Hässliche Wahrheit (2): Der beste Freund des Hundes

Paul Watzlawick war ein schlauer Mann und seine „fünf Axiome der menschlichen Kommunikation“ sind mir oft hilfreich.

Eines dieser Axiome lautet: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Als Beispiel nannte Watzlawick eine Person, die in einem Wartezimmer sitzt und auf den ersten Blick nicht kommuniziert. Dennoch sagt die Person durch ihre Körperhaltung, ihren abgewandten Blick und die verschränkten Arme etwas aus, z.B.: „Lasst mich in Ruhe.“

Fangfrage: Wenn man nicht nicht kommunizieren kann, wie kann man dann jemanden ignorieren?

Deswegen nennt der kluge Kynopädagoge das vermeintliche Ignorieren eines Hundes auch „Aktives Ignorieren“.

Ein Beispiel: Der Hund, der seinen Besitzer anspringt, wird im ersten Schritt ignoriert. Bietet der Hund dann ein anderes – erwünschtes – Verhalten an, wird er belohnt. So soll er lernen, dass erwünschtes Verhalten zum Ziel (Fürsprache) führt und unerwünschtes Verhalten nicht (Entzug sozialer Auseinandersetzung).

Damit das Ziel erreicht werden kann, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein.

  1. Das Verhalten des Hundes muss sich an den Menschen richten. Springt der Hund nicht seinen Menschen an, sondern will z.B. einem Reh hinterher, dann kann der Hundebesitzer ignorieren bis der Arzt kommt. Und sei es, weil der Vierbeiner es schlicht und ergreifend nicht mitbekommt.
  2. Der Hund muss das Ausbleiben der Reaktion des Menschen situativ als unangenehm wahrnehmen. Wenn das Menschen-Anrempeln Spaß macht, wird das Ignorieren zur stillen Zustimmung.

Die Idee, ein unerwünschtes Verhalten einfach zu ignorieren und ein erwünschtes in der Folge zu belohnen, ist zwar sehr flauschig, aber eben auch sehr limitiert. Was also tun, wenn es mit dem Ignorieren nicht klappen will?

Der Hauptgrund für Verhaltensprobleme beim Hund ist meiner Meinung nach nicht der, dass Menschen falsch reagieren, wenn ihr Hund unerwünschtes Verhalten zeigt. Vielmehr reagieren Menschen gar nicht. Oft aus Unsicherheit, aus Angst verkehrt zu reagieren und weil im Internet steht, was man alles nicht darf.

Oft höre ich, dass Hundeerziehung und Kindererziehung in vielen Bereichen Parallelen aufweisen. Auf jeden Fall kann man viele beobachten.

Hunde sind ebenso wie Menschen hochsoziale Lebewesen. Die soziale Auseinandersetzung gehört zu den elementaren Grundbedürfnissen unserer Vierbeiner. Verwehren wir ihnen dieses Bedürfnis, entstehen nicht nur Probleme – wir verhalten uns auch hochgradig unfair!

Vor einiger Zeit saß ich morgens im Frühstücksraum eines Hotels in Luxemburg und beobachtete zwei kleine Kinder, die schreiend durch den Frühstücksraum tobten und sprichwörtlich über Tische und Bänke gingen. Ihre Mutter hing mehr oder weniger teilnahmslos an ihrem Smartphone und murmelte irgendwas vor sich hin. Die Kinder taten mir leid. Denn die beiden gaben alles, um die Frau irgendwie dazu zu bewegen, eine Reaktion zu zeigen und auf sie einzugehen. Doch die liess die armen Kleinen am langen Arm verhungern. (Ok, in der Situation hätte ich sie gerne erschlagen, aber im Nachhinein tun mir die beiden leid.)

Naja, zumindest bis eines der Kinder anfing, die Brötchen vom Buffet auf den Boden zu schmeissen, da musste die Mutter eingreifen. Kinder sind nunmal kreativ, Hunde auch.

Soziale Reibung gehört zur Entwicklung und zum Miteinander dazu. Nur so erlangen wir ein Bewusstsein für uns selbst. Der Entzug von Konflikten macht nicht glücklicher. Ganz im Gegenteil.

Der junge Hund möchte wissen, wo er steht und lernt das in der Auseinandersetzung mit seinen Geschwistern und seiner Mutter. Er bekommt wichtiges Feedback, lernt z.B. Beißhemmung und Fairness und schafft so Voraussetzungen für neues Spiel.

Dann kommt er zu seinen Menschen und trifft leider allzu oft auf einen sozialen Schwamm. Und ähnlich wie die beiden Kinder im Hotel wird der Hund Mittel und Wege finden, um eine Reaktion hervorzurufen, wenn wir uns verweigern.

Als ich mich neulich über Resozialisierung ausgelassen habe, machte mich mein Freund Niko darauf aufmerksam, dass viele Hunde, die mit Beißvorfällen im Tierheim landen, oft ganz arme, missverstandene Kerle sind. Damit hat er vollkommen recht.

So beobachte ich Hunde, die trotz 24h-Bespassung, aufwendiger Fütterung und Dauer-Training ziemlich einsam auf der Welt sind. Die ihre Menschen um Auseinandersetzung förmlich anflehen. Und manchmal beißen, weil sie nur so ein soziales Feedback erhaschen können. Arme Hunde.

Und arme Menschen. Denn wenn ich auf der anderen Seite sehe, wie manche Hunde mit ihren Menschen umgehen, frage ich mich doch ernsthaft, welches Bild der Mensch von sich selber hat.

Das führt so weit, dass eine bekannte Hundetrainerin fordert, dass wir alle unerwünschten Verhaltensweisen als Teil der hündischen Persönlichkeit gefälligst akzeptieren sollten – beißen inklusive, versteht sich.

Die Verweigerung von Grenzen wird gerne mit Freiheit gleichgesetzt. Doch die beiden Kinder in dem Luxemburger Hotel sind nicht frei. Sie sind stark reglementiert, da man sie nicht eine Sekunde aus den Augen lassen kann.

Ein Freiraum ist ein Raum, und Räume sind definiert durch Grenzen. Innerhalb eines gesetzten Raumes darf sich mein Gegenüber frei verhalten.

Beherrscht mein Hund also ein gutes Sozialverhalten, ist er gut abrufbar und orientiert sich an mir, dann ist der Freiraum, den ich ihm ermöglichen kann, größer als bei einem Hund, der nicht kommt, wenn ich ihn rufe oder bei dem ich mir Sorgen machen muss, dass er wegrennt.

Setze ich keine Grenzen, dann darf ich mich auch nicht beschweren, wenn der Hund diese überschreitet. Und wenn er sich nicht benehmen kann, dann muss ich ihn jederzeit kontrollieren und jeden Schritt überwachen. Wo ist das Freiheit?

Wo ist der Hund frei, der ständig vollgequietscht und mit Leckerchen kontrolliert wird? Der sich nicht einen Meter entfernen darf, weil er sonst vielleicht nicht wieder kommt? Wie viel Freiraum kann ich einem Hund bieten, der so schlecht an der Leine läuft, dass er eine „Halsband oder Geschirr“-Diskussion notwendig macht?

Rita Defries nannte das, was man heute auf vielen Hundewiesen beobachten kann, „Zuckerguss-Kontrolle“. Vermeintliche Belohnungen werden genutzt, um ein Verhalten zu manipulieren oder zu verhindern, dass der Hund nervt.

Die junge Mutter, die das Kind ruhigstellt, in dem es mit dem Tablet spielen darf, wird nicht erzieherisch tätig, sondern macht es sich erstmal leicht.

Ein bekannter Hundesportler hat mal gesagt, dass nur die wenigsten Menschen in der Lage sind, selber die Leistungen zu erbringen, die sie von ihren Hunden erwarten. Der Hund soll 10 Minuten in der Platzablage vor seinem Futter verharren, während sich sein Mensch keine dreißig Sekunden zusammenreissen kann, wenn er mit einem Stück Schokolade konfrontiert wird. Der Hund soll eine Stunde konzentriert arbeiten, während wir selbst über die Aufmerksamkeitsspanne eines Goldfischs verfügen.

Wir wollen also soziale, souveräne und gut verträgliche Hunde? Dann sollten wir wieder lernen, Konflikte anzunehmen und zu lösen. Wir wollen den besten Freund des Menschen? Dann sollten wir uns aber auch wie ein Freund benehmen.

Und nicht wie ein lebender Futterbeutel mit Kontrollzwang.

Hässliche Wahrheit (1): Das Resozialisierungs-Dilemma

„Eigentlich“ ist das Wörtchen, von dem Hundetrainer leben. Und es gibt bestimmte Dinge, die behält man eigentlich besser für sich. Zeit sie anszusprechen.

Vor kurzem stieß ich im Internet auf ein Video, in dem ein maulkorbgesicherter Hund in einem Tierheim einen Menschen attackierte. Das war kein Zufall, sondern Teil eines Trainings. In den Kommentaren darunter fanden sich diverse Respektsbekundungen und – selbstverständlich – auch ein paar Kommentare, die gegen das Gezeigte wetterten.

Ein geschätzter Kollege von mir hatte auch einen Kommentar hinterlassen, nämlich:

. „An wen will man diesen Hund guten Gewissens vermitteln?“

Das ist eine verdammt gute Frage, die jedoch niemand aufgriff. Stattdessen kamen jede Menge blöder Kommentare, auf die ich jetzt nicht eingehe.

Dabei hat er vollkommen recht. Und zwar aus mehreren Gründen:

Ein Blick in die sozialen Netzwerke zeigt, dass es eine Vielzahl von Projekten gibt, die sich mit der Resozialisierung von Hunden befassen. Wenn ich nur mal die Handvoll nehme, die mir auf Anhieb einfallen, macht das gut und gerne 200 Hunde, die trainiert und an geeignete Menschen vermittelt werden sollen.

Hier stehen wir vor dem ersten Problem. Solche Menschen sind rar gesät, während es genügend problematische Hunde auf Wartelisten gibt, die sofort nachrücken, wenn morgen alle resozialisiert und vermittelt worden sind.

Ich selber habe 2015 meine tierheimähnliche Einrichtung dicht gemacht. Trotzdem bekomme ich noch wöchentlich Anfragen, ob ich einen Hund aufnehmen könne.

Die bittere Wahrheit ist, dass die eigentliche Kunst darin liegt, jemanden zu finden, der a) Lust auf ein jahrelanges Projekt hat und b) über die entsprechenden Mittel und Möglichkeiten verfügt. Hin und wieder gelingt das. Ein Grund zur Freude, aber sicherlich keine Routine.

Denn, und damit kommen wir zum zweiten Problem. Eine Resozialisierung beim Hund – zumindest so, wie wir uns das wünschen – gibt es nicht!

Der Grund dafür ist simpel. „Kannst Du Fahrrad fahren? Wir können noch so lange trainieren, du wirst es auch morgen noch können.“

Man kann ein einmal erlerntes und etabliertes Verhalten nicht einfach löschen. Hunde sind – ebenso wenig wie Menschen – keine Computer, deren Festplatte man formatiert, und danach ist alles wieder gut.

Anders als Hunde sind wir Menschen jedoch in der Lage, Einsicht über begangenes Unrecht zu entwickeln und einen Zusammenhang zwischen unserem früheren Verhalten und unserer aktuellen Situation herzustellen.

Diese Einsicht ist der Kern von Resozialisierung. Und selbst bei menschlichen Straftätern schwierig und oft vergebens.

Das, was im Hundetraining erreicht werden kann, ist eine Verhaltensänderung.

Das zuvor erlernte Verhalten ist jedoch nach wie vor da und kann auch wieder abgerufen werden. Dementsprechend muss der Mensch bereit sein, auf das alternative Verhalten zu bestehen.

Denn auch das gehört dazu: Eine Gewohnheit, und sei es eine schlechte, ist erstmal etwas Gutes. Sie erspart uns das Denken. Das ist bei Hunden nicht anders. Der Hund, der beißt, tut dies aus gutem Grund. Und Handlungstrategien, die uns lieb und teuer sind, schmeißen wir nicht einfach so über Bord.

Die meisten Hunde zeigen Verhaltensänderungen nur dahingehend, dass sie kreativer werden, um ihre Ziele zu erreichen.

Während Lernen ein Leben lang möglich ist, ist Erziehung ein zeitlich begrenzter Vorgang. Irgendwann sind wir „fertig“. Einen erwachsenen Menschen grundlegend zu ändern, ist nicht möglich. Selbiges gilt für einen erwachsenen Hund.

Wenn im Vermittlungstext des Tierheims steht, dass „der kleine Rocky noch etwas Erziehung benötigt“, bedeutet das nichts anderes, als dass er eine Marotte hat, die gemanaged werden möchte. Ob und wie intensiv er das Verhalten zeigt, hängt dabei stark von seinem Gegenüber ab.

Auch das ist eine hässliche Wahrheit: Nur weil der Hund nicht mehr versucht, den Trainer zu beißen, heißt das noch lange nicht, dass das auch für den neuen Besitzer gilt.

Diejenigen, die sich ernsthaft mit Tierschutz befassen, wissen, wie oft Hunde nach einiger Zeit wieder im Tierheim landen – wegen genau der Probleme, wegen derer sie dort gelandet sind.

Vor einiger Zeit hieß es noch „Unsere Tierheime sind voll“, mittlerweile haben wir Meta-Tierheime für Hunde, die im Tierheim nicht mehr gehalten werden können?

Eine weitere hässliche Wahrheit ist, dass wir mehr problematische Hunde haben als es Menschen gibt, die sie übernehmen können oder wollen.

Eine befreundete Tierschützerin erzählte mir mal, dass sie grundsätzlich jeden Rüden kastrieren lässt. „Wie kommst Du dazu?“, fragte ich einigermaßen entsetzt. „Heute ist doch keiner mehr in der Lage, einen intakten Rüden zu führen“, antwortete sie trocken.

Was mich zu der Frage führt, ob viele Hunde nicht auch einfach deshalb problematisch sind, weil wir mit Normalverhalten nicht mehr umgehen können?

Ein anderer, ebenfalls sehr geschätzter Kollege, vertritt die Meinung, dass man beißvorfällig gewordene Hunde einschläfern sollte. Er argumentiert, dass Hunde keine gefährdete Spezies seien, womit er recht hat. Er argumentiert weiter, dass die Sicherung und Arbeit mit diesen Hunden sehr teuer sei, womit er ebenfalls recht hat. Und er argumentiert, dass die meisten dieser Hunde trotz der einen oder anderen erfolgreichen Vermittlung im Gros eh ein Leben lang weggesperrt bleiben werden. Auch damit hat er zumindest nicht Unrecht.

Erik Zimen sagte mal, dass es kein Tier gäbe, das leichter zu erziehen sei, als der Hund. Immerhin – und das macht Hunde einzigartig – ist es ein elementares domestikationsbedingtes Merkmal, dass der Hund den Menschen vorzieht. Wenn er die Wahl hat.

Warum also haben wir so viele problematische Hunde?

Ist es die Folge unverantwortlicher Zucht? Werden Hunde immer schwieriger? Sind sie Opfer unserer Wegwerfmentalität geworden?

Und/oder sind wir Menschen nicht mehr in der Lage mit Hunden umzugehen? Ist es einfach die Entwicklung unserer Gesellschaft?

Fragen über Fragen, auf die es keine einfachen Antworten gibt.

Die Sache mit dem Tierschutz

Früher – um genau zu sein bis vor einigen Wochen – habe ich mich mit Tierschutz beschäftigt. Zuletzt war ich Beisitzer in einem Tierschutzverein, den ich persönlich vorbildlich finde. Es gibt eine aktive Mitgliederschaft, engagierte Ehrenamtliche und eine tolle Hundeanlage mit Gruppenhaltung.

Hunde in Gruppen zu halten hat große Vorteile. Zum Einen kommt diese Form der Unterbringung dem Gemeinschaftsbedürfnis des Hundes entgegen, außerdem verbringen die Tierpflegerinnen und Tierpfleger wesentlich mehr Zeit in der Gruppe, als es in einer Einzelhaltung möglich wäre. Auch ist die Arbeitsorganisation wesentlich effizienter. Eine Gruppe zu füttern dauert immer in etwa gleich lange, egal ob dort nun 10 oder 20 Hunde verköstigt werden. Selbiges gilt für die Reinigung der Anlage. Und dort wo Zeit gespart werden kann, können andere Aufgaben übernommen werden – beispielsweise das Training mit den Hunden oder die Beratung von Interessenten.

Natürlich gibt es immer einzelne Hunde, die nicht gruppenkompatibel sind – im Laufe der Jahre war ich allerdings immer wieder erstaunt, wie wenige es eigentlich sind.

Weil ich von diesem Konzept so überzeugt bin und weil ich weiss, dass der praktische Umgang mit Hundegruppen in der Ausbildung von Tierpflegern nur eine untergeordnete Rolle spielt, bin ich in den letzten Jahren immer wieder durch die Republik getingelt, um Tierheime bei der Umsetzung zu unterstützen.

Manchmal war das erfolgreich, manchmal glich es eher einem Kampf gegen Windmühlen. Dann wurden Gruppen wieder auf die Zwinger verteilt, sobald ich vom Hof war. Aus Sorge, es könnte etwas schief gehen. Mal sträubten sich die Ehrenamtlichen, mal die Pfleger, mal die Tierheimleitung, mal der Vorstand.

Die Fortbildungen, die für sehr wenig Geld oder sogar kostenlos angeboten wurden, waren zumeist eher mau besucht. Und auch, wenn es mittlerweile viele tolle Vereine gibt, die mit großer Mühe und Engagement ihr Hundehaltungskonzept angehen, muss ich doch ernüchtert feststellen, dass immer noch viel zu viele Tierheime Hunde nach wie vor einzeln, maximal paarweise halten.

Und damit gegen die Tierschutzhundeverordnung verstossen.

Dort steht in §2:

„Wer mehrere Hunde auf demselben Grundstück hält, hat sie grundsätzlich in der Gruppe zu halten, sofern andere Rechtsvorschriften dem nicht entgegenstehen. Von der Gruppenhaltung kann abgesehen werden, wenn dies wegen der Art der Verwendung, dem Verhalten oder dem Gesundheitszustand des Hundes erforderlich ist.“

Ausnahmen sind also möglich, sollten und müssen jedoch nicht die Regel sein. Es gibt genügend Tierheime, die beweisen, dass eine Gruppenhaltung möglich ist – ohne, dass ständig Hunde verletzt werden oder die Gefahr für die Tierpfleger steigen würde.

Man muss es so hart sagen. Der Grund, warum so viele Hunde in Einzelhaft sitzen, hat nichts mit mangelnden Möglichkeiten zu tun, denn es gibt vielerlei Angebote. Zum Beispiel von engagierten Tierschutzvereinen, sich vor Ort die Umsetzung der Gruppenhaltung anzusehen und sich fortzubilden.

Um es nochmal zu betonen, natürlich gibt es Hunde, die nicht in einer Gruppe integrierbar sind. Aber Hunde sind sozial obligat, die überwiegende Mehrzahl kann in Gruppen gehalten werden.

Auch das liebe Geld ist in der Regel kein Hindernis. Ich habe sehr viele Tierheime besucht und keines angetroffen, in dem man nicht mit etwas Kreativität Raum hätte schaffen können.

Am Ende sind es die Strukturen, die verhindern, dass sich etwas zum Wohle der Hunde – und darum sollte es im Tierschutz doch gehen – verändert.

Mit dieser Kritik stehe ich nicht alleine.

Viele Tierschützer, Ehrenamtliche und Gassigeher beklagen, dass Hunde ohne Not in Einzelhaltung leben. Viele Hundetrainer, Tierärzte und Biologen auch. Weil sie eben nicht nur schädlich für ein soziales Lebewesen ist, sondern sich auch nachteilig auf das Verhalten und die damit verbundenen Vermittlungschancen auswirken kann.

Warum ich das schreibe? Weil ich genau diesen Zustand öffentlich angeprangert habe. Mit erstaunlichen Erlebnissen in der Folge.

Um genau zu sein, zielt meine Kritik auf vier Punkte:

  1. Hunde werden ohne vernünftigen Grund einzeln gehalten, obwohl die Tierschutzhundeverordnung die Gruppenhaltung vorsieht und diese große Vorteile für die Tiere bietet.
  2. werden Hunde nach wie vor ohne vernünftigen Grund kastriert. §6 des Tierschutzgesetzes besagt, dass „das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres“ ohne entsprechende Indikation verboten ist. Geburtenkontrolle wäre eine solche für eine Kastration. Diese fällt jedoch weg, wenn Hunde einzeln gehalten werden, da eine Fortpflanzung ohnehin ausgeschlossen ist. Und ganz ehrlich – wenn dem Interessenten an dem Tier so wenig Vertrauen entgegengebracht wird, dass man eine unkontrollierte Fortpflanzung befürchtet, sollte man den Hund besser nicht an die Person vermitteln. Natürlich gibt es veterinärmedizinische Gründe für eine Kastration, aber diese sind Einzelfälle und nicht die Regel.
  3. werden Hunde ohne vernünftigen Grund aus der Vermittlung genommen, wenn Trainingskonzepte erfolglos bleiben. Eigentlich sollte klar sein, dass Hunde Individuen sind, die wiederum eine individuelle Ansprache erfordern. Es ist nicht nur dem Hund gegenüber hochgradig unfair, sondern bedeutet am Ende unter Umständen, dass Spendengelder unnötigerweise über 10 oder 12 Jahre darauf verwendet werden, ein Tier zu versorgen, welches vielleicht gute Vermittlungschancen hätte, wenn nur das Trainingskonzept angepasst würde. So scheitert erfolgreiches Hundetraining nicht an den Möglichkeiten, sondern an den persönlichen Befindlichkeiten einzelner Beteiligter.
  4. werden moderne Haltungskonzepte in der Ausbildung von Tierpflegern nicht ausreichend berücksichtigt. Generell leiden insbesondere kleine Tierheime unter Personalmangel, die Betreuung der Tiere wird in vielen Fällen von ungelernten Mitarbeitern übernommen, da die Gelder für Fachkräfte nicht ausreichen. Mit der Folge, dass Defizite im sicheren Umgang mit Hunden auftreten können, wenn sich die Menschen nicht selber um Fortbildung kümmern. Die Unfallgefahr ist in der Hundeanlage nun mal nicht wegzuleugnen und in trauriger Regelmäßigkeit erfahre ich von mitunter schwerwiegenden Beißvorfällen, die zu verhindern gewesen wären. Erst vor ein paar Monaten wurde ein Tierpfleger bei der Arbeit schwer verletzt, da er den Hund in der Situation falsch eingeschätzt hatte. Während der Hund ihn massiv attackierte, konnte die anwesende Aushilfskraft nur hilflos zusehen. In solchen Fällen muss man von Glück sprechen, dass es „nur“ zu erheblichen Verletzungen gekommen ist und der Betroffene wieder genesen wird.

Diese Kritikpunkte sind alle nicht neu und auch nicht alle auf meinem Mist gewachsen. Sie sind auch nicht geheim, sondern werden von verschiedenen Menschen seit Jahren immer wieder angesprochen – ohne dass sich im großen und ganzen etwas geändert hätte.

Die Frage ist, wie eine Verbesserung erreicht werden kann, wenn man leider an vielen Orten auf Granit beisst. Immerhin sprechen wir hier nicht über ein „Nice to have“, sondern über Rechtsvorschriften auf der einen Seite, dem Wohlergehen der Tiere auf der anderen Seite und nicht zuletzt über Arbeitssicherheit für die Menschen, die die Hunde versorgen.

An dieser Stelle sehe ich die Verbände in der Pflicht. In Deutschland gibt es gleich mehrere davon, denen auch Tierheime angeschlossen sind. Für die Verbände wäre es ein leichtes, eine moderne und artgerechtere Hundehaltung in den Mitgliedstierheimen zu fördern und zu fordern.

Der mit Abstand größte Verband hierzulande ist der Deutsche Tierschutzbund mit ca. 800.000 Mitgliedern, 520 angeschlossenen Tierheimen und etwa 13 Millionen Euro Einnahmen im Jahr 2016.

Dieser Text bezieht sich auf meine Erlebnisse mit diesem Verband, aber natürlich betrifft die Kritik, die von mir geäußert wird, nicht ausschließlich den Tierschutzbund, sondern auch andere und ebenso betroffene Tierheime, die verbandslos sind.

Würde der Deutsche Tierschutzbund mit gutem Beispiel vorangehen und die Umsetzung der Tierschutzhundeverordnung mit Blick auf Gruppenhaltung forcieren, würden die kleineren Verbände bald folgen. Immerhin stellt eine moderne Hundeanlage ja auch ein Highlight beim Tierheimbesuch dar und immer wieder konnte ich beobachten, wie begeistert Besucher davon waren, die Hunde in Interaktion zu beobachten. Und aus begeisterten Besuchern werden begeisterte Unterstützer.

Ehrlicherweise weiss ich nicht, wie der Stand der Diskussion in anderen Verbänden ist – im Falle des Tierschutzbundes weiss ich auf Grund meiner langjährigen Mitgliedschaft und verschiedener Positionen in Vereinen, dass eine Arbeitsgruppe die Haltung und die Arbeit mit den Hunden diskutieren soll. Bis dato allerdings ohne Erfolg.

Auf jeden Fall ist dies ein deutlicher Hinweis, dass die Thematik auch auf höherer Ebene bekannt sein sollte.

Um interessierten Hundefreunden einen Einblick in diese Problematik zu gewähren und meine Kritik zu platzieren, habe ich im September letzten Jahres ein Webinar veranstaltet, das den Titel „Die Sache mit dem Tierschutz“ trug.

Hier findest Du den Mitschnitt.

Die Erlöse plante ich an den Tierschutzverein zu spenden, in dessen Vorstand ich zu diesem Zeitpunkt noch Mitglied war. Schliesslich sollte nicht der Eindruck entstehen, dass ich mich bereichern wollte. Meine Intention war in erster Linie, eine Diskussion anzuregen und Ideen auszutauschen. Tatsächlich war diese Veranstaltung die am schlechtesten besuchte im letzten Jahr.

Dafür jedoch waren die Ereignisse in der Folge bemerkenswert.

Zumindest einen Teil seiner Einnahmen verwendete der Tierschutzbund nämlich darauf, einen Brief durch einen Justiziar aufsetzen zu lassen. Dieser Brief war nicht etwa an mich adressiert, sondern an den Vorstand des Vereines, in dem ich Mitglied war.

In diesem Schreiben wurde nicht etwa mir, sondern dem Verein vorgeworfen, ich würde als Mitglied des Vorstands den Deutschen Tierschutzbund und seine Mitglieder verunglimpfen.

In der Veranstaltungsankündigung hatte ich tatsächlich den einleitenden Satz etwas blöd gekürzt, so dass man dies – wenn man wollte – so verstehen konnte, als wenn sich meine Kritik ausschliesslich gegen den Verband richten würde. Dem Verfasser liegt jedoch der Mitschnitt des Webinars vor, so dass er sich selber davon überzeugen könnte, dass sich meine Kritik nicht ausschliesslich auf den Verband bezieht.

Juristisch betrachtet ist diese Vorgehensweise allerdings schlau. Der Vorwurf bezieht sich nicht auf meine Kritik, sondern darauf, dass es anderswo auch Probleme gibt. Wobei der Verfasser des Schreibens ausdrücklich betonte, dass es

„in Einzelfällen Probleme geben mag und manch ein Verein sicherlich Unterstützung im Bereich Hundetraining benötigt“.

Eine Einschätzung, die ich so nicht teilen kann – und die von mir befragten Kolleginnen und Kollegen auch nicht.

In dem Schreiben wurde schliesslich auf die „Solidaritätspflicht“ verwiesen, vermutlich bezogen §5, Absatz 3 der Satzung:

„Ein schädigendes Verhalten liegt insbesondere bei (…) öffentlicher Schädigung des Ansehens des Deutschen Tierschutzbundes e.V.“.

Was nichts anderes bedeutet, als dass dem Verein durch die Blume mit Ausschluss aus dem Verband gedroht wurde.

Der Brief, der mir vorliegt, endet mit den Worten, dass der Verband sich ausdrücklich vorbehält, mich persönlich zu kontaktieren. Dies ist bisher nicht geschehen, was zum einen schade ist, weil ich die Vorwürfe gegen mich und meinen Standpunkt gerne diskutiert hätte. Zum anderen bin ich natürlich froh, denn die Kontaktaufnahme wäre sicherlich teuer geworden, da es nicht um eine Sachauseinandersetzung geht, sondern um Formulierungen, die gegen mich ausgelegt werden.

In der Folge sollte ich Stellung beziehen, allerdings konnte ich mich nicht mit dem Gedanken anfreunden, meine Kritik zurückzunehmen. Auf der anderen Seite wollte ich selbstverständlich auch „meinem“ Verein nicht schaden oder gar riskieren, dass ich für einen eventuellen Ausschluss verantwortlich bin. So sind wir übereingekommen, dass ich alle Ämter niederlegte, meine Mitgliedschaft beendete und den Verein verliess.

Seit dem 28.12. bin ich offiziell raus aus dem Tierschutz.

Die Vorgehensweise des Tierschutzbundes finde ich schon bemerkenswert. Zum einen, weil ich – wie erwähnt – nicht der erste oder einzige wäre, der sich offen kritisch äußert. Zum anderen, weil mir unterstellt wird, ich wollte dem Tierschutzbund schaden und nicht die Situation für die Hunde verbessern. Wenn man das so will, kann man das so sehen. Aber:

Wenn das offene Ansprechen von Problemen gegen das Solidaritätsprinzip verstösst und im schlimmsten Falle den Rauswurf mit sich bringt, dann kommen diejenigen unter die Räder, die etwas verbessern wollen. Davon gibt es einige, und nicht wenige von ihnen sind mittlerweile frustriert oder haben es aufgegeben.

Eigentlich wäre ich hier am Ende meiner Erlebnisse angekommen.

Und eigentlich hatte ich auch gar nicht vor, das großartig öffentlich zu machen. Immerhin verfügt der Deutsche Tierschutzbund über die entsprechenden Mittel, mir das Leben schwer zu machen. Aber:

In den Tagen nach meinem Rücktritt hatte ich für mich entschieden, in Zukunft nicht mehr wie auch immer geartet mit Tierheimen zu arbeiten, egal welcher Verband dahintersteht. Ich hatte ehrlicherweise ziemlich die Nase voll und war auch persönlich ziemlich angefressen – immerhin habe ich ein paar Lebensjahre im Tierschutz gelassen und fand das Ende etwas unwürdig.

Vielleicht ist das der Grund, dass es nun doch noch einmal zu einer Fortbildung in einem Tierheim kommen wird, bzw. soll bzw. könnte.

Vor ein paar Jahren war ich schonmal vor Ort, man kennt sich also und die Idee der Veranstaltung war, Tierpfleger/innen die Möglichkeit zu geben, sich ein Wochenende kostenlos im Umgang mit Hunden im Tierheim weiterzubilden. Ich habe eh frei und Kaffee gibt es auch.

Themen sind Verhaltenseinschätzung und Selbstschutz, und vor allem Gruppenhaltung im Tierheim. Die Teilnehmer/innen müssen zwar nichts bezahlen, opfern jedoch ihre Freizeit zu Fortbildungszwecken und eigentlich sollte jeder Arbeitgeber glücklich sein, so tolle Mitarbeiter zu haben.

Nicht jeder Arbeitgeber – die Leiterin einer Einrichtung im Deutschen Tierschutzbund z.B. fühlte sich bewogen, den einladenden Verein zu kontaktieren und ihren Unmut darüber kundzutun, dass ich eine Fortbildung in einem Tierheim des Deutschen Tierschutzbundes geben darf.

Das ist in sofern verständlich, weil ich (neben vielen anderen Kolleginnen und Kollegen) die Methodik im Rahmen des von ihr verantworteten Hundeprojektes mehrfach hinterfragt und auch deutlich kritisiert habe. „Wie Du mir so ich dir“ sozusagen, aber dahingehend erstaunlich, dass sich mir die Frage stellt, ob sie aus Eigenantrieb oder auf Anforderung gehandelt hat. Aber das ist Spekulation.

Tierpfleger aus einer anderen Einrichtung haben derweil kurzfristig wieder abgesagt, da sie – so ihre Aussage – persönliche Konsequenzen befürchten. Abmahnung als Konsequenz für Fortbildung? Ok.

Wie beschrieben, es geht hier um die Freizeit der Menschen, die diese nutzen möchten, um im Arbeitsalltag sicherer agieren zu können. Es geht nicht um Arbeitszeit. Es geht auch nicht um „Trainingsphilosophien“, da die genannten Personen gar nicht wissen können, wie ich arbeite (dafür hätten sie mich fragen oder eine Veranstaltung besuchen müssen) und es im Rahmen einer solchen Veranstaltung auch gar nicht um Hundetraining geht.

Es scheint – und das ist die bittere Erkenntnis – einzig und allein darum zu gehen, dass Kritik nicht erwünscht ist und auf diesem Wege verhindert werden soll, dass irgendjemand von ihr erfährt.

Die Veranstaltung soll in ein paar Tagen stattfinden, bisher habe ich noch nichts gegenteiliges gehört. Man darf also gespannt sein, ob in letzter Sekunde noch eine Absage kommt.

Hiermit lade ich im übrigen gerne alle Beteiligten zu einer fachlichen Auseinandersetzung ein – leider blieben die bisherigen Versuche verschiedenster Menschen, eine fruchtbare Diskussion in Gang zu bringen, erfolglos.

Und ich vermute, dass das auch so bleiben wird.

Die Fortbildung am Wochenende jedenfalls setzt einen würdigen Schlusspunkt in Sachen Tierschutz. Immerhin etwas.

„So you gonna ruin your life“

Bei den Simpsons gibt es eine Szene, in der Marge und Homer bei Dr. Hibbert sitzen und erfahren, dass sie Eltern werden. Er drückt Marge eine Broschüre mit dem Titel „So you gonna ruin your Life“ in die Hand. Eine solche Broschüre wünsche ich mir jedes Mal, wenn mir jemand seinen Wunsch offenbart, Hundetrainer*in zu werden.

Da es eine solche Broschüre nicht gibt, schreibe ich hier einfach mal Clickbaitmäßig runter, wann man meiner Meinung nach sein Leben ruiniert und was ein paar der klassischen Fehler sind, die gerade am Anfang gerne mal passieren.

Wie gesagt – alles nur meine Meinung, aber vielleicht hilft es ja dem oder der einen oder anderen weiter …

10 Gründe, nicht als Hundetrainer*in zu arbeiten

1) Wenn Du mit Tieren arbeiten möchtest

Der größte Irrglaube, dem viele unterliegen ist der, dass Hundetrainer „etwas mit Tieren“ machen. Das Gegenteil ist der Fall! Unser Kunde ist der Mensch, den wir in Sachen Hund beraten. Dass Du einen Hund an der Leine hast, sollte die absolute Ausnahme sein. Wenn Du also nicht gerne mit Menschen kommunizierst, sind ein Dog Walking Service oder eine Hunde-Kita die bessere Alternative.

2) Wenn Du anderen helfen möchtest

Natürlich helfen Hundetrainer*innen ihren Kunden in gewisser Weise. In erster Linie sind wir jedoch Dienstleister und bieten maximal Hilfe zur Selbsthilfe und Anleitung im Umgang mit dem Hund an. Vielen Kolleginnen und Kollegen ist es schon passiert, dass sie in die Helferfalle getappt sind – frei nach dem Motto „Machen Sie mal, ich kann das nicht“. Nicht umsonst gilt auch für uns der olle Spruch: „Arbeite niemals mehr als dein Kunde.“ Der Spruch „Geteiltes Leid ist halbes Leid“ ist derweil Bullshit.

3) Wenn Du planen möchtest

Gerade am Anfang leben viele Hundetrainer*innen sprichwörtlich von der Hand in den Mund. Ob die Einkünfte reichen, um die laufenden Kosten zu zahlen, entscheidet sich Woche für Woche neu. Die nächste Woche ist mit Terminen vollgepackt, in der nächsten herrscht „Saure Gurken-Zeit“. Das muss man mögen.

4) Wenn Du betriebswirtschaftlich nicht fit bist

Um vom Hundetraining (über)leben zu können, musst Du über Grundwissen der Betriebswirtschaftslehre verfügen. Und selbst, wenn Du ein Steuerbüro beauftragst, plane mindestens eine Stunde täglich Buchhaltung ein. Vergiss nie, dass Deine „Einnahme“ brutto ist und Du 19% Umsatzsteuer ans Finanzamt abführen musst. Vergiss ebenfalls nie, dass Du vom Finanzamt nichts „zurückbekommst“, sondern Deine Kosten lediglich gewinnmindernd geltend machen kannst. Du benötigst eine Versicherung, ein Auto, wetterfeste Kleidung usw., alles Kosten, die Du berücksichtigen musst. Und Einkommenssteuer musst du auch bezahlen.

5) Wenn Dir das Wochenende wichtig ist

Die Hauptarbeitszeit eines Hundetrainers beginnt da, wo unsere Kunden Freizeit haben. Dem entsprechend arbeitest Du nachmittags und am Wochenende. Keine guten Voraussetzungen, um Freunde zu treffen und ein soziales Umfeld zu pflegen.

6) Wenn Du es allen recht machen möchtest

„Man kann sie nicht alle retten“ lautet ein alter Spruch, der auch auf das Hundetraining zutrifft. Es wird immer wieder mal Kunden geben, denen Deine Vorgehensweise nicht gefällt oder mit denen Du einfach nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommst. Nimm das zur Kenntnis, reflektiere es, aber nimm es Dir nicht allzu sehr zu Herzen und versuche vor allem nicht, Dich zu verbiegen, um einen Kunden zu behalten.

7) Wenn Du nicht gerne beleidigt wirst

Spätestens, wenn Deine Hundeschule gut läuft, wirst Du feststellen, dass es Menschen gibt, die Dir deinen Erfolg nicht gönnen. Man wird Deine Arbeit kritisieren, ohne dich zu kennen. Man wird Dich schlecht machen, vielleicht negative Bewertungen schreiben oder Dich in den sozialen Netzwerken diffamieren. „Wer in der Küche steht, muss mit der Hitze umgehen können.“ Wenn Du mit Druck von aussen nicht zurechtkommst, dann suche Dir lieber einen anderen Job.

8) Wenn Dir schnell kalt wird

Hundetrainer ist ein Allwetterjob – das vergessen viele. Gewöhne Dich also daran, auch bei Shietwetter auf der Wiese zu stehen. Wenn Du schnell frierst, hilft nur Thermounterwäsche.

9) Wenn Du ungeduldig bist

Bis eine Hundeschule so gut läuft, dass man davon gut leben kann, vergehen einige Jahre. Und viele vermeintlich bekannte Kolleg*innen, die auf Facebook und anderswo auf dem ersten Blick sehr erfolgreich zu sein scheinen, müssen trotzdem Nebenjobs machen, um über die Runden zu kommen. Anfangs musst Du damit leben, dass nur zwei Hunde zur Welpengruppe kommen oder der Beschäftigungskurs mangels Interesse ausfallen muss.

10) Wenn Du Angst vor Konkurrenz hast

In Deutschland gibt es – je nach Schätzung – zwischen 60.000 und 120.000 Hundeschulen. Auch in Deiner Nachbarschaft wird es mehrere Kolleg*innen geben. Wenn Du damit nicht umgehen kannst, ist es keine gute Idee, eine Hundeschule zu eröffnen. Bei CONSULTIER habe ich mal ein bisschen Gründungsberatung gemacht und hier mal die „Klassiker“ runtergeschrieben, mit denen sich viele Kolleg*innen selber das Leben schwer machen.

Klassische Fehler

  1. Von Agility bis ZOS? Als „One (Wo)man Show“ kannst Du nicht alles anbieten, was es auf dem Markt gibt. Ein klassischer Fehler ist es, möglichst das komplette Spektrum an Erziehung und Beschäftigung anzubieten. Frei nach dem Motto „Viel hilft viel“. Das Problem: Niemand kann alles und die Kunden merken schnell, was Dir am Herzen liegt und was nicht. Außerdem gibt es immer jemanden, der im Bereich XY mehr Erfahrung hat als Du. Spezialisiere Dich. So merkwürdig es klingt. Klar zu kommunizieren, was man kann und vor allem, dass man bestimmte Dinge nicht anbietet, sorgt dafür, dass man erkennbar bleibt.
  2. Terminkuddelmuddel: Gerade am Anfang machen viele Selbstständige den Fehler, auf Biegen und Brechen alle Terminwünsche ihrer Kunden möglich zu machen. Mit dem Ergebnis, dass sie zu nichts mehr kommen, da der ganze Arbeitstag verfasert ist. Erster Termin um 11 Uhr, zweiter Termin um 14 Uhr, dritter Termin um 17 Uhr. Die allermeisten Kunden sind flexibler als wir denken. Und wenn es am Dienstag nicht klappt, kann man den Termin auch auf Mittwoch legen.
  3. Verhandeln: Hundetraining ist teuer. Und viele Menschen müssen sich ziemlich strecken, um das Geld zusammenzukriegen. Dennoch ist es nicht klug, den Preis zu verhandeln. Erstens spricht sich so etwas herum, zweitens hast Du viel Geld bezahlt, um Dein Wissen zu erlangen. Sei also deinen Preis wert. Abgesehen davon gibt es viele Menschen, für die Handeln so etwas wie ein Sport ist. Und es wird immer eine Hundeschule in der Nähe geben, die günstiger ist. Wenn ich Kunden habe, die knapp bei Kasse sind, mache ich es so, dass ich ihnen ggf. eine Stunde schenke, wenn sie schon einige Zeit im Training sind. Das sage ich ihnen dann am Ende der Stunde und belohne sie damit für die Mühe, die sie sich geben.
  4. Dumpingpreise: Orientiere Dich bei Deiner Preisgestaltung an den Hundeschulen in Deiner Region. Bedenke, dass Deine mögliche Arbeitszeit begrenzt ist. Bei 15 Euro für eine Einzelstunde wirst du zwar viele Kunden anlocken, doch selbst bei 100%iger Auslastung wird das Geld kaum zum Leben reichen, wenn Du seriös arbeiten möchtest. Und eine Preisanhebung um 100% wird die Kunden verschrecken, obwohl es immer noch günstiger ist als anderswo.
  5. Jeden Kunden annehmen: Ein Kunde ruft dich an und erzählt Dir, dass sein Hund ein bestimmtes Problem hat. Wenn Du den Kunden annimmst, obwohl Du keine Ahnung von dem Thema hast, wird das nur dazu führen, dass der Kunde irgendwann enttäuscht abwandert und in seinem Freundeskreis erzählt, dass Du keine Ahnung hast. Niemand muss alles wissen und eine ehrliche Absage ist besser für das Image als „Try and Error“.
  6. Keine Ziele vereinbaren: Vergiss niemals, mit dem Kunden zu klären, welches Ziel er hat – und benenne, wenn es unrealistisch ist. Versprich dabei nichts, was nicht möglich ist. Jagdverhalten besser managen ja, Jagen wegerziehen nein. Ohne Zielvereinbarung kann der Kunde seine Ansprüche immer wieder ändern, das Training bleibt trotz aller Fortschritte erfolglos und frustrierend.
  7.  Zu viel Kreativität: „Lösungsorientierte Verhaltensberatung mit Blick auf die soziale Struktur“. Hä? Genau. Beschreibe Deine Leistungen so, wie Kunden nach ihr suchen würden. Wenn Du Hundetraining anbietest, benenne es auch so.
  8. Romantische Expertise: „Schon als Kind haben mich Hunde fasziniert …“ Es ist besser, garnichts darüber zu schreiben, warum man eine Hundeschule eröffnet hat, als die frühe Tierliebe als Grund anzuführen. Zum einen gehen die Kunden davon aus, dass Du Hunde magst und zum anderen umschreibst Du auf diese Art, dass Du keine Qualifikation hast.
  9. Déformation professionnelle: „Schon als Bäckereifachverkäuferin hat es mir besonders viel Freude bereitet, Kunden zu beraten“. Das mag sein, aber die Form der Beratung, die im Hundetraining stattfindet, ist eine völlig andere. Stell keine Qualifikationen her, die keine sind.

Zack, Zack! Maximales Gangbild

Seitdem ich Besitzer eines Schäferhundes bin, verbringe ich ungewöhnlich viel Zeit auf Hundeplätzen.

Das ist insofern bemerkenswert, weil ich a) eigentlich nicht so gerne auf Hundeplätzen bin und b) das letzte Mal Berührungspunkte mit der „Abrichtung des Deutschen Schäferhundes“ hatte, als ich ungefähr acht Jahre alt war. Damals hieß das noch so.

Ein Freund meines Vaters hatte so einen. Einen echten Deutschen Schäferhund mit allem Pipapo: Farbe Rot mit schwarzem Mantel und die Hüfte deutlich tiefer gelegt. Wasco mit Vor- und „vom Hassenichgesehen“ mit Nachnamen.

Hans, so hiess der stolze Besitzer von Wasko, packte seinen Hund jeden Samstag pünktlichst um 8:15 Uhr in den dafür vorgesehenen Hundeanhänger und fuhr die ungefähr 1,3 Kilometer zum Platz der örtlichen Ortsgruppe des Vereins für deutsche Schäferhunde.

Klar, die paar Meter hätte man natürlich auch laufen können, aber dann hätte sich die Anschaffung des Anhängers nicht gelohnt.

Wasco und Hans büffelten damals für die „SchH1“, und auch, wenn ich Hans als sehr netten Menschen in Erinnerung habe, erschien mir der Hundeplatz eher als Hort abgrundtiefer Spießigkeit und kleinbürgerlicher Allmachtsphantasien.

Der Platz selber war für die Hunde außerhalb der Übungszeiten tabu, das Vereinsheim sowieso und Markieren wurde mit „Zwei Mark in die Jugendkasse“ bestraft. Der Rasen war akurat gestutzt und es gab jede Menge Regeln – außer im Umgang mit den Hunden, da schien jedes Mittel recht. Natürlich konnte ich als Kind nicht in Worte fassen, was genau mich störte. Jedenfalls besuchte ich den Hundeplatz zwei- oder dreimal und verlor dann schnell das Interesse.

Mit meinen acht Jahren stellte der deutsche Schäferhund für mich den den idealen Hund dar. Hätte man mich vor fünf Jahren gefragt, welche Hunderasse ich gut finde, hätte ich geantwortet: Alle außer Schäferhunde.

Heute habe ich einen – wenn auch aus Gründen, wie man so schön sagt.

Sie ist grau, sie ist hysterisch, hat ständig Termine und sieht in jeder noch so kleinen Geste meinerseits einen sofortigen Arbeitsauftrag. Sie würde jeden noch so absurden Befehl jederzeit ausführen. Wäre sie ein Mensch, würde sie Falschparker aufschreiben, ihre Nachbarn beim Finanzamt anschwärzen und den Kindern das Betreten des Rasens untersagen. Ihre Hobbies wären Buchhaltung und Primzahlen.

Sie ist exakt die Art von Hund, deren Besitzer ich früher bemitleidet habe.

Als ich in Bayern war, traf ich auf einen alten Herrn, der mir berichtete, dass er im Laufe seinen Lebens viele Hunde „bis zur SchH3“ abgerichtet hätte. Das sagte er auch 2017 so. Er fand meinen Hund toll, sehr „triebig“, wie er feststellte. Ich könne außerdem noch ein „Pfund drauf packen“. Keine Ahnung, was genau er meinte, aber ich geh mal davon aus, dass sie ihm zu schlank war.

Wie dem auch sei, wenn man schon so einen Hund hat, warum dann nicht mal gucken, was einem im Schäferhundeverein so geboten wird.

Die erste Erkenntnis: Ziemlich wenig Schäferhunde für einen Schäferhundeverein. Um genau zu sein, war meiner der einzige. Obwohl der Schäferhund auch heute noch die Welpenstatistik mit Abstand anführt, finde ich es erstaunlich, wie selten man diese Hunde im Wald oder auf den Hundewiesen trifft. Ich meine, seit 2012 sind laut Welpenstatistik des VDH rund 55.000 Schäferhunde in Deutschland geboren worden. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum erblickten laut der selben Statistik 1.841 Australian Shepherds und 11.323 Golden Retriever das Licht der Welt.

Auch wenn viele Welpen ins Ausland verkauft werden, wo sind all die Schäferhunde hin?

Während es vor dreißig Jahren noch so ziemlich für jede Rasse auch einen Hundesportverein gab, geben sich die meisten heute „rasseoffen“, wie es so schön heisst. Dies ist nicht etwa das Ergebnis liberaler Veränderungen im Vereinswesen, sondern vielmehr die notwendige Antwort auf das immer geringere Interesse  an den Vereinen und den Angeboten. Dem entsprechend kostet es heute auch keine zwei Mark mehr, wenn ein Rüde den Platz markiert.

Viele der Vereine, die ich besucht habe, bieten heute alles mögliche an Beschäftigung und Erziehung für den Hund an – ob Agility, Obedience oder Longieren.

Die einstige Kernkompetenz, früher SchH, heute IPO, findet man derweil seltener. Immer mehr Vereine schliessen ihre IPO-Abteilung – mangels Interesse der Hundehalter und vor allem mangels geeigneter Schutzdiensthelfer.

Schade, denn ich finde diesen Sport eigentlich recht charmant.

Schon alleine die Vokabeln scheinen wie aus einer andern Zeit gefallen. Da wird mit Trieben um sich geworfen, dass es eine wahre Wonne ist – „Wehrtrieb“, „Beutetrieb“, herrlich, beinahe wie in einem ethologischen Freilichtmuseum.

Würde ein Hund tatsächlich so einer Fährte folgen wie es in der Prüfungsordnung beschrieben steht, würde er wohl elendig verhungern. Und auch der Schutzdienst hat mit der Ausbildung von Polizeihunden (da kommt er im Ursprung ja her) nur so viel gemein, dass in beiden Fällen Hunde eine Rolle spielen.

„Ist es denn noch zeitgemäß, Hunde auf Menschen zu hetzen?“ fragte denn auch jemand. Eine durchaus interessante Frage. Zum einen, weil sie voraussetzt, dass es irgendwann mal zeitgemäß gewesen sein muss und zum anderen, weil sie voraussetzt, dass der Mensch das Ziel des Hundes ist. Was nicht stimmt. Das was trainiert wird, ist der Griff des Hundes in den Schutzdienstarm, den wiederum der Helfer trägt. Keine Arme, keine Action – zumindest, wenn man vernünftig trainiert.

Die ganz überwiegende Mehrheit der Hundesportvereinsmitglieder sieht das mit der Beschäftigung eh eher familiär. Ein bisschen „Obi“ hier, ein bisschen „Agi“ da und ein bisschen „Fährti“, „Unti“ und „Schutzi“ dort. Ansonsten Geschichten vom Urlaub, Bilder von den Enkeln, ein Tässchen Kaffee und natürlich Kuchen. Typisch deutsches Vereinsleben also.

Und dann war ich zu Besuch auf einem meiner Lieblingshundeplätze. Hier gibt es immer hervorragenden Kaffee und eines der Vereinsmitglieder backt jede Woche Kuchen.

Da kam sie. Den Namen habe ich vergessen, aber vermutlich hat sie sich eh nicht vorgestellt. Als erstes prüfte sie skeptisch die Qualität des Rasens und monierte mit fachmännischen Blick, dass dieser für ihre Ansprüche viel zu hoch gewachsen sei.

Im Anhang eine junge Dame mit Schäferhund, jedoch einem belgischen. Nicht irgendeiner, sondern einer von einem ganz bestimmten Züchter, der nur und ausschliesslich Weltmeister, Könige und Imperialisten züchtet.

Die beiden betreten den Platz und diejenige, die immer den Kuchen backt, klärte mich auf: Leistungsgruppe!

Zwei Menschen, eine Mission: Training für die alles entscheidende Prüfung. Der Anspruch: 100%. Mindestens.

Hier ist nix mit Käffchen und Klönschnack. Hier geht es zur Sache. Das ist nicht Fahrradfahren, das ist Tour de France!

Los geht es mit der Unterordnung. Die junge Dame läuft los, ich denke mir noch, dass sieht ziemlich gekonnt aus, unterschätze aber mit meinem laienhaften Blick die messerscharfe Analyse der Trainerin: „Wie schön, dass Du schon in Grundstellung falsch stehst“ flötet sie ihrem Schützling maximalsarkastisch entgegen. Zack, das hat gesessen.

Dann folgt mein Zitat des Tages, achwas, des Monats. Gerade als die junge Dame „viiiieeel zu ausladend“ einen Richtungswechsel absolviert hat, brüllt es „Und jetzt Zack Zack! Maximales Gangbild!“ Mir läuft fast der Kaffee durch die Nase.

Als nächstes der Apport. Der Hund ist nicht das Problem, vielmehr hapert es an der Wurfgenauigkeit und -kraft der Hundeführerin. Zumindest in den Augen der Expertin. Mit kleinen charmanten Demütigungen wird an der Technik gefeilt. Immer und immer wieder.

Die beiden zu beobachten ist so etwas wie eine Mischung aus einem Loriot-Sketch und einem Laurel und Hardy-Film.

Mal ist man Hund, mal ist man Baum. Die junge Frau ist heute Baum, und zwar ein ganz niedriger.

Die Trainerin gefällt mir. Das meine ich ernst. Mit ihrer Art, maximale Unhöflichkeit und Kasernenatmosphäre mit minimalen Mitteln zum Ausdruck zu bringen, könnte sie alleine und ohne Hilfe ein kleines Land unterjochen.

Blöderweise formuliere ich meinen Gedanken, ein Mensch neben mir schaut mich abschätzig an. Später stellt sich heraus, dass es sich dabei um den Helfer der Truppe handelt, also denjenigen, der den oben erwähnten Ärmel trägt.

Die Platzablage wird auf den Millimeter genau trainiert, jede Eventualität mit einkalkuliert. Mensch und Hund funktionieren wie eine gut geölte Maschine. Und sie scheinen dabei auch noch eine Menge Spaß zu haben – nur eben auf eine schräge Art und Weise.

Aber was soll’s? Ist bestimmt billiger als eine Domina dafür zu bezahlen, dass sie einen zusammenfaltet. Vielleicht muss das ja so sein, wenn man ganz nach oben will. Und das es nur einen Weg, nämlich den aufs Treppchen, gibt, atmen alle Beteiligten aus allen Poren.

Ich hole mir derweil einen Kaffee und ein Stück Donauwelle – ganz vorzüglich.

Nächste Woche mache ich mit meiner Schäfertrulla vielleicht ein bisschen „Unti“ und freue mich bis dahin für die junge Dame, dass bei Turnieren keine Preisgelder ausgezahlt werden.

Das Hundetraining ist tot, lange lebe das Hundetraining.

Thomas und Stephan haben eines gemeinsam: Beide haben an einer renommierten Universität Medizin studiert. Ihre Professoren waren jeweils Koryphäen auf ihrem Gebiet, die Universitätsbibliothek ist weltweit anerkannt und nicht zuletzt haben beide sehr viel Geld und Zeit in ihr Studium investiert. Der Unterschied? Während Stephan heute ein anerkannter Chirurg in einer Privatklinik ist, muss sich Thomas vor Gericht in einem Kunstfehlerprozess verantworten, weil er einen Patienten auf dem Gewissen hat.

Die Geschichte ist (hoffentlich) frei erfunden, soll jedoch verdeutlichen, worauf ich hinaus will.

Immer wieder lese ich in sozialen Netzwerken die Frage nach der „besten Ausbildung“, die angehende Hundetrainerinnen buchen können. Genannt werden in der Regel die üblichen fünf oder sechs Verdächtigen. Und die eine oder andere Institution nennt sich in dem Zusammenhang auch mal selber gerne „die Elite“.

Doch nur, weil jemand mehrere Tausend Euro für eine Ausbildung übrig hat, macht dieser Umstand denjenigen noch nicht zum Teil einer wie auch immer gearteten Elite. Vielmehr steht die finanzielle Hürde diesem Wunschdenken im Weg.

Auf der einen Seite gibt es keine ernstzunehmenden Aufnahmetests, die diesem Anspruchsdenken Gewicht verleihen würden. Auf der anderen Seite – warum sollte jemand, der wirklich ambitioniert ist, so viel Geld für etwas ausgeben, das man sich für wenige Euro selber erarbeiten kann?

Im Ernst! Du möchtest Hundetrainerin werden?

Dann leihe Dir die entsprechende Fachliteratur aus der Bibliothek (Ja, die gibt es noch!) und vor allem lies sie.

Schaue Dir auf Youtube die verschiedenen Techniken an und sieh vor allem zu, dass Du das Gelernte verstehst und das Verstandene in die Praxis umsetzen und erklären kannst.

Sei dabei offen für alles, probier vieles aus und erkläre fachlich, was Dir komisch vorkommt oder Deiner Meinung nach nicht funktionieren kann.

Das lernst Du in keinem Ausbildungsinstitut, sondern durch Erfahrungen, die du machst.

Mach Praktika – in der Hundepension, im Tierheim, als Gassigänger. Wenn Du eine Methodik interessant findest, dann buche ein paar Einzelstunden. Danach bist du schlauer.

Das, was du theoretisch in einer Ausbildung lernen kannst, findest du in Büchern.

Praktisch geht es vor allem um eines: Technik.

Die eine ist vielleicht „nett“, die andere „böse“. Aber es bleibt Technik

Beratungstechniken, Leinenführigkeitstechniken, Rückruftechniken, Belohnungstechniken usw.

Die Technik bringt man dem Kunden bei und dieser wiederum glaubt, dass sich sein Problem in Luft auflöst, weil er auf Technik vertraut. Das kann nicht funktionieren und funktioniert in vielen Fällen auch nicht.

Der Grund dafür ist einfach. Erziehung ist nichts technisches, vielmehr findet sie im Alltag statt. Ganz nebenbei. Es sind die kleinen Momente, die den Unterschied machen. Und nicht Trainingseinheiten.

Man „trainiert“ nicht mit dem Kind, dass man keine alten Omas ausraubt. Würde das funktionieren, dann gäbe es in der Schule das Fach „Erziehung“ und es gäbe keine Arschlochkinder mehr.

Erziehung heisst, Werte vorzuleben, in der Lage zu sein, sich in Konflikten durchzusetzen, ohne unfair zu werden und vor allem so zu belohnen, dass es keine leere Floskel ist.

Durch Training eignet man sich derweil praktische Fähigkeiten wie Fahrradfahren, Klavierspielen oder Kochen an.

Wer also glaubt, den bissigen Hund mit einem „Anti-Aggressionstraining“ in den Griff zu bekommen, der sollte einfach mal einen Blick auf die Rückfallquote jugendlicher Straftäter werfen, die erlebnispädagogisch korrekt zum Kite-Surfen nach Mallorca geschickt wurden.

Ein Hund wird seinen Menschen nicht ernster nehmen, nur weil dieser beim Spaziergang nonverbal und ritualisiert hin und her marschiert oder zum hundertsten Mal „Sitz“ übt.

Techniken sind für den Erziehungserfolg zweitrangig. Vielmehr sollten sie als Vehikel dienen. Sie sollen kleine Erfolge produzieren, um dem Hundebesitzer Selbstbewusstsein mit auf dem Weg zu geben. Denn Selbstbewusstsein erlangt man durch Handlungsfähigkeit. Wer weiss, wenn ich das geschafft habe, wozu bin ich noch in der Lage?

Hundetraining, wie es heute vielfach durchgeführt wird, kommt daher schnell an seine Grenzen.

Alle haben den Behaviorismus kritisiert, doch geändert hat sich wenig. Es wird konditioniert auf Skinner komm raus, ohne die inneren Vorgänge des Hundes zu berücksichtigen oder ihm die Möglichkeit zu geben, eigene Erkenntnisse zu gewinnen.

Wir palavern über kontextspezifisches Lernen und wundern uns, warum das auf dem Hundeplatz in Anwesenheit des Trainers prima funktioniert und auf der Wiese im Stadtpark nicht.

In den letzten Wochen habe ich gleich mehrere Menschen mit ihren Hunden kennengelernt, die jahrelang eine Technik nach der anderen trainiert haben.

Jede einzelne davon, jeder Satz und Begriff, der mir geschildert wurde, war nahezu identisch. Jeden Ablauf, jede einzelne der durchkonfektionierten Übungen konnten die Hunde rauf und runterbeten.

Aber erzogen waren diese Hunde deshalb noch lange nicht. Nur strategischer und kreativer, wenn es darum ging, ihrem Besitzer auf der Nase rumzutanzen.

Alles war trainiert: Leinenführigkeit, Dranbleiben ohne Leine, Rückruf, Sitz, Platz etc. Aber mal so nett sein und beiseite gehen, wenn der Besitzer mit dem Tablet voller Kaffeetassen vorbeiwill – Pustekuchen.

Der Grund dafür ist der, dass viele Hunde schlicht zu schlau sind und die Übertragung von Technik in den Alltag meiner Meinung nach nicht funktionieren kann.

Die Technik ist nicht für die Erziehung des Hundes wichtig, sondern für den Trainer, der sie vermittelt und deshalb Teil einer Peer Group ist. Eines für alle. Egal, ob es passt. Man hat schliesslich eine Menge Geld dafür bezahlt. Zeig mir Deine Leinenführigkeit und ich sage dir, was sie Dich gekostet hat. Da wären wir dann wieder bei den Eliten.

Viele Hunde sind heute so austrainiert, dass sie nach spätestens fünf Minuten durchschaut haben, wessen Geistes Kind da vor ihnen steht. Sie kapieren sofort, ob sie sich in einer Trainingssituation befinden oder nicht und wissen ganz genau, was zu tun ist. Sie sind leinenschlau, maulkorbschlau, hasenzugmaschinenschlau und diealtepasstgeradenichtauf-schlau.

Was glaubst du, wie weit Du kommst, wenn du die hundertste Übung eintrainierst?

Der Begriff Hundetraining als solcher ist irreführend, weil er suggeriert, man würde etwas mit Hunden tun. Auch „Verhaltensberater“ ist Blödsinn. Toll, wenn der Kunde weiss, warum der Hund etwas tut. Aber eigentlich will er doch wissen, wie er damit umgehen soll. Vielleicht wäre „Erziehungsberater“ passender.

Ich weiss es nicht.

Eines jedoch wird mir jeden Tag aufs Neue klar. Die Idee des Trainings ist überholt. Wir müssen zugeben, dass wir die Viecher unterschätzt haben. Je mehr Raum Hunde bei ihren Menschen einnehmen, je weniger sind sie für Dressur empfänglich.

Kein Wunder, schliesslich wollen sie Sozialpartner und keine Dompteure.

Wir müssen runter von den bequemen Hundewiesen.

Wir müssen weg von Reiz-Reaktions-Mustern.

Wir müssen weg von simplen Belohnungsprinzipien.

Die Trainingstechnik ist der fleischgewordene Knopfdruck.

Offenlegung:

Ich selber habe eine sehr kostspielige Ausbildung gemacht, in der mir dieselben Techniken vermittelt wurden, wie hunderten Auszubildenen vor mir und hunderten nach mir. Außerdem habe ich eine Ausbildung mit entwickelt und bis vor kurzem selber eine angeboten.

Sand in den Taschen

Als ich mich an diesem Abend meiner Arbeitsklamotten entledigte, rieselte Sand auf den gefliesten Boden unseres Badezimmers. Ich hatte einen harten Tag hinter mir. Aber auch ein Ziel vor mir. Noch ein Tag Sand und Steine auf der Baustelle schleppen und ich hätte mir genügend Geld dazuverdient, mir meinen damals größten Wunsch zu erfüllen.

Damals war ich 15 oder 16 und mein Wunsch war eine Lederjacke. Und die waren teuer.

Also hattest Du mir angeboten, Dir auf dem Bau zu helfen. 10 Mark pro Stunde hattest Du mir in Aussicht gestellt und so stand ich in den folgenden Tagen früh auf und schleppte Pflastersteine, während andere ihre Sommerferien im Freibad verbrachten.

So warst Du. Im besten Sinne großzügig. Du schafftest mir Möglichkeiten, Ziele zu erreichen. Als ich mit 11 Jahren Gitarre lernen wollte, besorgtest Du mir eine von einem Bekannten, der Musik machte. Das Instrument zu erlernen, das war meine Aufgabe und das hatte ich zu organisieren. Wieder eine Möglichkeit, die hast Du geschaffen hast.

Als ich studieren wollte, war das für Dich ok, als ich das Studium abbrach, um etwas anderes zu lernen, war das für dich auch ok. Du, der immer Kohl gewählt hat und ich, der mit bunten Haaren von Anarchie träumte. Auch das war ok. Ich bin sicher, dass Du es eigentlich gut fandest, dass ich mich engagiert habe. Egal wofür. Als wir uns mal richtig stritten, sagtest Du mir unvermittelt, dass Du stolz auf mich seist.

Über Politik konnten wir eh nicht streiten, dafür über Fussball. Ich weiss noch, wie wir, da muss ich 7 oder 8 gewesen sein, ein Fussballspiel meiner Lieblingsmannschaft im Fernsehen guckten und du mich so lange geärgert hattest, bis ich stinksauer abgedackelt war. Später kamst Du in mein Zimmer und hast dich entschuldigt. Dabei hattest Du recht, die haben an dem Abend miserabel gespielt und zu Recht verloren.

Nach dem Tag auf der Baustelle war ich abends fix und fertig, für Dich war dieser Knochenjob 40 Jahre lang Dein Alltag. Du warst ein Malocher, hast Dich darum gekümmert, dass wir ein bisschen Wohlstand hatten.

Schon Dein Vater war Malocher. Für Dich war ein Stück Fleisch auf dem Teller ein Zeichen dafür, dass Du etwas erreicht hattest. Du brauchtest nicht viel, um zufrieden zu sein. Schweigsam und stoisch, genügsam und demütig hast Du das getan, was du für notwendig erachtet hast.

40 Jahre auf dem Bau, 40 Jahre schuften, bis erst Dein Rücken und später Dein Herz nicht mehr konnte. Angefangen mit gerade mal 15 Jahren, ohne Pause. Einmal im Jahr zwei Wochen Urlaub im Sauerland.

Die guten Zeiten, die würden noch kommen. Wenn Ihr erst in Rente seid, wenn Du Dich etwas zurücknehmen kannst, wenn wir Kinder aus dem Hause sind.

Sand in den Taschen. Ich war mit meinen Hunden am Strand, ich musste mich sammeln, als mich die Trauerkarte erreicht hatte.

Das hätte Dir gefallen. Du mochtest meine Hunde und meine Hunde mochten Dich. Ich weiss noch, wie wir in der Küche saßen, die Hunde sich völlig daneben benahmen und Du ihnen dafür Leckerchen gabst. Wie wir mit der ganzen Bande spazieren gingen und Du einfach Freude daran hattest, ihnen zuzusehen.

Ich erinnere mich an Max, den Dackel, der nie kläfft und wie Du dich noch Monate später darüber amüsieren konntest, dass er ausgerechnet an dem Tag durchbellte, an dem Ihr zu Besuch ward.

Als ich vom Strand zurückkam, spürte ich Sand in den Taschen. Ich fühlte mich zurückversetzt in die Zeit, als ich damals im Badezimmer stand und du mir die Möglichkeit geschaffen hattest, ein Ziel zu erreichen.

Ich erinnere mich, dass Du mir mal gesagt hast, ich solle lieber ehrlich als höflich sein. Dass Du mal gesagt hast, dass es nicht darum geht, alles zu erreichen. Sondern darum, sich hinterher nicht darüber zu ärgern, es nicht probiert zu haben.

Mit 15 oder 16 wollte ich nie so werden wie Du! Heute bin ich es längst und das macht mich stolz.

Du wurdest nur 67 Jahre alt. Das ist unfair. Ich hätte Dir von Herzen noch ein paar Jahre gegönnt. Zeit, sich auszuruhen, die Rente zu geniessen und doch noch das Motorrad zu kaufen, von dem Du mal erzählt hattest. Dazu ist es nicht gekommen.

Ich hätte Dich gerne nochmal gesehen, hätte mich gerne verabschiedet. Dazu ist es auch nicht mehr gekommen. Vielleicht hätte ich Dir noch was sagen wollen. Vielleicht, dass ich Dir dankbar bin für die vielen Möglichkeiten, die Du mir eröffnet hast. Vielleicht, dass ich froh bin, einen Vater wie Dich gehabt zu haben, auch wenn ich beim besten Willen nicht verstehe, wie man Bayern-Fan sein kann.

Sand in den Taschen. Das ist das, was bleibt. Damals auf der Baustelle, heute am Strand und wer weiss, wo noch in der Zukunft.

Es werden sich Möglichkeiten ergeben. Und ich bin mir sicher, das würde Dir gefallen.

Lebe wohl.

Unter Hundehaltern (1)

Der von mir hochgeschätzte Michael Frey Dodillet rief einst seine Leser via Internet dazu auf, ihm die absurdesten Ratschläge mitzuteilen, die ihnen jeweils ein „Krause“ (so heißen in seinen Büchern alle Sorten von Hundetrainern, Ratschlaggebern und Ahnunghaber) mit auf den Weg gegeben haben.

Eine Leserin berichtete daraufhin, dass ihr angeraten wurde, in der Dämmerung Mülltonnen zu umarmen, weil ihr Hund unsicher vor selbigen reagierte.

Die Anekdote sorgte natürlich für Lacher, da jede/r sofort das Bild von der Mülltonnenumarmenden Hundebesitzerin bei Dämmerung – und natürlich die Reaktionen der Passanten, die sie dabei beobachten – vor Augen hatte.

Doch so lustig das ist, der Ansatz als solcher ist gar nicht so falsch.

Vorausgesetzt nämlich, dass die Hundehalterin es tatsächlich schafft, dem Hund glaub- und ernsthaft zu versichern, dass Mülltonnen total nett sind, dann kann diese Vorgehensweise funktionieren und der Hund sich an die neuen merkwürdigen Freunde seiner Besitzerin gewöhnen.

Ich persönlich würde spätestens bei 30° und der ersten Biotonne aussteigen, aber das ist meine persönliche Meinung.

Eine Bekannte von mir hat in einer Hundeschule ihren Hund einschätzen lassen, weil sie wissen wollte, „wessen Geistes Kind“ er so sei. Der Versuchsaufbau zur Charakterisierung war sehr aufwändig, es gab Checklisten, Fragebögen und Ablaufpläne, machte also erst mal einen sehr seriösen und wissenschaftlichen Eindruck.

Das Ergebnis der Einschätzung sagte jedoch nicht besonders viel aus. Warum? Weil es keine definierten Sollwerte für Verhalten beim Hund gibt. Wenn in der Auswertung z.B. „verhält sich sehr explorativ“ steht, dann würde meine Gegenfrage „Im Vergleich zu was?“ lauten. Das er abhaut, wenn die Besitzerin die Leine abmacht, wusste sie auch schon vorher.

Das bedeutet, dass sich der Hund meiner Bekannten so lange „sehr explorativ“ verhält, bis ich auf eine Gruppe unerzogener Huskys treffe – die verhalten sich noch viel explorativer. Die mangelnde Datenbasis macht eine pauschale Einordnung sehr schwierig, in jedem Fall ist das Ergebnis nicht wissenschaftlich.

Alles nicht so einfach.

Vor kurzem war ich in ein paar Hundeschulen und Hundesportvereinen und bekam eine Menge Ratschläge mit auf den Weg, auf die ich so nicht käme und die mal sehr merkwürdig mal logisch und fundiert klangen.

Einen Teil davon habe ich einfach mal mit meinen Hunden ausprobiert, Mülltonnen umarmen war jedoch mangels sich vor solchen fürchtenden Hund nicht dabei.

Teil 1: Ein Calming-Cap für die Schäfertrulla?

Ein Calming-Cap ist grob zusammengefasst so eine Art Verschleierung, wobei dem Hund durch den Stoff tatsächlich die Sicht genommen werden soll.

Hunde, die zum Beispiel auf fahrende Autos sehr aufgeregt reagieren, sollen dadurch – wie der Name „Calming“ schon sagt – beruhigt werden, in dem die Wahrnehmung eingeschränkt wird.

Der einzige etwas nervösere Hund, den ich habe ist die Schäfertrulla. Zu Beginn einer jeden Aktivität neigt sie dazu hochzudrehen, wenn ich vorher keine Ansage mache.

Wenn mir ein Calming-Cap das Einnorden erspart, weil sie dadurch ruhiger wird – warum nicht?

Also habe ich mich beraten lassen und die Schäfertrulla verschleiert.

Beim ersten Versuch verhielt Madame sich tatsächlich zumindest anders als sonst. Die verminderte Sicht sorgte erstmal für Verwirrung. Außerdem sicherlich der fehlende Hinweis, dass wir nicht wie Boden-Boden-Raketen aus dem Auto schießen.

Da sich mein „Problem“ auf die ersten Meter eines Spaziergangs beschränken, habe ich die Hündin wie angeraten nach einiger Zeit vom Cap befreit. Das wiederum nutzte die Trulla, um nachzuholen, was sie am Auto noch versäumt hatte.

Na toll.

Aber ich bin ja tapfer und so wiederholte ich das Ganze nochmal, diesmal „durfte“ sie das Cap den ganzen Spaziergang tragen. Tatsächlich fiel der Raketenstart aus. Die Nervosität jedoch blieb mir persönlich zu hoch.

Daher finde ich es für uns passender, der Schäfertrulla vorm Aussteigen klarzumachen, dass wir bitte gesittet durch die Gegend laufen. Das geht in der Folge wesentlich entspannter ab und ist auch besser für unser aller Herzkreislauf.

Dennoch kann ein Calming-Cap in bestimmten Situationen durchaus sinnvoll sein. Zum Beispiel, wenn ein Hund selbst bei geringen Reizlagen dermaßen überreagiert, dass der Hund nicht mehr ansprechbar und eine Anpassung der Rahmenbedingungen nach unten nicht möglich ist.

Vor Jahren habe ich auf einem Workshop mal eine Malinoishündin erlebt, für die die ganz normale Umgebung eine totale Überforderung dargestellt hat. Für sie wäre es zumindest überlegenswert gewesen, zum Claming-Cap zu greifen.

Wie bei allem im Leben kommt es nur auf die Gelegenheit an.

 

Das Hitzedilemma

Tierschutzuschi, die; seltener Tierschutzuli, der (Definition): Tierliebe – häufig weibliche – Person, die meist sehr emotional, jedoch selten sachkundig handelt. Man unterscheidet die Tierschutzuschi digitalis, deren natürlicher Lebensraum Onlineforen und soziale Netzwerke sind und die Tierschutzuschi vitalis, die sich im öffentlichen Raum verhält und verstärkte Aktivität bei Temperaturen ab ca. 20° Celsius zeigt. Häufig kommt es zu Mischformen, in der Regel witterungsabhängig.

„Öffnen’se mal Ihr Auto, ich bin vom Tierschutz.“ herrschte mich die merkwürdige Dame an. Einigermaßen verwundert schaute ich sie an und fragte sie, von welchem Tierschutz genau sie denn sei.

Ich bin nämlich auch vom Tierschutz, aber wohl von dem anderen, denn ich für meinen Teil habe keine Polizeibefugnisse und darf einfach so Autos kontrollieren. Ich glaube, ich muss den Tierschutz wechseln.

Diese kleine Anekdote spielte sich 2014 ab, um genau zu sein Anfang März 2014 gegen 21 Uhr. An dem Tag hatte ich einen Workshop gegeben und wollte mit ein paar Teilnehmerinnen noch eine Kleinigkeit essen gehen.

Dann kam sie. Sie stürzte ins Restaurant und brüllte uns an, wem die Hunde da draussen im Auto gehören würden.

Wenig später stand ich – gemeinsam mit zwei per Notruf hinzuzitierten Polizisten und einigen Gästen aus dem Restaurant – immer noch etwas ungläubig bei ungefähr 2 Grad und Schneeregen auf dem Parkplatz. Die Dame klärte uns auf, dass die Hunde im Auto zu ersticken drohen.

„Ja nee, is klar. Es ist ja allseits bekannt, dass man bei längeren Autofahrten alle 30 Minuten durchlüften muss, weil man sonst erstickt“, versuchte sich einer der Polizisten in Ironie.

Mit dem Ergebnis, dass wir uns darauf einigten, dass ich das Auto woanders parke und die Dame schließlich mittels Platzverweis entfernt wurde, weil sie mit Ironie nicht so viel anfangen konnte (und weil sie „Schlampe“-brüllend auf die Veranstalterin des Workshops losgegangen war).

Nun wird es langsam Sommer. Und damit kommt die perfekte Jahreszeit für Tierschutzuschis wie meine von damals, aktiv zu werden. Es ist angenehm warm und bei Facebook ist bei gutem Wetter eh nicht viel los.

Selbstredend sollte mittlerweile auch der letzte Depp begriffen haben, dass man den Hund (und das Kind, Oma, Opa oder die Frau) bei höheren Temperaturen nicht längere Zeit im Auto lassen sollte.* 

Doch sobald das Thermometer mehr als 19 Grad anzeigt, scheinen die Uschis und Ulis auszuschwärmen und Jagd auf unverantwortliche Hundehalter zu machen, die es wagen, ihren vierbeinigen Liebling auch nur einen Wimpernschlag lang der todbringenden Hitze auszusetzen.

Zum Beweis dient ihnen eine Tabelle, die besagt, dass bereits ab 20 Grad das Auto zur tödlichen Falle wird. Um ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen, legen sie großen Wert darauf, möglichst laut, hysterisch, feindselig und unsympathisch zu erscheinen.

Schließlich wissen wir von Facebook, dass uns niemand hört, wenn wir nicht mindestens eine abfällige Bemerkung und fünf Ausrufezeichen in unsere Kommunikation einbauen.

Da ich harmoniesüchtig** bin, gebe ich mir natürlich große Mühe.

Dem entsprechend lasse ich meine Hunde bei höheren Temperaturen a) entweder zuhause oder b) nehme sie mit aus dem Auto.

Damit befinde ich mich jedoch in einem Dilemma.

a) Den Hund längere Zeit alleine zuhause zu lassen geht nämlich auch nicht. Dem Internet zufolge ist es nämlich dem Bedürfnis des Hundes nach Nähe zum Menschen nicht zuträglich, wenn er mehr als zwei oder maximal drei Stunden alleine bleiben muss. Diese Tatsache ist im übrigen so gravierend, dass es für den Hund allemal besser ist, in einem Tierheim zu hocken als bei egoistischen Menschen, die es wagen, einer Arbeit nachzugehen.***

b) Zuerst muss ich natürlich den „Handflächentest“ machen. Ist der Untergrund zu heiss, kann sich der Hund fiese Verbrennungen zuziehen. In dem Fall muss entweder b1) meinen Hund tragen oder b2) wieder nach Hause fahren und ihn ans Katzenklo gewöhnen, bis der Sommer vorbei ist.

Wie man es macht, macht man es falsch.

Vorgestern habe ich lernen dürfen, dass es nicht mal einen Hund benötigt, um eine Tierschutzuschi zu aktivieren. In dem Fall reichte mein Auto, in dem unter Umständen ein Hund sitzen könnte, um mich mal ordentlich anzupampen. Da ich nämlich selber nicht ersticken respektive den Hitzetod sterben wollte, hatte ich das Fenster einen Spalt weit auf, so dass die Dame einen Blick auf die Hundebox im Auto werfen konnte.

Um eine akute Straftat zu vermeiden zog ich es schließlich vor, die keifende Dame einfach stehen zu lassen. Soll sie doch das leere Auto retten.

Aber mal Spaß beiseite.

Ich habe nie verstanden, warum manche Menschen ihre Hunde ständig und überall dabei haben müssen. Das gilt für den einstündigen Großeinkauf im Supermarkt im Hochsommer genauso wie für den Besuch eines überfüllten Weihnachtsmarktes in der Adventszeit. Was genau soll der Hund davon haben?

Wenn ich irgendwo hin möchte, wo es nicht um den Hund geht – warum sollte ich ihn dann mitnehmen? Hat er Freude daran, im Auto zu warten, während ich mir ein paar neue Schlüpfer kaufe? Findet er es toll, dass ihm Leute auf den Pfoten rumtreten, weil ich am Glühweinstand unbedingt so ein süßes Gesöff kaufen muss? Ist es eine Wonne für ihn, im Restaurant unterm Tisch zu liegen und nicht auffallen zu dürfen?

Andererseits – wenn ich mit meinen Hunden unterwegs bin und einen Zwischenstopp einlege, brauche ich auch nicht gleich selbsternannte Tierschützer, die mit der Stoppuhr an der Zapfsäule (oder vorm Bäcker) warten und den Autofahrer beschimpfen, weil der Hund fünf Minuten warten musste, während der ehrliche Mensch seine Tankrechnung bezahlen war.****

Ein Typ hat mal versucht mein Auto aufzubrechen, während ich daneben stand.

Außerdem – Warum sollte ich mit meinen Hunden auf Asphalt spazieren gehen? Selbst in Großstädten gibt es Grünflächen, die sich nicht dermaßen erhitzen, dass der Vierbeiner sich gleich die Pfoten verbrennt? Und wenn nicht, dann fährt man eben raus oder überdenkt seine Wohnsituation.

Abgesehen davon, was für eine Art Spaziergang ist das denn, der ausschließlich oder größtenteils auf Asphalt stattfindet? Die Seele baumeln lassen auf dem Pannenstreifen der Autobahn?

Diese Grafik, die jeden Sommer in den sozialen Netzwerken verteilt wird, ist nicht nur grenzwertig, weil sie von den Uschis und Ulis dieser Erde als Killerargument genutzt wird, sondern vor allem auch, weil sie die trügerische Sicherheit vermittelt, dass bis 20°C alles takko wäre.

Doch wie heiss es in einem Auto wird, hängt von vielen Faktoren ab und nicht nur von der Außentemperatur und der Zeit, die vergeht.  Ich hatte mal einen schwarzen Hochdachkombi mit vielen Fensterflächen. Der wurde auch bei 17 oder 18° sehr schnell sehr ungemütlich, wenn die Sonne schien. Im weissen Kastenwagen war es auch bei 25° noch angenehm und gut auszuhalten.

Davon abgesehen hängt es doch auch davon ab, wie wettertauglich der Hund ist, der da gerade wartet.

Mit meinem Border Collie brauche ab 25° nicht mehr raus gehen. Der verträgt Hitze nicht und den würde ich dem entsprechend nicht eine Minute im Auto warten lassen. Meine Altdeutschen sind im wahrsten Sinne des Wortes wetterhart. Auch bei 35° rennen die stundenlang mit und wenn ich ihnen im Anschluss Wasser anbiete, gucken die mich nur komisch an.

Es ist natürlich gut und wichtig, über Gefahren zu informieren! 

Auf der anderen Seite möchte ich nicht wissen, wie viele Hunde bei knappzwanziggrad in irgendwelchen schwarzen SUVs vor sich hin hecheln, weil der Hund im Backofen laut Tierschutz erst zwei Grad später gart.

Ein bisschen Augenmaß wäre ja schön.

Steht der Hund nicht gerade kurz vorm Kollaps, könnte man ja mal vier oder fünf Minuten warten, bevor man in Aktionismus fällt. Oder vielleicht fragen. Und total revolutionär, das Ganze vielleicht höflich.

Das gilt im übrigen für Uschi und Uli genauso wie für Hundehalter, die jetzterstrecht nicht darauf achten, was auf dem Parkplatz gerade vor sich geht. Die gibt es nämlich auch.

In diesem Sinne, ich geh mal meine Oma aus dem Auto holen.

* Den Absatz habe ich extra fett gesetzt, bevor mir noch jemand unterstellt, dass ich es OK finde, meine Oma im überhitzten Auto warten zu lassen.
** Ja, wirklich!

*** Diejenigen, die viel Freizeit haben, bekommen den Hund natürlich auch nicht. Denn die haben entweder zu wenig Geld oder sind zu alt. Das ist das Hauptproblem im deutschen Tierschutz: zu wenige arbeitslose Einkommensmillionäre mittleren Alters.
**** Ohne  Quatsch, das habe ich schon erlebt.

Kurz – polemisch – angemerkt (3)

Ja, ich gebe offen und ehrlich zu: In diesem Haus gibt es Hundeboxen!

Bei neun Hunden finde ich die äußerst praktisch, denn ich kann deutlich ruhiger schlafen, mal eben einkaufen gehen oder auch weniger hundeaffinen Besuch empfangen, wenn die Knalltüten derweil gut verpackt sind.

Da ich selbiges vor kurzem kundgetan habe, wurde ich auch auf einen bemerkenswerten Artikel aufmerksam gemacht.

Denn wenn es nach dem Willen des Tierschutzbeirats des Landes Rheinland-Pfalz geht, dann ist eine Hundebox sowas von Pfuibäh und noch schlimmer – sie verstösst sogar gegen die TierschutzHundeVerordnung.

Die Mitglieder waren nämlich fleissig:

„Der Tierschutzbeirat Rheinland-Pfalz hat sich mit der Frage beschäftigt, ob die Verwendung der geschlossenen Hundebox tierschutzrechtlich erlaubt ist?“

Für diejenigen, die diese Verordnung noch nicht kennen.

„(1) Diese Verordnung gilt für das Halten und Züchten von Hunden (Canis lupus f. familiaris).“

Abgesehen davon, dass der Canis Familiaris schon seit Jahren nicht mehr Canis Lupus Forma Familiaris heißt, geht es also um Hunde. Und wie der erste Teil des Satzes schon aussagt, um das „Halten und Züchten“ von selbigen.

Nun schreibt der „Tierschutzbeirat“ auf seiner Internetseite also, dass die Hundebox als solche gegen die TierschutzhundeVO verstösst und beruft sich dabei auf §6, der das Halten von Hunden in Zwingern regelt und – grob zusammengefasst – Mindestgrößen für Hundezwinger vorschreibt.

Und kommt zu folgendem Ergebnis:

Die Unterbringung eines Hundes in der geschlossenen Hundebox ist möglich. Sie darf nur auf tierärztliche Anordnung (nicht auf Anordnung eines Hundeerziehers oder –therapeuten, der nicht auch Tierarzt ist) erfolgen. Der Tierarzt muss den Einsatz begleiten.

Dieses ist – mit Verlaub – doppelt daneben. Denn:

  1. Die TierschutzHundeVO regelt die Haltung von Hunden und nicht temporäre Zustände. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Man darf also seinen Hund temporär an einen Zaun binden, ohne dass die Anbindevorrichtung den Anforderungen der Verordnung genügen muss. Selbiges gilt für einen Zwinger (z.B. Fundhundezwinger in Tierheimen, auf Polizeistationen etc.).
  2. Da eine Hundebox in der Regel in einem Raum und nicht im Freien steht, würde – wenn überhaupt – §5 (Haltung von Hunden in Räumen) greifen. Tut er aber auch nicht, weil es dort eindeutig um Räume, „die nach ihrer Zweckbestimmung nicht dem Aufenthalt von Menschen dienen“ geht. Die Wohnung oder das Wohnhaus fallen – hoffentlich – nicht darunter. Sollte jemand tatsächlich seinen Hund in der Garage oder sonstwo halten, wo Menschen in der Regel nicht wohnen, greift §5 und nicht §6. Mit der Hundebox als solche hat das immer noch nichts zu tun.

Liest man sich die Liste der Mitglieder des „Tierschutzbeirats“ durch, dann finden sich diverse Doktortitel (überraschenderweise Tierärzte),  was voraussetzen sollte, dass diese Menschen in der Lage sind, einen Gesetzestext genau zu lesen und zu interpretieren. Und den Unterschied zwischen einer Verordnung und einem Gesetz zu kennen.

Stellt sich also die Frage, warum eine solch fragwürdige „Rechtsauffassung“ ihren Weg in die Öffentlichkeit findet.

Liest man sich den Artikel – und insbesondere das „Fazit“ – genauer durch, finden sich ein paar Hinweise:

Der Tierarzt soll also derjenige sein, der entscheiden darf, ob ein Hund in einer Box – ja, was denn? gehalten? untergebracht? – werden darf. Und bitte nicht der „Hundeerzieher“ oder gar Therapeut, „der nicht auch Tierarzt ist“. Verrückt, dass einige Mitglieder Tierärzte sind.

Logisch, denn das dauerhafte Halten eines Hundes in einer Box wäre schließlich ein Verstoss gegen das Tierschutzgesetz. Denn da steht gleich in §2 geschrieben:

„Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,

2. darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden“

Das Tierschutzgesetz schließt im Übrigen den „vernünftigen Grund“ aus, weswegen solche „Grundrechte“ für Hühner, Schweine und Rinder in der Massentierhaltung nicht gelten.

Den vernünftigen Grund kann der Tierarzt festlegen, weswegen auch tausende Hunde jedes Jahr ohne Not auf Anraten von Tierärzten kastriert werden.

Die Aussage, dass ein Hundetrainer eine solche Empfehlung gar nicht geben dürfe, ist nichts anderes als ein weiterer billiger Versuch, verunsicherte Hundehalter in die Tierarztpraxen zu locken.

Denn „tierschutzrechtlich“ ist es erstmal völlig wumpe, ob man einen Hund zeitweise in eine Box packt oder nicht. Es stellt nicht mal eine Ordnungswidrigkeit dar, da die TierschutzHundeVO gar nicht regelt, was minuten- oder stundenweise im Haushalt vor sich geht.

Eine Box mit einem Zwinger gleichzusetzen ist derweil völliger Blödsinn. Der Sinn des Zwingers ist die dauerhafte Unterbringung, weswegen die TierschutzHundeVo an diesem Punkt sinnvoll ist.

Der Sinn einer Hundebox ist, den Hund ohne Aufsicht und ggf. seine mit im Haushalt lebenden Artgenossen sowie das Inventar vor Schaden zu bewahren.

Daraus auf Tierleid zu schliessen, ist ziemlich hanebüchen.

Die dauerhafte Unterbringung eines Hundes in einer Box wäre – falls sich denn ein Richter fände – ein Verstoss gegen §2 des Tierschutzgesetzes, und viel wichtiger: Das gehört sich einfach nicht.

Ps.: Die Mitgliedschaft im Tierschutzbeirat ist eine ehrenamtliche Tätigkeit, vermutlich wurde aus diesem Grunde darauf verzichtet, die Freiwilligen auf Objektivität und Sachkunde zu überprüfen.

Provinz beginnt da, wo Viechdoktoren als Wissenschaftler angesehen werden.

Ich pack jetzt meine Hunde in ihre Boxen und geh schlafen.