüber, wenn ich ehrlich bin.

 

Von Unhunden

Barendorf ist schön. Das kleine Dörfchen besteht fast ausschließlich aus Ferienhäusern, so dass es außerhalb der Saison so gut wie ausgestorben ist.

Ein perfekter Ort also, um die Seele baumeln zu lassen und den Hund einfach mal einen guten Mann sein zu lassen. Kein Wunder, dass ich den Winter über nahezu täglich hier war.

Neulich dachte ich mir, ich nutz die Gelegenheit, dass die Saison noch nicht eröffnet und so alle Strände auch Hunde frei zugänglich sind, und verbringe einen entspannten Nachmittag an der Ostsee.

Blöderweise war ich nicht der Einzige, der die ruhige Umgebung nutzen wollte.

Während ich da so vor mich hin lief und meine Hunde sich derweil amüsierten, bekamen wir plötzlich Besuch. Ein großer dicker Hund mit Schlappohren (ich will nicht ständig dieses Labbi-Klischee bedienen) kam von hinten angewalzt und wollte ausgerechnet Tacker „Guten Tag“ sagen, in dem er ihm die Nase in den Hintern rammte.

Experten sprechen hier von Ano-Genital-Kontrolle, in diesem speziellen Fall war es eher eine proktologische Untersuchung. Des Proktologen Frauchen stellte sich derweil als kleiner, hektisch auf und ab hüpfender Punkt am Horizont dar, der langsam – aber ganz langsam – näher kam.

In solchen Fällen haben meine Hunde und ich eine arbeitsorganisatorische Rollenverteilung erarbeitet:

  1. Wir reissen uns zusammen und ignorieren den Störenfreak, bis er sich trollt.
  2. Kommt er wieder, bin ich derjenige, der ihm zu verstehen gibt, dass er gerade unsere Individualdistanz unterschreitet. Zwar bin ich dabei nicht annähernd so beeindruckend wie meine Bande, aber dafür mache ich ihm auch keine Löcher in den Pelz! Und im Normalfall reicht das, um direkt zu Punkt 5. weiterzugehen.
  3. Im dritten Wiederholungsfall nutze ich all meine mir zur Verfügung stehende Stimmgewalt und informiere den am Horizont auf und ab hüpfenden Punkt darüber, dass er exakt drei Sekunden Zeit hat, seinen Hund einzufangen, wenn er seinem kleinen Liebling unendliche Schmerzen, Qualen und Leiden ersparen möchte. So ganz unter uns, das Tackerchen ist zwar sehr beeindruckend, wenn es auf Boden-Boden-Raketenmodus umschaltet, aber dafür äußerst klar und fair im Umgang mit seinem Opfer. Aber das weiß ja der besagte hysterische Punkt ja nicht und ein bisschen Motivation hilft immer.
  4. Wenn all das nicht fruchtet, darf das Tackerchen seines Amtes walten und dem „Tutnix“ ein Lerngeschenk bereiten.
  5. Man kann übrigens durchaus lernen, sich der Gestalt darzustellen, dass das menschliche Gegenüber nicht auf die Idee kommt, loszupoltern und mit Tierschutz, Polizei, NSA oder den imperialistischen Truppen zu drohen, sondern seine Fellnase zu nehmen und das Feld zu räumen.

Eigentlich könnte ich mir diesen ganzen Aufwand auch einfach sparen. Dann käme der besagte Hund, rammt Tackerchen die Nase in den Poppes, die beiden hauen sich nach alter Kneipenschlägermanier und der DBHmS (dicker, brauner Hund mit Schlappohren) trollt sich. Das wäre artgerecht, einfach und wesentlich entspannter.

Doch so läuft das nicht. Voraussetzung hierfür wäre erstmal, dass auch der DBHmS weiß, wie man kultiviert streitet. Die Wahrscheinlichkeit, dass dem so ist, tendiert jedoch stark gegen Null.

Selbst wenn sein Punkt am Horizont sehr engagiert und ambitioniert ist, die meisten Hunde haben in der Wurfkiste das letzte Mal artgerecht kommuniziert.

Wo finden sich denn heute noch Welpengruppen, in denen die lieben Kleinen sich auch mal prügeln dürfen, ohne, dass die Hälfte der Besitzer in Schnappatmung und hysterische Anfälle verfallen?

In der Regel wird jegliche Form von aggressiver Kommunikation sofort unterbunden. Hier geht es um Harmonie, um Bällebäder, Spielen (aber bitte nicht so wild) und man freut sich einen Keks, wenn der kleine Scheißer kommt, nachdem man „hiiiieeerr <3“ geflötet hat.

Die guten Hundetrainer in Welpengruppen erinnern ein wenig an Don Quichotte und seinen Kampf gegen Windmühlen. Es gibt kaum einen härteren Job in diesem Business! Hund beißt? Jagt? Ist phobisch? Pffft. Das ist nichts gegen die Sisyphusarbeit mit Welpenbesitzern.

  • Als allererstes muss die Trainerin oder der Trainer in der Lage sein, die Rasse des kleinen Fellknäuels exakt zu identifizieren. Wehe, man liegt daneben und hält den originalen Chodský pes versehentlich für einen Altdeutschen Hütehund oder noch schlimmer: für einen Mischling … Na gute Nacht.
  • Dann muss es dem Trainer oder der Trainerin irgendwie gelingen, in das Oxytozin-geschwängerte Hirn des frischgebackenen Hundebesitzers vorzustossen. Nahezu unmöglich! Gestandene Männer stehen verzückt kichernd, berauscht vom Kindchenschema und unter dem Eindruck von Milcheinschuss auf dem Hundeplatz und dann soll man denen erklären, dass die süße Luna als kaukasischer Owtscharka gegebenenfalls nicht ganz einfach in der Erziehung werden könnte. Vergiss es!

Und so wachsen Paul, Luna und Co. auf. Auf die Welpengruppe folgt die Junghundegruppe und mitten in der Pubertät wundern sich die Besitzer, warum all das nicht so richtig fruchten will und der heißbeliebte Köter trotzdem seiner Wege geht und nicht gelernt hat, wie man freundlich Kontakt aufnimmt.

Denn mittlerweile läuft man ohne Leine durchs Auslaufgebiet. Verrückt, die allermeisten Welpen tappsen ihren Menschen hinterher, werden jedoch angeleint.

Erst, wenn das Mäuschen endlich in das Alter kommt, in dem es sich explorativ verhält, wie man „den Besitzer die Mittelkralle zeigen“ romantisch ausdrückt, wird die Leine abgemacht.

Um Homer Simpson zu zitieren. Das ist K.L.U.K.!

Aber auch der mittelkrallezeigende Junghund, der die Welt erkundet, verhält sich normal. Der 19-jährige Autofahrer, der gerade die Bundesstraße entlang rast, allerdings auch. Und da kollidieren unter Umständen zwei Interessenlagen im wahrsten Sinne des Wortes.

Wenn ich mich nicht irre, war es Hellmuth Wachtel, der mal gesagt hat, dass wir nur alle Hunde vor die Tür setzen müssten und nach wenigen Jahren nur noch solche Hunde hätten, die zu uns passen. Nur müssten wir emotional in der Lage sein, diese Form der natürlichen Selektion zu ertragen.

Als ich neulich im Kindergarten des Internets eine Diskussion darüber verfolgte, ob Notfelle, insbesondere solche, die bei Nacht aus brennenden Tötungsstationen gerettet wurden, denn in unser Leben passen oder nicht, bin ich zu dem Schluß gekommen, dass kein Hund in unser Leben passt.

Vielmehr haben wir eine Vorstellung davon, wie Hunde sich verhalten sollten, ohne dass wir darüber nachdenken, in welche Bereiche ihres Verhaltens wir eigentlich so eingreifen.

Erik Zimen war es, der das folgende Ethogramm des des Wolfes definiert hat. Und da Wölfe und Hunde ja bekanntlich verwandt sind, zeigt ein Blick darauf ziemlich deutlich, was ich meine, wenn ich schreibe, dass wir es mit Unhunden zu tun haben:

  • A) Allgemeine Bewegungsformen
    Die Bewegung unserer Hunde ist stark eingeschränkt, sei es weil sie an der Leine laufen müssen oder weil wir nicht möchten, dass sich sich aus unserem Blickfeld entfernen.
  • B) Ruhe und Schlaf
    Hätten unsere Hunde die Wahl, würden sie wohl kaum in der Kudde in der Ecke des Wohnzimmers schlafen, sondern sich einen erhöhten Platz suchen, von dem aus sie einen guten Überblick haben.
  • C) Orientierungsverhalten
    • 1. Nahorientierung
    • 2. Fernorientierung
      Nahorientierung gerne, aber bitte hin zum Menschen oder wenigstens zum Futterbeutel. Mit der Fernorientierung sieht es schon anders aus, vor allem, wenn Ungemach am Horizont auftaucht. Dann wird getanzt, gequietscht, gebodyblockt.
  • D) Verhalten des Schutzes und der Verteidigung
    Auch das Vertreiben des Postboten gehört zum Normalverhalten, möchtet Du Deinem Hund eine tolle Kooperation anbieten, dann verscheuche doch mal mit ihm den Typen von der GEZ oder ein paar Zeugen Jehovas. Und das Dein Hund Dir beherzt in die Finger beißt, wenn Du was von ihm möchtest, ist auch erstmal normal. Wenn auch schmerzhaft.
  • E) Stoffwechselbedingtes Verhalten
    • 1. Nahrungserwerb
      Unsere Hunde dürfen nicht jagen. Verrückt, denn sie sind Beutegreifer.
    • 2. Nahrungsaufnahme
      „Schon Wahnsinn, dass es für ein Lebewesen, das ohne zu Zögern und voller Freude menschliche Scheiße, Kotze oder angeweste Fische verschlingt, Futter in hunderten Geschmacksrichtungen gibt.“
      Merkwürdig, dass eben die drei genannten nicht darunter sind.
    • 3. Transport und Speicherung von Nahrung
      Die meisten finden es nicht so witzig, nach einigen Wochen den Grund für den merkwürdigen Geruch im Haus zu finden.
    • 4. Erbrechen von Futter
      Ab zum Tierarzt!
    • 5. Defäkieren und Urinieren
      Das der Hund nicht ins Haus pinkeln sollte, ist klar. Aber er darf auch nicht in Nachbars Garten, den Spielplatz oder – etwas Intelligenzleistung vorausgesetzt – auf Weiden oder Felder kacken. Man könnte seinem Hund übrigens  beibringen, sein Business abseits davon zu erledigen. Hätte den Vorteil, dass man jede Menge Plastikmüll spart. Es gibt nichts ärgerlicheres als gefüllte Hundekotbeutel, die mangels zur Verfügung gestellter Mülltonnen in der Landschaft entsorgt werden und dort hunderte Jahre vor sich hin rotten.
  • F) Komfortverhalten
    Der Rüde, der sich im Restaurant ausgiebig die Eier leckt, ist schon von jeher Frauchens ganzer Stolz.
  • G) Soziales Verhalten
    • 1. Ausdrucksverhalten
      Ja, aber bitte nur die Netten! Jegliches aggressives Ausdrucksverhalten sei bitte zu unterlassen!
    • 2. Soziales Verhalten im Rudel
      Rudel sind Familienverbände, unsere Hunde leben – wenn – in Gruppen. Zum Leben im Rudel gehören auch Abwanderung und das Gründen neuer Rudel. Mit ein Grund, warum Wurfgeschwister mitunter äußerst kernig miteinander umgehen. Zum Leben in einer Gruppe gehören auch Streitigkeiten um Ressourcen, Status, Sexualpartner etc.
    • 3. Imponierverhalten
      Um Gottes willen. Es sei denn natürlich, es handelt sich um den netten Familienhund, der dem Besucher sein Spielzeug für die Füße spuckt.  der will natürlich nur spielen.
    • 4. Defensives Verhalten
      Muss dringend dran gearbeitet werden, die arme Angstmaus!
    • 5. Spielverhalten
      Unsere Hunde dürfen nicht spielen, wenn ihnen danach ist, sondern wenn wir die Zeit haben. Eine der Voraussetzungen für Spiel ist ein entspanntes Umfeld. Den geliebten Köter in eine „Spielgruppe“ voller fremder Hunde zu werfen, gehört nicht unbedingt dazu. Das, was man dann häufig zu sehen bekommt, sind „Spiele“ als Form der Konfliktlösung. 
    • 6. Reproduktionsverhalten (Sexualverhalten, Geburt, Welpenaufzucht)
      Wenn wir unsere Hunde nicht eh kastrieren, sprechen wir ihnen jegliches Recht auf sexuell motiviertes Verhalten ab. Und wenn sie sich fortpflanzen dürfen, dann nur mit einem Partner unserer Wahl. Beißt die Hündin den Rüden trotz Standhitze weg, bedient man sich auch gerne anderer Mittel, in dem man sie eben zwingt, sich begatten zu lassen. Auch in die Aufzucht der Welpen greifen wir massiv ein. Wenn die Hündin einzelne Welpen abstösst, drücken wir ihr diese eben auf oder „helfen“ bei der Aufzucht. Das Hunde einen guten Grund dafür haben, den Rüden abzuwehren oder später Welpen nicht anzunehmen, ist den meisten egal.
  • H) Infantile Verhaltensweisen
    Der einzige Bereich, in dem nur eingegriffen wird, um herauszufinden, ob ein mittlerer Bindehund dabei ist. Wobei ich das dauerhafte Stören, Fotografieren, Reingrabschen und Rausnehmen der Welpen in den ersten drei Lebenswochen auch nicht besonders nett finde.
  • I) Lautäußerungen
    Anders als Wölfe sind Hunde außerordentlich laut. Und das ist so lange OK, so lange sie es nicht während der Mittagsruhe oder nach 22 Uhr sind. Natürlich sollen sie Eindringlinge anzeigen, aber bitte nicht den Postboten oder den Nachbarn im Treppenhaus.

(Quelle: Zimen, der Wolf)

Wer einen Hund halten möchte, muss damit leben, dass dieser sich vermutlich sogar wie einer verhält. Dazu gehört, dass sie stinken, sich prügeln und kein peinliches Problem damit haben, sich mitten in der Fußgängerzone fortzupflanzen.

Vielmehr sollte man sich bewusst sein, dass wir unsere Hunde in ihren normalen Verhaltensweisen nur deshalb so dermaßen verbiegen könne, weil sie hochanpassungsfähig sind.

All die ach so tollen Dinge, die wir mit unsere Hunden veranstalten, sind lediglich ein mickriger Ersatz für die eigentlichen Bedürfnisse, die sie haben.

Das kann man nicht ändern, aber man könnte mal darüber nachdenken. Und es vielleicht einfach etwas sportlicher nehmen, wenn sie dann doch mal zeigen, welche Form von Humor sie so präferieren.

Der hysterische Punkt am Horizont mit dem DBHmS hätte auch einfach drüber lachen können. Ist ja nix passiert, ausser etwas Normalverhalten.

Für die Geschäftstüchtigen unter Euch – meine Hunde würden sich über Frischfutter in der Geschmacksrichtung „Menschenkacke, breiig, verfeinert mit 4-lagigem“ freuen.

Ich würde auch ein Futter-Abo nehmen.

Auf Reise (3)

Seitdem ich ich es geschafft habe, meine ehemalige Hundehütte in eine spektakuläre Tropfsteinhöhle zu verwandeln, fahre ich ziemlich viel Auto.

Eine gute Gelegenheit, um nachzudenken. Insbesondere, wenn man einen schweren Anhänger hinterm Bulli herzieht und mit 80 ohne Autoradio 10 Stunden lang die Autobahn entlang schleicht. Es sei denn natürlich, der Fahrer des 40-Tonners hinter mir hat wenig Geduld und scheucht mich mit 110 vor sich her.

Eigentlich ist es gut für die Psychohygiene, sein Leben hin und wieder mal zu entrümpeln. Gut, meine Sortierung wäre ein ganz kleines bisschen anders ausgefallen,  aber tatsächlich habe ich oft an die Zeit zurückgedacht, in der mein ganzer Hausrat noch in einen VW Bus passte. Nun passt er in einen VW Golf. Ich kann also noch was dazu kaufen, um an meinen Lebensstandard von vor 20 Jahren anzuknüpfen.

Das Merkwürdige an der Zukunft ist wohl die Vorstellung, dass man unsere Zeit einmal ‚die gute alte Zeit‘ nennen wird (Ernest Hemingway)

Meine Hunde freuen sich jedes Mal einen Keks, wenn ich den geteerten Feldweg zum Haus hochfahre. Kein Wunder, sie verbinden diesen Ort mit wunderbaren Erfahrungen.

Tacker kläfft die vorbeigehenden Spaziergänger an. Konsequenzlos, weil das Grundstück viel zu groß ist, um irgendetwas dagegen zu unternehmen. Tacker beißt dem DPD-Boten in den Arsch, weil dieser das „Vorsicht Hund“-Schild ignoriert hat und Normen sich gerade einen Kaffee holen wollte. Tacker pöbelt den ihm körperlich haushoch überlegenden Nachbarsmastiff an. Auch konsequenzlos, ist ja ein Zaun dazwischen.

Wenn ich so darüber nachdenke, finde ich es bewundernswert, dass mein Oberrüde nicht schon ins Appetenzverhalten geht, wenn ich in Lübeck losfahre. Feiner Hund!

Kaum zu glauben, dass ich die Zeit, in der ich mir regelmäßig das Genöle meines Nachbarn (das war der ohne Mastiff) anhören musste, weil die Hunde wahlweise zu laut, viel zu laut, zu gefährlich oder viel zu gefährlich waren, jemals als die gute alte Zeit bezeichnen würde.

„Abschied ist immer ein wenig sterben“ (Arthur Schnitzler)

Nun liege ich in dem Raum, der früher meine Küche war. Hier gibt es die drei letzen verbliebenden funktionierenden Steckdosen, so dass ich bei survivalmäßigen Minus 6 Grad Außentemperatur den Raum mithilfe von nach Plastik stinkenden Billigheizlüftern wenigstens auf sage und schreibe 8 Grad Plus aufheizen kann.

Ich stinke ein wenig nach frisch gewickelten Säugling, weil ich mangels fliessenden Wassers meine Morgendusche mit Baby-Feuchttüchern erledige.

Gestern habe ich mit dem Sachverständigen gesprochen, der mir ans Herz gelegt hat, keinen Cent mehr in die Hundehütte zu investieren. Stattdessen gab er mir eine Visitenkarte eines Freundes, der kostengünstig und zuverlässig Träume und Erinnerungen zu Staub und verwertbaren Baugrundstücken verwandelt.

Trotzdem bin ich jetzt gerade glücklich. Meine Jungs zeigen sich gnädig und befellen mich von allen Seiten, so dass es tatsächlich einen Moment beinahe zu warm wird in diesem Raum.

Als ich vor ein paar Wochen in der Schweiz auf einem Workshop war, haben meine Freunde in meiner Abwesenheit meine Lübecker Wohnung, deren Inhalt bis Dato aus einer Matratze und sechs Kartons bestand, in einen funktionierenden Haushalt verwandelt.

Gut, passt nicht mehr in einen VW Bus, aber mir wurde versichert, dass niemand persönlich beleidigt wäre, wenn ich mich einiger Dinge wieder entledigen würde.

Ein Haus ist ein Haus ist ein Haus. Und hat den großen Nachteil, dass es einen an einen Ort bindet und am Entdecken hindert.

Und gerade jetzt fühle ich eine Erleichterung, dass ich wieder frei bin. Klar, es wird teuer, es wird ärgerlich und ich werde noch viele graue Haare dazubekommen und im Gegenzug Lungen- und Leberzellen einbüßen.

Aber am Ende sind es nur Steine, Holz und Glas. Am Ende kostet es nur Geld. So sinnlos, dass es sogar schier unendlich gedruckt wird.

Raik gähnt derweil und streckt sich. Der ist einmalig und den kann man nicht nachdrucken. Ich streichel seinen Bauch und freue mich, dass es den Jungs gut geht. So wie mir.

Ich bin gesund (toitoitoi), ich habe tolle Hunde, die mich regelmäßig zum Lachen, zum Weinen und zum Staunen bringen – und ich habe großartige Menschen um mich herum, die mich lieben und die für mich da sind. Was will ich bei all dem Luxus noch mit einem Haus?

„Was wunderst Du dich, dass Deine Reisen Dir nichts nützen, da du Dich selbst mit herumschleppst“ (Sokrates)

Natürlich könnte ich all dem Kram hinterherweinen. Aber was zum Teufel ist schon Kram? Warum sollte ich meine Zeit damit verschwenden, meine DVD-Sammlung nach Exemplaren zu durchsuchen, die nicht nass und verschimmelt sind, wenn ich gleichzeitig ein gutes Gespräch mit einem interessanten Menschen führen kann?

Warum sollte ich meine Zeit damit verschwenden, den Rasen zu mähen, wenn ich gleichzeitig auch mit der Bande auf einer Wiese sein kann?

Warum sollte ich der Vergangenheit hinterher jammern, wenn es gleichzeitig so viel neues zu entdecken gibt?

Ich denke über letzten Jahre nach und bin dankbar. Dankbar für jede einzelne Erfahrung, egal wie schön oder schmerzhaft sie war.

Ich denke an all die Hunde, die in diesem Haus gelebt haben und was aus ihnen geworden ist. Ich denke an die Menschen, die dieses Haus besucht haben und ihre Spuren hinterlassen haben.

Ich denke an jemand wichtigen und an den einen Sonnenuntergang in jenem August, an dem wir auf dem Mäuerchen vorm Haus saßen, Becks tranken und ich etwas lernen durfte, das mir vorher unbekannt war und bis heute unbegreiflich. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie dankbar ich Dir bin.

Ich verlasse dieses Haus, diesen Lebensabschnitt und freue mich auf den nächsten.

Meine Hunde freuen sich auch.

Arbeite, als ob Du kein Geld brauchst.
Liebe, als wenn Du nie verletzt wurdest.
Tanze, als ob Dir niemand zusieht.
(Irische Weisheit)

Auf! Bauen!

Als ich noch ein elender Werbefuzzi war, gehörte es zu meinen Aufgaben, dass ich manchmal auch Leute feuern musste.

Einmal saß ich mit einem Mitarbeiter im Gespräch, den ich sehr schätzte und der wegen nicht nachvollziehbarer Gründe ins Visier des Chefs geraten war.

Ich wusste, dass er eine Familie und Kinder hatte und als Mittfünfziger keine besonders guten Chancen, eine neue Anstellung zu bekommen.

Im Gespräch fragte ich ihn, wie er mit der Situation fertig würde.

Er antwortete: „Weißt Du, wenn Du es nicht ändern kannst, lerne drüber zu lachen.“

Ein Satz, den ich mir zum Credo machte und in der folgenden Zeit – in der Hundeszene – dem entsprechend jede Menge zu lachen hatte.

Also versuche ich zu lachen, auch wenn es mir momentan manchmal im Halse stecken bleibt.

Der folgende Text ist Heulsuselei. Und Hunde und lustige Anektdoten kommen nur am Rande vor!

Was ist passiert?

Als ich noch ein elender Werbefuzzi war, konnte ich ja nicht ahnen, dass ich irgendwann keiner mehr sein würde und fortan frierend auf der Hundewiese rumstehen würde. Also tat ich das, was viele elende Werbefuzzis mit zu viel Geld tun. Ich kaufte mir ein Haus.

So ein Haus ist eine tolle Sache, als Eigentümer kann man damit machen, was man will und so entschied ich, mir einen ganzen Stall voll Hunde anzuschaffen und weil das noch nicht reichte, gleich noch jemand wichtiges, die ihres Zeichens auch einen ganzen Stall voll Hunde mitbrachte.

Gut, die Nachbarn fanden das kacke, aber das war mir relativ wumpe – ist ja immerhin mein Haus und so lange die Tierchen sich weitestgehend benehmen, isses ja auch kein Problem.

So ein Haus will gepflegt werden, insbesondere dann, wenn es zwischenzeitlich von 20 vierbeinigen Innenarchitekten bewohnt wird.

Gerne erinnere ich mich an „Jack“, einen Tschechen, der es schaffte, innerhalb der drei Minuten, die ich brauchte, ein Paket entgegenzunehmen, meinen echt tollten Kaminofen in alle Einzelteile zu zerlegen – und das trotz Maulkorb.

Irgendwann bekam ich jedoch Fernweh, fühlte mich allein, weil jemand wichtiges zu jemand unerreichbaren wurde und bekam Angst, auf dem Berg, auf dem das Haus stand, auszutrocknen – blöd, denn so ein Haus kann man nur schwerlich mal eben 600 Kilometer Richtung Küste verfrachten.

Also dachte ich mir, probier es mal aus, und wenn es an der Ostsee schön ist, vermiete die Hüte an einen anderen Hundebekloppten. Gibt ja genug davon. Zwei Wohnsitze sind selbst für Einkommensmillionäre, wie Hundetrainer es in der Regel sind, dann doch ein bisschen viel.

Und da es an der Ostsee außerordentlich schön ist, habe ich vor ein paar Wochen entschieden, den besagten Hundebekloppten zu suchen und zu finden. Vor kurzem konnte ich schließlich Vollzug melden. Tolle Sache!

Wir hatten eine super Abmachung:

Tu mit dem Haus, was du willst, aber geh mir nicht auf den Senkel, wenn der Wasserhahn tropft, war meine Devise.

Ich zahl pünktlich die Miete, dafür mach ich hier, was ich will, war seine Devise.

Good Boy!

In den Acht Jahren, in denen ich in meiner „teuersten Hundehütte Hessens“, wie mein Vater sie nannte, gelebt habe, gaben sich ungefähr 500 Hunde die Klinke in die Hand. Dabei waren Tapetenfresser, Heizungrohrzerstörer, Gegendenkaminpinkler, Sofakiller und so weiter und so fort.

Wir waren Stammkunde bei der Deponie und den Rasen haben sie ehrlicherweise ruiniert, doch das Haus hat ihnen widerstanden.

Meine Wohnung an der Küste ist derweil eher spartanisch eingerichtet, um genau zu sein, passt meine Einrichtung noch in einen VW Golf. Ich wollte ja erstmal gucken, wie es läuft und es hätte ja sein können, dass ich das Mittelgebirge vermisse. (was totaler Quatsch ist, weil ich es hasse, bergauf zu gehen.)

Vor zwei Wochen wollte ich schließlich meinen „Kram“ holen, hat halt doch seine Vorteile, wenn man eine Waschmaschine sein Eigen nennt und nicht ständig zu Freunden rennen muss.

Blöderweise kamen Termine dazwischen, die Küstenköter und die Workshops zahlen ja immerhin meine Zigaretten und das hatte Vorrang.

Und hier kommt Murphys Law ins Spiel

Den Ausruf „Oh Scheiße“ mit multiplen Ausrufezeichen hört man äußerst ungerne – insbesondere dann, wenn man selber betroffen ist.

In diesem Fall rutschte dieses fatale Urteil dem netten Menschen von der „Leckortung“ raus, als er meine Haustür öffnete.

Mein Plan: Eine Goldfisch-Auffangstation

Während ich nämlich an der Ostsee schwer beschäftigt war, entschied meine Heizung auf dem Berg, dass genug genug sei und quittierte ihren Dienst.

Ich persönlich finde das von meiner Heizung ziemlich unfair, immerhin war ich immer äußerst nett zu ihr, habe darauf geachtet, dass der Mensch, der sie wartet, keine kalten Hände hat und dass immer ausreichend Öl zur Verfügung steht. Undank ist der Welten Lohn.

Immerhin möchte ich ihr zu Gute halten, dass sie nicht wusste, welche unheilvolle Kettenreaktion sie hervorrufen würde (alternative bekommt sie einen besonders hässlichen Platz auf dem Schrott).

Auf Grund des äußerst merkwürdigen Winters, mit dem wir dieses Jahr konfrontiert sind, sorgte der jähe Streik der Heizungsanlage dafür, dass die sich im Haus befindlichen Rohre im „Dynamic Stretching“ übten, dabei hoffnungslos übertrieben und schließlich plattzen wie die Leberwürste in der Mikrowelle.

Am Sonntag ging der Alarm bei der „Leckortung“ ein, vier Tage später fanden die Jungs von der Gemeinde den Übeltäter.

Ich stand gerade auf einer Weide und sammelte Pferdekacke ein, als mein Telefon klingelte und ein sehr netter Mensch 600 Kilometer weit weg zu mir sagte: „Herr Mrozinski, Sie haben ein sehr erntes Problem.“ Kurz darauf erfolgte das bereits erwähnte „Oh Scheisse“. Mit multiplen Ausrufezeichen.

Eine gute Freundin fuhr – telefonisch alarmiert – zum Ground Zero und konnte mir die Ersteinschätzung guten Gewissens bestätigen. „Oh Scheiße!“

Einen Satz, den man ebenso ungern hört wie „Oh Scheiße!“ ist „Da sehe ich schlechte Chancen, aber reichen Sie mal den Schadensbogen ein“, insbesondere, wenn er vom Sachbearbeiter der Kackversicherung kommt, die man eigentlich eh schon vor Jahren wechseln wollte und stattdessen nur den Tarif gewechselt hatte.

Der Grund für meine damalige Verärgerung war auch ein Wasserschaden, bei dem es fröhlich aus der Leitung sprudelte und ich trotz eindeutiger Sachlage erst einmal beweisen sollte, dass es sich um einen Wasserrohrbruch und nicht um einen experimentellen Springbrunnen handelte.

Ein Indiz dafür, dass es demnächst extrem hässlich werden könnte, lieferte mir der von der Versicherung bestellte Sachverständige, der mich fragte, an welche Adresse er die Rechnung schicken soll. Meine Antwort, an die Adresse der Versicherung, fand er unbefriedigend.

Zwischenzeitlich konnte ich immerhin einen Blick auf das Desaster werfen und eine sehr wertvolle Erkenntnis dahingehend gewinnen, wie wichtig oder unwichtig eigentlich Besitz ist.

Im oberen Bereich des Hauses befand sich mal die Wohnung für die Menschen. Blöderweise ist dieser Bereich in Ständerbauweise, also aus Holz gefertigt, so dass alle tragenden Balken unter dem viertägigen Wassereinbruch mächtig gelitten haben.

Unter Anwendung mässiger Gewalt lässt sich die Haustüre noch öffnen. Das Klima in den Wohnräumen begünstigt

1. die Bildung von Schimmel

2. einen tollen Lebensraum für Amphibien jeglicher Art.

Mein erster Blick fällt auf meinen Karton mit meinen Büchern. Nicht irgendwelche Bücher, sondern antiquarische Hundeliteratur, Erziehungsratgeber aus dem 19 Jahrhundert, Jahrgänge von „Der Hund“ von 1895 und seltenen Exemplaren wie „Von Bauernkötern und Köterkarren“ oder Räbers Enzyklopädie, die ich einst für schweinevielgeld im Internet gekauft hatte und die nun knöcheltief im Wasser stehen.

Das ist der Moment, in dem ich das erste Mal heule.

Ich eile ins ehemalige Büro. Jemand wichtiges hatte hier ein Elektro-Piano hingestellt und ich bin bin glücklich wie ein dreijähriger am Weihnachtsabend, dass sich der Schaden in Grenzen hält und wuchte das Ganze Ensemble auf die Überreste des Gästebettes, um schlimmeres zu vermeiden.

Mein Sekretär ist hinüber, ebenso die Bürogeräte und alle anderen Möbel, sogar die aus Massivholz.

Über meine Steuerunterlagen will ich gar nicht reden, wie gut, dass die mir eh eine Schätzung angedroht haben.

Im Schlafzimmer stelle ich fest, dass der Boden absackt, außerdem gibt es keinen Strom mehr im Haus.

Also gehe ich runter in den Seminarraum, beziehungsweise in das, was davon übrig geblieben ist. Bis vor einem guten Jahr war der Raum für Pensionshunde gedacht, dem entsprechend haben wir Silikonfugen gelegt. Diese entpuppen sich nun als Fluch, denn das Wasser steht nahezu 15 cm im Raum und die Decke kommt runter.

In dem Moment denke ich darüber nach, statt nach Hundebekloppten nach verwirrten Aquaristikern zu suchen, vielleicht haben die ja Interesse, eine Auffangstation für verhaltensgestörte Goldfische zu eröffnen.

Ich stehe im Eingangsbereich des Seminarraums und kämpfe mich durch Teile der Zwischendecke, um zum Sicherungskasten zu gelangen.

Denn wenn ich die Hütte jemals wieder trocken legen, brauche ich Strom.

Beim Versuch, die Hauptsicherung anzuschalten, fängt es auf der Stelle neben mir an zu qualmen. Immerhin ist genügend Wasser da, um einen Brand zu verhindern – ist ja auch was.

Der gute Mann von der „Leckortung“ hatte mir erklärt, dass ich unbedingt vor dem nächsten Frost die Wände trocken kriegen müsse, wir haben Ende Januar und alles, was das Internet hergibt, sind Trocknungszeiten von bis zu drei Monaten. Realismus ist anders.

Was sind zehn Versicherungsfuzzis auf dem Meeresgrund? Ein guter Anfang.

Am nächsten Tag bin ich in Bayern und gebe einen Workshop. In einer Pause rufe ich bei der Versicherung an und stelle fest, dass die in erster Linie versichern, dass sie nicht zuständig sind.

So erfahre ich tolle Fakten, zum Beispiel, dass es Karenzzeiten gibt. Auf meiner Gegenfrage, was ich mit einer Karenzzeit zu tun hätte, erklärt mir die junge Dame vom Callcenter, dass diese auch bei Tarifwechseln gelten würden.

Aha, seit acht Jahren zahle ich für die Versicherung. Alle viertel Jahre. Und wenn nicht pünktlich, dann wenigstens in der Schonfrist. Und nun gilt für mich eine Karenzzeit. Danke.

Außerdem, und das so als Top-Tipp an die Hausbesitzer unter Euch: Wenn Ihr ein Wochenende wegfahren möchtet, seid ihr verpflichtet, den Haupthahn Eures Hauses abzustellen.

Wusste ich nicht. Aber mit den Versicherungsbedingungen ist es wie mit den AGB im Internet.

Zu behaupten, man hätte sie verstanden, stellt die größte Lüge dar.

Und nu?

„Lerne darüber zu lachen“ sagte einst mein Mitarbeiter. „Am Ende wird alles gut, wenn nicht ist es nicht das Ende.“ habe ich daraus gemacht. Im Moment heisst es „weiter atmen“.

Es ist wie es ist. Erstmal muss ich das Haus stehenlassen. Auf Grund des (sich anbahnenden) Ärgers mit der Versicherung kann ich die Hütte, die einem Totalschaden nahekommt, nicht mal abreissen lassen. Ganz im Gegenteil: Erstmal muss ich Geld in die Hand nehmen, das ich nicht habe, um etwas zu erhalten, das sich wohl nicht retten lässt.

Meine Rechtsanwältin sagte es so: „Manche Versicherungen ziehen das Ding in die Länge, bis du mürbe bist.“ So ein scheiss Bautrockner kostet läppische 10 Euro am Tag. Ich brauche wohl Acht davon. Und das über Monate.

Halten wir fest, ich bin am Arsch.

Auf! Bauen!

Noch nicht!

Viele von denjenigen, die den ganzen Scheiß mitbekommen haben, haben Hilfe angeboten. Ich bin unendlich dankbar und vollends gerührt ob der Anteilnahme und den vielen warmen Worten!

Das ist das erste Mal, dass ich echt keine Idee habe, wie es weiter gehen soll.

Aber das muss ja nicht so bleiben. Denn am Ende werde ich lachen, ich bin mir sicher!

Wenn Du mit lachen möchtest – oder irgendeine Idee hast – lass es mich wissen …

Von Grenzfellen

„Der Obduktionsbefund des Kindes ergab massenhaft unterschiedlich tief reichende, glattrandige Hautdurchtrennungen, einen großflächigen Verlust der Haut und des Weichteilgewebes beider Gesichtshälften sowie der behaarten Kopfhaut.

Beide Brusthöhlen waren eröffnet, ebenso die hintere Schädelgrube mit Durchtrennung der harten Hirnhaut. Todesursache war ein massiver Blutverlust in Kombination mit dem Pneumothorax.“

(Quelle: Tödliche Attacken von Hunden auf Kinder – Aktualgenese und Motivation bei spezifischer Kasuistik und bestimmten pathomorphologischen Veränderungen“ S. Heinze, D.U. Feddersen-Petersen, M. Tsokos, C. Buschmann, K. Puschel)

In den letzten Tagen erreichten mich viele Forderungen, mich an der „Rettung“ eines Hundes zu beteiligen, der im Ruhrgebiet ein Kind schwerst verletzt hat und nun per Amtsbeschluss eingeschläfert wurde.

Dies habe ich abgelehnt und klargestellt, dass ich das Einschläfern in diesem Fall völlig in Ordnung finde.

Die Gründe hierfür lege ich in den nächsten Zeilen dar.

Der Ethologe von Welt unterteilt die verschiedenen Verhaltensweisen eines Hundes in sogenannte Funktionskreise. Hierzu zählt das Sozialverhalten und dazu wiederum der Bereich der Agonistik, also alles, was Angriff und Flucht betrifft.

Einen Hund, der nicht oder falsch gelernt hat, mit Artgenossen und Menschen zu kommunizieren, kann man „resozialisieren“, wie man so schön sagt.

Im diesem Fall jedoch geht es nicht um Sozialverhalten und der Hund hat das Kind nicht „angefallen“, wie die Presse behauptet, sondern hat es gejagt, wie auch die Amtsveterinärin festgestellt hat.

Hier greift dem entsprechend keine Resozialisierung, sondern (unter anderem) ein Antijagdtraining.

Das Jagen gehört nicht zum Sozialverhalten sondern zu den stoffwechselbedingten Verhaltensweisen, also allem, was der Nahrungsbeschaffung dient. Und mit Beute kommuniziert man nicht.

Die Endhandlung des Jagens ist – auch wenn die meisten Hunde heute erfolglos bleiben – das Hetzen, Packen und Töten der Beute, um sie schließlich zu fressen.

Normalerweise gehört der Mensch nicht zum Beutespektrum des Hundes, nicht mal der Wolf hat Appetit auf uns.

Wenn ein Hund uns dennoch als Beute wahrnimmt, läuft ordentlich was schief – und ist in den allermeisten Fällen die Ursache für die schrecklichen Beißvorfälle der vergangenen Jahre.

Die liebe Dorit Feddersen-Petersen hat gemeinsam mit Rechtsmedizinern zu dem Thema geforscht und verschiedene – tödlich verlaufene – Vorfälle untersucht.

In fast allen Fällen zeigten die Hunde Elemente aus dem Jagdverhalten und keine Kommunikation mit ihren Opfern. Kein Knurren, kein Drohen, kein Nichts.

Die Verletzungen der Opfer ähneln sich häufig, ein Auszug aus „der Westen„:

„Dem Kind wurden große Teile der Kopfhaut abgerissen, es erlitt zudem teils schwere Bisswunden an Ohren, Auge, Mund, Bauch und Beinen.“

Verhalten sich Hunde aggressiv gegen Artgenossen oder Menschen, dann kommunizieren sie mit ihrem Gegenüber, jagen sie dagegen Menschen, dann stellt dieses fehlgeleitete Beutefangverhalten eine Störung dar.

Gerade Hunde, die „von Hause aus“ über ein gesteigertes Beutefangverhalten verfügen, neigen dazu, in diesem Bereich problematisches Verhalten zu zeigen.

Ungünstiges „Spiel“ kann bedingen, dass Hunde z.B. durch unreflektiertes Ball“spiel“ nicht mehr differenzieren, dem Bewegungsreiz nachgeben und schliesslich Dinge jagen, die garnicht essbar sind.

Ein Kollege sagte mal „Wenn Du wissen möchtest, ob Dein Hund ein Problem hat, schmeiss einfach den Ball vom Dach. Wenn er hinterher hetzt, hatte er ein Problem.“

Wenn der Hund die gelbe Filzkugel nicht mehr von der gelben Jogginghose unterscheiden kann, hat der Jogger ein Problem.

Noch ein Zitat aus der Studie:

„Durch Pfotenstemmen wurde Gesichtshaut abgezogen und gefressen. Auch dies gehört zum Jagdverhalten.“

Doch nicht nur „das andere Ende der Leine“ muss schuld an einer solchen Entwicklung sein.

Viele Menschen fahren vom Züchter nach Hause und haben ein Riesenproblem im Kofferraum, dem sie selbst mit größtem Sachverstand nicht Herr oder Dame werden können.

Bei einer Zuchttauglichkeitprüfung vor kurzem waren drei Erwachsene notwendig, um den Prachtrüden daran zu hindern, den Richter umzubringen, weil dieser sich die Beißrechen von dem Tierchen angucken wollte.

Der Hund bestand die Prüfung schließlich und wird nicht nur sein tolles Fell, sondern auch sein Verhalten an seine Nachkommen weitergeben.

In einer Zeit, in der Gebrauchshunderassen nach Standards gezüchtet werden, die mehr Wert auf die exakte Schulterhöhe legen als auf ein ausgeglichenes Wesen, in einer Zeit, in der das Züchten bestimmter Rassen mit Arbeitsbackground eine Lizenz zum Gelddrucken bedeutet, werden wir uns mit dem Gedanken anfreunden müssen, dass wir immer wieder mit Hunden konfrontiert werden, die trotz aller ihnen entgegengebrachten Liebe und aller Mühen dermaßen genetischer Abfall sind, dass große und kleine Katastrophen vorprogrammiert sind.

Eine Amtstierärztin hatte ein inadäquates beziehungsweise fehlgeleitetes Jagdverhalten festgestellt. Eine Beißhemmung habe während des über mehrere Minuten fortgesetzten Angriffs auf das Mädchen nicht bestanden. (Quelle: Der Westen)
(Warum sollte ein Beutegreifer beim Töten der Beute eine Beißhemmung zeigen?????)

Früher mal war der Rottweiler sprichwörtlich gelassen wie ein Metzgerhund. In meiner Kindheit hatten wir einen tollen Rüden in der Nachbarschaft, den wir Kinder hätten auf Links drehen können, ohne der er auch nur einen Mucks gemacht hätte.

Solche Hunde muss man heute mit großer Sorgfalt und detektivischen Gespür suchen, noch vor zwanzig Jahren zeichnete die Hunde genau das aus.

Diese Entwicklung ist gleich aus drei Gründen dramatisch.

Erstens werden ganze Rassen unter Generalverdacht stehen, nur weil eine unseriöse Züchtermafia ohne Sinn und Verstand Viecher verpaart, bei denen Ärger vorprogrammiert ist.

Zweitens geben viele seriöse Züchter, die großen Wert auf ausgeglichene, familienfreundliche Hunde legen, irgendwann auf, weil sie auf Grund 1.) keine Käufer mehr finden.

Drittens lässt sich beobachten, dass diese Hunde dann im Tierheim landen und quasi unvermittelter sind.

Im Moment sind gerade Malinois überproportional in den Tierheimen vertreten, die ich kenne. Wenn ich im Kleinanzeigenportal meines Vertrauens lese, dass diese Hunde „familiengeeignet“, „für Senioren geeignet“ und „für Hundeanfänger“ geeignet sind und der Züchter sich gleichzeitig via YouTube einen Keks freut, dass die kleinen Racker ihm mit sechs Wochen schon in der Hetzhose hängen, dann frage ich mich, ob der gute Mann sein Gehirn in den Beinen trägt und die Hunde ihm das schon rausgeknabbert haben.

In der Hauptverhandlung führte einer der angeklagten Besitzer der Hunde aus, die Hunde haben nichts Böses „tun wollen“, sie hätten „wohl den Kopf des Jungen mit einem Ball verwechselt“

Was auch immer der Grund dafür war, dass der Hund das Kind so schwer verletzt hat, stellen sich drei Fragen.

Erstens, wie möchten die tierlieben Menschen dem Opfer, das ein Leben lang von diesem Vorfall seelisch wie wohl auch körperlich gezeichnet sein wird, erklären, dass eben dieser Hund gerettet werden musste? Nachdem, was in den verschiedenen Netzwerken zu lesen war, hat wohl kaum einer der „Retter“ auch nur einen Gedanken daran verschwendet.

Zweitens, wenn man den Hund denn gerettet hätte, wie sähe dann das Leben des Tieres aus?

Kein Tierschützer hätte die persönliche Verantwortung dafür übermehmen und gewährleisten können, dass sich ein solcher Vorfall niemals auch nur im Ansatz wiederholt. Niemals bedeutet, dass keine noch so kleine Unaufmerksamkeit in all den Jahren passieren darf. Kein sich lösender Karabiner beim täglichen Gassigang, kein kaputter Verschluss am Maulkorb und kein Moment der Unachtsamkeit beim Öffnen des Kofferraums.

Ein Leben ausschliesslich an der Leine und mit Maulkorb gesichert. Ohne Freilauf, ohne Sozialkontakt, ohne Ausnahmen. Ein Leben, gegen das Tierschützer oft genug protestieren.

Drittens, welche/r seriös arbeitende Hundetrainer/in hätte denn die Verantwortung dafür übernommen, dass der Hund sein Verhalten ändert?

Und wie hätte das Training ausgesehen?

Hätte der oder die Kollegin sich im Falle unterbrechener Maßnahmen die entsprechend entrüsteten Reaktionen derer eingefangen, die nun für die Rettung plädiert haben?

Jeder, der einen jagdlich motivierten Hund hat weiss, dass man immer auf der Hut sein muss. Und die Wahrscheinlichkeit, einem Kind zu begegnen ist in der Lebensrealität der meisten Menschen einfach größer als die Wahrscheinlichkeit, dass man einem Reh begegnet.

Und niemand möchte in diesem Zusammenhang auf der Titelseite der Bildzeitung landen, wenn doch was passiert.

Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass ein beißvorfällig gewordener Hund eine Chance bekommen soll – vorausgesetzt, es findet sich jemand, der die Verantwortung übernimmt und mit dem Hund arbeitet.

In diesem Fall habe ich zwar viel Empörung wahrgenommen, aber keiner der Empörten hat gerufen, dass er bereit wäre, den Hund zu übernehmen und die Verantwortung zu tragen.

Das war zu erwarten.

Das kaum einer dem Opfer so etwas wie Empathie oder gar Mitgefühl entgegengebracht hat, dass sogar Stimmen laut wurden, die der geschädigten Familie so etwas wie eine Mitschuld gaben, lässt tief blicken in die Seele der Empörten.